TE Vwgh Beschluss 2021/1/14 Ra 2020/02/0294

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.01.2021
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §28 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §28 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §28 Abs3
VwGVG 2014 §28 Abs4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des L in I, vertreten durch Dr. Lucas Tschol, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 20, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 2. November 2020, LVwG-2019/34/2508-43, betreffend Verbot der Tierhaltung nach dem TSchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck; mitbeteiligte Partei: Tierschutzombudsperson Dr. Martin Janovsky, Wilhelm-Greil-Straße 17, 6020 Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1.1. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) vom 2. November 2020 wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde des Revisionswerbers in Abänderung des Spruches des Bescheides der belangten Behörde insofern teilweise Folge gegeben, als ihm gemäß § 39 Abs. 1 Tierschutzgesetz (TSchG) die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere im Sinne des § 4 Z 6 TSchG auf Dauer verboten wurde. Die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde vom LVwG für nicht zulässig erklärt.

2        1.2. Begründend führte das LVwG u.a. aus, der Revisionswerber sei Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes und für die dort gehaltenen Tiere verantwortlich. Er weise zahlreiche, jeweils näher dargestellte rechtskräftige Verwaltungsstrafen nach dem TSchG, der Tierkennzeichnungs- und Registrierungsverordnung 2009 (TKZVO), dem Tiergesundheitsgesetz und dem Tierarzneimittelkontrollgesetz auf. Ein gerichtliches Strafverfahren wegen der Vergehen nach § 222 Abs. 1 Z 1 StGB habe mit Diversion geendet. Mit Urteil vom 22. Juli 2020 sei der Revisionswerber nunmehr wegen der Vergehen der Tierquälerei nach § 222 Abs. 1 Z 1 StGB verurteilt worden. Der Revisionswerber sei nicht in der Lage oder nicht willens, eine tierschutzkonforme Haltung der Tiere sicherzustellen. Bei Kontrollen zeige er eine völlige Uneinsichtigkeit hinsichtlich der wiederholt festgestellten Mängel, eine absolute Gleichgültigkeit gegenüber geltendem Recht (TSchG) sowie keinerlei Empathie für seine Tiere. Wenn absoluten Grundbedürfnissen der Tiere, wie medizinische Versorgung im Krankheitsfall, fachgerechte Klauenpflege, adäquate Wasserversorgung, entsprechende Liegeflächen oder Haltungsbedingungen ohne Verletzungsgefahr selbst nach mehrmaliger behördlicher Aufforderung - wie hier - nicht entsprochen werde, liege beim Halter keine Eignung für die Haltung von Tieren vor. Es gebe seit vier Jahren keine Verbesserung der Tierhaltung durch den Revisionswerber. Das LVwG habe sich in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschafft, der näher ausgeführt wurde.

3        1.3. Das LVwG erläuterte seine Beweiswürdigung und führte rechtlich aus, es läge die in § 39 Abs. 1 TSchG für die Erlassung eines Tierhalteverbotes geforderte Anlasstat vor Erlassung des Bescheides vor. Das seitens des Revisionswerbers gesetzte Verhalten, das Unterlassen der nachhaltigen Umsetzung aufgetragener Maßnahmen ebenso wie das wiederholte Negieren von Missständen ließe nicht nur auf eine mangelnde Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen zur Abstellung der Missstände, sondern auch auf das Verkennen der Pflichten eines Tierhalters und eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber den durch das TSchG geschützten Werten und damit auf eine Sinnesart schließen, die - im Interesse des Tierschutzes - die Verfügung des Verbotes der Tierhaltung unabdingbar mache, um einem weiteren tierquälerischen Verhalten Einhalt zu gebieten. Dieser Zweck könne weder mit den Mitteln des (Verwaltungs-)Strafrechts noch durch die Androhung eines Verbotes der Tierhaltung in hinreichender Weise Rechnung getragen werden. Das Verbot der Tierhaltung sei aufgrund der mindestens über vier Jahre erfolgten, wiederholten teilweise massiven Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften auf Dauer auszusprechen, weil mit einer nachhaltigen Änderung des Revisionswerbers aus näheren Gründen nicht zu rechnen sei. Die Interessen des Revisionswerbers, sich weiterhin eine Einkunftsquelle aus der Haltung von Tieren zu verschaffen, würden nicht das öffentliche Interesse überwiegen.

4        2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit den Anträgen, dieses wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des LVwG, in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

5        Die Revision erweist sich als unzulässig:

6        3.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        3.2.1. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision zunächst vor, das LVwG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es sich beim mit Beschwerde bekämpften Akt nicht um einen Bescheid gehandelt habe: Es fehle auf diesem Schriftstück nämlich die Unterschrift; es gebe keine Amtssignatur und auch keinen Beglaubigungsvermerk. Der Bescheid sei lediglich paraphiert; eine Paraphe sei jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Unterschrift, weshalb ein Nichtbescheid vorgelegen sei. Das LVwG hätte daher eine Zurückweisung der Beschwerde auszusprechen gehabt.

10       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift im Sinn von § 18 Abs. 3 AVG ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann (vgl. VwGH 19.2.2018, Ra 2017/12/0051, mwN); eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein „individueller Schriftzug“ sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen. Eine Paraphe ist keine Unterschrift (VwGH 7.11.2019, Ra 2019/14/0389, mwN).

11       Der Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 23. Oktober 2019 weist unter der Wortfolge „Für den Bürgermeister der Stadt Innsbruck als Bezirksverwaltungsbehörde“ einen gedruckten Namen auf. Über diesem Namen befindet sich der Anfangsbuchstabe des Vornamens sowie ein davon getrennt gesetzter Schriftzug, der hinsichtlich des Nachnamens die ersten beiden Buchstaben erkennen lässt und insgesamt - v.a. vor dem Hintergrund, dass die Anzahl der Schriftzeichen der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen muss - als „individueller Schriftzug“ im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu deuten ist.

12       Da angesichts der vorhandenen Unterschrift ein bekämpfbarer Bescheid vorgelegen ist, wird mit diesem Vorbringen keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. auch VwGH 21.8.2020, Ra 2020/02/0165).

13       3.2.2. Weiters liege nach dem Vorbringen der Revision deshalb eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, weil das LVwG von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei: Das LVwG habe (entgegen jeweils näher bezeichneter Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes) keine weitere mündliche Verhandlung durchgeführt, die Ergebnisse (Protokolle, Urteile) der Verfahren Ra 2020/02/0165 und 37 Hv 53/20h dem Revisionswerber nicht zur Kenntnis gebracht, obwohl es dies ausdrücklich angekündigt habe, diese Ergebnisse der Verfahren der Entscheidung zu Grunde gelegt, obwohl die Voraussetzungen nicht vorgelegen wären sowie dem Revisionswerber keine Möglichkeit eingeräumt, eine Äußerung zu den rechtlichen Konsequenzen der Ergebnisse dieser Verfahren auf die Lösung des Rechtsfalles abzugeben. Einer schriftlichen Entscheidung sei nur insoweit zugestimmt worden als die genannten Verfahren nicht berücksichtigt würden. Da das LVwG diese Verfahren berücksichtigte, hätte es eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Das Vorgehen stünde im krassen Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 15.9.2020, Ra 2017/22/0152). Das Schreiben des Rechtsvertreters sei in unvertretbarer Weise ausgelegt worden, sodass dem LVwG eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen sei. Aufgrund dieser Verfahrensmängel läge eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor. Überdies habe das LVwG in der am 3. Juni 2020 durchgeführten Verhandlung die angebotenen Beweise nicht aufgenommen, obwohl es dazu verpflichtet gewesen wäre. Beweisanträge dürfen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur unter bestimmten Voraussetzungen abgelehnt werden; diese seien nicht vorgelegen.

14       Zunächst ist festzuhalten, dass das LVwG in der Revisionssache eine mündliche Verhandlung durchgeführt und den Revisionswerber gehört hat.

15       Mit seinem Vorbringen macht der Revisionswerber jeweils Verfahrensmängel geltend. Die Zulässigkeit der Revision im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel setzt jedoch voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang aufgezeigt wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. VwGH 4.3.2020, Ra 2020/02/0013, 0014, mwN).

16       Die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel wird mit diesem Vorbringen jedoch nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 10.9.2020, Ra 2020/17/0046).

17       3.2.3. Überdies sei das LVwG von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es den bekämpften Bescheid der belangten Behörde nicht aufgrund mangelhafter Begründung aufgehoben habe. Dieser Bescheid sei nicht entsprechend begründet gewesen, weshalb der Revisionswerber an der Verfolgung seiner Rechte gehindert gewesen sei. Der bloße Verweis auf ein Gutachten vermöge weder Feststellungen noch eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung zu ersetzen (Verweis u.a. auf VwGH 25.10.2019, Ra 2019/02/0075). Das LVwG hätte den mangelhaften Bescheid der belangten Behörde aufzuheben gehabt; die Nachholung der Begründung durch das LVwG könne den entstandenen Nachteil für den Revisionswerber in seiner Rechtsverteidigung nicht ausgleichen.

18       Mit diesem Vorbringen verkennt der Revisionswerber, dass ein Verwaltungsgericht verpflichtet ist, in der Sache selbst zu entscheiden:

19       Auf dem Boden des Art. 130 Abs. 4 B-VG und dem daran orientierten § 28 VwGVG kommt die Aufhebung eines Bescheides der Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht jedenfalls erst dann in Betracht, wenn die in § 28 Abs. 2 VwGVG normierten Voraussetzungen, die eine Pflicht des Verwaltungsgerichts zur „Entscheidung in der Sache selbst“ nach sich ziehen, nicht vorliegen. § 28 VwGVG normiert vor dem Hintergrund der (verfassungs-)gesetzgeberischen Zielsetzung, einen Ausbau des Rechtsschutzsystems im Sinn der Verfahrensbeschleunigung vorzunehmen, für die überwiegende Anzahl der Fälle die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, in der Sache selbst zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde nach der ständigen Rechtsprechung zu entscheiden war (vgl. VwGH 25.4.2018, Ra 2018/03/0005).

20       Die Verpflichtung zur Entscheidung in der Sache selbst besteht nicht nur dann, wenn der maßgebliche Sachverhalt (schon) feststeht (§ 28 Abs. 2 Z 1 VwGG), sondern auch dann, wenn dessen Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 28 Abs. 2 Z 2 VwGG), und nach Maßgabe des § 28 Abs. 3 VwGG grundsätzlich auch dann, wenn trotz Fehlens dieser Voraussetzungen die Verwaltungsbehörde dem nicht unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Ferner sieht § 28 Abs. 4 VwGG auch für den Fall der Ermessensübung durch die Verwaltungsbehörde lediglich dann eine bloße Aufhebung des angefochtenen Bescheides samt Zurückverweisung der Angelegenheit an die Verwaltungsbehörde zur Erlassung eines neuen Bescheides vor, wenn die Voraussetzungen der Z 1 oder Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGG nicht vorliegen. Mit der Zuständigkeit und der prinzipiellen Verpflichtung zur Entscheidung in der Sache selbst ist eine volle Tatsachenkognition der Verwaltungsgerichte verbunden.

21       Demnach ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte festgelegt und sind diesbezügliche Ausnahmen strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken.

22       Mit dem oben wiedergegebenen Zulässigkeitsvorbringen wird vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

23       3.2.4. Soweit die Revision vorbringt, das LVwG habe es entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterlassen, sein Erkenntnis zu verkünden, ist der Revisionswerber darauf hinzuweisen, dass im Protokoll über die durchgeführte mündliche Verhandlung, an der sowohl der Revisionswerber selbst als auch sein Rechtsvertreter teilgenommen haben, ein Verzicht auf die Verkündung der Entscheidung enthalten ist. Aus diesem Grund stellt sich in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

24       3.2.5. Schließlich bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, es gebe keine ausreichende Grundlage für ein unbefristetes Tierhalteverbot, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und keine gesetzmäßige Ermessensausübung. Das LVwG habe „völlig irrelevante Entscheidungen“ herangezogen, um die Verhängung des Tierhalteverbotes zu rechtfertigen. Es sei nicht dargelegt, warum die bloße Androhung eines Tierhalteverbotes nicht ausreichen würde. Das LVwG habe jedoch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 27.8.2014, Ro 2014/05/0062), seine Erwägungen offenzulegen.

25       Mit diesem Vorbringen kann schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen werden, weil das LVwG in seiner Begründung näher ausführt, dass das „seitens des [Revisionswerbers] gesetzte, festgestellte Verhalten, das Unterlassen der nachhaltigen Umsetzung aufgetragener Maßnahmen ebenso wie das wiederholte Negieren von Missständen [lassen] nicht nur auf eine mangelnde Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen zur Abstellung der Missstände, sondern auch auf das Verkennen der Pflichten eines Tierhalters und eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber den durch das TSchG geschützten Werten und damit auf eine Sinnesart schließen […], die - im Interesse des Tierschutzes - die Verfügung des Verbots der Tierhaltung unabdingbar macht, um einem weiteren tierquälerischen Verhalten Einhalt zu gebieten.“ Diesem Zweck könne weder mit den Mitteln des (Verwaltungs-)Strafrechts noch durch die Androhung eines Verbotes der Tierhaltung in hinreichender Weise Rechnung getragen werden. Entgegen den Ausführungen der Revision enthält das Erkenntnis sehr wohl eine nähere Begründung dafür, aus welchen Gründen die Androhung des Verbotes der Tierhaltung nicht ausreichend ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird daher in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt.

26       3.2.6. Nach den weiteren Ausführungen der Zulässigkeitsbegründung komme diesen aufgezeigten Rechtsfragen über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung zu, weil es für die gesamte rechtsuchende Bevölkerung Rechtssicherheit und Rechtskraft geben müsse, ob ein Bescheid vorliege. Schwerwiegende Verstöße gegen tragende Verfahrensgrundsätze seien Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung; auch die Fragen, wann eine mündliche Verkündung unterlassen werden könne, wenn andere Verfahren anhängig seien, und was für den Fall der unterlassenen Begründung durch die belangte Behörde gelte, beträfen eine Vielzahl von Verfahren. Die Frage der Ermessensentscheidung hinsichtlich des Tierhalteverbotes betreffe jeden landwirtschaftlichen Betrieb. Die Abweichungen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien für den Ausgang des Verfahrens relevant, weil die Beschwerde mangels Bescheidqualität zurückzuweisen wäre; bei gesetzmäßiger Ausübung des Ermessens wäre dem Revisionswerber das Tierhalteverbot lediglich anzudrohen gewesen. Da sich das LVwG über weite Strecken auf Umstände stütze, die im Verfahren vor dem LG Innsbruck thematisiert und abgehandelt worden seien, wäre ohne Zuwarten des LVwG ein für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis die Folge gewesen. Gleiches sei anzunehmen, wenn dem Revisionswerber die Möglichkeit eröffnet worden wäre, die Ergebnisse der parallel laufenden Verfahren (Revisionsverfahren und Strafverfahren) zu erläutern, die Unterschiede der Paraphe darzulegen und die Gründe für die erfolgten Frei- und Schuldsprüche darzulegen. Bei Unterbeweisstellung des derzeitigen Zustandes des Hofes wäre die Androhung des Tierhalteverbotes ausreichend gewesen. Bei einer besseren Begründung des Bescheides der belangten Behörde hätte der Revisionswerber konkretere Einwände erheben können.

27       Auch mit diesem Vorbringen wird jedoch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung bzw. die Relevanz der zuvor aufgeworfenen Rechtsfragen für das vorliegende Verwaltungsverfahren aufgezeigt. Es unterliegt nach der ständigen hg. Rechtsprechung der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 19.6.2019, Ra 2019/02/0098). Solches wird jedoch gerade nicht aufgezeigt.

28       Zudem bewirkt auch der Umstand, dass die nach Ansicht des Revisionswerbers zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten können, nicht ihre Erheblichkeit im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (VwGH 24.1.2017, Ra 2015/17/0056).

29       4.1. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

30       4.2. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 14. Jänner 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020020294.L00

Im RIS seit

22.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten