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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des F in A, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. November 1995, Zl. 4.345.502/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 14. November 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 15. November 1994 die Gewährung von Asyl.
Der Beschwerdeführer gab anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme an, er sei Moslem und gehöre der albanischen Volksgruppe an. Er habe am 13. Oktober 1994 einen Einberufungsbefehl erhalten. Nach ca. drei bis vier Tagen seien drei bis vier Polizisten zu ihm nach Hause gekommen. Er habe sich durch seine Mutter verleugnen lassen. Es sei ihm mitgeteilt worden, daß er sich sofort zum Militärdienst melden solle. Nach zehn Tagen seien dieselben Polizisten wieder gekommen. Es sei eine Frist von 15 Tagen gesetzt worden; falls er nicht selber erscheine, werde er nach Fristablauf zum Militärdienst abgeholt. Er habe dann teils zu Hause, teils bei verschiedenen Verwandten gelebt und sei am 12. November 1994 geflüchtet. Bis zu seiner Flucht sei nichts passiert, was danach passiert sei, wisse er nicht. Er wolle deshalb nicht zum Militärdienst, weil er Angst habe, an die Front nach Bosnien geschickt zu werden. Von seiner Ortschaft seien ein paar Personen nach Nis einberufen und an die Front nach Bosnien geschickt worden, was sie ihren Familien mitgeteilt hätten. Dies sei vor ca. zwei Monaten geschehen. Er wolle nicht an der Front sterben. Er habe keine anderen Gründe bezüglich seines Asylantrages anzugeben und den Dolmetsch einwandfrei verstanden.
Die Behörde erster Instanz wies den Antrag ab. Sie begründete ihre Entscheidung damit, daß der Beschwerdeführer sein Heimatland wegen eines Einberufungsbefehles verlassen und Angst vor einer Verschickung an die Front nach Bosnien habe. Die Flucht eines Asylwerbers vor einem ihm drohenden Militärdienst sei ebensowenig ein Grund für die Anerkennung als Flüchtling wie die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden (unter Umständen) auch strengen Bestrafung. Der Behauptung des Beschwerdeführers müsse entgegengehalten werden, daß die Armee der "Jugoslawischen Föderation" nicht in einem kriegerischen Einsatz in Bosnien stehe. Kosovo-Albaner würden nur mehr in technischen Einheiten eingesetzt und nicht an Waffen ausgebildet, sowie nur zu Hilfsdiensten herangezogen. Er habe auf keinen Fall das zu befürchten gehabt, was er als "Fluchtgrund" angegeben habe. Daß er als Angehöriger der albanischen Volksgruppe Diskriminierungen ausgesetzt gewesen sei oder solche zu befürchten habe bzw. seine Einberufung wegen seiner Ethnie erfolgt wäre, habe er "mit keinem Wort behauptet".
In der dagegen erhobenen Berufung rügte der Beschwerdeführer die Kürze der Niederschrift, sowie daß nicht das Bemühen zu erkennen gewesen wäre, nach seinen Motiven genauer nachzufragen. Vorrangig sei seine persönliche, massive Angst gewesen, es gebe nur schlimme Berichte über die Behandlung der Albaner. Er lehne es ab, Militärdienst für die serbischen Interessen zu leisten. Durch diese Weigerung setze er sich einer massiven Gefährdung aus, die sich nicht allein am Strafausmaß orientiere. Auch eine Gefängnisstrafe von 30 Tagen bzw. schon die Vorladung zur Polizei könne verhängnisvolle Folgen haben. Zum Einsatz in Bosnien könne er nur sagen, daß er "das so gehört habe und daß es vielleicht eine Differenz gibt zwischen dem, was offiziell gesagt wird, zwischen offiziellen Einsätzen und stiller Unterstützung. Jedenfalls habe ich nicht bewußt die Unwahrheit gesagt".
Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie erhob die Wiedergabe der vom Beschwerdeführer bei der niederschriftlichen Vernehmung getätigten Aussage im erstinstanzlichen Bescheid zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides. Das Bundesasylamt habe in der Begründung seines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefaßt. Die belangte Behörde schließe sich diesen Ausführungen vollinhaltlich an und erhebe sie zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides.
Darüber hinausgehend ging die belangte Behörde auf das Berufungsvorbringen ein. Eine Mangelhaftigkeit in der Erfassung der Angaben des Beschwerdeführers liege nicht vor. Denn es könne nicht Zweck der erstinstanzlichen Einvernahme sein, den Beschwerdeführer durch gezielte Fragestellung zu Antworten zu bewegen, welche zur Asylerlangung führen müßten, zumal er seine Fluchtgründe habe frei vorbringen können und er durch seine Unterschrift bestätigt habe, daß er seinen Angaben nichts mehr hinzufügen könne. Von der erstinstanzlichen Behörde sei in geeigneter Weise, nämlich durch die Frage, ob er seinem Vorbringen noch etwas hinzufügen könne, auf die Vollständigkeit seiner Angaben hingewirkt worden. Der Beschwerdeführer habe jedoch nichts hinzufügen können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer rügt eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weil die Verständigung mit dem beigezogenen Dolmetscher "nicht 100 %ig" gewesen sei und nicht alle Angaben des Beschwerdeführers protokolliert worden seien. Er habe zwei Freunde gehabt, welche im Krieg gefallen seien. Er habe verständlicherweise Todesangst vor dem Regime in seiner Heimat und erkenne nunmehr, daß "hier große Verständigungsschwierigkeiten bei der Ersteinvernahme vorlagen".
Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer diesen Verfahrensmangel in der Berufung nicht gerügt hat (in dieser rügte er mangelnde Genauigkeit der Nachfrage nach seinen Motiven), handelt es sich beim nunmehrigen Vorbringen lediglich um die nähere Ausführung samt Beweisanbote für das bereits anläßlich der erstinstanzlichen Einvernahme erstattete Vorbringen, daß der Beschwerdeführer Angst vor einer Verschickung an die Front nach Bosnien gehabt habe. Damit zeigt der Beschwerdeführer jedenfalls die Relevanz des behaupteten etwaigen Verfahrensmangels nicht auf, da die belangte Behörde selbst bei Berücksichtigung dieser Angaben nicht zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, daß die Einberufung zur Militärdienstleistung im konkreten Fall keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstelle, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes stellt für sich allein keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar, da die Militärdienstpflicht alle in einem entsprechenden Alter befindlichen männlichen Staatsbürger in gleicher Weise trifft. Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in dem betroffenen Heimatstaat ein Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen die Behandlung während der Militärdienstleistung nachteiliger bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377 = Slg. Nr. 14.089/A). Anders als in dem Fall, der dem angeführten Erkenntnis des verstärkten Senates zugrundelag, hat der Beschwerdeführer Ausführungen, die auf das Vorliegen von in der Aufforderung, sich zum Militärdienst zu melden, liegender Verfolgung im Sinne obiger Judikatur hindeuten würden, nicht gemacht und insbesondere aus seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe nicht abgeleitet, er müsse wegen dieser Volkszugehörigkeit Verfolgung durch Andersbehandlung als andere Staatsbürger befürchten.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996010380.X00Im RIS seit
20.11.2000