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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des R in B, vertreten durch Dr. Mag. H, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Oktober 1995, Zl. 4.346.686/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der
"Jugosl. Föderation", der am 30. Mai 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 31. Mai 1995 den Asylantrag gestellt hat, hat den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. Juni 1995, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft.
Mit dem Bescheid vom 5. Oktober 1995 hat die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner Ersteinvernahme durch das Bundesasylamt am 1. Juni 1995 angegeben, er habe den Kosovo verlassen, weil er am 10. Mai 1995 einen Einberufungsbefehl bekommen habe. Er sei nicht zu Hause gewesen, sondern bei einem Onkel. Seine Eltern hätten den Einberufungsbefehl übernommen, der durch die Polizei überbracht worden sei. Im Zuge dieser Zustellung hätten die Polizisten auch gleich eine Hausdurchsuchung gemacht und dabei seinen Vater und seinen Bruder geschlagen. Am 11. Mai 1995 sei er nach Hause zurückgekehrt und habe von der Zustellung des Einberufungsbefehles erfahren. Er hätte sich danach am 15. Mai 1995 auf der Polizeistation von Kline melden müssen. Er wisse, daß die Zustellung eines Einberufungsbefehles keine Verfolgung darstelle, er sei jedoch "nicht sicher" gewesen. Er habe sich nicht länger zu Hause aufhalten können und habe versucht, so schnell wie möglich Geld für die Flucht aufzubringen. Vom 15. Mai bis 30. Mai 1995 habe er sich nur noch bei Verwandten im Kosovo aufgehalten und sei nie mehr nach Hause zurückgekehrt. Auf die Frage, aus welchem Grunde er den Militärdienst nicht habe ableisten wollen, antwortete der Beschwerdeführer:
"Unser Präsident Ibrahim Rugova hat uns verboten, den Militärdienst zu leisten. Er sagte, daß sich die Jungen nicht beim Militär melden sollen, weil wir dann getötet würden. Tausende Kosovo-Albaner leisteten der Einberufung Folge und kehrten tot zurück. Ich höre auf meinen Präsidenten. .....
Wenn jemand der Einberufung nicht Folge leistet, wird er von der Polizei abgeholt.
Ich hatte Angst, getötet zu werden."
Auf die Frage, warum und von wem er getötet hätte werden sollen, antwortete der Beschwerdeführer, von den Serben. Viele Kosovo-Albaner würden von Serben getötet. Er wisse nicht, wieso die Serben Kosovo-Albaner töteten, wenn diese den Militärdienst leisteten. Er habe derartige Berichte im Fernsehen gesehen und solche Berichte auch in der Zeitung gelesen. Die Serben hätten den Kosovo okkupiert. Sie könnten die Kosovo-Albaner jederzeit töten. Die Serben töteten Kosovo-Albaner willkürlich. Das sei überall bekannt.
Das Bundesasylamt begründete die Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers mit einer Verneinung seiner Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 sowie der Annahme des Ausschlußgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 infolge des Aufenthaltes des Beschwerdeführers vor seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Ungarn und dort bereits erlangter Verfolgungssicherheit.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid bestritt der Beschwerdeführer das Vorliegen von Verfolgungssicherheit in Ungarn, verwies zu seinen Fluchtgründen im wesentlichen auf sein erstinstanzliches Vorbringen und ergänzte dieses insoweit, es sei richtig, daß Kosovo-Albaner nicht mehr an der Waffe, sondern nur mehr in technischen Einheiten eingesetzt würden, weil sie nicht zu dem vertrauenswürdigen Personenkreis zählten. Von der serbischen Miliz werde angestrebt, den Kosovo komplett zu entwaffnen. Hunderte Kosovo-Albaner hätten an der Front in Bosnien gekämpft und niemand wisse, wo diese jungen Soldaten geblieben seien. Es werde vermutet, daß sie von solchen Kriegseinsätzen auf keinen Fall mehr zurückkehren hätten dürfen. Kosovo-Albaner würden immer häufiger und vermehrt zu militärischen Einsätzen herangezogen, nicht mehr zum Dienst an der Waffe, dafür aber zu sogenannten "Himmelfahrtskommandos", Sprengstoffentschärfungen und Minenfeldräumungen. Im übrigen verwies der Beschwerdeführer auf UNHCR- sowie internationale Medienberichte und Länderdokumentationen.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers insbesondere damit begründet, er sei nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991, da die Einberufung zur Militärdienstleistung für sich allein noch keine Verfolgung darstelle. Auch eine unter Umständen strenge Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion stelle keine Verfolgung im Sinne des § 1 AsylG 1991 dar. Die Beweggründe des Beschwerdeführers, der von ihm geforderten Militärdienstpflicht nicht nachzukommen, seien asylrechtlich insofern unbeachtlich, als sie für sich noch keine Rückschlüsse auf eine Verfolgungsmotivation des Staates zuließen. Seinem Vorbringen seien keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen gewesen, daß mit seiner Einberufung eine asylrechtlich relevante Verfolgung beabsichtigt gewesen wäre, und es sei auch nicht glaubwürdig ableitbar, daß er wegen eines in der Genfer Konvention bzw. in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Grundes im Hinblick auf seine Volksgruppenzugehörigkeit eine unterschiedliche Behandlung oder im Falle seiner Aufgreifung und Verurteilung eine differenzierte Bestrafung im Vergleich zu serbischen Volksgruppenangehörigen zu erwarten gehabt hätte. In der Jugoslawischen Föderation, somit auch im Kosovo, bestehe grundsätzlich allgemeine Wehrpflicht, wobei nach den gesetzlichen Bestimmungen keine ethnischen Unterschiede vorgesehen seien, also serbische und kosovo-albanische Volksgruppenangehörige gleichermaßen einberufen würden. Hinsichtlich der Volksgruppenzugehörigkeit würden bei der Verwendung der einrückenden Wehrpflichtigen grundsätzlich keine Unterschiede gemacht. Auch in der Strafverfolgung und -bemessung mache das Gesetz keinen Unterschied hinsichtlich ethnischer Kriterien. Refraktion oder Desertion könnten als Übertretung nach dem Militärpflichtgesetz oder als Straftatbestand nach dem jugoslawischen Strafgesetzbuch gesehen werden. Während das Militärpflichtgesetz Bußen und eine Gefängnisstrafe bis zu 30 Tagen vorsehe, seien nach jugoslawischem Strafgesetzbuch Gefängnisstrafen von drei Monaten bis zehn Jahren möglich. Ende Juni 1993 sei die Todesstrafe, soweit sie im jugoslawischen Bundesrecht vorgesehen gewesen sei, abgeschafft und durch eine Strafandrohung von 20 Jahren ersetzt worden.
Im übrigen nahm auch die belangte Behörde Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers in Ungarn im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 an.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorchriften bringt der Beschwerdeführer zur Frage seiner Flüchtlingseigenschaft lediglich folgendes vor:
"Viel wesentlicher für die Begründung dieser Beschwerde ist aber, daß der jetzige Beschwerdeführer schon in seiner Berufung ganz konkrete Umstände vorbrachte, wonach er als Zugehöriger zur Volksgruppe der Kosovo-Albaner ganz konkret Verfolgung zu erleiden habe. Die belangte Behörde hat es verabsäumt, dieses Vorbringen zu berücksichtigen und zumindestens ergänzend in Richtung dieses Vorbringens zu ermitteln, wozu sie nach § 20 Abs. 2 AsylG aber verpflichtet gewesen wäre.
Aufgrund diverser Berichte und auch Medienerstattungen ist geradezu amtsbekannt, daß die serbische Staatsführung in einem schon als offen zu bezeichnenden Konflikt mit der Republik Kosovo und ihren albanischen Bewohnern steht und es in diesem Zusammenhang zu laufenden Repressalien gegen diese Volksgruppe kommt. Diese Tatsachen müssen im Ergebnis auch in diesem Verwaltungsverfahren Berücksichtigung finden."
Insoweit der Beschwerdeführer damit geltend macht, die belangte Behörde sei verpflichtet gewesen, amtswegig auf eine Vervollständigung seiner Angaben oder Beischaffung anderer Bescheinigungsmittel zur Darlegung der politischen Situation der albanischen Minderheit im Heimatland des Beschwerdeführers zu dringen, ist ihm entgegenzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 AsylG 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von amtswegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung maßgeblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen, diese Gesetzesstelle jedoch keine Handhabe für die Begründung einer über diesen Rahmen hinausgehenden Ermittlungspflicht bietet. Nur im Falle hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 AsylG 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber eine Verpflichtung der Behörde nicht abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln. Ebensowenig kann aus § 16 AsylG 1991 eine Verpflichtung der Behörden abgeleitet werden, einen Asylwerber, der lediglich einen gegen ihn ergangenen Einberufungsbefehl ohne hinreichend deutliche Hinweise darauf, daß dieser aus einem im § 1 Z. 1 AsylG 1991 aufgezählten Verfolgungsmotiv heraus erlassen worden wäre, behauptet, anzuleiten, wie er seine Angaben konkret hätte gestalten sollen, damit diese von Erfolg gekrönt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1995, Zl. 95/01/0547). Liegen aber im Sinne des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 relevante Verfahrensverletzungen nicht vor, so hat die belangte Behörde gemäß Abs. 1 dieser Gesetzesstelle die Ergebnisse des Verfahrens erster Instanz ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Der belangten Behörde ist darin zuzustimmen, wenn sie die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Einberufung zum Militärdienst nicht als konkrete, gegen ihn selbst gerichtete Verfolgung gewertet hat und davon ausgegangen ist, daß keine asylrelevanten Umstände im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 geltend gemacht wurden. Daran ändert auch nichts, daß der Beschwerdeführer die asylrechtlichen Aspekte einer Einberufung erst in der Berufung nachgetragen hat, weil dieses Vorbringen im Sinne des § 20 Abs. 1 AsylG 1991 nicht mehr zu berücksichtigen war.
Der Hinweis in der Beschwerde auf das hg. Erkenntnis vom 25. August 1994, Zl. 94/19/0435, (im Zusammenhang mit der Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof) ist nicht berechtigt, da die belangte Behörde die Bestimmung des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 bereits in der bereinigten Fassung der Kundmachung
BGBl. Nr. 610/1994 angewendet hat.
Ausgehend von dieser Sach- und Rechtslage erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem weiteren von der belangten Behörde herangezogenen Abweisungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 und den darauf bezughabenden Ausführungen in der Beschwerde. Die Beschwerde war aus den obgenannten Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996010141.X00Im RIS seit
20.11.2000