TE Bvwg Beschluss 2020/11/30 W272 2214527-1

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Veröffentlicht am 30.11.2020
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Entscheidungsdatum

30.11.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W272 2214527-1/12E

B E S C H L U S S!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Braunstein als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert BITSCHE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Oberösterreich vom 19.12.2018, Zahl XXXX , beschlossen:

A)

Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gem. § 28 Abs. 1 iVm. § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 22.10.2015 wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zunächst zu seinen persönlichen Verhältnissen angab, dass er in Afghanistan geboren sei. Des Weiteren gab er an, dass er einen Bruder, XXXX , in Österreich habe und ein weiterer Bruder mit ihm mitgereist sei. Eine Schwester lebe in Afghanistan. Er sei ledig und bekenne sich zum muslimischen Glauben. Er habe drei Jahr lang die Grundschule in Kabul besucht und spreche Farsi.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass er mit seinem Bruder Afghanistan verlassen habe müssen. Sein Bruder XXXX sei mit der Cousine väterlicherseits bereits als Kleinkind verlobt gewesen. Dieser Bruder habe drei Jahre in Pakistan gearbeitet, als sein Vater ihn gebeten habe nach Afghanistan zurückzukehren, damit er seine Cousine heiraten könne. Sein Bruder sei nach Hause gekommen. Die andere Familie habe die Heirat aber nicht mehr gewollt, weil sein Bruder arm gewesen sei. Sein Bruder habe dann mit dem Mädchen etwas gemacht, was genau wisse er nicht. Sein Bruder sei danach in den Iran geflüchtet. Der Cousin und dessen Vater haben nach ihm gesucht und wollten ihn töten. Der Bruder dieses Mädchen lebe im Iran, konnte den Bruder jedoch nicht finden. Da sei der Bruder des Mädchens nach Afghanistan gekommen und habe den BF und seine Familie töten wollen. Aus diesem Grund sei er mit seinem Bruder geflüchtet.

3. Mit Beschluss des BG Innere Stadt vom 30.12.2015, Zahl 88 PS 106/15t-12 wurde die Obsorge über den BF vorläufig dem Jugendwohlfahrtsträger Wien übertragen.

4. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 06.09.2018 wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen betreffend seine persönlichen Verhältnisse im Rahmen der Erstbefragung und gab an, dass er Dari spreche, ledig sei und keine Kinder habe. In Österreich habe er zwei Brüder, wovon ein Bruder anerkannter Flüchtling sei und der zweite Bruder Asylwerber. In Afghanistan habe er vier Jahre die Grundschule besucht. In Teheran habe er als Hilfsarbeiter gearbeitet. Seine Schwester XXXX lebe noch in der Heimat und sei verheiratet. Er habe keinen Kontakt mit seinen Verwandten in Afghanistan. Als Fluchtgrund gab er an, dass sein Bruder mit einer Cousine verlobt gewesen sei. Der Vater habe gewollt, dass nun die Ehe vollzogen werde und habe daher den Bruder, welcher in Pakistan lebte, ersucht nach Hause zu kommen. Die andere Familie habe jedoch nicht mehr gewollt, dass es zu dieser Hochzeit komme. Der Bruder sei jedoch nach Hause gekommen und habe alle Geschenke zurückwollen, welcher er seiner Cousine gemacht habe, dabei sei es zum einvernehmlichen Sex gekommen. Plötzlich sei der Vater der Cousine und deren Mutter dazwischengekommen. Sein Bruder habe aus Angst flüchten müssen und sei umgehend in den Iran gegangen. Der Vater der Cousine habe die Familie beschimpft und haben den Bruder gesucht und haben diesen glaublich töten wollen. Die Familie der Cousine, insbesondere der Bruder habe die Familie und den BF bedroht, daher haben sie selbst flüchten müssen. Sie seien 18 Monate im Iran gewesen. Da der Vater nicht mehr für sie sorgen habe können, seien sie nach Europa geflüchtet. Bei der Flucht sei der Vater von der Grenzpolizei erschossen worden. In Österreich sei er gut integriert, habe österreichische Freunde, gehe derzeit in die Schule und habe Deutschkurse besucht.

Mitvorgelegt wurden:

?        Ambulanzbefund vom 31.07.2018

?        Bestätigung Schulbesuch 2018/19

?        Zeugnis 2017/18

?        Schulnachricht 2017/18

?        Vorläufiges Jahreszeugnis 2016/17

?        Schulbesuchsbestätigung 2015/16

?        Verschiedene Integrationsschreiben

?        Bestätigung Schuldnerhilfe 29.05.2018 und 12.06.2018

?        Finanzführerschein vom 31.01.2018 und 28.05.2018

?        Bestätigung Hochschule OÖ

?        Bestätigung Deutsch für Jugendliche Stufe 2

?        Zeitungsberichte OÖ Nachrichten vom 08.07.2017 und Kronen Zeitung vom 09.07.2017

5. Mit Stellungnahme vom 17.09.2018 wurde vorgebracht, dass zusätzlich zur eingebrachten Länderinformation der Staatendokumentation auf das Gutachten der länderkundlichen Sachverständigen Friederike Stahlmann für das Verwaltungsgericht Wiesbaden zu berücksichtigen ist.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde dem BF der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt. Unter Spruchpunkt IV. wurde gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Im Wesentlichen wurde die Entscheidung dahingehend begründet, dass eine asylrelevante Verfolgung iSd Gründe der GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder der politischen Gesinnung nicht festgestellt werden konnte. Auch bei Rückkehr sei eine solche Verfolgung nicht gegeben. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass der BF im Falle der Rückkehr in sein Heimatland dort einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, Art 3 EMRK oder Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Der BF würde im Fall der Rückkehr in die Republik Afghanistan nicht in eine die Existenz bedrohliche Notlage geraten.

7. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Er brachte vor, dass insbesondere auf die Tatsache seiner Minderjährigkeit die belangte Behörde nicht eingegangen sei und für ihn als minderjähriger Mann, es nicht möglich sei, ein Leben in Afghanistan zu führen ohne in eine Existenz bedrohliche Notlage zu geraten. Er könne sich nicht mit den notwendigsten Nahrungsmitteln versorgen, würde keine Arbeit erhalten und hätte kein Zugang zu Trinkwasser und Unterkunft. Die Unterstützung durch IOM sei nicht ausreichend und nur vorübergehend. Auch würde aus den EASO Leitlinien ersichtlich sein, dass Blutfehden, wie in seinem Fall sich über Generationen erstrecken und daher mit Gewalt gegen ihn oder gar die Tötung zu rechnen sei. So sei sein Vorbringen glaubwürdig und stelle einen Asylgrund dar. Aber auch aufgrund der Tatsache, dass seine Brüder in Österreich leben und keine Verwandten, mit Ausnahme seiner Schwester und Tante, in Afghanistan zu vorhanden seien, spreche gegen eine Rückkehrentscheidung. Der BF sei unbescholten und habe in Österreich Zivilcourage gezeigt.

8. Mit Schreiben vom 22.10.2020 wurde seitens der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH mitgeteilt, dass mit dem BF kein Kontakt besteht und keine Vollmacht mehr besteht. Ein entsprechendes Schreiben erging auch an die Volkshilfe.

9. Das Gericht konnte keinen Kontakt mit dem BF herstellen oder den Aufenthaltsort des feststellen.

10. Am 18.11.2020 erfolgte eine mündliche Verhandlung des Bruders vor dem BVwG. Im Rahmen der Verhandlung wurde mitgeteilt, dass der BF sich nicht mehr in Österreich aufhält, sondern in Deutschland.

11. Mit Schreiben des RA, Mag. Robert Bitsche, eingelangt am 25.11.2020, wurde mitgeteilt, dass der BF den ausgewiesenen Rechtsanwalt mit seiner weiteren Vertretung beauftragt hat und um Kenntnisnahme sowie Zustellung ersucht. Weites wurde mitgeteilt, dass der BF nunmehr in Deutschland lebt und seine Beschwerde zurückgezogen wird.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der BF führt den Namen XXXX und wurde am XXXX in Afghanistan geboren. Er stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 22.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit gegenständlichen Bescheid vom 19.12.2018 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Eine Rückkehrentscheidung nach Afghanistan erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung zulässig ist. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Dem BF wurde eine Frist zur Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

Mit Schreiben vom 14.01.2019, vertreten durch die gesetzliche Vertretung Volkshilfe OÖ-FMB GmbH- Rechtsberatung, wurde vollinhaltlich Beschwerde erhoben.

Mit Schreiben vom gewillkürten Rechtsvertreter RA, Mag Robert BITSCHE, eingelangt beim BVwG am 25.11.2020 wurde auf die erteilte Vollmacht verwiesen und mitgeteilt, dass der BF seine Beschwerde zurückzieht.

2.       Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch im Regime des VwGVG die Zurückziehung einer Beschwerde zulässig (VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047) und wird diese mit dem Zeitpunkt ihres Einlangens beim Verwaltungsgericht wirksam. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Einschreiter ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich. Ab diesem Zeitpunkt ist - mangels einer aufrechten Beschwerde - die Pflicht des Verwaltungsgerichts zur inhaltlichen Entscheidung weggefallen (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 7 K 6). Allerdings ist das Verfahren diesfalls gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss einzustellen, dieser Beschluss ist allen Verfahrensparteien zur Kenntnis zu bringen (VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047).

Auf Grund der ausdrücklichen Zurückziehung der Beschwerde, mit Schreiben des RA Mag. Robert BITSCHE, eingelangt am 25.11.2020, ist das Beschwerdeverfahren, betreffend den Bescheid vom 19.12.2018 mit Beschluss einzustellen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Verfahrenseinstellung Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W272.2214527.1.00

Im RIS seit

05.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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