TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/30 W192 2236769-1

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Veröffentlicht am 30.11.2020
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Entscheidungsdatum

30.11.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch


W192 2236769-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatangehörigkeit: Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Mahrer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2020, Zl. 1254928305/191261895, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 33 Absatz 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 09.12.2019 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt VI.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Der Spruch dieses Bescheides ist sowohl in der deutschen als auch in der paschtunischen Sprache abgefasst. Der Bescheid enthält ebenso eine Rechtsmittelbelehrung auf Deutsch und Paschtunisch, in der darauf hingewiesen wird, dass die Beschwerde gegen den Bescheid innerhalb von vier Wochen nach dessen Zustellung schriftlich einzubringen ist.

Der Bescheid sowie eine in deutscher und paschtunischer Sprache abgefasste Verfahrensanordnung nach § 52 Abs. 1BFA-VG wurde dem BF durch Zurücklassung an der Abgabestelle gemäß § 26a Abs. 1 Z 1 ZustG idF BGBl. I Nr. 16/2020 am 27.04.2020 zugestellt. Als Abgabestelle wurde gemäß der Zustellverfügung (Aktenseite 339) die Adresse des Hauptwohnsitzes des Beschwerdeführers bezeichnet.

Der Beschwerdeführer brachte mit Schriftsatz seines nunmehrigen Rechtsvertreters vom 16.08.2020 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und eine Bescheidbeschwerde beim BFA ein. Begründend führte er aus, dass er sich aufgrund des genannten Bescheides zu einem näher bezeichneten Verein begeben habe und aufgrund eines Gespräches vor Ort und dem Auftrag, ein Rechtsmittel einzubringen, davon ausgegangen sei, dass der genannte Verein eine Beschwerde gegen den Bescheid einbringen werde. Am 06.08.2020 habe er indes ein Schreiben erhalten, aus dem sich ergeben habe, dass er aus der Grundversorgung ausgeschlossen worden sei, da angeblich sein Asylverfahren rechtskräftig erledigt sei. Dies habe nur bedeuten können, dass der genannte Verein aus welchem Grund auch immer keine Beschwerde gegen den Bescheid eingebracht habe. Da er erst über Umwege, nämlich durch Zustellung dieses Schreibens in Kenntnis gesetzt worden sei, dass offenbar kein Rechtsmittel eingebracht worden sei, sei ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis vorgelegen. Da dem Beschwerdeführer an dem Vorfall kein Verschulden treffe, stelle er den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung der Bescheidbeschwerde.

Mit Schreiben vom 18.08.2020 forderte das BFA den Beschwerdeführer um Bekanntgabe näherer Details über die angegebene Kontaktaufnahme mit dem genannten Verein und zur Vorlage allfälliger Beweismittel sowie weiters den genannten Verein zu einer Stellungnahme zu den Angaben des Beschwerdeführers auf.

Der genannte Verein teilte mit Schreiben vom 21.08.2020 mit, dass dort keine Informationen über den Beschwerdeführer vorliegen würden, insbesondere kein Akt und keine Eintragung in der Datenbank. Es könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer vorgesprochen habe, da über Personen, die nur Beratung wünschen, aber keine Vollmacht unterschreiben, normalerweise keine Aufzeichnungen geführt würden. Die behauptete Kontaktaufnahme könne auch nicht bestätigt werden, auf Nachfragen bei verschiedenen Mitarbeitern im Büro sei der Name des Beschwerdeführers nicht bekannt.

Wenn jemand dem Verein den Auftrag erteile, ein Rechtsmittel zu erheben oder tätig zu werden, werde üblicherweise ein Akt mit Kopien der relevanten Unterlagen und Kontaktinformationen angelegt und durch den Klienten eine schriftliche Vollmacht in zweifacher Ausfertigung unterschrieben. Daraufhin würde die Rechtsmittelfrist im Kalender eingetragen und die Beschwerde zum erforderlichen Zeitpunkt übermittelt.

Die Darstellung des Beschwerdeführers sei nicht nachvollziehbar.

Dem Beschwerdeführer wurde zu dieser Mitteilung des genannten Vereins mit Schreiben der Behörde vom 09.09.2020 Parteiengehör eingeräumt.

Mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 04.10.2020 teilte der Beschwerdeführer mit, dass leider nicht mehr exakt rekonstruierbar sei, wann genau eine Beauftragung des Vereins zur Erhebung der Beschwerde stattgefunden habe. Der Beschwerdeführer dürfte offenbar mehrere Hilfsorganisationen, zum Teil auch gemeinsam mit anderen Schutzsuchenden aufgesucht haben. Dass sich der Beschwerdeführer bemüht habe, rechtzeitig die Beschwerde einzubringen, stehe aus Sicht des einschreitenden Rechtsvertreters außer Zweifel.

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Wiedereinsetzungsantrag des BF vom 30.10.2017 gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen. Die Behörde beurteilte das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er einen rechtzeitigen Auftrag zur Beschwerdeerhebung an den genannten Verein erteilt habe, im Hinblick auf die Stellungnahme dieses Vereines und das Fehlen entsprechender Beweismittel aus der Sphäre des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft. Selbst bei hypothetischer Unterstellung des Vorbringens als wahr, wäre es dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar gewesen, durch rechtzeitige Nachfrage die Fristwahrung sicherzustellen und es läge auch dies Falls kein unabwendbares Ereignis vor.

1.3. Mit Schriftsatz vom 04.11.2020 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung eine Beschwerde gegen diesen Bescheid.

In dieser Beschwerde wurde der auf den vorgebrachten Wiedereinsetzungsgrund bezogenen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids nicht konkret entgegengetreten, aber vorgebracht, es sei das Verfahren der Behörde deshalb mangelhaft gewesen, da negative Feststellungen getroffen worden seien. Dies sage nichts darüber aus, ob die bezughabenden Tatsachen „bescheinigbar und bescheinigt seien oder nicht" und es habe die Behörde den einschlägigen Prüfungsmaßstab der „Glaubhaftmachung" zum Nachteil des Beschwerdeführers verkannt.

Weiters wurde vorgebracht, dass die Feststellung über die Zustellung des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl am 27.04.2020 mangelhaft sei, da sie keine Feststellung zur Abgabestelle bzw. Zustelladresse enthalte. Ein „Spritzen" dieser Sachverhaltsingredienzien bedeute einen – unheilbaren - Fehler für eine letztlich wirksame Zustellung.

2. Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsakts und des Gerichtsakts. Entscheidungswesentliche Widersprüche sind nicht aufgetreten.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1.1. Bei Versäumen der Beschwerdefrist ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt. Nach der Rechtsprechung des VwGH sind allerdings die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar (VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086; 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).

§ 33 VwGVG („Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“) lautet auszugsweise wie folgt:

(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. … Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

3.1.2. Ein Ereignis ist unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann (VwGH 31.03.2005, 2005/07/0020). Anders als das Tatbestandsmerkmal des „unabwendbaren“ erfasst jenes des „unvorhergesehenen“ Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020). Die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit ist dann noch gewahrt, wenn der Partei (oder ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens unterläuft (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134; VfGH 27.02.1985, G 53/83-13 u.a.).

Nach der stRsp des VwGH stellt der Umstand, dass die Partei die deutsche Sprache überhaupt nicht oder nur mangelhaft beherrscht, keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar (VwGH 22. 5. 1997, 97/18/257; 1. 8. 2000, 2000/21/0097; 19. 9. 2007, 2007/08/0097). Es genügt, dass dem Sprachunkundigen bewusst gewesen sein musste, rechtlich bedeutsame behördliche Schriftstücke erhalten zu haben (vgl VwGH 24. 2. 2000, 96/21/0430; 11. 10. 2001, 98/18/0355; 19. 11. 2003, 2003/21/0090). Besteht Ungewissheit über den Inhalt und die Bedeutung des behördlichen Schreibens, darf die Partei diese nicht auf sich beruhen lassen (VwGH 28. 1. 2003, 2002/18/0291; 27. 1. 2004, 2003/21/0167). Erkennt eine sich auf mangelnde Sprachkenntnisse berufende Partei die ihr zugestellte behördliche Erledigung als Bescheid (behördliches Schriftstück), ist sie auch verpflichtet, sich – allenfalls unter Heranziehung eines Dolmetschers – mit dem Inhalt der Erledigung einschließlich der Rechtsmittelbelehrung vertraut zu machen (VwGH 25. 1. 1996, 95/19/1597; 10. 5. 2000, 95/18/0972; 27. 1. 2004, 2003/21/0167). Vor allem der Rechtsmittelbelehrung (VwGH 10. 5. 2000, 95/18/0972) sowie dem Tag der Bescheidzustellung hat ein Fremder, der die deutsche Sprache nur ungenügend beherrscht, besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Weil aus der Rechtsmittelbelehrung (Rechtsbelehrung nach § 61a AVG) die Zulässigkeit und die Art des zur Verfügung stehenden Rechtsmittels sowie die Einbringungsbehörde und die Dauer der Frist hervorgehen und weil das Zustelldatum besondere Bedeutung für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist hat, trifft ihn diesbezüglich eine erhöhte Sorgfaltspflicht (VwGH 7. 8. 2001, 98/18/0068; vgl auch Rz 41; vgl Rz 51). Hat es eine der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtige Partei verabsäumt, diesbezüglich entsprechende Erkundigungen einzuholen, trifft sie ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden (vgl VwGH 12. 12. 1997, 96/19/3394; 10. 5. 2000, 95/18/0972).

Ergänzend ist anzumerken, dass der Übersetzung entscheidende Bedeutung zukommt, wenn im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist, dass Bescheide unter bestimmten Voraussetzungen sowohl in deutscher als auch in einer anderen Sprache auszufertigen sind (vgl § 16 VolksgruppenG) oder den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung in einer der Partei, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist (dem Asylwerber), verständlichen Sprache zu enthalten haben (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 77).

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird, sodass den Antragsteller die Obliegenheit trifft, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Auf nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist geltend gemachte Wiedereinsetzungsgründe und neue, den Wiedereinsetzungsgrund untermauernde Argumente ist daher nicht einzugehen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/12/0026).

3.2. Die Anwendung dieser Grundsätze und der zu § 71 Abs. 1 AVG ergangenen und – insoweit auf § 33 Abs. 1 VwGVG übertragbaren – Rechtsprechung auf den hier vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der Beschwerdeführer begründet seinen Antrag damit, dass er einen näher bezeichneten Verein zur Einbringung eines Rechtsmittels beauftragt habe, wobei der Verein aus welchem Grund auch immer keine Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 23.04.2020 eingebracht habe. Die Behörde ist im angefochtenen Bescheid vor dem Hintergrund der eingeholten Stellungnahme des genannten Vereines und dem gänzlichen Fehlen von Belegen für ein derartiges Ereignis aus der Sphäre des Beschwerdeführers zu Recht davon ausgegangen, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft war. Die Beschwerde ist der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides in keiner Weise konkret entgegengetreten und hat es nicht aufzuzeigen unternommen, unter welchen Umständen der Beschwerdeführer entgegen dem Fehlen jeglicher Dokumentation im Bereich des genannten Vereines dort einen Auftrag zur Einbringung eines Rechtsmittels erteilt haben sollte. Er hat auch seine Angaben nicht durch Vorlage einer Kopie der nach den üblichen Abläufen der Übernahme von Rechtssachen durch den bezeichneten Verein ausgehändigten Vollmacht belegen können.

Der Beschwerdeführer handelte auffallend sorglos, indem er die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht ließ, zumal auch aufgrund der in einer dem Beschwerdeführer verständlichen Sprache übersetzten Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 23.04.2020 davon auszugehen ist, dass ihm sowohl das Institut eines Rechtsmittels als auch die Folgen bei Unterlassung der Erhebung eines solchen bekannt waren. Darüber hinaus ist dem Beschwerdeführer mit dem Bescheid des BFA vom 23.04.2020 auch eine auch in einer ihm verständlichen Sprache abgefasste Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG zugegangen, in der auf die Möglichkeit hingewiesen wurde sich durch den zugewiesenen Rechtsberater im Beschwerdeverfahren vertreten zu lassen.

Der Beschwerdeführer, der nach eigenen Angaben im Asylverfahren die paschtunische Sprache in Wort und Schrift beherrscht und im Herkunftsstaat neun Jahre lang Schulen besucht hat, verfügte daher über ausreichende Informationen über eine Wahrnehmung seiner Rechte im Verfahren, die er allerdings offenkundig nicht genützt hat.

Soweit in der Beschwerde die Zustellung des Bescheids des BFA vom 23.04.2020 angesprochen wird, ist zunächst festzuhalten, dass ein konkreter Zustellmangel nicht behauptet wird. Die nicht konkret fallbezogen ausgeführten und damit spekulativen Ausführungen über etwaige Fehler der Zustellverfügung liegen auch nicht vor, da im Akt eine korrekte Zustellverfügung bezogen auf die Adresse des damaligen Wohnsitzes des Beschwerdeführers enthalten ist und auch keinerlei Mängel des Zustellvorganges ersichtlich sind. Überdies hat der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausdrücklich behauptet, dass der Bescheid des BFA vom 23.04.2020 ihm tatsächlich zugegangen ist.

Der Beschwerdeführer hat somit keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht. Darüber hinaus wurden mit dem Antrag vom 16.08.2020 keine Bescheinigungsmittel für den geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund vorgelegt oder auch nur angeboten. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand waren daher nicht gegeben, sodass die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht abgewiesen hat. Mit der vorliegenden Entscheidung wird lediglich die Rechtsgrundlage entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur von § 71 Abs. 1 AVG auf § 33 Absatz 1 VwGVG geändert.

4. Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12.11.2014, Ra 2014/20/0029, vom 02.09.2015, Ra 2014/19/0127, vom 15.03.2016, Ra 2015/19/0180, vom 18.05.2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20.06.2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht keinerlei neue Beweismittel beigeschafft und sich für seine Feststellungen über die Person des Beschwerdeführers auf jene des angefochtenen Bescheids gestützt. Die Beschwerde ist der Richtigkeit dieser Feststellungen und der zutreffenden Beweiswürdigung der Behörde nicht ansatzweise substanziiert entgegengetreten (VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/01/0102) und hat keine zulässigen neuen Tatsachen vorgebracht. Insofern wurden keine Sachverhaltselemente aufgezeigt, welche einer mündlichen Erörterung bedürften.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Fristversäumung Glaubwürdigkeit Rechtsmittelfrist Sorgfaltspflicht Verschulden Voraussetzungen Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W192.2236769.1.00

Im RIS seit

05.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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