TE OGH 2021/1/19 14Os125/20v

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Veröffentlicht am 19.01.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Jänner 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Pateisky in der Strafsache gegen Mag. ***** S***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. Jänner 2020, GZ 124 Hv 12/18w-455, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

[1]            Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. ***** S***** – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz – des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB (A./II./) und des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (B./) schuldig erkannt.

[2]            Danach hat sie in Wien

A./II./ von Anfang 2011 bis (richtig:) 2013 (US 14 f) als kaufmännische Geschäftsführerin der B***** GmbH die ihr eingeräumte Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und sie dadurch in einem insgesamt 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, indem sie wiederholt sich im Urteil bezifferte Bargeldbeträge in Höhe von insgesamt 359.256,10 Euro aus der Kasse der B***** GmbH auszahlen ließ und zur Finanzierung ihrer persönlichen Ausgaben behielt,

B./ von Ende 2010 bis Herbst 2013 ihr von im Urteil namentlich genannten Personen anvertrautes Gut, nämlich Bargeld über einen Gesamtbetrag von 168.500 Euro, sich in mehrfachen Angriffen mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, in dem sie es wiederholt aus dem Tresor der B***** GmbH entnahm oder nicht an deren Hauptkasse abführte und für private Zwecke verwendete.

Rechtliche Beurteilung

[3]            Gegen das Unterbleiben des Verfallsausspruchs nach § 20 Abs 3 StGB richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der keine Berechtigung zukommt.

[4]            Dem Beschwerdevorbringen sei vorausgeschickt, dass die Sanktionsrüge (Z 11) auch gegen die Anordnung vermögensrechtlicher Anordnungen zulässig ist (RIS-Justiz RS0114233). Dabei unterliegt das Überschreiten der Anordnungsbefugnis (= Sanktionsbefugnis) der Anfechtung aus Z 11 erster Fall (vgl zum Verfall ua 14 Os 117/18i [Fehlen von Feststellungen ua zur Vermögenswerterlangung], 13 Os 124/18m [rechtsfehlerhafte Beurteilung des § 20a Abs 2 Z 3 StGB]), Rechtsfehler bei Ermessensentscheidungen innerhalb der Befugnisgrenzen sind aus Z 11 zweiter und dritter Fall geltend zu machen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 663 und 665; Fuchs/Tipold, WK-StPO § 443 Rz 69 und 72).

[5]            Die Anklage (Anklageschrift oder Strafantrag) wegen einer bestimmten Tat verpflichtet das Gericht, von Amts wegen auch über alle vermögensrechtlichen Anordnungen zu entscheiden, die unmittelbar von der Begehung der angeklagten (beim Verfall unter die rechtliche Kategorie einer mit Strafe bedrohten Handlung subsumierbaren) Tat abhängen. Ein (hier nicht vorliegender) gesonderter Antrag der Staatsanwaltschaft auf eine solche vermögensrechtliche Anordnung ist nicht erforderlich (Fuchs/Tipold, WK-StPO § 443 Rz 5 ff [insb Rz 8]).

[6]       Nach § 20 Abs 1 StGB sind Vermögenswerte für verfallen zu erklären, wenn sie für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden. Ist ein dem Verfall unterliegender Vermögenswert nicht sichergestellt oder beschlagnahmt, hat das Gericht einen Geldbetrag für verfallen zu erklären, der diesem Vermögenswert entspricht (§ 20 Abs 3 StGB).

[7]            An sich zutreffend zeigt die Sanktionsrüge (Z 11) auf, dass der von den Tatrichtern konstatierte Sachverhalt (US 6 bis 19) die in § 20 Abs 3 StGB normierten Voraussetzungen für den Verfall eines Geldbetrags erfüllt. Mit der weiteren gegen das Vorliegen des Ausschlussgrundes nach § 20a Abs 3 StGB gerichteten Behauptung, der Ausspruch des sogenannten Wertersatzverfalls sei nicht unverhältnismäßig im Sinn dieser Bestimmung, bezieht sich die Beschwerdeführerin jedoch auf eine Ermessensentscheidung im eingangs dargestellten Sinn, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Demzufolge erstattet sie der Sache nach bloß ein Berufungsvorbringen (vgl zur Anfechtung „negativer Entscheidungen“ über vermögensrechtliche Anordnungen Fuchs/Tipold, WK-StPO § 443 Rz 74 ff).

[8]            Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i erster Satz StPO).

Textnummer

E130546

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00125.20V.0119.000

Im RIS seit

05.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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