TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/11 96/01/0010

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Veröffentlicht am 11.06.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Juli 1995, Zl. 4.346.665/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsangehöriger, der am 6. April 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 22. Mai 1995 den Asylantrag gestellt hat, hat den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31. Mai 1995, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 6. Juli 1995 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner Ersteinvernahme durch das Bundesasylamt am 23. Mai 1995, zu seinen Fluchtgründen befragt, angegeben:

"Im Mai 1992 wurde ich mit vielen anderen Leuten aus meinem Heimatdorf Rakovac vertrieben. Ich wurde mit meiner Mutter in ein Flüchtlingszentrum in Tuzla gebracht. Wir lebten von humanitärer Hilfe. Mein Bruder wurde sofort zur bosnischen Armee einberufen und kämpfte in Srebrenica. Dort kam er ums Leben.

Im Juli 1994 bekam ich den Einberufungsbefehl zur bosnischen Armee. Ich leistete dem Folge und absolvierte in der Kaserne in Tuzla 42 Tage lang die Grundausbildung. Dann war der Militärdienst aus. Kurz darauf kam mein Bruder ums Leben.

Im März 1995 bekam ich einen neuerlichen Einberufungsbefehl zur bosnishen Armee. Ich leistete dem keine Folge, da mein Bruder an der Front ums Leben kam und ich nicht dasselbe Schicksal erleiden wollte.

Mehr habe ich nicht anzugeben.

Ich möchte nie mehr in mein Heimatland zurückkehren, da ich

der Meinung bin, daß sich dort nie mehr etwas ändern wird.

Frage: Haben Sie noch etwas anzugeben?

Antwort: Nein."

Das Bundesasylamt begründete die Abweisung des Asylbegehrens des Beschwerdeführers im wesentlichen und zusammengefaßt damit, er habe lediglich geltend gemacht, sein Heimatland verlassen zu haben, weil er nicht im Rahmen des Militärdienstes an der Front habe sterben wollen. Die Flucht eines Asylwerbers vor einem ihm drohenden Militärdienst sei aber ebensowenig ein Grund für die Anerkennung als Flüchtling wie die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden (unter Umständen auch strengen) Bestrafung. Die Einberufung zur Armee sei von einem souveränen und international anerkannten Staat erfolgt, der um das Überleben gegenüber der serbischen Aggression kämpfe. Es sei eine logische Vorgangsweise, daß deswegen alle zur Verfügung stehenden Kräfte zum Militärdienst herangezogen würden. Die Einberufung des Beschwerdeführers durch die bosnische Armee sei daher aus einer Zwangssituation heraus erfolgt, keinesfalls aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe. Die Einberufung des Beschwerdeführers sei keinesfalls einer Verfolgung gleichzusetzen. Die Bürgerkriegssituation in seinem Heimatstaat indiziere aber für sich allein auch nicht die Flüchtlingseigenschaft, da das Asylrecht nicht zur Aufgabe habe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution oder sonstigen Unruhen hervorgingen. Wesentlich für den Flüchtlingsbegriff sei die Furcht vor einer gegen den Asylwerber selbst konkret gerichteten Verfolgungshandlung, nicht aber die Tatsache, daß es Kämpfe zwischen der Gruppe, welcher der Asylwerber angehörte und anderen Gruppen im Heimatstaat des Betroffenen gäbe. Auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen oder religiösen Minderheit gäbe als solche noch keinen Grund für die Gewährung von Asyl. Im übrigen nahm die Behörde erster Instanz Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 an, da sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kroatien und Slowenien aufgehalten hatte.

In seiner Berufung machte der Beschwerdeführer unrichtige rechtliche Beurteilung geltend, brachte jedoch keinen von seinen Angaben in erster Instanz abweichenden Sachverhalt vor.

Die belangte Behörde erhob die im erstinstanzlichen Bescheid "richtig und vollständig" wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner Erstvernehmung auch zum Inhalt ihres Bescheides und schloß sich nach Darstellung des Verfahrensganges und Zusammenfassung der von ihr in Anwendung gebrachten Rechtslage den Ausführungen des Bundesasylamtes in dessen Bescheid vollinhaltlich an und erhob diese zum Inhalt auch ihres (des nunmehr angefochtenen) Bescheides. Ergänzend verwies die belangte Behörde darauf, zentrale Entscheidungsgrundlage stelle das Vorbringen des Asylwerbers dar, dem es obliege, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Sie verwies auf die Bestimmung des § 20 Abs. 1 AsylG 1991 - eine der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 leg. cit. erachtete die belangte Behörde als nicht vorliegend -, weshalb auf sein über das im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme "hinausgehendes Berufungsvorbringen nicht näher einzugehen" gewesen sei.

In seiner Beschwerde macht der Beschwerdeführer im wesentlichen Fehler des Ermittlungsverfahrens geltend und bestritt im übrigen das Vorliegen von Verfolgungssicherheit.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 AsylG 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbndung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 AsylG 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben wörtlich wiederholten Angaben hinaugehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da auch sonst ein für die Entscheidung wesentlicher Mangel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen und vom Beschwerdeführer auch nicht in seiner Berufung geltend gemacht wurde, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.

Der belangten Behörde ist dabei auch weiters darin beizupflichten, daß die Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehles nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling rechtfertigt. Von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung könnte nur in solchen Fällen ausgegangen werden, in denen die Einberufung aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe erfolgt, in denen damit gerechnet werden müßte, daß ein Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Gruppierungen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichenden Weise benachteiligt würde, oder in denen davon auszugehen ist, daß eine dem Asylwerber wegen Wehrdienstverweigerung drohende Strafe aus diesen Gründen gegen ihn schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen verhängt würde (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A).

Der Beschwerdeführer hat aber bei seiner Ersteinvernahme keine Ausführungen erstattet, die auf das Vorliegen von in der Einberufung liegender Verfolgung im Sinne obiger Judikatur hindeuten würde. Wird nunmehr in der Beschwerde vorgebracht, er habe im Falle seiner Rückkehr wegen Desertion mit einer Strafe von 10 bis 15 Jahren, womöglich sogar mit der Todesstrafe zu rechnen, so werden damit gleichfalls keine Umstände dargetan, die in diesem Sinne einen erkennbaren Zusammenhang mit einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe aufweisen.

Da die belangte Behörde somit zu Recht die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers verneint hat, konnte eine Auseinandersetzung damit, ob sie auch zu Recht vom Vorliegen des Ausschließungsgrundes der Erlangung der Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 ausgegangen ist, und mit den darauf bezugnehmenden Ausführungen in der Beschwerde unterbleiben.

Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010010.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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