TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/8 L508 2102925-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.2020
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Entscheidungsdatum

08.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §56
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


L508 2102925-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in Herzog als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Libanon, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 56, 10 Abs. 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG und §§ 46, 52, 55 FPG idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids zu lauten hat: „Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Libanon zulässig ist."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), zum Zeitpunkt der Asylantragstellung noch minderjährig sowie ein Staatsangehöriger aus dem Libanon und der arabischen Volksgruppe sowie der schiitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, reiste gemeinsam mit seiner Familie (zwei Halbgeschwister, deren Mutter sowie - zum damaligen Zeitpunkt - fünf Kinder der Halbschwester) legal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.10.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Hierbei legte der BF dar, dass sein Vater und ein Halbbruder in seinem Heimatland verschwunden seien. Er sei nach Österreich gekommen, weil er sich verfolgt gefühlt habe.

Im Rahmen der Erstbefragung nach dem AsylG durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.10.2014 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er wegen des in Syrien herrschenden Krieges um sein Leben Angst gehabt habe. Sein Vater sei seit drei Monaten verschollen und seine Schwester sei vergewaltigt worden. Seine Familie habe in Angst und Panik gelebt, weshalb er mit seiner Familie aus Syrien geflüchtet sei. Bei einer Rückkehr befürchte er getötet zu werden.

2. Im Rahmen der folgenden niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) am 05.02.2015 gab der BF bezüglich des Ausreisegrundes zu Protokoll, dass er Syrien wegen des Krieges verlassen habe. Er wolle in Sicherheit leben. Im Libanon sei er noch nie gewesen. Er habe in Syrien weder wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch wegen seiner Religion/ Religionsausübung Probleme gehabt. Er sei nie persönlicher Verfolgung ausgesetzt gewesen und habe nie persönliche Probleme mit der Regierung oder politischen Gruppierungen gehabt. Bei einer Rückkehr nach Syrien befürchte er im Krieg getötet zu werden. Bei einer Rückkehr in den Libanon hätte er niemanden und sei die Lage dort auch nicht gut.

3. Mit Bescheid vom 12.02.2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Libanon gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) Weiters stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass dem Asylwerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt werde. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF wurde gegen den Asylwerber eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Libanon zulässig sei. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Das Vorbringen wurde für glaubwürdig erachtet. Festgestellt wurde, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen libanesischen Staatsangehörigen handle und eine Gefährdung im Libanon nicht vorgebracht worden sei. Verfolgungshandlungen betreffend dem Libanon seien nicht vorgebracht worden, weswegen weder Asyl noch subsidiärer Schutz zu gewähren sei und sei der Beschwerdeführer als Staatsangehöriger des Libanon in diesen Staat abzuschieben.

4. Gegen diesen Bescheid vom 12.02.2015 wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 26.02.2015 Beschwerde erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen. Dem Schriftsatz sind - jeweils in Kopie - eine syrische Meldebestätigung und ein Fahndungsschreiben/ eine Todesliste des Islamischen Staates angeschlossen.

5. Am 15.07.2015 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Deutschkurs-Teilnahmebestätigung „Deutsch als Fremdsprache für Anfänger“ vom 19.05.2015 ein.

6. Der fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom 12.02.2015 wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.09.2015, XXXX , stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen.

Diese Entscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgericht wie folgt begründet:

……“2.2.1. Das Kernproblem des gegenständlichen erstinstanzlichen Bescheides liegt darin, dass die belangte Behörde ohne nachvollziehbare Begründung davon ausgegangen ist, dass der mjr. Antragsteller libanesischer Staatsbürger ist.

Um zu einer derartigen Feststellung zu gelangen, hätte aber ein Beweisverfahren dahingehend geführt werden müssen, ob der mjr. Beschwerdeführer, welcher in Syrien aufgewachsen ist und sein gesamtes Leben gemeinsam mit seiner Familie in Syrien verbracht hat und über keinerlei Anknüpfungspunkte zum Libanon verfügt, überhaupt noch im Besitz der libanesischen Staatsbürgerschaft ist oder ob er dieser, aufgrund tatsächlicher jahrzehntelanger Abwesenheit, mittlerweile verlustig geworden ist. Ferner wäre zu eruieren gewesen, ob dem Beschwerdeführer aufgrund seiner jahrelangen Abwesenheit ein Aufenthaltsrecht im Libanon zukommt und ob er sich dort niederlassen wird können. Dies insbesondere unter Beachtung der komplexen und aktuellen Frage der Niederlassungsmöglichkeiten im Libanon und der damit zusammenhängenden staatsbürgerschaftlichen Aspekte.

Hierzu wird es also Aufgabe der belangten Behörde sein, zunächst die Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers zu klären und sodann – basierend auf seiner individuellen Lebenssituation – soweit feststellbar, Feststellungen zu dem Land / den Ländern zu treffen in das / in die gegebenenfalls eine Abschiebung erfolgen darf. Wiederum unter Berücksichtigung der notorisch bekannten schlechten Sicherheits- und Menschenrechtslage im Libanon bzw. Syrien.

Gerade bei der Feststellung der Staatsangehörigkeit bzw. des Herkunftsstaates handelt es sich zweifellos um eine zentrale Frage im Asylverfahren (vgl. etwa VwGH 16.04.2009, 2008/19/0706; 20.02.2009, 2007/19/0535), welche grundsätzlich von der Behörde erster Instanz zu klären ist, da ansonsten im Fall der Klärung des Herkunftsstaates durch das Bundesverwaltungsgericht das gesamte sich an die Feststellung knüpfende Ermittlungsverfahren zum Herkunftsstaat vor das Bundesverwaltungsgericht verlagert würde.

Im Sinne der obigen Judikatur kann es nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes sein, das Ermittlungsverfahren hinsichtlich des Herkunftsstaates neu zu beginnen, wobei in einem solchen Fall dem Beschwerdeführer auch der Instanzenzug abgeschnitten würde.

Das nunmehr zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher im fortgesetzten Verfahren nochmals mit der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers auseinander zu setzen haben. Ferner wird sich das BFA im fortgesetzten Verfahren auch mit dem nunmehr im Beschwerdeverfahren nachgereichten Drohbriefen entsprechend auseinanderzusetzen haben.

Bei der Feststellung des Herkunftsstaates wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insbesondere auch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen haben, wonach bei der Feststellung der Staatsangehörigkeit eine Anfrage bei den (diesfalls) libanesischen (Staatsbürgerschafts-) Behörden im Wege einer österreichischen Vertretungsbehörde nicht in jedem Fall ausscheidet: Mit Zustimmung des Asylwerbers ist auch eine Datenübermittlung in den (potentiellen) Herkunftsstaat möglich (VfGH 06.06.2014, U12/2013 ua.).

Sollte sich dabei eine libanesische Staatsbürgerschaft ergeben, wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insbesondere die dortige Situation bezogen auf die individuellen Gegebenheiten des Beschwerdeführers zu ermitteln haben.

Unter diesen Gesichtspunkten leidet die angefochtenen Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung des Beschwerdeführers unter dem Aspekt der Gewährung des Status des Asylberechtigten als so mangelhaft, dass weitere notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.“…….

7. Laut Aktenvermerk des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2015 kehrte die Mutter der Halbgeschwister des BF am 22.07.2015 unter Gewährung von Rückkehrhilfe in den Libanon zurück.

8. Mit E-Mail des Arbeitsmarktservice vom 05.05.2017 wurde der belangten Behörde eine Beschäftigungsbewilligung für den BF für die berufliche Tätigkeit als Augenoptiker (Lehrling/Auszubildender) für die Zeit von 03.07.2017 bis 02.01.2021 übermittelt.

9. Anfang 2018 langten bei der belangten Behörde - jeweils in Kopie - ein ÖSD-Zertifikat Niveau A2 vom 22.06.2016 (AS 289) und ein Jahres- und Abschlusszeugnis für das Schuljahr 2016/17 (Einjährige Fachschule für wirtschaftliche Berufe) vom 30.06.2017 ein.

10. In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 05.09.2018 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erneut einvernommen.

Der BF schilderte zunächst, dass er im Libanon keine Probleme hätte. Er habe in Syrien gewohnt und sei dort wegen des Krieges weg. Wenn er in den Libanon zurückkehre, könne er jedoch Probleme haben. Es könne sein, dass er keine Arbeit finden würde. Er wisse nicht, was im Libanon sei. Er hätte dort lediglich drei Jahre gelebt.

Er sei im Libanon geboren und sei sein Vater auch Libanese gewesen. Sein Vater habe in Syrien gearbeitet.

Er wolle nicht in den Libanon gehen. Es sei dort gefährlich. Im Libanon gebe es zu viele bewaffnete Gruppierungen und ohne Arbeit müsse er mit einer derartigen Gruppe gehen. Er wisse nichts von Drohbriefen. Sein Bruder habe dies alles für ihn gemacht, weil er noch minderjährig gewesen sei.

Ferner wurden dem BF Fragen zu seinem Privatleben in Österreich gestellt.

Im Übrigen wurde dem BF angeboten, die aktuellen Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat ausgehändigt zu erhalten und hierzu gegebenenfalls schriftlich Stellung zu nehmen. Der BF verzichtete auf diese Möglichkeit.

11. Am 05.09.2018 wurde des Weiteren der Halbbruder des BF als Zeuge niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Der Halbbruder des BF führte aus, dass er und der BF Schiiten seien. Sie seien beide im Nordlibanon geboren. Sein Vater sei aus dem Südlibanon. Sein Vater habe mehrere Frauen gehabt. Seine Mutter sei die Erstfrau gewesen und die Mutter des BF die Zweitfrau. Es lebe nur noch seine Mutter.

12. Mit Schreiben der Österreichischen Botschaft Beirut vom 11.01.2019 übermittelte die Vertretungsbehörde - entsprechend der Anfrage - ein Konvolut an Unterlagen bezüglich des BF, seines Halbbruders und seiner Halbschwester.

13. Mit Bescheid des BFA vom 16.01.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Libanon gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Dem Fluchtvorbringen wurde - abgesehen von dem Wunsch nach einer Arbeit und einem sicheren Leben in Europa - die Glaubwürdigkeit versagt.

In der rechtlichen Beurteilung wurde begründend dargelegt, warum der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung in den Libanon gemäß § 46 FPG zulässig sei. Letztlich wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

14. Gegen den oa. Bescheid des BFA erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz vom 15.02.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

Dem Schriftsatz sind - jeweils in Kopie - eine Schulbesuchsbestätigung einer Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt vom 21.01.2019, eine Schulbesuchsbestätigung einer Landwirtschaftlichen Fachschule vom 23.01.2019, eine Bestätigung über den Besuch eines 16stündigen Erste-Hilfe-Kurses vom 28.06.2017, eine Bestätigung des Vereins für Fairen Handel, Entwicklungshilfe und Bewusstseinsbildung vom 25.01.2019 über die Bedienung der Technik durch den BF bei der Jahreshauptversammlung, eine Bestätigung über die Absolvierung eines Ferialpraktikums vom 30.08.2018 und ein Referenzschreiben von mehreren Unterstützern vom 25.08.2015 angeschlossen.

15. Die Beschwerde vom 15.02.2019 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2019, XXXX , gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Des Weiteren wurde ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 AsylG 2005 gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen. In diesem Erkenntnis wurde im Wesentlichen begründend dargelegt, warum der vom BF vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung in den Libanon gemäß § 46 FPG zulässig sei. Letztlich wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Dieses Erkenntnis erwuchs Mitte Mai 2019 in Rechtskraft.

16. Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2019 erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, dessen Behandlung das Höchstgericht mit Beschluss vom 24.09.2019, XXXX , ablehnte.

17. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 11.11.2019 wurde die Beschwerde über nachträglichen Antrag zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Mit Beschluss vom 21.01.2020, XXXX wies der Verwaltungsgerichtshof die Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2019 zurück.

18. Daraufhin stellte der Beschwerdeführer persönlich mit Datum 17.02.2020 und Formular des BFA einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen" gemäß § 56 Abs. 1 AsylG (Aufenthaltsberechtigung plus) und legte dazu ein Konvolut an Unterlagen u. a. ein ÖSD-Zertifikat A2 vom 22.06.2016, ein Jahres- und Abschlusszeugnis für das Schuljahr 2016/17 (Einjährige Fachschule für wirtschaftliche Berufe) vom 30.06.2017, einen bis 31.07.2021 gültigen Mietvertrag hinsichtlich einer Wohnung vom 01.08.2019, einen Lebenslauf, zahlreiche Unterstützungs- und Referenzschreiben, eine Aufnahmebestätigung für die Teilnahme zur Ausbildung als Heimhelfer von 09.09.2019 bis 11.12.2019, ein Zeugnis über die erfolgreiche Absolvierung der Ausbildung zur Heimhilfe, eine bedingte Einstellungszusage als Heimhelfer, Bestätigungen über ehrenamtliches Engagement im Verein „MERKwürdig“, in einem Pflege- und Betreuungszentrum und beim Roten Kreuz, eine Bestätigung über die erfolgreiche Absolvierung eines 16stündigen Erste-Hilfe-Kurses und Mitgliedbestätigungen hinsichtlich des Vereins für Fairen Handel, Entwicklungshilfe und Bewusstseinsbildung und des Roten Kreuzes sowie ein Zeugnis zur Integrationsprüfung - Niveau B1 vom 07.02.2019 vor.

19. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG für zulässig erklärt (Spruchpunkt III.) sowie diesem gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dem Beschwerdeführer sei kein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG 2005 zu erteilen. Des Weiteren wurde ausgeführt, weshalb gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung in den Libanon gemäß § 46 FPG zulässig sei. Letztlich wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

20. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

21. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

21.1. Zunächst wird beantragt,

- dem Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in „besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 AsylG stattzugeben;

- hilfsweise den Bescheid zur Gänze zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen;

- hilfsweise die ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufzuheben und auf Dauer für unzulässig zu erklären und

- eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

21.2. In der Folge wird der bisherige Verfahrensgang kurz wiederholt.

21.3. Moniert wird, dass das BFA in seiner Entscheidung festhalte, dass der BF sein Verfahren „mutwillig unter Verwendung von eklatanten Falschaussagen verzögert“ habe, wodurch ihm ein etwa fünfjähriger Aufenthalt in Österreich erst möglich gewesen sei, ohne diesen Vorwurf im angefochtenen Bescheid zu begründen. Vor allem sei auch nicht ersichtlich, weshalb die lange Verfahrensdauer zwischen Zurückverweisung der Angelegenheit und Erlass des neuen Bescheides durch das BFA dem BF zuzurechnen wäre. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der BF den Großteil des Verfahrens noch minderjährig gewesen sei.

21.4. Die Voraussetzungen des § 56 AsylG seien beim BF als gegeben anzusehen und liege in seinem Fall ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund vor.

Der BF ist als Minderjähriger nach Österreich gekommen, halte sich seit dem Jahr 2014 im Bundesgebiet auf und habe eine vorbildliche Integration vorzuweisen. Er spreche Deutsch auf Niveau B1, besuche derzeit im Rahmen der Abendschule an einer Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt einen Vorbereitungslehrgang für Elektrotechnik. Zuvor habe der BF im Schuljahr 2016/17 eine einjährige Fachschule für wirtschaftliche Berufe sowie im Jahr 2018 eine landwirtschaftliche Fachschule besucht. Der BF sei Mitglied in mehreren Vereinen, habe einen 16stündigen Erste-Hilfekurs sowie ein Ferialpraktikum in einem Pflege- und Betreuungszentrum absolviert und sei darüber hinaus ehrenamtlich beim Roten Kreuz und im Pflegeheim tätig. Er werde in Österreich von einem großen Freundes- und Bekanntenkreis unterstützt und befinde sich in einer Beziehung mit XXXX . Auch die diesbezüglich vorgelegten Schreiben würden die gute Integration des Beschwerdeführers in Österreich zeigen. Der BF verfüge des Weiteren über zwei Einstellungszusagen, die eine baldige Selbsterhaltungsfähigkeit in Aussicht stellen würden.

21.5. Wenn das BFA auf Seite 30 des angefochtenen Bescheides ausführe, dass die bisherige Aufenthaltsdauer des BF seit Oktober 2014 etwas mehr als viereinhalb Jahre betrage, so verkenne sie, dass der BF sich zum jetzigen Zeitpunkt bereits etwa fünfeinhalb Jahre in Österreich aufhalte. Auch zum Zeitpunkt der gegenständlichen Antragstellung sei die Dauer des Aufenthaltes bereits über fünf Jahre gewesen. Entgegen der Meinung des BFA komme dem Aufenthalt des BF daher sehr wohl maßgebliche Bedeutung zu.

Nach der Rechtsprechung des VwGH sei darüber hinaus auch der erlangten Integration während unsicheren Aufenthaltes vor dem Hintergrund einer Gesamtbetrachtung Gewicht beizumessen (vgl. VwGH vom 22.11.2007, 2007/21/0317). Obwohl sein Aufenthalt in Österreich derzeit illegal sei, so sei sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich besonders stark ausgeprägt und würden aufgrund der Dauer des Aufenthaltes und der privaten Bindungen bei einer Verhältnismäßigkeitsprüfung die Gründe, die für einen Schutz der durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte auf Privatleben sprechen, überwiegen.

21.6. Mit diesem Rechtsmittel wurde jedoch kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

22. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1.         der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2.         die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

Auf der Grundlage des Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

2.I. Feststellungen:

2.1.1. Der Beschwerdeführer ist libanesischer Staatsangehöriger, gehört der arabischen Volksgruppe an und ist schiitischen Glaubens.

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der Beschwerdeführer trägt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren.

Der Beschwerdeführer lebte vor seiner Ausreise zuletzt in der Stadt XXXX rund 80 Kilometer südlich von Beirut. Der BF besuchte mehrere Jahre die Grundschule. Der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers lag vor dessen gegenständlichen Einreise ins Bundesgebiet im Libanon.

Der BF verließ im Herbst 2014 den Libanon und reiste im Oktober 2014 mit einem von 03.10.2014 bis 09.10.2014 gültigen Schengen-Visum der Kategorie C auf legalem Wege in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 09.10.2014 – dem Tag der Einreise - seinen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

2.1.2. Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.

Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit umfassender Schulausbildung sowie mit bestehenden Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Er hat mit Ausnahme seines nunmehrigen Aufenthaltes in Europa sein Leben zum überwiegenden Teil im Libanon verbracht, wo er sozialisiert wurde und wo sich nach wie vor seine nächsten Verwandten (Eltern) aufhalten. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr wieder bei seiner Familie wohnen wird können.

2.1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Libanon.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit willkürlicher Gewaltausübung, willkürlichem Freiheitsentzug oder einer anderweitigen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung durch staatliche Sicherheitskräfte oder Dritte ausgesetzt wäre.

2.1.4. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung trotz der gegen ihn mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2019, XXXX erlassenen Rückkehrentscheidung nicht nach.

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2019 erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, dessen Behandlung das Höchstgericht mit Beschluss vom 24.09.2019, XXXX , ablehnte.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 11.11.2019 wurde die Beschwerde über nachträglichen Antrag zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Mit Beschluss vom 21.01.2020, XXXX wies der Verwaltungsgerichtshof die Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2019 zurück.

2.1.5. Am 17.02.2020 stellte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den nunmehr verfahrensgegenständlichen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen" gemäß § 56 Abs. 1 AsylG (Aufenthaltsberechtigung plus).

Er verfügt - abgesehen vom 09.10.2014 - noch nie über ein Aufenthaltsrecht für Österreich außerhalb des Asylverfahrens und hielt sich seit der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2019, XXXX unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet auf.

Die Stiefmutter des Beschwerdeführers, mit welcher er gemeinsam nach Österreich gereist ist, kehrte am 22.07.2015 unter Gewährung von Rückkehrhilfe freiwillig in den Libanon zurück.

Die Eltern des BF und die Mutter seines Halbbruders und seiner Halbschwester leben nach wie vor ohne erkennbare Schwierigkeiten im Libanon.

Ein Halbbruder, eine Halbschwester und drei Neffen sowie drei Nichten des BF befinden sich in Österreich. Er verfügt lediglich mit seinem Halbbruder und dessen Lebensgefährtin über einen gemeinsamen Wohnsitz. Es besteht jedoch weder zwischen dem BF, seinem Halbbruder und dessen Lebensgefährtin noch zwischen dem BF und seiner Halbschwester und deren sechs minderjährigen Kindern ein ein- oder wechselseitiges - finanzielles - Abhängigkeitsverhältnis.

Der Halbbruder stellte gemeinsam mit dem Beschwerdeführer am 09.10.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.05.2019 abgewiesen, es wurde kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, es wurde festgestellt, dass die Abschiebung in den Libanon zulässig sei, und schließlich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die gegen diese Entscheidung fristgerecht erhobene Beschwerde wurde – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.03.2020 – mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020, GZ: XXXX in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. Dieses Erkenntnis erwuchs am 03.03.2020 in Rechtskraft. Der Halbbruder des Beschwerdeführers kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und brachte am 10.03.2020 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 55 Absatz 1 und § 55 Absatz 2 AsylG beim BFA ein. Mit Bescheid des BFA vom 18.03.2020 wurde der Antrag des Halbbruders auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.07.2020, GZ. XXXX , als unbegründet abgewiesen.

Die jeweiligen Beschwerdeverfahren bezüglich der Asylanträge der Halbschwester und der drei Nichten und drei Neffen sind derzeit noch beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

Der BF wohnt gemeinsam mit seinem Halbbruder und dessen Lebensgefährtin in einer Mietwohnung in einer etwas mehr als 5.500 Einwohner zählenden Kleinstadt in Niederösterreich.

Der BF hat die Prüfung ÖSD Zertifikat A2 im Juni 2016 gut und die ÖSD Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz (Niveau B1) und zu Werte und Orientierungswissen im Februar 2019 bestanden. Der Beschwerdeführer beherrscht aufgrund seines mehrjährigen Aufenthaltes und Schulbesuches in Österreich die deutsche Sprache.

Außer einer als „Freundin“ bezeichneten österreichischen Staatsangehörigen verfügt der BF über einen größeren Freundes- und Bekanntenkreis im Inland. Der Beschwerdeführer führt die Beziehung zu dieser österreichischen Staatsangehörigen seit etwa eineinhalb Jahren. Zwischen ihr und dem Beschwerdeführer besteht kein (wechselseitiges) Abhängigkeitsverhältnis, die beiden haben keine Kinder, die Freundin des Beschwerdeführers ist nicht schwanger und leben sie nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Er knüpfte, insbesondere aufgrund seines Schulbesuches, mit zahlreichen österreichischen Staatsangehörigen normale soziale Kontakte und lernte hier ein Leben in Freiheit, Sicherheit und Demokratie kennen. Der Beschwerdeführer und seine Freunde unternehmen gelegentlich gemeinsam Freizeitaktivitäten, z. B. treffen sie sich zum Reden. Ferner ist der BF sportlich aktiv (Fußball und Laufsport). Der Beschwerdeführer hat im Asylverfahren und vor allem im gegenständlichen Fremdenrechtsverfahren zahlreiche Unterstützungserklärungen vorgelegt. Die Unterstützer attestieren dem Beschwerdeführer etwa Fleiß, Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Kollegialität und Offenheit sowie Engagement beim Spracherwerb und soziale Kompetenz. Zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Bekannten/ Freunden besteht kein ein- oder wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis und auch keine über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindung.

Der BF besuchte von 2014 bis 2017 eine Fachschule für wirtschaftliche Berufe. Anschließend besucht(e) er von 2017 bis 2019 eine landwirtschaftliche Fachschule und seit 2018/19 eine Abendschule für Berufstätige (Vorbereitungslehrgang Elektrotechnik) an einer Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt. Zudem absolvierte er im Jahr 2017 einen 16stündigen Erste-Hilfe-Kurs, von Mitte Februar 2018 bis Mitte Juni 2018 einen 16stündigen Kurs „Pflegefit - Betreuung und Pflege in der Familie“ und im August 2018 ein einmonatiges Ferialpraktikum in einem Pflege- und Betreuungszentrum. Im Jänner 2015 nahm er an den Schnuppertagen in einer KFZ-Werkstätte teil und im Sommer 2017 (Juli und August) arbeitete er für zwei Monate „zum Schnuppern“ als Lehrling bei einem Optiker. Von 11.09.2019 bis 11.12.2019 absolvierte er schließlich eine etwa zweimonatige Ausbildung zur Heimhilfe mit Erfolg.

Im Juli und August 2016 übernahm er eine ehrenamtliche Tätigkeit in der Bücherei seines Wohnortes. Am 27.04.2018 bediente der BF bei der Jahreshauptversammlung des Vereins für Fairen Handel, Entwicklungshilfe und Bewusstseinsbildung die Technik und ist dort weiterhin regelmäßig ehrenamtlich tätig. Der Beschwerdeführer engagiert sich zudem seit der Absolvierung seines einmonatigen Ferialpraktikums im Sommer 2018 auch weiterhin in dem Pflege- und Betreuungszentrum ehrenamtlich. Ferner verrichtet er etwa auch ehrenamtliche Tätigkeiten beim Roten Kreuz im Henry Laden und beim Verein „MERKwürdig“ in Form von Reinigungsarbeiten, Gartenpflege und Wegbetreuung.

Der Beschwerdeführer ist Mitglied beim Verein für Fairen Handel, Entwicklungshilfe und Bewusstseinsbildung, beim Verein „MERKwürdig“ und beim Roten Kreuz.

Der Beschwerdeführer möchte einen österreichischen Führerschein (Lenkberechtigung: B) erlangen.

Der Beschwerdeführer geht keiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach und ist nicht im Besitz hinreichender finanzieller Mittel zur Sicherung seines Unterhaltes. Der BF befindet sich in der Grundversorgung und lebt von staatlicher Unterstützung. Zudem erhält er - bei Bedarf - finanzielle Unterstützung durch die Lebensgefährtin seines Halbbruders. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF selbsterhaltungsfähig ist. Er ist als voll erwerbsfähig anzusehen, etwaige wesentliche gesundheitliche Einschränkungen des Beschwerdeführers sind nicht aktenkundig. Der Beschwerdeführer ist im Besitz einer bedingten Einstellungszusage bei Erhalt eines Führerscheins (Klasse: B) und einer Aufenthaltsberechtigung.

Er ist strafgerichtlich unbescholten.

2.1.5. Zur abschiebungsrelevanten Lage im Libanon war insbesondere festzustellen:

Sicherheitslage

Die wichtigsten religiösen Hauptgruppen im Libanon sind Schiiten, Sunniten, Christen und Drusen. Die sich daraus ergebenden Spannungen sind die Ursache für die meisten der internen Konflikte im Libanon, und andere Staaten der Region haben diese internen Konflikte regelmäßig als Vorwand genutzt, um in dem Land einzugreifen. Darüber hinaus hat insbesondere die Präsenz der palästinensischen und syrischen Flüchtlinge immer wieder zu Konflikten Anlass gegeben. Von 1975 bis 1990 herrschte im Libanon Bürgerkrieg, in dem die regionalen Mächte, insbesondere Israel, Syrien und die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) das Land als Schlachtfeld für ihre eigenen Konflikte benutzten (BBC 4.11.2014).

Anschließend kam es von 1992 bis 2004 zu einer Phase der Entspannung. Im Februar 2005 fiel der damalige Premierminister Rafik Hariri einem Attentat zum Opfer. Als Folge brach die sogenannte Zedernrevolution aus, die als Hauptforderung den Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon postulierte. Die sogenannte 14. März-Bewegung machte Syrien direkt für die Ermordung Hariris verantwortlich, zumal dieser zuvor die Stationierung syrischer Truppen im Libanon kritisiert und die Umsetzung der UN-Resolution 1559 gefordert hatte. Diese sieht den Rückzug aller ausländischen Truppen aus dem Libanon und die Entwaffnung und Auflösung der im Libanon aktiven Milizen vor, womit insbesondere die Hisbollah gemeint ist. Tatsächlich zog Syrien noch im April 2005 seine Truppen aus dem Libanon ab.

Die zivilen Behörden übten zwar weiterhin die Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitskräfte aus, gleichzeitig operierten aber palästinensische Sicherheits- und Milizkräfte, die Hisbollah und andere extremistische Elemente außerhalb der Leitung oder Kontrolle der Regierung (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2013 hatte die EU die Hisbollah auf die Terrorliste gesetzt; im Gegensatz zu den USA allerdings nur deren militärischen Arm und nicht den im Parlament vertretenen politischen Arm (SpiegelOnline 22.7.2013).

Trotz aller Spannungen konnte ein Übergreifen des Syrienkonflikts, in dem sich die libanesische Hisbollah-Miliz seit Frühjahr 2013 auf Seiten des syrischen Regimes beteiligt, auf libanesisches Territorium in den vergangenen Jahren weitgehend verhindert werden. Allerdings befanden sich bis August 2017 in der Gegend um den Grenzort Arsal aus Syrien eingedrungene Kämpfer auf libanesischem Staatsgebiet. Nach länger andauernden Kämpfen, in die auf libanesischer Seite neben den Streitkräften auch die Hisbollah-Miliz verwickelt war, verließen die eingekesselten IS-Kämpfer mit ihren Familien im Rahmen einer Waffenstillstandsvereinbarung mit Bussen die umkämpfte Gegend (AA 1.3.2018; vgl. AI 23.5.2018). Bei einem Antiterroreinsatz der libanesischen Armee in der Gegend von Arsal am 30.06.2017 wurden 350 Personen vorübergehend festgenommen, mindestens vier starben im Gewahrsam der Armee, nach Armeeangaben in Folge bereits bestehender gesundheitlicher Probleme. Menschenrechtsgruppen fordern eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge. Der Fall soll militärgerichtlich aufgearbeitet werden (AA 1.3.2018; vgl. AI 23.5.2018).

Grundsätzlich ist es im Libanon so, dass die staatlichen Institutionen in Teilen des Landes keinen uneingeschränkten Zugriff haben. Dies gilt insbesondere für die meisten palästinensischen Flüchtlingslager. Die Sicherheitslage dort blieb im Allgemeinen stabil. Im Lager Ein El Helweh bei Sidon kam es allerdings zu einigen gewalttätigen Zwischenfällen und Schießereien. Bei Zusammenstößen im März und April 2018 zwischen extremistischen Gruppen und palästinensischen Streitkräften wurden vier Menschen getötet und elf verletzt (UN 13.7.2018). Detaillierte Informationen zur Lage in den Palästinenserlagern finden sich in Abschnitt 19.

Weiters sind die Zugriffsmöglichkeiten der libanesischen Staatsorgane insbesondere auch in den südlichen Vororten Beiruts und in den schiitischen Siedlungsgebieten im Süden des Landes eingeschränkt (AA 1.3.2018, vgl. USDOS 29.5.2018). Diese werden weitgehend von der Hisbollah kontrolliert, die der Bevölkerung auch grundlegende Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheitsvorsorge, Bildung, Lebensmittelhilfe, innere Sicherheit und Erhaltung der Infrastruktur zur Verfügung stellt (USDOS 29.5.2018).

Bei der von der UN geforderten Abrüstung aller bewaffneten Gruppen einschließlich der palästinensischen Milizen und dem militärischen Flügel der Hisbollah konnten bislang keine Fortschritte erzielt werden. Die Hisbollah bestätigte weiterhin öffentlich, über entsprechende militärische Kapazitäten zu verfügen. Somit ist die libanesische Regierung weiterhin nicht in der Lage, die volle Souveränität und Autorität über ihr Territorium auszuüben (UN 13.7.2018).

Am 5. und 23. April 2018 inhaftierten die libanesischen Streitkräfte 15 der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Gruppe verdächtigte syrische Staatsangehörige, und beschlagnahmten während einer Razzia in einer informellen syrischen Flüchtlingssiedlung in Arsal Waffen und Munition. Am 14. Mai verhaftete die libanesische General Security in Al-Hirmil zwei syrische Staatsangehörige wegen ihrer Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen. Am 17. Mai 2018 wurde ein angeblicher Waffenhändler in Akkar im Nordlibanon von den Streitkräften der Internen Sicherheit verhaftet (UN 13.7.2018).

Das österreichische Außenministerium hat für das gesamte syrische Grenzgebiet, die Bekaa-Ebene nördlich von Baalbek und für die Palästinenserlager und deren Umgebung, insbesondere Ein Al-Hilweh und Mieh Mieh bei Saida (Sidon) und Nahr al Bared und Beddawi bei Tripoli Reisewarnungen ausgesprochen. Ein hohes Sicherheitsrisiko wird allgemein für die Provinzen Tripoli und Akkar, die südlichen Vororte Beiruts (Dahiye), die südlichen Stadtränder von Sidon/Saida (Ein El-Hilweh), das israelische Grenzgebiet und die restliche Bekaa-Ebene, einschließlich Baalbek ausgewiesen (BMeiA 11.7.2018).

Das Schweizer Außenministerium warnt vor zahlreichen nicht explodierten Bomben und Minen in der Bekaa-Ebene. Es sind bewaffnete Gruppierungen aktiv, und Grenzüberschreitungen durch Kämpfer sind häufig. In und um die Stadt Arsal (Anmerkung: auch Ersal, Irsal, Aarsal geschrieben) sowie um Ras Baalbek und Qaa kommt es regelmäßig zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen der Armee und militanten Gruppierungen. Spannungen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen, aber auch innerhalb einzelner Gemeinschaften, können sich in bewaffnete Konfrontationen oder Anschlägen entladen. Im Juni 2016 forderten Selbstmordanschläge in Qaa mehrere Todesopfer und Verletzte. Im März 2011 wurde in der Nähe von Zahlé in der südlichen Bekaa-Ebene eine Gruppe ausländischer Touristen entführt und mehrere Monate lang festgehalten. Seither sind mehrere Entführungen bekannt geworden. Besonders die Zahl von Entführungen mit hohen Lösegeldforderungen hat zugenommen (EDA 5.12.2017).

Die Spannungen in den Flüchtlingslagern sind groß und können sich auch aus geringen Anlässen in Gewalttaten entladen. In Saïda (Sidon) kommt es vereinzelt zu Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Im Südlibanon finden laufend Truppenverschiebungen statt. Insbesondere im libanesisch-israelischen Grenzgebiet und nochmal verstärkt südlich des Litani-Flusses bis zur israelischen Grenze sind die Spannungen sehr hoch (EDA 5.12.2017). Auch das Britische Außenministerium betont die permanente Gefahr von Terroranschlägen (gov.uk o.D.).

Ende März 2018 verabschiedete das libanesische Kabinett eine nationale Strategie zur Verhinderung von gewalttätigem Extremismus - eine Initiative, die der inzwischen geschäftsführende Ministerpräsident Saad Hariri im Rahmen eines globalen Aktionsplans der Vereinten Nationen vorangetrieben hat. Es wird geschätzt, dass der Prozess weitere acht Monate [Anm: bis Anfang 2019] dauern wird, bis die Bürger ihn in ihren Gemeinden umsetzen werden. Neben Tunesien und Marokko ist der Libanon einer der Pioniere in der Region, der eine solche Strategie umsetzt (Daily Star 27.6.2018).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (1.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libanon, Stand: Dezember 2017, Berlin

-        AI – Amesty International (23.5.2018): Libanon 2017/2018, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/libanon, Zugriff 10.9.2018

-        BBC-News (4.11.2014): Lebanon Profile, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-14648681, Zugriff 30.1.2015

-        BMeiA – Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (Stand 3.9.2018, unverändert gültig seit: 11.07.2018): Reiseinformation Libanon, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/libanon/, Zugriff 3.9.2018

-        Daily Star (27.6.2018): Strategizing prevention of violent extremism, https://www.dailystar.com.lb/News/Lebanon-News/2018/Jun-27/454477-strategizing-prevention-of-violent-extremism.ashx, Zugriff 5.9.2018

-        Spiegel Online (22.7.2013): EU setzt Hisbollah-Miliz auf Terrorliste, http://www.spiegel.de/politik/ausland/eu-setzt-hisbollah-miliz-auf-die-eu-terrorliste-a-912397.html, Zugriff 10.9.2018

-        EDA – Eidgenössisches Department für auswärtige Angelegenheiten (5.12.2017): Reisehinweise für den Libanon Spezifische regionale Risiken, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/libanon/reisehinweise-libanon.html, Zugriff 29.8.2018

-        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6/2018): Libanon – Überblick: https://www.liportal.de/libanon/ueberblick/; Zugriff 8.8.2018

-        Gov.uk (o.D.): Foreign Travel Advice; Lebanon; Safety and Security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/lebanon/safety-and-security, Zugriff 29.8.2018

-        UN Security Council (13.7.2018): Bericht des UNO-Generalsekretärs zu Entwicklungen vom 1. März bis 20. Juni 2018 (Sicherheitslage; Entwaffnung bewaffneter Gruppen; politische Stabilität; weitere Themen) https://www.ecoi.net/en/file/local/1439147/1226_1532506886_n1822402.pdf, Zugriff 21.8.2018)

-        USDOS – US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Lebanon, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436862.html, Zugriff 22.8.2018

Allgemeine Menschenrechtslage

Der Libanon ist seit 1945 Gründungsmitglied der Vereinten Nationen (GIZ 6/2018).

Die Präambel der libanesischen Verfassung hält ausdrücklich fest, dass Libanon die Allgemeine Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen beachtet. Der Libanon ist Vertragsstaat folgender wichtiger internationaler Menschenrechtsabkommen [Anm.: teilweise allerdings mit wesentlichen Vorbehalten zu einzelnen Artikeln]:

-        Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte,

-        Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

-        Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der rassischen Diskriminierung

-        Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

-        Übereinkommen über die Rechte des Kindes

-        Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe; Der Libanon hat am 22. Dezember 2008 als erster Staat der Region auch das entsprechende Fakultativprotokoll ratifiziert

Weiters hat der Libanon 2007 das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen und das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen unterzeichnet, allerdings bisher beide nicht ratifiziert. Ebenso wenig wurden die meisten der Fakultativprotokolle zu den Menschenrechtsabkommen ratifiziert, so beispielsweise auch nicht das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe (OP2-ICCPR) von 1991. Der Libanon ist bislang keinem internationalen Übereinkommen zum Status von Flüchtlingen beigetreten (AA 1.3.2018).

Deutlichstes Zeichen von struktureller und kultureller Diskriminierung von Frauen im Libanon ist die Tatsache, dass die Staatsbürgerschaft über den Vater vergeben wird. Der Schutz von Migranten und Flüchtlingen wird nicht gemäß internationaler Standards gewährt, auch häufen sich Berichte von Misshandlungen und Folter bei Verhören. Eine offene Wunde des Libanons sind die seit dem Bürgerkrieg vermissten Menschen (GIZ 6/2018).

Eine der größten Herausforderungen für die Menschenrechte im Libanon ist die Gratwanderung des libanesischen Staates zwischen der Garantie der Sicherheit und der Einhaltung der Freiheitsrechte (GIZ 6/2018).

Die Sicherheitsbehörden, insbesondere der militärische Nachrichtendienst, sollen nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen immer wieder Festnahmen vornehmen, auch wenn kein dafür erforderlicher richterlicher Beschluss vorliegt, bzw. Personen festhalten, nachdem die gesetzlich vorgesehene Frist von 48 Stunden nach Festnahme verstrichen ist. Die Regierung gibt derartige Vorkommnisse durchaus zu, macht aber geltend, dass entsprechende richterliche Beschlüsse jeweils nachgeholt würden und längere Haftdauern im Polizeigewahrsam nur deswegen zu Stande kämen, weil die Gefängnisse überfüllt seien. Verschleppungen durch nichtstaatliche Akteure, v.a. Hisbollah, kommen vor (AA 1.3.2018).

Es gibt immer wieder Versuche, Zivilisten einschließlich Kinder vor Militärgerichten zu anzuklagen, was eine Verletzung ihrer Rechte im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens und des Völkerrechts darstellt. Diejenigen, die vor den Militärgerichten vor Gericht standen, berichten über Isolationshaft und die Verwendung von Geständnissen, die unter Folter erzwungen wurden, weiters über Entscheidungen, die ohne nähere Begründung ergangen sind, scheinbar willkürliche Urteile und eine begrenzte Möglichkeit, Berufung einzulegen (HRW 18.1.2018).

Das libanesische Parlament hat im Oktober 2016 durch die Einrichtung eines Nationalen Menschenrechtsinstituts (NHRI) einen Schritt gesetzt, um die Menschenrechtssituation zu verbessern und die Anwendung von Folter im Land zu beenden. Das Institut soll die Menschenrechtslage im Libanon überwachen, Beschwerden über Verstöße entgegennehmen und regelmäßig Berichte und Empfehlungen abgeben. Der Ausschuss für den Schutz vor Folter, ein nationaler Präventionsmechanismus, wird befugt sein, regelmäßig unangekündigte Besuche an allen Haftorten durchzuführen, die Anwendung von Folter zu untersuchen und Empfehlungen zur Verbesserung der Behandlung von Häftlingen abzugeben (HRW 28.10.2016; vgl. UN 9.5.2018).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (1.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libanon, Stand: Dezember 2017, Berlin

-        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6/20

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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