TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/11 96/01/0365

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Veröffentlicht am 11.06.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des J in A, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Oktober 1995, Zl. 4.345.926/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 14. Jänner 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 18. Jänner 1995 die Gewährung von Asyl.

Der Beschwerdeführer gab bei seiner niederschriftlichen Vernehmung an, er stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei Moslem. Er habe vom 25. Dezember 1990 bis 27. Dezember 1991 seinen Militärdienst in S geleistet. Als sein Militärdienst beendet gewesen sei, habe er den Auftrag bekommen, den Militärdienst um drei Monate zu verlängern. Dies habe er nicht wollen, da er bereits drei Monate lang im Rahmen des Militärdienstes gegen die Kroaten gekämpft habe. Er sei desertiert, weil er keine Lust gehabt habe, noch länger zu kämpfen, und sei in den Kosovo zurückgekehrt. Er habe vorläufig keine Probleme gehabt. Im September 1994 seien sechs Polizisten in sein Elternhaus gekommen, welche nach Waffen gesucht hätten. Dabei habe ihn ein Polizist befragt, ob er seinen Militärdienst geleistet habe. Er sei aufgefordert worden, sein Militärdienstbuch vorzuweisen. Die Polizisten hätten ihm vorgeworfen, den Militärdienst nicht zur Gänze geleistet zu haben und hätten ihn daraufhin mit Gummiknüppeln geschlagen. Als die Polizisten gegangen seien, hätten sie ihm gesagt, daß er sich innerhalb von zwei Tagen auf der Polizeistation zum Zweck der Einvernahme darüber, warum er den Militärdienst nicht fertig abgeleistet habe, zu melden habe.

Nach mehreren Vorhalten und Fragen, welche der Beschwerdeführer beantwortete, wurde er abschließend gefragt, ob er die Dolmetscherin einwandfrei verstanden habe. Der Beschwerdeführer antwortete, es habe keinerlei Verständigungsschwierigkeiten gegeben.

Die Behörde erster Instanz wies den Asylantrag unter anderem deshalb ab, weil der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sei. Die Tatsache, daß er von der Polizei seines Heimatlandes aufgefordert worden sei, zu seiner Militärangelegenheit Stellung zu nehmen, könne nicht als Verfolgung gewertet werden, da es sich hiebei um behördliche Ermittlungen wegen eventuell strafbarer Verhaltensweisen handle. Eine Desertion stelle eine strafbare Handlungsweise dar, und es sei die erforderliche Verfolgungsmotivation nicht gegeben, wenn staatliche Maßnahmen der Durchsetzung staatsbürgerlicher Pflichten dienten. Beim Militärdienst handle es sich um eine Pflicht, die jeder Staat seinen Bürgern auferlegen könne. Der Beschwerdeführer habe seinen Militärdienst noch im früheren Jugoslawien geleistet bzw. wolle aus der Armee dieses Staates desertiert sein. Abklärungen zu Dienstverpflichtungen durch den nunmehrigen Staat "Jugoslawische Föderation" ließen keine Schlüsse auf Verfolgung oder Verfolgungsgefahr zu. Auch eine unter Umständen strenge Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion stelle als solche keine Verfolgung im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 dar.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei desertiert und habe daher begründete Furcht vor strafrechtlicher Verfolgung und den häufig damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen. Er bezog sich auf das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, und leitete daraus ab, daß in seinem Fall "die Bestrafung aber als eine unter Umständen asylrelevante zu sehen" sei.

Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie bewertete einen Teil der Aussagen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig, unterzog sein Vorbringen aber zur Gänze auch einer rechtlichen Beurteilung. In der "Jugoslawischen Föderation", somit auch im Kosovo, bestehe - wie das auch in der ehemaligen SFRJ der Fall gewesen sei - grundsätzlich allgemeine Wehrpflicht, wobei nach den gesetzlichen Bestimmungen keine ethnischen Unterschiede vorgesehen bzw. in der ehemaligen SFRJ gewesen seien, also serbische und kosovo-albanische Volksgruppenangehörige gleichermaßen einberufen würden bzw. worden seien. Auch bei der Verwendung der einrückenden Wehrpflichtigen gebe es grundsätzlich keine Unterschiede. In der Strafverfolgung und -bemessung mache das Gesetz keinen Unterschied hinsichtlich ethnischer Kriterien. "Die Militärdienstzeit des Beschwerdeführers und die Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes sei nicht aufgrund ethnischer oder religiöser Kriterien erfolgt - derartiges habe der Beschwerdeführer nie behauptet -, sondern weil er die dafür vorgesehene Altersgrenze erreicht gehabt habe." Die belangte Behörde kam zum Schluß, daß der Beschwerdeführer mangels wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Insofern der Beschwerdeführer rügt, bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt seien nicht alle Angaben des Beschwerdeführers protokolliert worden und die Verständigung mit dem beigezogenen Dolmetscher sei nicht 100 %ig gewesen, weshalb sich auf diese Weise Passagen im Protokoll und somit auch in den Bescheiden fänden, die der Beschwerdeführer nicht in diesem Sinne gesagt habe, zum Teil sinnwidrig seien und der Beschwerdeführer auch durch seine Aussagen widerlegen könne, zeigt er einen relevanten Verfahrensmangel nicht auf. Denn abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer einen Mangel bei der Einvernahme in seiner Berufung nicht behauptet hat, legt er nicht dar, welche Sachverhaltsangaben nicht protokolliert worden seien bzw. welche seiner Aussagen nicht richtig sein sollten.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde; seine Aussagen seien sehr wohl glaubwürdig, allein seine Behauptungen seien entscheidungsmaßgeblich. Bei richtiger und vollständiger Feststellung des Sachverhaltes wie bei richtiger Würdigung der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen hätte sie zum Ergebnis kommen müssen, daß in der Person des Beschwerdeführers eine konkrete Furcht vor Verfolgung gegeben sei.

Zunächst läßt der Beschwerdeführer außer acht, daß die belangte Behörde seine gesamten erstinstanzlichen Angaben - mangels der Rüge eines bei der erstinstanzlichen Einvernahme unterlaufenen Verfahrensmangels in der Berufung und aufgrund des Umstandes, daß ein solcher auch aus dem Verwaltungsakt nicht zu erkennen ist, hat die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Ergebnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens ihrer Entscheidung zugrundegelegt, zumal keine der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens vorliegen - auch zur Gänze einer rechtlichen Würdigung unterzogen hat. Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, daß die Einberufung zur Militärdienstleistung im allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstelle, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes stellt in der Regel keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar, da die Militärdienstpflicht alle in einem entsprechenden Alter befindlichen männlichen Staatsbürger in gleicher Weise trifft. Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen die Behandlung während der Militärdienstleistung nachteiliger bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377 = Slg. Nr. 14.089/A). Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren lediglich angegeben, deshalb desertiert zu sein, weil er keine Lust gehabt habe, noch länger zu kämpfen. Damit zeigt der Beschwerdeführer einen asylrechtlich relevanten Aspekt im obigen Sinne nicht auf.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides (Frage der Glaubwürdigkeit, Sicherheit des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Ungarn) sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010365.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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