Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des V in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. November 1995, Zl. 4.347.680/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der
"Jugosl. Föderation", der am 12. Oktober 1995 in das Bundesgebiet eingereist und am 20. Oktober 1995 den Asylantrag gestellt hat, hat den Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. November 1995, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 27. November 1995 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat bei seiner Ersteinvernahme durch das Bundesasylamt am 31. Oktober 1995 angegeben, er sei Kosovo-Albaner und habe seine Heimat verlassen, weil er nicht zum Militär habe gehen wollen. Außerdem sei die serbische Polizei fast jeden Tag in sein Dorf gekommen und habe die Albaner "sekkiert". Er habe erstmals entweder August oder September 1993 einen Einberufungsbefehl erhalten und sei dann gleich nach Deutschland geflohen. Er sei zwischen Oktober 1993 und Dezember 1994 in der Bundesrepublik Deutschland geblieben und habe auch dort einen Asylantrag gestellt. Diesen habe er damit begründet, daß er nicht habe zum Militär gehen wollen. Noch während seiner Anwesenheit in Deutschland, im Mai 1994, sei neuerlich versucht worden, ihm einen weiteren Einberufungsbefehl zuzustellen. Dies habe er auf Grund eines Telefonates mit seinen Eltern erfahren. Er habe nicht zum Militär gehen wollen, weil er dann gleich in das Kriegsgebiet gekommen wäre. Außerdem wolle er mit den Serben nichts zu tun haben, weil diese gegen die Albaner seien. Auf Vorhalt, es gäbe keine internationalen Quellen, aus denen sich Hinweise auf die Einberufung "restjugoslawischer" Staatsangehöriger und deren Verbringung in ein Kriegsgebiet böten, gab der Beschwerdeführer an, es könne aber dennoch sein, daß ein Krieg anfange, und dann wolle er nicht dort sein, wenn der Krieg losgehe. Er kenne ein paar Leute aus der näheren Nachbarschaft, die im Krieg gewesen oder einfach nicht mehr zurückgekommen seien. Würden sie nicht von den Gegnern getötet werden, dann vielleicht von den Serben. Daß die Leute aus der Nachbarschaft tatsächlich im Krieg gewesen seien, habe er von ihnen selbst gehört. Als der Krieg angefangen habe, sei es einigen, die "ganz normal zum Militär gegangen" seien, passiert, daß sie plötzlich an der Front eingesetzt worden seien. Über weiteres Befragen gab der Beschwerdeführer an, alle Kosovo-Albaner hätten einen Einberufungsbefehl erhalten, aber auch die Serben. Die Albaner gingen jedoch nicht zum Militär, sondern flüchteten einfach oder desertierten. Wäre kein Krieg, würde er natürlich seinen Wehrdienst ableisten, "so aber nicht". Über weiteres Befragen gab der Beschwerdeführer ausdrücklich an, abgesehen vom Krieg keine anderen Gründe zur Verweigerung des Wehrdienstes zu haben. Außerdem würden Albaner von den Serben "sekkiert". Albaner würden des unerlaubten Waffenbesitzes verdächtigt. Das sei ihm auch rund einen Monat vor seiner Flucht passiert. Seine Mutter sei damals daheim gewesen. Die Polizei habe in seinem Haus nach Waffen gesucht. Als seine Mutter gesagt habe, sie hätten keine Waffen zu Hause, hätte die Polizei begonnen, "gleich herumzubrüllen" und seine Mutter beiseite zu drängen. Alles sei auf den Kopf gestellt worden. Dann hätten die Polizisten gesagt, sie sollten die Waffen anmelden, dies obwohl sie gar keine gehabt hätten. Sein Bruder und seine Mutter seien auch zur Polizei hingegangen. Sein Bruder sei gleich malträtiert und rund vier oder fünf Stunden im Gefängnis belassen worden. Dann sei er entlassen worden. Der Beschwerdeführer sei damals schon zu Hause gewesen. Er habe jedoch die Polizisten kommen gesehen und sei gleich weggerannt und habe bei seinem Onkel in einem anderen Dorf Aufenthalt genommen. Von Mai bis Mitte Juli 1995 habe er sich in Albanien aufgehalten und dort bei Verwandten gewohnt. Seine Frau, die er kurz vor seiner Flucht nach Deutschland 1993 geheiratet habe, sei zu Hause im Kosovo. Er habe keine Angst um sie, weil "ihre Angehörige bei ihr" seien. 1990 habe er anstandslos einen Reisepaß erhalten.
Das Bundesasylamt begründete die Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers im wesentlichen damit, die Flucht eines Asylwerbers vor einem drohenden Militärdienst indiziere ebensowenig die Flüchtlingseigenschaft wie die Furcht vor einer wegen Desertion oder wegen Wehrdienstverweigerung drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung. Es sei auch nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer dem angeblich an ihn ergangenen Einberufungsbefehl eine ethnisch motivierte asylrelevante Straf- bzw. Verfolgungsmaßnahme unterstellt hätte. Die Wehrdienstpflicht der "Bundesrepublik Jugoslawien" sei eine allgemeine und werde im Rahmen des bezughabenden Bundesgesetzes erfüllt. Dies habe der Beschwerdeführer im übrigen auch selbst bestätigt, da er zugegeben habe, daß zwar alle Kosovo-Albaner einen Einberufungsbefehl erhalten hätten, dies jedoch auch die Serben betroffen habe. Auch eine schlechte Behandlung auf Grund seiner Ethnie sei von ihm selbst offenbar nicht befürchtet worden, da er angegeben habe, den Wehrdienst selbstverständlich ableisten zu wollen, wäre nicht gegenwärtig gerade Krieg gewesen. Anzumerken sei, daß der Kosovo nicht unmittelbar von den gegenwärtigen militärisch-politischen Auseinandersetzungen auf einem Teil des ehemaligen jugoslawischen Staatsgebietes betroffen sei und auch sonst keine eindeutigen Beweise für die Beteiligung "jugoslawischer" Truppenteile an solchen kriegerischen Auseinandersetzungen bestünden. Er habe auch über Nachfrage nichs Zweckdienliches zu diesem Problembereich vorbringen können, habe vielmehr seine Aussagen insofern abgeschwächt, als er im Zuge seiner Befragung nurmehr von der "Möglichkeit eines Kriegsausbruches" gesprochen bzw. "diffuse nicht näher präzisierte Aussagen zu angeblichen Kriegsteilnehmern aus seiner Nachbarschaft" abgegeben habe. Im übrigen erachtete die belangte Behörde das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers als "unglaubwürdig", habe sich doch der Beschwerdeführer trotz Erhalt seines Einberufungsbefehles im Jahr 1993 und Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland wieder zurück nach Hause begeben. Diese freiwillige Rückkehr sei Grund zur Annahme des Nichtvorhandenseins von unter die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumierenden Verfolgungshandlungen. Selbst im Falle der aus gewichtigen familiären Gründen erzwungenen Rückkehr sei nicht zu erklären, warum er fast 10 Monate in seinem Heimatland verblieben sei. Dieser lange Zeitraum könne nur bedeuten, daß er offenbar keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention gehabt habe. Darin werde die erkennende Behörde auch durch die Tatsache bestärkt, daß sich der Beschwerdeführer am 9. Februar 1995 von seiner Heimatgemeinde einen Personalausweis (licna karta) habe ausstellen lassen. Er selbst habe in diesem Zusammenhang die Vermutung geäußert, es habe "offenbar niemand Interesse.... an mir" gehabt. Daraus lasse sich ein mangelndes Verfolgungsinteresse des Heimatstaates ableiten. Auch den angeblichen Hausdurchsuchungen durch die serbische Polizei mangle es an Intensität. Die Behörde erster Instanz verneinte daher die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 und nahm auch den Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 infolge des Aufenthaltes des Beschwerdeführers vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Ungarn als vorliegend an.
In der Berufung machte der Beschwerdeführer Begründungs- und Feststellungsmängel geltend, wendete sich erkennbar gegen die vorgenommene Beweiswürdigung und brachte ergänzend vor, die Lage im Kosovo habe sich in den letzten Jahren verschärft, die Situation sei so beschaffen, daß auf sie der rechtliche Begriff der Gruppenverfolgung angewandt werden könne. Im übrigen habe sich der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr aus der Bundesrepublik Deutschland während seines Aufenthaltes in seinem Heimatland versteckt gehalten, um den serbischen Sicherheitsbehörden nicht in die Hände zu fallen. In seiner Heimat habe es für ihn auch keine Existenzmöglichkeit gegeben, weil die serbischen Behörden alles daran setzten, junge Albaner zum Auswandern zu bewegen.
Die belangte Behörde übernahm bei Abweisung der Berufung das im Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. November 1995 "richtig und vollständig" wiedergegebene Vorbringen des Beschwerdeführers, erhob dieses auch zum Inhalt ihres Bescheides und führte nach Wiederholung des Verfahrensganges und zusammenfassender Darstellung der von ihr in Anwendung gebrachten Rechtslage ausgehend vom Ermittlungsergebnis des Verfahrens erster Instanz im Sinne des § 20 Abs. 1 AslyG 1991
-
eine der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 leg. cit. erachtete die belangte Behörde als nicht vorliegend -, aus, es hätten sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers erhebliche Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit ergeben. So könne nicht nachvollzogen werden, daß der Beschwerdeführer, hätte er tatsächlich einen Einberufungsbefehl erhalten und hiebei irgendwelche Repressalien befürchtet, in seine Heimat zurückgekehrt wäre und sich dort mehrere Monate aufgehalten hätte, ohne irgendwelche Probleme diesbezüglich mit den Behörden des Heimatstaates gehabt zu haben, wobei er nämlich nach eigenen Angaben nicht nur einmal, sondern sogar zweimal freiwillig in sein Heimatland zurückgekehrt sei, nämlich im Dezember 1994 von Deutschland und im Juli 1995 von Albanien aus. Er selbst habe sogar darauf aufmerksam gemacht, daß ihm von den Behörden seines Heimatstaates am 9. Februar 1995 eine licna karta ausgestellt worden sei, er sich also jedenfalls um die Ausstellung eines derartigen Ausweises bemüht habe. Es könne aber keinesfalls angenommen werden, daß jemand, der seitens der Behörden seines Heimatstaates Repressalien befürchte, den Kontakt mit diesen Behörden suche, noch dazu, wo eine besondere Bedeutung dieses Ausweises für ihn überhaupt nicht wichtig gewesen sei. Des weiteren sei unverständlich, warum seine Heimatgemeinde ein Ausweisdokument für einen angeblichen Wehrdienstverweigerer hätte ausstellen sollen. Es dränge sich der Schluß auf, daß der Erklärungsversuch, sein Bruder habe den Ausweis organisiert, lediglich eine Reaktion auf den entsprechenden Vorhalt gewesen sei und nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen habe. Er selbst habe angegeben, daß die Behörden seines Heimatstaates offenbar kein Interesse an seinem Bruder und damit auch nicht an ihm selbst gehabt hätten, wodurch er deutlich habe erkennen lassen, daß sein übriges Vorbringen, in dem er ein derartiges Interesse der Behörden seines Heimatlandes habe unterstellen wollen, nicht mit der Wirklichkeit übereinstimme. Einen Widerspruch sah die belangte Behörde auch darin, daß der Beschwerdeführer einerseits angegeben habe, die Polizisten hätten anläßlich der Hausdurchsuchung "gleich herumzubrüllen" begonnen und seine Mutter beiseite gedrängt, obwohl er selbst nach eigener Aussage sofort, als er die Polizei gesehen habe, weggerannt sei. Zudem habe er selbst angegeben, daß er bis zur (zweiten) illegalen Ausreise am 12. Oktober 1995 in seinem Heimatland keinerlei Probleme gehabt habe. Im übrigen unterzog die belangte Behörde
-
eventualiter - die vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptungen einer rechtlichen Beurteilung, derzufolge sich aus den von ihm geschilderten Gegebenheiten eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 nicht ableiten ließe, und nahm weiters - wie schon die Behörde erster Instanz - den Ausschließungstatbestand des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 an, da sich der Beschwerdeführer vor Einreise in das Bundesgebiet in Ungarn aufgehalten habe.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer die unrichtige Anwendung des § 20 AsylG 1991, Begründungsmängel im Sinn der §§ 58 und 60 AVG, sowie die Beweiswürdigung der belangten Behörde als unschlüssig und wendet sich unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit gegen die von der belangten Behörde eventualiter vorgenommene rechtliche Beurteilung einschließlich der Annahme der Verfolgungssicherheit.
Insoweit der Beschwerdeführer rügt, dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, welche Feststellungen die belangte Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung habe zugrundelegen wollen, ist darauf zu verweisen, daß die belangte Behörde keinen Zweifel daran gelassen hat, daß sie die Angaben des Beschwerdeführers - aus im einzelnen näher dargelegten Erwägungen - insgesamt als unglaubwürdig qualifiziert hat. Damit ist aber klar, daß sie den vom Beschwerdeführer vorgetragenen, allenfalls asylrechtlich relevanten Sachverhalt nicht zu Feststellungen erheben wollte (negative Feststellung). Daß sie die vom Beschwerdeführer behaupteten Umstände dennoch einer - hypothetischen - rechtlichen Beurteilung unterzogen hat, konnte den Beschwerdeführer in seinen subjektiven Rechten nicht verletzen. Insoweit sich der Beschwerdeführer gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung wendet, ist ihm entgegenzuhalten, daß die Beweiswürdigung an sich ein Denkprozeß ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges als solchen handelt bzw. darum, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 549 ff abgedruckte hg. Judikatur). Die Beschwerdeausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde detailliert dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen. Es erscheint nämlich durchaus nachvollziehbar, wenn die Behörde aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer zweimal in sein Heimatland zurückgekehrt ist, von welchem er verfolgt zu sein behauptet, und sich längere Zeit dort aufhielt, den Schluß gezogen hat, ein subjektives Schutzbedürfnis vor asylrelevanter Verfolgung sei nicht gegeben gewesen; vielmehr hätte es eines konkreten, den Beschwerdeführer selbst treffenden Anlasses bedurft, um seine nunmehr (nach seiner Rückkehr aus Albanien 1995) vorliegende Furcht vor Verfolgung plausibel erscheinen zu lassen. In der Beurteilung der Angaben des Beschwerdeführers als unglaubwürdig kann daher keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.
Ausgehend von dieser Sach- und Rechtslage erübrigt sich auch ein Eingehen auf die von der belangten Behörde herangezogene weitere Begründung des Vorliegens des Ausschlußtatbestandes des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 und die darauf bezugnehmenden Ausführungen in der Beschwerde.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995010623.X00Im RIS seit
20.11.2000