TE Lvwg Erkenntnis 2021/1/21 VGW-162/017/3717/2020/E-14

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Veröffentlicht am 21.01.2021
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Entscheidungsdatum

21.01.2021

Index

E1E
59/04 EU – EWR
E3R E05204020
27/01 Rechtsanwälte

Norm

12010E049 AEUV Art49
12010E267 AEUV Art267
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art. 13 Abs2 litb
RAO §50 Abs2 Z2 litc sublitaa
Satzung Versorgungseinrichtung Teil A ÖRAK §26 Abs1 Z8

Text

B E S C H L U S S

Das Verwaltungsgericht Wien legt durch seine Richterin Mag. Föger-Leibrecht in der Beschwerdesache des Herrn Dr. A. B. vom 03.08.2018 gegen den Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom 29.05.2018, Zl. …, mit welchem der Antrag auf Zuerkennung einer vorzeitigen Altersrente ab 01.11.2017 abgewiesen wurde, gemäß Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1)     Wie ist Art. 13 Abs. 2 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 166/1 vom 30.04.2004 auszulegen, wenn sich der Mittelpunkt der Tätigkeit einer Person aus quantitativer Sicht in einem Nichtmitgliedstaat befindet, in welchen die Person auch ihren Wohnsitz hat, und diese Person darüber hinaus in zwei Mitgliedstaaten (Bundesrepublik Deutschland und Österreich) eine Tätigkeit ausübt, wobei die Tätigkeit in beiden Mitgliedstaaten derart verteilt ist, dass der deutlich überwiegende Teil in einem Mitgliedstaat (im konkreten Fall in der Bundesrepublik Deutschland) stattfindet?

                                                                                                     

Für den Fall, dass sich aus der Auslegung dieser Bestimmung eine Zuständigkeit für Österreich ergibt, wird

2)     die Frage gestellt, ob die Bestimmung des § 50 Abs. 2 Z 2 lit. c sublit aa Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl.Nr. 96/1868 idF BGBl I Nr. 10/2017 und die darauf basierende Bestimmung des § 26 Abs. 1 Z 8 der Satzung Teil A 2018 unionsrechtlich zulässig oder verstoßen diese gegen Unionsrecht sowie die unionsrechtlich garantierten Rechten, indem als Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft im In- und Ausland (§ 50 Abs 2 lit c sublit aa) bzw wo immer (§ 26 Abs. 1 Z 8 Satzung Teil A 2018) gefordert wird.

B e g r ü n d u n g

A. Ausgangsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien:

Beim Verwaltungsgericht Wien ist ein Verfahren „Zuerkennung einer vorzeitigen Altersrente ab 01.11.2017“ anhängig, nachdem der darauf gerichtete Antrag des Dr. B. mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom 29.05.2018 abgewiesen wurde, weil Dr. B. weiterhin in Deutschland und in der Schweiz anwaltlich tätig wäre. Die Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension setze jedoch den Verzicht auf das Recht zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft weltweit nach § 26 Abs. 1 Zi 8 der Satzung Teil A 2018 voraus.

Gegen diese Entscheidung hat Dr. B. Beschwerde erhoben, welche mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 13.03.2019, Zl. VGW-162/017/13096/2018-5 abgewiesen wurde, im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Bestimmung des § 50 Abs. 2 lit. c sub.lit. aa RAO, auf welcher § 26 Abs. 1 Zi 8 der Satzung Teil A 2018 basiert, verfassungsrechtlich unbedenklich sei und wurde auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 02.12.2008 B 1989/06 Bezug genommen. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen außerordentlichen Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25.02.2020, Ra 2019/03/0120, Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis behoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass es das Verwaltungsgericht Wien in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterlassen habe, den unionsrechtlich relevanten Sachverhalt und das anwendbare Unionsrechts zu ermitteln und seiner Entscheidung zu Grunde zu legen, obwohl der Revisionswerber in seiner Beschwerde auf das Spannungsverhältnis der nationalen Regelung, die für den Bezug einer Altersrente den generellen, weltweiten Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft fordere, mit dem Unionsrecht hingewiesen habe.

Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen steht zum jetzigen Zeitpunkt folgender Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) ist 1954 geboren und polnischer sowie deutscher Staatsangehöriger, sohin Unionsbürger. Seit 08.03.1984 ist er in Deutschland als Rechtsanwalt zugelassen und übt dort seither eine Tätigkeit als Rechtsanwalt aus, wobei der Bf im Zeitraum vom 08.03.1984 bis 19.04.2001 und in der Folge ab 07.02.2004 bis dato Mitglied der Rechtsanwaltskammer C. war, bzw. ist. Dort führt der Bf auch seine Kanzlei. Er übt eine anwaltliche Tätigkeit als Fachanwalt für Erbrecht (seit 25.10.2005) aus. In dem zwischenliegenden Zeitraum von 2001 bis 2004 war der Bf Mitglied der Rechtsanwaltskammer D. und war in D. in einer Bürogemeinschaft als Anwalt tätig. Der Bf hatte in seiner Kanzlei in C. über die Jahre – im Gegensatz zu seiner Niederlassung in Österreich – mehrere Mitarbeiter. Es wurden von ihm Referendare, Auszubildende und Praktikanten beschäftigt.

Abseits seiner anwaltlichen Tätigkeit wurde der Bf im Jahr 1995 auch durch den Präsidenten des Landesgericht C. als Dolmetscher und Übersetzer für die polnische Sprache vereidigt und in die Liste der vereidigten Dolmetscher und Übersetzer eingetragen.

Der Bf hatte auch seinen privaten Lebensmittelpunkt im Zeitraum von 1996 bis 2007 in Deutschland, danach in der Schweiz.

Ergänzend zu seiner deutschen anwaltlichen Tätigkeit ist der Bf seit 24.05.1996 zusätzlich aufgrund Ablegung der Anwaltsprüfung in die Liste der Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskammer Wien eingetragen. Seit seiner Eintragung bezahlte der Bf sämtliche ihm vorgeschriebenen Beiträge zur Versorgungseinrichtung.

Infolge Wohnortverlegung in die Schweiz ist der Bf seit 2007 auch dort anwaltlich als europäischer Anwalt aufgrund seiner deutschen Zulassung tätig.

Aktuell erbringt der Bf 70% seiner anwaltlichen Leistungszeit im Zusammenhang mit seiner Schweizer Kanzlei, 25% hinsichtlich seiner deutschen Niederlassung und 5% hinsichtlich seiner österreichischen Kanzlei. Dieses Verhältnis ist im Wesentlichen seit Jahren unverändert.

Davor (zurückgehend bis 1996) teilte sich die anwaltliche Leistungszeit des Bf wie folgt auf:

Bis ins Jahr 1996 erbrachte der Bf 100% seiner anwaltlichen Leistungszeit in C., da dies bis dahin der einzige Kanzleistandort war. Von 1996 bis 2007 war der Bf etwa zu 85% in seiner C.er Kanzlei tätig. Ab dem Jahr 2004 entfiel etwa 5 % auf die Wiener Kanzlei. Der Anteil der Wiener Kanzlei ist sowohl hinsichtlich des zeitlichen (Arbeits-)Aufwandes als auch hinsichtlich des Umsatzes nie über 10 % hinausgegangen.

In Österreich hatte der Bf nie einen Wohnsitz. Der Lebensmittelpunkt war bis September 2007 C. und danach die Schweiz. Seit 2010 lebt der Bf ununterbrochen dort.

In Deutschland hat der Bf seit Beginn seiner Tätigkeit an das E. Versorgungssystem bis vor ca. drei Jahren Beiträge einbezahlt. Dann hat er eine vorgezogene Rente in Anspruch genommen. Der Bf ist nach wie vor in Deutschland anwaltlich tätig, der Rentenanspruch ist dort nicht mit der Zurücklegung seiner anwaltlichen Tätigkeit verknüpft. In der Schweiz leistet der Bf nicht anwaltsgebundene allgemeine Versorgungsbeiträge.

Am 16.10.2017 beantragte der Bf bei der Rechtsanwaltskammer Wien die Zuerkennung einer vorzeitigen Altersrente ab 01.11.2017. In diesem Antrag führte er aus, nur auf die Anwaltschaft in Österreich, nicht jedoch auf die Zulassungen in Deutschland und in der Schweiz zu verzichten.

Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer vom 29.05.2018 wurde dieser Antrag unter Bezugnahme auf § 26 iVm § 29 Satzung Teil A 2018 abgewiesen.

B. Nationale Rechtslage:

Die für das vorlegende Gericht in der Beschwerdesache maßgeblichen Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung, RGBl.Nr. 96/1868 idF BGBl. I Nr. 10/2017, lauten wie folgt:

"§ 49.        (1) Die Rechtsanwaltskammern haben Einrichtungen zur Versorgung der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter für den Fall des Alters und der Berufsunfähigkeit sowie zur Versorgung der Hinterbliebenen für den Fall des Todes des Rechtsanwalts oder des Rechtsanwaltsanwärters entsprechend der vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag zu beschließenden Satzung (§ 36 Abs. 1 Z 6) zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Die Satzung der auf dem Umlagesystem beruhenden Versorgungseinrichtungen hat - unter Wahrung bereits erworbener Rechtspositionen - vorzusehen, dass alle Leistungen aus der Versorgungseinrichtung in Abhängigkeit von der Anzahl der erworbenen Beitragsmonate festgesetzt werden, dass bei Erreichen einer bestimmten Anzahl von Beitragsmonaten (Normbeitragsmonate) der Anspruch auf eine in der Leistungsordnung betraglich festgesetzte Altersrente (Basisaltersrente) erworben wird und dass sich bei Über- oder Unterschreiten der Normbeitragsmonate die zuzuerkennende Altersrente gegenüber der Basisaltersrente erhöht oder reduziert. Die versicherungsmathematischen Grundlagen der dabei erfolgenden Festlegungen sind in regelmäßigen, einen Zeitraum von fünf Jahren nicht übersteigenden Abständen durch einen versicherungsmathematischen Sachverständigen zu überprüfen. Bei ihrer erstmaligen Festsetzung darf die Basisaltersrente die nach 35-jähriger Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach der bis dahin gültigen Leistungsordnung vorgesehene Altersrente nicht unterschreiten. Bei der Erlassung der Satzung und bei der Vornahme von Änderungen daran sind wohlerworbene Rechte zu berücksichtigen und der Vertrauensschutz zu wahren.

(...)

              (2) Beitragspflichtig sind grundsätzlich alle in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer oder in die Liste der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwälte sowie die in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwaltsanwärter, es sei denn, dass diese wegen ihrer rechtsanwaltlichen Tätigkeit bereits auf Grund anderer Rechtsvorschriften einer Pflichtversicherung in einem Altersversicherungssystem eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft unterliegen. Zwei oder mehr Rechtsanwaltskammern können auch eine gemeinsame Versorgungseinrichtung schaffen.

(...)

§ 50.         (1) Jeder Rechtsanwalt und Rechtsanwaltsanwärter sowie deren Hinterbliebene haben bei Vorliegen der Voraussetzungen und bei Eintritt des Versorgungsfalls Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung.

              (2) Dieser Anspruch ist in der Satzung der Versorgungseinrichtungen nach festen Regeln festzusetzen. Hierbei sind folgende Grundsätze zu beachten:

1. Anspruch auf Altersversorgung haben beitragspflichtige und ehemals beitragspflichtige Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung die Witwe beziehungsweise der Witwer (der geschiedene Ehegatte) und die Kinder eines beitragspflichtigen oder ehemals beitragspflichtigen Rechtsanwalts oder Rechtsanwaltsanwärters.

(...)

2. Voraussetzungen für den Anspruch sind

a) im Fall der Altersversorgung die Beitragspflicht zu einer Versorgungseinrichtung in der Dauer von mindestens zwölf Monaten, wobei in der Satzung vorgesehen werden kann, dass Beitragsmonate von Rechtsanwaltsanwärtern (§ 53 Abs. 2 erster Satz) und Rechtsanwälten, die aufgrund einer in der betreffenden Umlagenordnung gemäß § 53 Abs. 2 Z 4 lit. a getroffenen Regelung vorübergehend geringere Beiträge entrichten, entsprechend deren geringerer Beitragsleistung nur anteilsmäßig erworben werden können, sowie die Vollendung des 70. Lebensjahrs; in der Satzung kann ferner angeordnet werden, dass ungeachtet einer Befreiung von der Leistung der Umlage aufgrund einer gemäß § 53 Abs. 2 Z 4 lit. b getroffenen Regelung die auf die Dauer der Befreiung entfallende Beitragszeit ungekürzt erworben wird; eine vorzeitige Alterspension kann bis zu vier Jahre vor Erreichen des für den Betreffenden maßgeblichen Pensionsalters bei Abschlägen, die nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu berechnen sind, vorgesehen werden;

(...)

c) im Fall der Alters- und Berufsunfähigkeitsversorgung

aa) der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft im In- und Ausland;

bb) bei niedergelassenen europäischen Rechtsanwälten darüber hinaus eine Bescheinigung der im Herkunftsstaat zuständigen Stelle über diesen Verzicht;

cc) der Verzicht auf die Eintragung in die Verteidigerliste;

...

              (3) In der Satzung der Versorgungseinrichtungen können auch über die im Abs. 2 festgelegten Grundsätze hinausgehende, für die Versorgungsberechtigten günstigere Regelungen festgesetzt werden, insbesondere günstigere Wartezeiten;

..."

§ 6 der für den hier vorliegenden Fall maßgeblichen Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Rechtsanwaltskammer für Wien in der Fassung des Beschlusses der Plenarversammlung vom 27.11.2013 lautet auszugsweise wie folgt:

§ 6 Altersrente und vorzeitige Altersrente:

§ 6  (1) Bedingung für Ansprüche auf Bezahlung von Altersrenten sind:

a)     Der Erwerb eines Beitragsmonates bei dieser Rechtsanwaltskammer und Erfüllung der Wartezeit gemäß § 5 Abs. 2,

b)     die Vollendung des 66. Lebensjahres für Beitragspflichtige, die am oder nach dem 1.1.1949, aber vor dem 1.1.1959, geboren sind und

c)     der Verzicht auf die Eintragung in die Verteidigerliste sowie

d)     bei Rechtsanwälten gem. § 1 Abs. 1 RAO das Erlöschen der Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft gem. § 34 RAO,

e)     bei niedergelassenen europäischen Rechtsanwälten und bei Personen, die den Beruf als Rechtsanwalt unter einer der in der Anlage zum EIRAG Art I BGBl I Nr. 27/2000 in der jeweils geltenden Fassung angeführten Bezeichnung in einem der dort genannten Staaten berechtigt ausüben, der Nachweis der Beendigung der Zugehörigkeit des Rechtsanwaltes zu diesem Beruf durch Bescheinigung der im Herkunftsland zuständigen Stelle oder der Beendigung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Ländern, die eine Eintragung als Rechtsanwalt bei einer Standes – oder Registrierungsbehörde nicht vorsehen, und die Streichung aus allen Listen der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte.

f)     Bei Rechtsanwaltsanwärtern der Verzicht auf die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter,

g)     Der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft wo immer.

(2) Vorzeitige Altersrente:

a)     Dem Beitragspflichtigen steht es ungeachtet des § 6 Abs. 1 frei, bis zu 4 Jahre vor Erreichung des für ihn gemäß § 6 Abs.1 lit. b anwendbaren Pensionsalters die Altersrente bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen in Anspruch zu nehmen.

b)     Dem Beitragspflichtigen steht bei Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente die sich für den Beitragspflichtigen gemäß § 6 Abs. 6 (unter allfälliger Berücksichtigung von § 6 Abs. 7) zu errechnende Altersrente gekürzt um 0,4% pro angefallenem Monat des vorzeitigen Pensionsantrittes zu

(3)    Der Anspruch auf Gewährung der Altersrente beginnt bei Vorleigen und Nachweis aller hiefür erforderlichen Voraussetzungen mit dem auf die Antragstellung folgenden Monatsersten.

(4)    Der Rechtsanspruch auf Bezug einer Altersrente endet

a)     durch Verzicht auf die Altersrente

b)     durch die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte, der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsanwärter einer Rechtsanwaltskammer oder Ausübung der Rechtsanwaltschaft, wo immer,

c)     durch den Tod.

Der inhaltsgleiche § 26 der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Rechtsanwaltskammer (Satzung Teil A 2018) lautet wie folgt:

"§ 26 Altersrente und vorzeitige Altersrente

Voraussetzungen für den Leistungsanspruch:

§ 26 Anspruch auf Altersrente hat die oder der Versicherte, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

1.     der Erwerb eines Beitragsmonats,

2.     die Erfüllung der Wartezeit gemäß § 19 Abs. 3,

3.     die Vollendung

       des 65. Lebensjahrs für Versicherte, die vor dem 1. Jänner 1949,

       des 66. Lebensjahrs für Versicherte, die am oder nach dem 1. Jänner 1949, aber vor dem 1. Jänner 1959,

       des 67. Lebensjahrs für Versicherte, die am oder nach dem 1. Jänner 1959, aber vor dem 1. Jänner 1969,

       des 68. Lebensjahrs für Versicherte, die am oder nach dem 1. Jänner 1969, aber vor dem 1. Jänner 1979

       des 69. Lebensjahrs für Versicherte, die am oder nach dem 1. Jänner 1979, aber vor dem 1. Jänner 1989

       des 70. Lebensjahrs für Versicherte, die am oder nach dem 1. Jänner 1989

       geboren sind,

4.     bei Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten das Erlöschen des Rechts zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß § 34 RAO

5.     bei niedergelassenen europäischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten der Nachweis der Beendigung der Zugehörigkeit der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwalts zu diesem Beruf durch Bescheinigung der im Herkunftsstaat zuständigen Stelle oder der Beendigung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Ländern, die eine Eintragung als Rechtsanwältin oder des Rechtsanwalt bei einer Standes- oder Registrierungsbehörde nicht vorsehen, und die Streichung aus allen Listen der niedergelassenen europäischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte,

6.     bei Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwaltsanwärtern der Verzicht auf die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwalts-anwärter,

7.     der Verzicht auf die Eintragung in die Verteidigerliste (§ 39 Abs. 3 Strafprozessordnung 1975 in der vor Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes, BGBl. I Nr. 19/2004, geltenden Fassung) und

8.     der Verzicht auf das Recht zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft wo immer.

C. Unionsrechtliche Vorschriften:

Relevante Bestimmungen des AEUV lauten:

"DAS NIEDERLASSUNGSRECHT

Artikel 49

(ex-Artikel 43 EGV)

Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.

Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen.

...

DIENSTLEISTUNGEN

Artikel 56

(ex-Artikel 49 EGV)

Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.

Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschließen, dass dieses Kapitel auch auf Erbringer von Dienstleistungen Anwendung findet, welche die Staatsangehörigkeit eines dritten Landes besitzen und innerhalb der Union ansässig sind."

Zudem ist im vorliegenden Fall auch auf die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 166/1 vom 30. April 2004 (iF: VO 883/2004), sowie auf deren Durchführungsverordnung, die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 284/1 vom 30. Oktober 2009 (iF: VO 987/2009), Bedacht zu nehmen.

Die maßgeblichen Bestimmungen der VO 883/2004 lauten auszugsweise:

"TITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

...

Artikel 2

Persönlicher Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

...

Artikel 3

Sachlicher Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

...

d) Leistungen bei Alter;

...

TITEL II

BESTIMMUNG DES ANWENDBAREN RECHTS

Artikel 11

Allgemeine Regelung

(1)  Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

...

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

...

Artikel 13

Ausübung von Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten

...

(2) Eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt:

a) den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt, oder

b) den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten befindet, wenn sie nicht in einem der Mitgliedstaaten wohnt, in denen sie einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt.

...

TITEL III

BESONDERE BESTIMMUNGEN ÜBER DIE VERSCHIEDENEN ARTEN VON

LEISTUNGEN

...

KAPITEL 5

Alters- und Hinterbliebenenrenten

Artikel 50

Allgemeine Vorschriften

(1) Wird ein Leistungsantrag gestellt, so stellen alle zuständigen Träger die Leistungsansprüche nach den Rechtsvorschriften aller Mitgliedstaaten fest, die für die betreffende Person galten, es sei denn, die betreffende Person beantragt ausdrücklich, die Feststellung der nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erworbenen Ansprüche auf Leistungen bei Alter aufzuschieben.

...

TITEL VI

ÜBERGANGS- UND SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 87

Übergangsbestimmungen

(1) Diese Verordnung begründet keinen Anspruch für den Zeitraum vor dem Beginn ihrer Anwendung.

(2) Für die Feststellung des Leistungsanspruchs nach dieser Verordnung werden alle Versicherungszeiten sowie gegebenenfalls auch alle Beschäftigungszeiten, Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit oder Wohnzeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vor dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung in dem betreffenden Mitgliedstaat zurückgelegt worden sind.

(3) Vorbehaltlich des Absatzes 1 begründet diese Verordnung einen Leistungsanspruch auch für Ereignisse vor dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung in dem betreffenden Mitgliedstaat.

..."

Die maßgeblichen Bestimmungen der VO 987/2009 lauten auszugsweise:

"Artikel 14

Nähere Vorschriften zu den Artikeln 12 und 13 der Grundverordnung

...

(6) Bei der Anwendung von Artikel 13 Absatz 2 der Grundverordnung beziehen sich die Worte 'eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt' insbesondere auf eine Person, die gleichzeitig oder abwechselnd eine oder mehrere gesonderte selbständige Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, und zwar unabhängig von der Eigenart dieser Tätigkeiten.

...

(8) Bei der Anwendung von Artikel 13 Absätze 1 und 2 der Grundverordnung bedeutet die Ausübung 'eines wesentlichen Teils der Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit' in einem Mitgliedstaat, dass der Arbeitnehmer oder Selbständige dort einen quantitativ erheblichen Teil seiner Tätigkeit ausübt, was aber nicht notwendigerweise der größte Teil seiner Tätigkeit sein muss.

Um festzustellen, ob ein wesentlicher Teil der Tätigkeit in einem Mitgliedstaat ausgeübt wird, werden folgende Orientierungskriterien herangezogen:

...

b) im Falle einer selbständigen Erwerbstätigkeit der Umsatz, die Arbeitszeit, die Anzahl der erbrachten Dienstleistungen und/oder das Einkommen.

Wird im Rahmen einer Gesamtbewertung bei den genannten Kriterien ein Anteil von weniger als 25 % erreicht, so ist dies ein Anzeichen dafür, dass ein wesentlicher Teil der Tätigkeit nicht in dem entsprechenden Mitgliedstaat ausgeübt wird.

(9) Bei der Anwendung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung wird bei Selbständigen der 'Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten' anhand sämtlicher Merkmale bestimmt, die ihre berufliche Tätigkeit kennzeichnen; hierzu gehören namentlich der Ort, an dem sich die feste und ständige Niederlassung befindet, von dem aus die betreffende Person ihre Tätigkeiten ausübt, die gewöhnliche Art oder die Dauer der ausgeübten Tätigkeiten, die Anzahl der erbrachten Dienstleistungen sowie der sich aus sämtlichen Umständen ergebende Wille der betreffenden Person.

...

Artikel 45

Beantragung von Leistungen

...

B. Beantragung von Leistungen in sonstigen Fällen

(4) In anderen als den in Absatz 1 genannten Fällen stellt der Antragsteller einen entsprechenden Antrag beim Träger seines Wohnorts oder beim Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für ihn galten. Galten für die betreffende Person zu keinem Zeitpunkt die Rechtsvorschriften, die der Träger ihres Wohnorts anwendet, so leitet dieser Träger den Antrag an den Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für sie galten.

(5) Der Zeitpunkt der Antragstellung ist für alle beteiligten Träger verbindlich.

...

Artikel 47

Bearbeitung der Anträge durch die beteiligten Träger A. Kontakt-Träger

(1) Der Träger, an den der Leistungsantrag nach Artikel 45 Absatz 1 oder 4 der Durchführungsverordnung gerichtet oder weitergeleitet wird, wird nachstehend als 'Kontakt-Träger' bezeichnet. Der Träger des Wohnorts wird nicht als Kontakt-Träger bezeichnet, wenn für die betreffende Person zu keinem Zeitpunkt die von diesem Träger angewandten Rechtsvorschriften galten.

Zusätzlich zur Bearbeitung des Leistungsantrags nach den von ihm angewandten Rechtsvorschriften fördert dieser Träger in seiner Eigenschaft als Kontakt-Träger den Austausch von Daten, die Mitteilung von Entscheidungen und die für die Bearbeitung des Antrags durch die beteiligten Träger erforderlichen Vorgänge und übermittelt dem Antragsteller auf Verlangen alle die Gemeinschaftsaspekte der Bearbeitung betreffenden Angaben und hält ihn über den Stand der Bearbeitung seines Antrags auf dem Laufenden.“

Art 15 Grundrechtecharta der Europäischen Union (im folgenden GRCh) lautet:

Berufsfreiheit und Recht zum Arbeiten

(1)    Jede Person hat das Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben.

(2)    Alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben die Freiheit, in jedem Mitgliedstaat Arbeit zu suchen, zu arbeiten, sich niederzulassen oder Dienstleistungen zu erbringen.

(3)    Die Staatsangehörigen dritter Länder, die im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten arbeiten dürfen, haben Anspruch auf Arbeitsbedingungen, die denen der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger entsprechen.

Art 17 GRCh lautet:

(1)    Jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist. …

Art. 20 GRCh lautet:

Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich.

Artikel 21 Abs. 1 GRCh lautet:

Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten.

D. Zur Vorlageberechtigung und den Vorlagefragen:

1.     Das Verwaltungsgericht Wien ist ein Gericht im Sinne des Artikel 267 AEUV. Das Verwaltungsgericht Wien hält die erste Frage betreffend der Zuständigkeit Österreichs für erforderlich, zumal sich diese für das Verwaltungsgericht Wien aus den angeführten Bestimmungen nicht eindeutig erschließen lässt. Sollte die Zuständigkeit Österreichs bejaht werden, hält das Verwaltungsgericht Wien Beantwortung der zweiten Frage betreffend die Vereinbarkeit des § 50 Abs. 2 Zi. 2 lit. c sub.lit aa RAO mit Unionsrecht für seine Entscheidungsfindung erforderlich, sodass die eingangs genannte Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt wird.

Zur ersten Frage erlaubt sich das Verwaltungsgericht Wien folgende Anmerkungen:

Seit dem Beitritt zur Europäischen Union bis zum 01.01.2005 waren gemäß Anhang II VO 1408/71 die österreichischen Sondersysteme für Selbständige der Branchen Ärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte und Ziviltechniker von der Anwendbarkeit dieser Verordnung ausgenommen. Selbiges gilt für diesen Zeitraum auch für zahlreiche Sondersysteme in Deutschland, ua. jenes der Rechtsanwälte.

Mit 01.01.2005 wurden diese deutschen und österreichischen Sondersysteme in den Anwendungsbereich der VO 1407/71 einbezogen. Im Zuge dessen wurde mit VO 647/2005 die VO 1408/71 geändert und in deren Art 95f Übergangsbestimmungen aufgenommen, wonach die geänderte Fassung der Verordnung keine Ansprüche für den Zeitraum vor dem 01.01.2005 begründet. Die zuvor zurückgelegten Zeiten unterliegen jedoch der Zusammenrechnung. Die Übergangsvorschriften enthalten weiters Regelungen zur Neufeststellung und Berechnung von vor dem 01.01.2005 gewährten Ansprüchen. Die VO 1408/71 wurde von der VO 883/2004 und die Durchführungs-VO 574/72 zur VO 1408/71 von der Durchführungs-VO 987/2009 zur VO 883/2004 abgelöst.

Nach Art 11 der VO 883/2004 unterliegen Personen generell nur den Vorschriften eines Mitgliedsstaates, um Doppelbelastungen zu vermeiden. Das anwendbare Recht knüpft dabei im Wesentlichen an den Ort der hauptsächlichen Erwerbstätigkeit.

Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004 statuiert den Grundsatz, dass eine Person, vorbehaltlich der Art. 12 bis 16 leg. cit., den Rechtsvorschriften jenes Staates unterliegt, in dem sie eine Beschäftigung ausübt.

Für Personen, die gewöhnlich in zwei oder drei Mitgliedstaaten eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, bestimmt Art. 13 Abs. 2 VO 883/2004, nach welchen Kriterien die anzuwendenden Rechtsvorschriften zu ermitteln sind. Demnach unterliegt eine Person, die von Art. 13 Abs. 2 erfasst ist, entweder den Vorschriften ihres Wohnmitgliedstaates oder, wenn sie dort nicht den wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Tätigkeit befindet. Näheres regelt Art 14 Abs. 6-10 VO 987/2009.

Der Bf hat seinen Hauptwohnsitz in der Schweiz, wo er auch quantitativ den wesentlichen Teil seiner Tätigkeit ausübt. Daneben ist er noch in 2 Mitgliedstaaten (Österreich und Deutschland) zu einem quantitativ wesentlich geringeren Teil tätig, wobei der überwiegende Teil dieser Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland liegt. Nach der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes Wien lässt sich eine Zuständigkeit bloß aus dem Wortlaut der Bestimmung des Art 13 Abs. 2 lit. b VO 883/2004 nicht ableiten und ist dem Verwaltungsgericht Wien zu dieser Bestimmung keine Judikatur des EuGH bekannt.

Es stellt sich für das Verwaltungsgericht Wien die Frage, wie Art 13 Abs. 2 lit. b VO 883/2004 in einem derartigen Fall zu verstehen ist, in dem sich eine Person sowohl mit dem Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten als auch ihrem Wohnsitz außerhalb eines Mitgliedstaates befindet und eine wörtliche Auslegung dieser Bestimmung zur Folge hätte, dass überhaupt keine Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates anzuwenden wären. Sollte dennoch eine Auslegung des Art. 13 Abs. 2 lit. b Vo 883/2004 dazu führen, dass die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates anzuwenden sind, ist für das Verwaltungsgericht Wien unklar, welcher Mitgliedstaat zuständig ist, wenn die betroffene Person ihre Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten in unterschiedlicher Quantität ausübt.

Für den Fall, dass die Zuständigkeit Österreichs bejaht wird, stellt sich

2.     im vorliegenden Verfahren das Verwaltungsgericht Wien grundsätzlich die Frage, ob im Fall von grenzüberschreitenden, unionsrechtlichen Sachverhalten die Bestimmung des § 50 Abs. 2 lit. c sub.lit aa RAO vollinhaltlich anzuwenden ist oder aber diese Bestimmung, soweit sie den Verzicht auf die Anwaltschaft auch in anderen Mitgliedsstaaten der EU und/oder der Schweiz fordert, im Widerspruch zu Unionsrecht – insbesondere den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsge- und Diskriminierungsverboten, der unionsrechtlichen Eigentumsfreiheit, dem unionsrechtlichen Recht zu Arbeiten und der unionsrechtlich garantieren Personenfreizügigkeit, insbesondere in der Ausprägung der Niederlassungsfreiheit – steht und, ob dieser Widerspruch zu Folge hat, dass § 50 Abs. lit. c sub. lit. aa RAO aufgrund des Anwendungsvorranges des Unionsrecht insoweit unangewendet zu bleiben hat, als diese Bestimmungen einen Verzicht auf die Ausübung der Anwaltschaft auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten und/oder der Schweiz fordert.

Wie bereits ausgeführt, ist der Bf nicht nur in Österreich, sondern auch im EU-Ausland (Deutschland) aufgrund Erfüllung der innerstaatlichen Voraussetzungen als Anwalt tätig; weiters auch in der Schweiz als europäischer Anwalt aufgrund seiner deutschen Zulassung. Sowohl im Verhältnis zu Deutschland, aber auch im Verhältnis zur Schweiz ist der Anwendungsbereich des Unionsrechts eröffnet:

Im Verhältnis zu Deutschland ist unzweifelhaft ein grenzüberschreitender, unionsrechtlicher Sachverhalt gegeben, wenn der Antragsteller in beiden Mitgliedsstaaten der Union niedergelassen ist und in weiterer Folge eine österreichische Bestimmung in die Rechtsposition des Antragstellers in Deutschland eingreift, indem sie dem Antragsteller dort eine weitere Erwerbstätigkeit gleichsam untersagt, um einen österreichischen vorzeitigen Ruhegenuss beziehen zu können.

Nach Artikel 17 Grundrechtscharta ist das Eigentum unverletzlich. Nach Artikel 52 Abs. 3 Grundrechtscharta ist zur Bestimmung des Umfangs des Grundrechts auf Eigentum Artikel 1 erstes Zusatzprotokoll – EMRK heranzuziehen. Demnach schützt die unionsrechtliche Eigentumsgarantie auch vermögensrechtliche Interessen im Zusammenhang mit gesetzlich vorgesehenen Sozialleistungen wie insbesondere Ruhebezüge. Beschränkungen des Grundrechts auf Eigentum dürfen einer gesetzlichen Grundlage und müssen durch dem Gemeinwohl dienenden Ziele der Union gerechtfertigt, zu Erreichung des Zieles geeignet, sowie verhältnismäßig sein. Das erkennende Gericht hegt Zweifel, ob hier eine solche Interessenslage den Verzicht auf Ausübung der Rechtsanwaltstätigkeit, wo auch immer rechtfertigt. Das Verwaltungsgericht Wien merkt an, dass mit der Verordnung 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit Doppelversicherungen und doppelte Beitragslasten vermieden werden sollen. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung war der Beschwerdeführer in Deutschland, Österreich und in der Schweiz sozialversichert. Der Bf hat nach Inkrafttreten der Verordnung die Versicherungsleistungen zur österreichischen Rechtsanwaltskammer weiterhin geleistet, zumal sowohl der Lebensmittelpunkt als auch der Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit während seines gesamten Erwerbslebens in Deutschland bzw. der Schweiz angesiedelt war. Die Rechtsanwaltsordnung unterscheidet hinsichtlich der Beitragspflicht nicht, ob ein Rechtsanwalt auch in einem anderen Mitgliedstaat der Union erwerbstätig ist. Der Beschwerdeführer hat daher weiter die Beiträge zur österreichischen Rechtsanwaltskammer einbezahlt.

Darüberhinaus schützt Artikel 15 Grundrechtecharta das Recht von Unionsbürgern zu arbeiten und einen frei gewählten Beruf zu ergreifen und auszuüben. Durch Artikel 15 Abs. 2 Grundrechtecharta werden die Grundfreiheiten des AEUV und des Abkommens, nämlich die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV und die Freiheit des Dienstleitungsverkehrs explizit in die Grundrechtecharta aufgenommen. Art. 49 AEUV verbietet im Fall von grenzüberschreitender Sachverhalten die Beschränkung der freien Niederlassungen nach Maßgabe der sonstigen Bestimmungen des AEUV. Die Niederlassungsfreiheit umfasst die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten im Sinne einer unterschiedlichen Behandlung. Unter Beschränkungen im Sinne des Art. 49 AEUV sind sowohl Diskriminierungen als auch sonstige Behinderungen zu verstehen. Anwälte werden durch die gegenständliche Bestimmung an der ihnen durch Art. 15 Abs. 2 Grundrechtecharta iVm Art. 49 AEUV garantierten, bei einer Niederlassung, noch dazu in diskriminierender Weise, behindert.

Unionsrechtlich ist aufgrund verschiedener nationaler Renteneintrittsalter zur Absicherung der Niederlassungsfreiheit im Rahmen der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vorgesehen, dass bei Erreichen des Renteneintrittsalters in einem Staat einer (früheren) Beschäftigung, die dort erworbene Rente (unter Berücksichtigung der Zusammenrechnung von Beitragszeiten) dem dort erworbenen Anspruch entsprechend zu gewähren ist, und zwar unabhängig vom Erreichen des Renteneintrittsalters, auch in einem anderen (neuen) Staat der Beschäftigung. Lediglich die Höhe der Rente kann vor dem Hintergrund der weiteren Berufstätigkeit im EU-Ausland angepasst werden, wenn dies nationale Bestimmungen vorsehen.

Eine Fortsetzung der Beschäftigung in anderen EU-Mitgliedsstaaten ist daher unionsrechtlich zulässig, andernfalls es nicht notwendig wäre, vorzusehen, wie mit unterschiedlichen Rentenantrittsalter umzugehen sei.

Soweit ersichtlich existiert keine Rechtsprechung des EuGH zu der Frage, ob es unionsrechtlich insbesondere vor dem Hintergrund von Art. 15,17, 20 und 21 Grundrechtecharta sowie Personenfreizügigkeit und den darauf basierenden Bestimmungen des Sekundärrechtes der Union, zulässig ist, dass nationale Vorschriften die Einstellung einer Berufstätigkeit iSd Verzichtes auf die Ausübung der Anwaltschaft auch in sämtlichen Ländern der EU sowie der Schweiz- noch dazu unabhängig von den jeweiligen nationalen berufsrechtlichen Bestimmungen- fordern, damit eine österreichische Alterspension bezogen werden kann.

Da dem Verwaltungsgericht Wien auch die richtige Anwendung des Unionsrecht nicht als derart offenkundig erscheint, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH 6.10.1982, Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T. u.a.), wird die eingangs formulierte Vorlagefrage gemäß Artikel 267 AEUV mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt.

Mag. Föger-Leibrecht

Schlagworte

Vorabentscheidungsersuchen; Niederlassungsfreiheit; vorzeitige Altersrente; Zuerkennung; selbstständige Erwerbstätigkeit; Mittelpunkt der Tätigkeit; Wohnsitz; Recht zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft; Verzicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.162.017.3717.2020.E.14

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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