TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/11 96/01/0011

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Veröffentlicht am 11.06.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des B in A, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. November 1995, Zl. 4.329.887/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. November 1995 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 21. Oktober 1991 ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", der am 1. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am darauffolgenden Tag den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 7. Oktober 1991 angegeben, er sei wegen der Mobilmachung aus seiner Heimat ausgereist, da schon mehrmals Angehörige der Militärbehörden zu ihm gekommen seien und ihn hätten festnehmen wollen, da er der Einberufung zur Mobilmachung nicht Folge geleistet habe. Von den Angehörigen der Militärpolizei würden sie (Anmerkung: die Albaner) "in Teile gebracht" werden, wo sie gegen die kroatischen Angehörigen hätten kämpfen müssen. Er habe es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren können, daß er gegen die eigenen Leute habe kämpfen müssen. Er habe auch nicht gegen Kroaten kämpfen wollen, da diese nur ihr eigenes Land verteidigten. Er sei bei keiner politischen Organisation tätig gewesen und habe auch an keinen Kundgebungen teilgenommen.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, er sei als Angehöriger der albanischen Minderheit in Jugoslawien ständigen Repressionen ausgesetzt gewesen. Albaner würden von der Polizei ständig kontrolliert, vor allem bei Nacht. Im übrigen verwies der Beschwerdeführer inhaltlich auf seine Angaben in erster Instanz und betonte abschließend, im Falle seiner Rückkehr nach Jugoslawien würde er für mindestens sieben Jahre "ins Gefängnis geworfen" werden.

Die belangte Behörde begründete die Versagung von Asyl im wesentlichen damit, die Einberufung zur Militärdienstleistung stelle keine Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 dar, da die erforderliche Verfolgungsmotivation fehle. Die Flucht eines Asylwerbers vor einem drohenden Militärdienst indiziere ebensowenig die Flüchtlingseigenschaft wie die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden, unter Umständen auch stengen Bestrafung und könne die Gewährung von Asyl nicht rechtfertigen. Es bestehe in der Jugoslawischen Föderation und damit auch im Kosovo grundsätzlich allgemeine Wehrpflicht, wobei nach den gesetzlichen Bestimmungen keine ethnischen Unterschiede vorgesehen seien bzw. in der ehemaligen SFRJ gewesen seien, also serbische und kosovoalbanische Volksgruppenangehörige gleichermaßen einberufen würden. Hinsichtlich der Volksgruppenzugehörigkeit würden auch bei Verwendung der einrückenden Wehrpflichtigen grundsätzlich keine Unterschiede gemacht. Auch in der Strafverfolgung und -bemessung mache das Gesetz keinen Unterschied hinsichtlich ethnischer Kriterien. Refraktion sowie Desertion könnten als Übertretungen nach dem Militärpflichtgesetz oder als Straftatbestand nach dem jugoslawischen Strafgesetzbuch gesehen werden. Während das Militärpflichtgesetz Bußen und eine Gefängnisstrafe von bis zu 30 Tagen vorsehen könne, seien nach dem jugoslawischen Strafgesetzbuch Gefängnisstrafen von drei Monaten bis 10 Jahren möglich. Ende Juni 1993 sei die Todesstrafe, soweit sie im jugoslawischen Bundesrecht vorgesehen gewesen sei, abgeschafft und durch eine Strafandrohung von 20 Jahren ersetzt worden. Daher könne auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer vor Verlassen seines Heimatlandes zum Militärdienst einberufen worden sei, keinen Fluchtgrund im Sinne des Asylgesetzes 1991 darstellen. Daran ändere auch nichts, daß er im Falle der Befolgung des Einberufungsbefehls gezwungen gewesen wäre, am derzeit herrschenden Bürgerkrieg teilzunehmen, weil es sich hiebei um keine gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungshandlung aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 aufgezählten Gründe handle und er auch nicht dargetan habe, daß er ausschließlich wegen seiner Nationalität oder wegen seiner politiischen Gesinnung einberufen worden sei. Auch die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer bestimmten Volksgruppe allein könne keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling geben.

Im übrigen nahm die belangte Behörde auf Grund der Durchreise des Beschwerdeführers durch Slowenien vor Einreise in das Bundesgebiet Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 dort an, weshalb auch aus diesem Grunde eine Asylgewährung ausgeschlossen sei.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften machte der Beschwerdeführer im wesentlichen Begründungs- und Ermittlungsfehler der Verwaltungsbehörde erster Instanz sowie eine unrichtige Anwendung des § 20 AsylG 1991 durch die belangte Behörde geltend. Im Hinblick auf die Annahme der Verfolgungssicherheit rügte der Beschwerdeführer die Unterlassung der Gewährung des Parteiengehörs zu dieser Frage. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht er im Hinblick auf die von ihm behauptete Flüchtlingseigenschaft geltend, er habe die kriegerischen Aktionen Serbiens nicht dadurch unterstützen können, daß er als Angehöriger des Militärs sich an derartigen Kampfhandlungen beteilige; es sei zu unterscheiden, ob man sich dem Wehrdienst prinzipiell entziehe oder einer Einberufung bei Bürgerkriegshandlungen nicht Folge leiste. Die bewußte Nichtteilnahme an militärischen Aktionen gegen Mitbürger sei Ausdruck einer politischen Gesinnung, welche aber gerade staatlichen Machtstellen und Organen, die den Bürgerkrieg betrieben, widerstrebe, aus welche Grunde Wehrdienstverweigerer mit besonders strengen Sanktionen verfolgt würden.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - worunter sowohl die Nichtbefolgung der Einberufung zum Militärdienst als auch nach dessen Antritt die Desertion zu verstehen ist - grundsätzlich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht, was auch in den Fällen gilt, in denen in dem betreffenden Heimatland u.a. ein Bürgerkrieg oder eine bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzung stattfindet. Allerdings kann die Furcht vor Verfolgung im Zusammenhang mit der Ableistung des Militärdienstes dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung bzw. unterschiedliche Behandlung während des Militärdienstes aus einem der im § 1 Z. 1 AsylG 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen schärfere Sanktionen drohten (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A).

Anders als in dem Fall, der dem angeführten Erkenntnis des verstärkten Senates zugrundelag, hat der Beschwerdeführer bei seiner Ersteinvernahme keine Ausführungen gemacht, die darauf hindeuten würden, daß seine Heranziehung zur Ableistung des Militärdienstes bzw. die Art des Einsatzes, zu dem er beordert worden wäre, als Verfolgung im Sinne obiger Judikatur anzusehen seien. Insbesondere hat der Beschwerdeführer aus seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe nicht abgeleitet, er sei wegen dieser Volkszugehörigkeit Verfolgung während der Ableistung des Militärdienstes ausgesetzt gewesen bzw. er habe solche befürchten müssen. Auch in der Beschwerde stellt er solches nicht dar. Daß ihm infolge Verweigerung des Wehrdienstes eine regimekritische politische Gesinnung unterstellt worden wäre, wegen der über ihn eine über das für Wehrdienstverweigerung oder Desertion gesetzlich vorgesehene Strafmaß hinausgehende Strafe verhängt worden wäre, behauptet er erstmals in der Beschwerde. Dieses Vorbringen unterliegt dem sich aus § 41 Abs. 1 VwGG ergebenden Neuerungsverbot, weshalb darauf nicht einzugehen war.

Zum Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 AsylG 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen von weiteren Gründen im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da auch sonst für die Entscheidung wesentliche Mängel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen sind und vom Beschwerdeführer insoweit in seiner Berufung auch nicht - jedenfalls nicht hinreichend konkretisiert - geltend gemacht wurden, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.

Ausgehend von dieser Sach- und Rechtslage konnte eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die belangte Behörde auch zu Recht vom Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 Gebrauch gemacht hat, und den darauf bezugnehmenden Ausführungen in der Beschwerde unterbleiben.

Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010011.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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