Entscheidungsdatum
21.12.2020Index
41/02 StaatsbürgerschaftNorm
StbG 1985 §11a Abs6 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Dr. Lehner über die Beschwerde der A. B. (geb.: 1983), vertreten durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, vom 25.6.2020, Zl. …, mit welchem der Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 11a Abs. 6 Z 2 Staatsbürgerschaftsgesetz (StbG) idF vor dem BGBl. I 56/2018, abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 9.12.2020
zu Recht erkannt und verkündet
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Gang des Verfahrens, angefochtener Bescheid und Beschwerde
Die Beschwerdeführerin beantragte am 27.4.2018 bei der Wiener Landesregierung (im Folgenden: die belangte Behörde) die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.
Mit Bescheid vom 25.6.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 11a Abs. 6 Z 2 StbG idF vor dem BGBl. I 56/2018 ab, da die Beschwerdeführerin keinen Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse und über ihre nachhaltige persönliche Integration erbracht habe. Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die von der Beschwerdeführerin absolvierten Lehrveranstaltungen „Deutsch als Fremdsprache“ nicht bei der Berechnung der ECTS-Anrechnungspunkte berücksichtigt werden könnten und die zu berücksichtigenden übrigen Lehrveranstaltungen nicht den gemäß § 10 Abs. 2 Z 8 Integrationsgesetz erforderlichen Umfang von mindestens 32 ECTS-Anrechnungspunkten erreichen. Des Weiteren führte die belangte Behörde aus, dass die von der Beschwerdeführerin zum Nachweis ihrer nachhaltigen persönlichen Integration angegebene Tätigkeit als Englischlehrerin nicht dem gesetzlich erforderlichen zeitlichen und verdienstmäßigen Umfang entspreche und hinsichtlich der angeführten Tätigkeit beim C. ein integrationsrelevanter Mehrwert für ihre Integration in Österreich nicht erkennbar sei. Auch die vorgebrachte Unterstützung eines benachbarten Ehepaares diene nicht dem Allgemeinwohl und könne daher nicht berücksichtigt werden. Hinsichtlich der weiteren angeführten Tätigkeit bei der D. sei zum einen der erforderliche zeitliche Umfang nicht erfüllt und zum anderen sei auch hier kein integrationsrelevanter Mehrwert für ihre Integration in Österreich erkennbar. Diesbezüglich sei auch nicht die erforderliche Stellungnahme der D. vorgelegt worden.
Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 13.7.2020 zu Handen ihrer anwaltlichen Vertreter zugestellt.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin durch ihre anwaltlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 10.8.2020 Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien. Darin führt sie ins Treffen, dass sie als außerordentliche Studierende an einer postsekundären Bildungseinrichtung 34 ECTS-Anrechnungspunkte absolviert habe und auch in den Lehrveranstaltungen „Deutsch als Fremdsprache“ Deutsch als Unterrichtssprache verwendet worden sei. Es seien daher auch diese Lehrveranstaltungen anzurechnen, weshalb die erforderlichen ECTS-Anrechnungspunkte erreicht und Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfüllt sei. Im Übrigen spreche die Beschwerdeführerin sehr gut Deutsch, könne aber wegen ihrer Legasthenie den Sprachtest B1 nicht absolvieren. Hinsichtlich ihrer nachhaltigen persönlichen Integration führt die Beschwerdeführerin aus, dass die von ihr angeführten Tätigkeiten insgesamt die vorgesehene Dauer erfüllen würden und sie dadurch auch insgesamt ein Einkommen erzielt habe, das hochgerechnet auf drei Jahre die Geringfügigkeitsgrenze überstiegen habe. Im Übrigen wurde zum Nachweis der persönlichen Integration auf mehrere Freundschaften mit und Kontakte zu österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern verwiesen.
Am 9.12.2020 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt, zu der die Beschwerdeführerin und ihr anwaltlicher Vertreter erschienen.
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
II. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist staatenlos und stellte am 27.4.2018 einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Die Beschwerdeführerin hält sich seit September 2011 in Österreich auf. Sie ist mit einem irischen Staatsangehörigen verheiratet, der sich ebenfalls in Österreich aufhält. Der Beschwerdeführerin wurde am 11.1.2012 eine Aufenthaltskarte und am 7.5.2018 eine Daueraufenthaltskarte ausgestellt.
Die Beschwerdeführerin arbeitete von November 2011 bis Dezember 2013 in einem Gymnasium als Teamlehrerin (Native Speaker). Dabei verdiente die Beschwerdeführerin in den Monaten Februar, März, Mai, Juni sowie September bis Dezember 2012 über der Geringfügigkeitsgrenze von EUR 376,26. Im Jahr 2013 verdiente die Beschwerdeführerin in den Monaten Jänner, März, April, Mai, Juni sowie September bis Dezember über der Geringfügigkeitsgrenze von EUR 386,80.
Von Jänner 2014 bis Dezember 2018 arbeitete die Beschwerdeführerin für die E. im C.. Dabei handelt es sich um eine vom US State Departement finanzierte Einrichtung mit der Aufgabe, bestimmte Asylwerber … bei der Umsiedlung in die Vereinigten Staaten von Amerika zu unterstützen.
Seit Dezember 2018 arbeitet die Beschwerdeführerin bei der D., wo sie unter anderem an der Organisation großer internationaler Konferenzen mitwirkt und dabei an der Koordination von und Kommunikation zwischen den Teilnehmern maßgeblich beteiligt ist.
Die Beschwerdeführerin war von 7.10.2011 bis 30.4.2018 als außerordentliche Studierende an der Akademie … zugelassen. In dieser Zeit hat sie Studienleistungen im Umfang von insgesamt 34 ECTS erbracht. 15 ECTS entfielen dabei auf Lehrveranstaltungen (Übungen) mit dem Inhalt „Deutsch als Fremdsprache“ zum Erreichen einer Niveaustufe von A bis B1.2. Zuletzt absolviert die Beschwerdeführerin am 1.6.2017 die Übung „Deutsch als Fremdsprache: B1.2“.
Die Beschwerdeführerin trat am 21.10.2020 zu einer Integrationsprüfung B1 an, die sie allerdings nicht bestand.
III. Beweiswürdigung
Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Würdigung des Beschwerdevorbringens und Befragung der Beschwerdeführerin als Partei in der mündlichen Verhandlung am 9.12.2020.
Die Feststellungen zu den persönlichen Daten der Beschwerdeführerin und ihrem bisherigen Aufenthalt in Österreich ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und den im Akt einliegenden Unterlagen, insbesondere den Einkommensnachweisen, der Heiratsurkunde (AS 22/23) und den Kopien der Aufenthaltskarte (AS 56) und der Daueraufenthaltskarte (AS 57).
Die Dauer der Tätigkeit als Teamlehrerin und das daraus bezogene Einkommen ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und den vorgelegten Honorarabrechnungen.
Die Feststellungen zu den Tätigkeiten für die E. ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und dem vorgelegten Schreiben der E. vom 6.11.2017 (AS 206/207).
Die festgestellte Tätigkeit bei der D. ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und den beiden vorgelegten Schreiben von F. G. vom 18.11.2020 und H. K. vom 24.11.2020.
Die Feststellungen zur Studienleistung und den absolvierten Lehrveranstaltungen ergeben sich aus der vorgelegten Abschrift der Studiendaten vom 10.8.2018 (AS 198).
Das Nichtbestehen der Integrationsprüfung B1 ergibt sich aus dem vorgelegten Schreiben des ÖIF vom 17.11.2020.
IV. Erwägungen
1. Zur anzuwendenden Rechtslage
Gemäß § 64a Abs. 28 StbG sind zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I 56/2018 anhängige Verfahren nach den Bestimmungen in der Fassung vor dem BGBl. I 56/2018 zu Ende zu führen. Da das nunmehr den Gegenstand der Beschwerdeverfahren bildende Verfahren seit 27.4.2018 anhängig ist und damit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGBl. I 56/2018 mit 15.8.2018 bereits anhängig war, ist auf dieses die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BGBl. I 56/2018 anzuwenden. Wird in der Folge die Abkürzung „StbG“ verwendet, so ist damit das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 idF BGBl. I 32/2018 gemeint.
Soweit das StbG, etwa in § 10a StbG Verweise auf andere Normen, insbesondere das Integrationsgesetz (und in weiterer Folge auf die Integrationsvereinbarungs-Verordnung), enthält, ist zu beachten, dass diese Verweise ebenfalls gemäß § 64a Abs. 28 StbG in der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BGBl. I 56/2018 zu verstehen sind, sodass die verwiesenen Normen in der Fassung vom 14.8.2018 anzuwenden sind.
Gemäß § 64a Abs. 26 StbG trat § 10a Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 Z 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I 68/2017 mit 1.10.2017 in Kraft. § 10a StbG idF BGBl. I 68/2017 ist also Teil jener Rechtslage die gemäß § 64a Abs. 28 StbG auf die vorliegenden Fälle anzuwenden ist.
2. Zum Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft
Die Beschwerdeführerin hält sich seit frühestens September 2011, damit seit weniger als zehn Jahren durchgehend in Österreich auf. Eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft ist daher nur nach einem speziellen Tatbestand des Staatsbürgerschaftsgesetzes möglich, der abweichend von den generellen Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 1 StbG eine Verleihung der Staatsbürgerschaft vor dem Erreichen eines zehnjährigen Aufenthaltes ermöglicht.
Die Beschwerdeführerin verweist diesbezüglich in ihrem Antrag vom 26.4.2018 selbst auf § 11a Abs. 6 Z 2 StbG. Nach dieser Bestimmung ist einem Fremden nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 StbG die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er einen Nachweis gemäß § 10a Abs. 1 Z 1 StbG erbringt und seine nachhaltige persönliche Integration nachweist, insbesondere durch a) ein mindestens dreijähriges freiwilliges, ehrenamtliches Engagement in einer gemeinnützigen Organisation, die den Vorgaben des § 35 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 195/1961, entspricht, oder b) eine mindestens dreijährige Ausübung eines Berufes im Bildungs-, Sozial- oder Gesundheitsbereich, sofern das daraus erzielte Einkommen durchgängig die monatliche Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG erreicht hat, oder c) die Bekleidung einer Funktion in einem Interessenverband oder einer Interessenvertretung für mindestens drei Jahre hindurch. Die Tätigkeit des Fremden, mit der die nachhaltige persönliche Integration nachgewiesen werden soll, muss dem Allgemeinwohl in besonderer Weise dienen und einen integrationsrelevanten Mehrwert für seine Integration in Österreich darstellen. Dies ist vom Fremden und der jeweiligen Institution jeweils im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme ausführlich zu begründen.
Hinsichtlich ihrer nachhaltigen persönlichen Integration führt die Beschwerdeführerin ihre für 25 Monate ausgeübte Tätigkeit als Englischlehrkraft, ihre langjährige Tätigkeit bei E.-C./Österreich sowie ihre seit Dezember 2018 ausgeübte Tätigkeit für die D. ins Treffen. Daneben verweist die Beschwerdeführerin auf persönliche Beziehungen mit Nachbarn und Freunden.
Hinsichtlich der Interpretation des § 11a Abs. 6 Z 2 StbG ist den Ausführungen der Antragstellerin in der Beschwerde insoweit zu folgen, als die in § 11a Abs. 6 Z 2 StbG enthaltene Aufzählung der Arten, durch die eine nachhaltige besondere Integration nachgewiesen werden kann, nicht abschließend zu verstehen ist, wie sich schon aus dem Begriff „insbesondere“ und den Materialien (vgl. EB RV 2303 BlgNR 24. GP 9f) ergibt. Die Beschwerdeführerin geht zudem zu Recht davon aus, dass ein Nachweis auch durch eine Kombination verschiedener in § 11a Abs. 6 Z 2 StbG erwähnter Betätigungen erbracht werden kann.
Aus § 11a Abs. 6 Z 2 lit. b StbG kann jedoch auch abgeleitet werden, dass eine Tätigkeit im Bildungsbereich nur dann als ausreichender Nachweis anzusehen ist, wenn sie durchgehend für eine bestimmte Dauer in einem bestimmten Ausmaß ausgeübt wird. Dabei ist hinsichtlich der Beschwerdeführerin zu beachten, dass sie zwar insgesamt für 25 Monate im Bildungsbereich tätig war, davon aber nur für 17 Monate in einem Ausmaß, das ihr ein Einkommen über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze einbrachte. Nur an fünf Monaten unmittelbar aufeinanderfolgenden Monaten (September 2012 bis Jänner 2013) – und damit durchgehend iSd § 11a Abs. 6 Z 2 lit. b StbG – erreichte das erzielte Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze.
Daraus ergibt sich, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Englischlehrkraft für die Beurteilung ihrer nachhaltigen persönlichen Integration iSv § 11a Abs. 6 Z 2 StbG zwar zu beachten ist, dass mit dieser Tätigkeit alleine, aber noch kein hinreichender Nachweis im Sinne dieser Bestimmung erbracht wurde.
Aus § 11a Abs. 6 Z 2 letzter Satz StbG ergibt sich auch, dass die ins Treffen geführte Tätigkeit dem Allgemeinwohl in besonderer Weise dienen und einen integrationsrelevanten Mehrwert für die Integration in Österreich darstellen muss. Einen solchen integrationsrelevanten Mehrwert für die Integration in Österreich vermag das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Tätigkeiten für E.-C. bzw. die D. nicht zu erkennen. Inwieweit die Integration der Beschwerdeführerin in Österreich in besonderem Maße gefördert wird, indem sie an einem Programm des US State Departement mitarbeitet bzw. im Rahmen einer großen Internationalen Organisation aktiv ist, die nicht nur thematisch international ausgerichtet ist, sondern sich auch aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der ganzen Welt zusammensetzt und dementsprechend weniger Anknüpfungspunkte zu Österreich hat, als andere in Österreich ausgeübte Tätigkeiten, ist für das Verwaltungsgericht Wien nicht ersichtlich. Aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Schreiben der D. geht zwar der besondere Wert der Beschwerdeführerin als Mitarbeiterin hervor, der besondere Mehrwert für ihre Integration in Österreich wird damit allerdings nicht dargetan.
Damit können diese Tätigkeiten aber auch keinen Beitrag zu dem Nachweis einer nachhaltigen persönlichen Integration in Österreich iSv § 11a Abs. 6 Z 2 StbG leisten.
Auch der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte persönliche Umgang mit österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern stellt keinen Beitrag dar, der für eine Beurteilung der nachhaltigen persönlichen Integration iSv § 11a Abs. 6 Z 2 StbG relevant ist. Wie sich nämlich aus der Aufzählung in dieser Bestimmung ergibt, ist der Nachweis durch Tätigkeiten zu erbringen die weit über die normale soziale Interaktion mit Freunden und Nachbarn im Privatleben hinausgehen und dem Allgemeinwohl in besonderer Weise dienen.
Die Beschwerdeführerin konnte ihre nachhaltige persönliche Integration iSv § 11a Abs. 6 Z 2 StbG daher nicht nachweisen.
Dazu kommt, dass die Beschwerdeführerin auch keinen Nachweis gemäß § 10a Abs. 1 Z 1 StbG erbracht hat.
Gemäß § 10a Abs. 1 Z 1 StbG, BGBl. 311/1985 idF BGBl. I 68/2017, ist Voraussetzung jeglicher Verleihung der Staatsbürgerschaft der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I 68/2017. Gemäß § 10a Abs. 4 StbG BGBl. 311/1985 idF BGBl. I 68/2017 gilt der Nachweis nach Abs. 1 Z 1 als erbracht, wenn die deutsche Sprache die Muttersprache des Fremden ist oder der Fremde das Modul 2 der Integrationsvereinbarung nach § 10 Abs. 2 IntG erfüllt hat, auch wenn er nach dem Integrationsgesetz dazu nicht verpflichtet ist, und einen entsprechenden Nachweis vorlegt.
Gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 IntG, idF BGBl. I 68/2017, dient das Modul 2 dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung auf dem Sprachniveau B1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und der vertieften Vermittlung der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung.
Gemäß § 10 Abs. 2 IntG, idF BGBl. I 68/2017, ist das Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 12 vorlegt,
2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 12 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,
3. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 Schulorganisationsgesetz (SchOG), BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,
4. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,
5. einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach „Deutsch“ positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach „Deutsch“ auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet „Deutsch – Kommunikation und Gesellschaft“ im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2012 nachweist,
6. einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach „Deutsch“ nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachweist,
7. über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, oder eine Facharbeiterprüfung gemäß den Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzen der Länder verfügt oder
8. mindestens zwei Jahre an einer postsekundären Bildungseinrichtung inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mindestens 32 ECTS-Anrechnungspunkten (16 Semesterstunden) nachweist bzw. über einen entsprechenden postsekundären Studienabschluss verfügt.
Im Schriftsatz vom 9.8.2018 bringt die Beschwerdeführerin vor, dass sie mehr als zwei Jahre an einer Universität inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mehr als 32 ECTS vorweisen kann. Sie habe daher das Modul 2 der Integrationsvereinbarung gemäß § 10 Abs. 2 Z 8 IntG erfüllt.
Damit verkennt die Beschwerdeführerin die Rechtslage. Es trifft zu, dass die Beschwerdeführerin für mehr als zwei Jahre an der Akademie … als außerordentliche Studierende zugelassen war. Die Beschwerdeführerin war aber nicht zu einer bestimmten Studienrichtung (ordentliches Studium) zugelassen, deren Unterrichtssprache Deutsch war. Eine Zulassung zum ordentlichen Studium … war der Beschwerdeführerin gerade aufgrund der mangelnden Sprachkenntnisse verwehrt, wie die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung selbst ausführte. Die von der Beschwerdeführerin belegten Lehrveranstaltungen „Deutsch als Fremdsprache“ dienten unter anderem dem Zweck die Sprachkenntnisse zu erwerben, die für die Zulassung zu einem ordentlichen Studium notwendig sind. § 10 Abs. 2 Z 8 IntG ist von dem Gedanken getragen, dass Fremde, die in der Lage sind dem Unterrichtsstoff an einer postsekundären Bildungseinrichtung (auch im Ausland – siehe EV RV 1586 BlgNR 25. GP 7) in einem Studienfach mit Deutsch als Unterrichtssprache über zwei Jahre zu folgen und dabei einen entsprechenden Studienerfolg nachweisen können, über Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 verfügen müssen (vgl. § 7 Abs. 2 Z 2 StbG). Es liegt auf der Hand, dass dieser Schluss für Studierende, die Lehrveranstaltungen besuchen, die als Lernziel das Erreichen eines Deutschniveaus von B1 haben, nicht gezogen werden kann. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Unterrichtssprache in diesen Lehrveranstaltungen als „Deutsch“ angegeben ist, da es didaktisch sinnvoll und nachvollziehbar sein kann, in einer Lehrveranstaltung, die der Sprachvermittlung dient, auch mit Personen, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, von Beginn an Deutsch zu sprechen. § 10 Abs. 2 Z 8 IntG ist aber von der Vorstellung geleitet, dass qualifizierte Sprachkenntnisse notwendig sind, um dem Unterricht an einer sekundären Bildungseinrichtung über längere Zeit erfolgreich folgen zu können. Dies trifft aber auf Lehrveranstaltungen die der Sprachvermittlung dienen nicht zu. Lehrveranstaltungen an postsekundären Bildungseinrichtungen, die der Sprachvermittlung auf einem Niveau unter B1 dienen, sind daher jedenfalls nicht als solche mit Unterrichtssprache Deutsch im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 8 IntG zu qualifizieren.
Die Beschwerdeführerin führt auch ins Treffen, dass ihr die Absolvierung der Integrationsprüfung aufgrund Ihrer Legasthenie nur erschwert oder gar nicht möglich ist und legt dazu auch ärztliche Stellungnahmen vor.
Dazu ist zuerst anzumerken, dass bei einer Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 11a Abs. 6 Z 2 StbG nach bereits sechs Jahren rechtmäßigem Aufenthalt in Österreich aufgrund nachhaltiger persönlicher Integration das Absehen vom Nachweis gemäß § 10a Abs. 1 Z 1 StbG aus gesundheitlichen Gründen nicht vorgesehen ist. Dies stellt auch keine Diskriminierung dar, da dieser Tatbestand nur dem Umstand Rechnung tragen soll, dass manche Fremde die grundsätzliche Voraussetzung für einen Staatsbürgerschaftserwerb, nämlich eine nachhaltige dauerhafte erfolgreiche Integration, ausnahmsweise früher erreichen als dies im Regelfall zu erwarten ist (vgl. dazu auch EB RV 2303 BlgNR 24. GP 9). Diesen Fremden soll mit § 11a Abs. 6 Z 2 StbG ein früherer Staatsbürgerschaftserwerb ermöglicht werden. Im Regelfall werden Fremde dieses Ziel, aus den verschiedensten Gründen, innerhalb von sechs Jahren aber nicht erreichen können, sodass im Regelfall des § 10 Abs. 1 StbG eine Verleihung nach zehn Jahren offen steht. Um Personen, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes die Nachweise gemäß § 10a Abs. 1 StbG auch nach zehn Jahren nicht erbringen können, nicht dauerhaft vom Erwerb der Staatsbürgerschaft auszuschließen, sieht § 10a Abs. 2 Z 3 StbG vor, dass diese von der Erbringung der Nachweise ausgenommen sind, wenn ihr beeinträchtigender Gesundheitszustand durch ein amtsärztliches Gutachten nachgewiesen wird. Ein solches Gutachten wurde von der der Beschwerdeführer im Übrigen nicht vorgelegt.
Die Beschwerdeführerin hat daher keinen Nachweis gemäß § 10a Abs. 1 Z 1 StbG erbracht, obwohl dies für einen Erwerb der Staatsbürgerschaft gemäß § 11a Abs. 6 Z 2 notwendig wäre.
Da die Beschwerdeführer weder ihre nachhaltige persönliche Integration nachgewiesen, noch einen Nachweis gemäß § 10a Abs. 1 Z 1 StbG erbracht hat, kann eine Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 11a Abs. 6 Z 2 StbG nicht vorgenommen werden. Da die Beschwerdeführerin auch nicht die Voraussetzungen für eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach einem anderen Tatbestand des Staatsbürgerschaftsgesetzes erfüllt, ist ihr Antrag zu Recht abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Beschwerde ist daher abzuweisen.
3. Zur Unzulässigkeit der Revision
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Zwar ist der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung noch nicht auf § 11a Abs. 6 Z 2 StbG eingegangen, es wurde aber zu dieser Bestimmung keine Rechtsfrage aufgeworfen, die nicht schon aufgrund der klaren und eindeutigen Regelung selbst beantwortet werden konnte (vgl. VwGH 7.10.2020, Ra 2020/16/0145 mit Verweis auf 1.9.2015, Ra 2015/08/0093). Darüber hinaus kommt der Beurteilung, ob in einem konkreten Einzelfall eine nachhaltige persönliche Integration iSv § 11 Abs. 6 Z 2 StbG nachgewiesen wurde, nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes in der Regel keine über diesen Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (vgl. etwa VwGH 20.10.2020, Ra 2019/15/0094; mit Verweis auf 22.4.2015, Ra 2015/16/0020, sowie 4.2.2016, Ra 2015/16/0140).
Auch zur Auslegung des § 10 Abs. 2 Z 8 IntG liegt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes vor. Die vom Verwaltungsgericht gewählte Auslegung betreffend Lehrveranstaltungen mit der Unterrichtssprache Deutsch ergibt sich auch nicht schon aufgrund der klaren und eindeutigen Regelung selbst. Von der Lösung dieser Rechtsfrage hängt der Verfahrensausgang aber nicht ab (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/16/0185 mwN).
Schlagworte
Verleihungsvoraussetzungen; nachhaltige persönliche Integration; Allgemeinwohl; integrationsrelevanter Mehrwert; Deutschkenntnisse; Nachweis; Integrationsvereinbarung; Modul 2; IntegrationsprüfungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.152.022.11515.2020Zuletzt aktualisiert am
04.02.2021