TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/27 W198 2219783-1

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Veröffentlicht am 27.11.2020
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Entscheidungsdatum

27.11.2020

Norm

AlVG §12
AlVG §7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W198 2219783-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Josef HERMANN und Mag. Rudolf NORTH als Beisitzer in der Beschwerdesache von Mag. XXXX , vertreten durch die Mollik Wirtschaftsprüfungsgesellschaft m.b.H., gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Huttengasse vom 04.03.2019, VSNR: XXXX ,
in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) stattgegeben und der Bescheid vom 04.03.2019 wird aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des AMS vom 04.03.2019 wurde dem Antrag von Mag. XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 01.02.2019 gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 iVm § 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, dass die Einkünfte der Beschwerdeführerin aus ihrer selbständigen Tätigkeit, rollierend gerechnet, die monatliche Geringfügigkeitsgrenze von € 446,81 übersteigen würden. Es liege somit kein Leistungsanspruch vor.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 27.03.2019 fristgerecht Beschwerde. Darin führte sie aus, dass die selbständige Erwerbstätigkeit per 28.02.2019 aufgegeben worden sei. Für den Zeitraum 01.01.2019 bis 28.02.2019 betrage der Umsatz aus selbständiger Erwerbstätigkeit € 4.150,00 und der Verlust aus selbständiger Erwerbstätigkeit betrage € - 9.198,41. Es liege daher Arbeitslosigkeit vor.

3. Die Beschwerdesache wurde gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 06.06.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

4. Am 06.11.2020 langte eine mit 05.11.2020 datierte Stellungnahme der nunmehrigen Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde ausgeführt, dass am 02.11.2020 seitens der Finanzverwaltung sowohl der Einkommenssteuer- als auch der Umsatzsteuerbescheid 2019 betreffend die Beschwerdeführerin erlassen worden seien. Die selbständigen Einkünfte 2019 würden
€ - 3.212,12 (Verlust) betragen; die Umsätze würden sich auf € 4.150,00 belaufen. Es bestehe daher ein Anspruch auf Arbeitslosengeld.

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 09.11.2020 der belangten Behörde die Eingabe der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin vom 05.11.2020 übermittelt.

6. Am 10.11.2020 langte eine Stellungnahme der belangten Behörde beim Bundesverwaltungsgericht ein, in welcher zusammengefasst ausgeführt wurde, dass aufgrund des nunmehr übermittelten Einkommenssteuerbescheides 2019 der Beschwerde stattzugeben wäre.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin hat mit Geltendmachung 01.02.2019 beim AMS einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt.

Die Beschwerdeführerin war von 01.01.2017 bis 28.02.2019 selbständig erwerbstätig. Sie hat ihren Gewerbebetrieb mit 28.02.2019 aufgegeben.

Laut Einkommenssteuerbescheid 2019 erzielte die Beschwerdeführerin im Jahr 2019 keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit werden mit
€ - 3.212,12 (Verlust) angeführt.

Laut Einkommenssteuerbescheid 2019 erzielte die Beschwerdeführerin im Jahr 2019 Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von € 4.093,01. Die unselbständige Erwerbstätigkeit wurde ausschließlich im Jänner 2019 ausgeübt.

Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Einkommen im verfahrensrelevanten Zeitraum ab 01.02.2019 die maßgebliche Geringfügigkeitsgrenze von € 446,81 nicht überschritten.

2. Beweiswürdigung:

Der unter I. angeführte Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verfahrensakten des AMS und den Ermittlungen des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellung zur selbständigen Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin bis 28.02.2019 ergibt sich aus der Meldung an das Finanzamt vom 05.03.2019 über die Betriebsaufgabe per 28.02.2019.

Die Feststellung betreffend die Einkünfte der Beschwerdeführerin im Jahr 2019 ergibt sich aus dem rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart für das Jahr 2019, ausgestellt am 02.11.2020.

Es ist unstrittig, dass die unselbständige Erwerbstätigkeit ausschließlich im Jänner 2019 ausgeübt wurde.

Zu der Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin mit ihrem Einkommen im verfahrensrelevanten Zeitraum ab 01.02.2019 die maßgebliche Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten hat, wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das AMS Wien Huttengasse.

§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 56 Abs. 2 AlVG normiert ist, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören, zu entscheiden ist, liegt im vorliegenden Fall Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Absehen von einer Verhandlung:

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Der festgestellte Sachverhalt ist insbesondere aufgrund der am 06.11.2020 von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen und der dazu erfolgten Stellungnahme des AMS vom 10.11.2020 nunmehr unstrittig. Es handelt sich daher nur mehr um die Beurteilung einer reinen Rechtsfrage. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C83 vom 30.03.2010, S. 389, entgegen.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AlVG iVm § 12 AlVG unter anderem das Vorliegen von Arbeitslosigkeit. Eine Person, deren Einkommen aus selbständiger, unselbständiger oder freier Tätigkeit die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet, gilt nicht als arbeitslos.

Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 AlVG ist arbeitslos, wer eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat. Die Beschwerdeführerin hat ihre unselbständige Erwerbstätigkeit mit 31.01.2019 beendet.

Die im § 36a Abs. 5 Z 1 AlVG enthaltene Anordnung, dass das Einkommen durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides nachzuweisen ist, bedeutet eine zwecks Erleichterung des praktischen Vollzuges angeordnete Bindung der Behörden der Arbeitsmarktverwaltung an das Einkommensteuerrecht, wobei das im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Einkommen insoweit heranzuziehen ist, als es aus Einkünften aus selbständiger Tätigkeit resultiert (VwGH 17.02.2010, 2008/08/0054, mwH).

Als monatliches Einkommen eines selbständig Erwerbstätigkeiten gilt gemäß
§ 36a Abs. 7 AlVG bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit das anteilsmäßige Einkommen in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag.

Wie festgestellt, erzielte die Beschwerdeführerin im Jahr 2019 keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit werden im Einkommenssteuerbescheid 2019 mit € - 3.212,12 (Verlust) angeführt.

Die Beschwerdeführerin verfügte somit im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ab 01.02.2019 über ein Einkommen unter der maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze im Jahr 2019 von € 446,81 und lag gemäß § 12 Abs. 1 AlVG Arbeitslosigkeit daher vor. Die Beschwerdeführerin hatte daher ab 01.02.2019 Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum AlVG. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Arbeitslosengeld Arbeitslosigkeit Einkommenssteuerbescheid Geringfügigkeitsgrenze selbstständig Erwerbstätiger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W198.2219783.1.00

Im RIS seit

05.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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