Entscheidungsdatum
15.10.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
L504 2233453-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Astrid Wagner, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe :
I. Verfahrenshergang
Der Antrag der beschwerdeführende Partei [bP] auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ wurde mit Bescheid des Amtes der Landesregierung, Magistratsabteilung 35 vom 10.05.2019, Zl. MA35-9/3225071-01, abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Aufenthalt der bP öffentlichen Interessen gem. § 11 Abs. 2 Z 1 NAG entgegensteht, da aufgrund einer begangenen Urkundenfälschung der Aufenthalt zu einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führen würde.
Mit rk. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien,Zl. VGW-151/082/8797/2019-16, wurde die Beschwerde der bP als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass der Aufenthalt der bP den öffentlichen Interessen widerstreitet und die öffentliche Ordnung gefährdet. Der bP kam in dem Zeitraum ihres Aufenthaltes seit September 2011 nie ein Aufenthaltsrecht zu und sie beschäftigte sich auch nie mit den Modalitäten ihres Aufenthaltes, obwohl es sich bei dem ungarischen Personalausweis um eine objektiv erkennbare Fälschung handelt, bei dem die Unterschrift der bP, ihr Geburtsort und der Name ihrer Mutter falsch ausgewiesen sind. Darüber hinaus wurde dieses Dokument am 20.05.2009 ausgestellt und somit zwei Jahre vor der Einreise in das Bundesgebiet und der Beantragung des Dokuments. Selbst nach Beendigung des Strafverfahrens verblieb die bP im Bundesgebiet, obwohl ihr da nochmals die Unrechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes klarer erkennbar geworden sein musste. In der Gesamtbetrachtung überwogen somit die öffentlichen Interessen die privaten der bP.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien erwuchs mit 24.10.2019 in Rechtskraft.
Am 19.12.2019 wurde die bP vom BFA über das Ergebnis der Beweisaufnahme betr. der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung informiert und ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen eingeräumt. Die Stellungnahme langte am 08.01.2020 beim BFA ein.
In der nachfolgenden Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welche auf Deutsch geführt wurde, antwortete die bP auf den Vorhalt, dass sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, dass sie bei ihrer Frau in Wien bleiben wolle und auch ihre Schwester in Wien lebe. Bei einer Rückkehr in die Türkei müsse sie auch sofort den Militärdienst ableisten.
In das Bundesgebiet eingereist sei sie am 11.07.2011, um ihre Schwester nach einer Operation zu unterstützen. Sie sei gemeinsam mit ihrer Mutter mithilfe eines Touristenvisums nach Österreich gekommen und halte sich seither durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf. Insgesamt habe sie seit 2011 fünf Jahre lang als Kellner in einem Restaurant gearbeitet, obwohl für sie keine Arbeitsbewilligung bestand. Seit einem Jahr arbeite sie jedoch nicht mehr und werde von ihrer Frau finanziell unterstützt, die sie am 25.07.2018 geheiratet habe und nun schon seit zwei Jahren einen Haushalt teile. In der Türkei würden noch ihr Vater, Großmutter, Tanten, Onkeln und ein Stiefbruder leben, zu diesen habe sie jedoch keinen Kontakt.
Mit Bescheid vom 09.07.2020 wurde der bP vom Bundesamt kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass die Gründe für eine Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht vorlägen, da die bP nicht geduldet war, es nicht für die Gewährleistung der Strafverfolgung oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von mit diesen im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Ansprüche notwendig sei und die bP auch nicht Opfer von Gewalt sei bzw. nicht vor weiterer Gewalt geschützt werden müsse. In Bezug auf die Rückkehrentscheidung nahm es die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung im Vergleich zu den privaten Interessen der bP als vorrangig und überwiegend an.
7. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung der Verfahrensvorschriften Beschwerde erhoben. Außerdem beantragte die bP eine mündliche Verhandlung, die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides, in der Sache selbst zu erkennen und den Bescheid dahingehend abzuändern, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteil werde und die Rückkehrentscheidung aufgehoben wird, in eventu den Bescheid aufzuheben und die Verwaltungssache zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuweisen und der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
8. Die Beschwerde langte am 29.07.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1. Identität und Herkunftsstaat
Name und Geburtsdatum (wie im Einleitungssatz des Spruches angeführt) stehen fest.
Ihre Staatsangehörigkeit und der zugrundeliegende Herkunftsstaat ist die Türkei.
1.2. Familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat
In der Türkei leben der Vater, Großmutter, Tanten, Onkeln und ein Stiefbruder der bP. Sie absolvierte eine neunjährige Schulbildung in der Türkei und war zuletzt in Ankara wohnhaft. Trotz der Angabe, dass derzeit kein Kontakt zwischen der in der Türkei lebenden Familie und der bP bestünde, kam nicht hervor, dass das Verhältnis zur Familie zerrüttet isti.
1.3. Privatleben / Familienleben in Österreich
Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes:
Die bP reiste am 12.08.2011 mit einem von 02.08.2011 bis 24.09.2011 gültigen Touristenvisum in das Bundesgebiet ein und hält sich seither durchgehend ohne Aufenthaltstitel in Österreich auf. Die bP reiste dabei mit einem vor der Ausreise in der Türkei am XXXX ausgestellten und für 10 Jahre gültigen türkischen Reisepass aus.
Da sie nach Ablauf ihres Visums das Bundesgebiet nicht verlies und auch über keinen Aufenthaltstitel verfügt, erweist sich der Aufenthalt in Österreich seither als unrechtmäßig.
Sie stellte nach Eheschließung am 27.09.2018 beim Magistrat der Stadt Wien einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck Familienangehöriger. Dieser wurde abgewiesen. Dabei legte sie neben ihrem türkischen Reisepass auch eine ungarische ID-Card vor, die sich als Totalfälschung erwiesen hat.
Das Verwaltungsgericht Wien hat mit dem am 24.10.2019 in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis die Beschwerde abgewiesen. Das Verwaltungsgericht stellte ua. dabei fest, dass die Mutter der bP während des Aufenthaltes in Österreich bzw. in Wien gefälschte ungarische Personalausweise über einen Mittelsmann und angeblich mit Hilfe eines in Ungarn tätigen Rechtsanwaltes besorgte. Die Mutter wusste von der Fälschung unzweifelhaft und hatte diese 700 Euro für jeden der beiden Personalausweise bezahlt. Neben der Bezahlung war für den Ausweis der bP und der Mutter keine Vorlage von Dokumenten bzw. sonstiger Unterlagen erforderlich. Die bP nahm in der Folge mit diesem gefälschten Dokument eine Erwerbstätigkeit in Österreich auf, wobei sie mehrere Male den Dienstgeber unter Vorlage des gefälschten Dokuments wechselte. Der ungarische Ausweis der bP war schon vom äußeren Erscheinungsbild hinsichtlich der Echtheit zweifelhaft. Aus Sicht der bP waren die dort stehenden Informationen fast durchwegs auch subjektiv erkennbar inhaltlich unrichtig oder konnten mit einem genuin ausgestellten neuen Dokument ganz offensichtlich nicht im Einklang stehen. Ua. wich die tatsächliche Unterschrift der bP sehr deutlich von jener ab, die auf dem ungarischen Dokument war. Weiters ist auf dem Dokument der Geburtsort der bP falsch angeführt. Das Ausstellungsdatum liegt zudem mit 2009.05.20 rund 2 Jahre bevor die bP im Jahr 2011 nach Österreich gereist ist. Im Strafverfahren gab die bP an, dass sie dieses „ungarische Visum“ von ihrer Mutter bekam und diese es für sich selbst und die bP „organisierte“. Sie war damals 17 oder 18 Jahre und hat das nicht näher hinterfragt. Die Mutter bekannte sich der Fälschung besonders geschützter Urkunden gem. § 223 Abs 2 u. § 224 StGB für schuldig, die bP wurde gem. § 259 Z 3 StPO freigesprochen, weil das Schöffengericht erkannte, dass die der Anklage zugrunde liegende Tat vom Gesetze nicht mit Strafe bedroht oder der Tatbestand nicht hergestellt oder nicht erwiesen sei, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe, oder dass Umstände vorliegen, durch die die Strafbarkeit aufgehoben oder die Verfolgung aus anderen als den unter Z 1 und 2 angegebenen Gründen ausgeschlossen ist.
In der Verhandlung beim Verwaltungsgericht hat die bP keinen ehrlichen und aufrichtigen Eindruck hinterlassen. Fragen zur Erlangung der Fälschungen und zu seinem Aufenthalt wollte die bP nicht verstehen bzw. wahrheitsgemäß beantworten. Fragen zur eigenen Überprüfung des gefälschten Dokumentes – einschließlich darauf befindlicher Unstimmigkeiten mit seiner Person – wich sie aus. Die Frage, ob die bP jemals bei österreichischen Behörden wegen ihres Aufenthaltsrechtes bei der belangten Aufenthatlsbehörde vorgesprochen habe, ließ sie unbeantwortet.
Das Verwaltungsgericht stellte auch fest, dass bei der Abwägung der privaten/familiären und öffentlichen Interessen das Familienleben mit der Ehefrau nicht in einem derartigen Ausmaß als schützenswert zu betrachten ist, dass diese die höherwertigen öffentlichen Interessen überwiegen würden. Die bP hat selbst keine erkennbaren und zumutbaren Schritte während des Aufenthaltes unternommen, um die aufenthaltsrechtliche Situation abzuklären. Die bP hat ihren unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich bewusst oder zumindest durch Negieren ganz offenkundiger Tatsachen so lange wie möglich beizubehalten versucht, um letztlich vollendete Tatsachen zu schaffen. Eine geläuterte Haltung kam seinem Verhalten nach Abschluss des Strafverfahrens nicht entnommen werden. Die Ehegattin verfügt über Anknüpfungspunkte in der Türkei, weil dort eine Schwester und eine Freundin von ihr leben, sodass eine dauerhafte Trennung von ihrem Ehemann oder gänzlich fehlende Besuchsmöglichkeiten keine zwingende Folge der Versagung des Aufenthaltstitels sind. Die mit einer Rückkehr allenfalls verbundene Ableistung des Militärdienstes vermag die Interessen der bP nicht nennenswert zu ihren Gunsten zu verschieben.
Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich:
Die bP hat in Österreich ein Familienleben dargelegt. Am 25.07.2018 heiratete sie die österreichische Staatsbürgerin XXXX , geb. XXXX , mit der sie sich seit dem 16.08.2018 einen gemeinsamen Haushalt teilt. Dass die Ehegattin von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machte wurde nicht vorgebracht bzw. belegt.
Des Weiteren leben noch die Schwester sowie die Mutter der bP in Österreich.
Grad der Integration / Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstaates bewusst waren:
Die bP legte eine Kursbestätigung über den Deutschkurs A2 vor. Die Einvernahme vor dem BFA konnte sie jedoch ohne Verständigungsschwierigkeiten in deutscher Sprache führen.
Die bP war seit ihrer Einreise rd. fünf Jahre illegal als Kellner tätig und wird nun von ihrer Ehefrau finanziell unterstützt.
Zeitpunkt der Begründung familiärer / privater Anknüpfungspunkte in Österreich:
Die bP hat diese privaten und familiären Anknüpfungspunkte während einer Zeit erlangt, in der der Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet aufgrund fehlenden Aufenthaltstitels prekär bzw. nicht rechtmäßig war.
Bindungen zum Herkunftsstaat:
Die beschwerdeführende Partei ist im Herkunftsstaat geboren, absolvierte dort ihre Schulzeit, kann sich im Herkunftsstaat problemlos verständigen und hat ihr überwiegendes Leben in diesem Staat verbracht. Sie kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.
Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen:
Gegen die bP wurde ein Strafverfahren nach § 223 Abs. 2 und § 224 StGB eingeleitet. Sie wurde jedoch gem. § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.
Das Vorliegen von rk. Verwaltungsstrafen wurde dem BVwG von der Polizei bzw. den Verwaltungsstrafbehörden nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.
Sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:
Da die bP nach dem Ablauf ihres Visums das Land nicht verlies, stellt der weitere unrechtmäßige Aufenthalt gegenständlich auch grds. eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 120 Abs 1a FPG). Auch wenn es betreffend der gefälschten ungarischen Urkunde bei der bP zu keiner strafrechtlichen Verurteilung kam, kann das dabei gesetzte und auch in der rk. Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien festgestellte, Verhalten aus fremdenpolizeilicher Sicht gewertet bzw. berücksichtigt werden.
Sie müsste den Militärdienst ableisten was ihrer Ansicht nach gefährlich ist. Sie lehnt jede Art von Waffen und kriegerische Handlungen ab. Andere persönliche Probleme auf Grund der Lage in der Türkei brachte sie im Verfahren vor dem Bundesamt nicht konkret vor.
Die bP verneinte auf Befragung, dass sie im Falle der Rückkehr in die Türkei eine irgendwie geartete strafrechtliche oder sonstige Verfolgung erleiden würde.
Im Beschwerdeschriftsatz erstattete die bP kein Vorbringen, wonach sie im Herkunftsstaat bei einer Rückkehr einer Verfolgung ausgesetzt wäre oder die reale Gefahr bestünde, dass sie in eine existentiell ausweglose Lage geraten würde.
2. Beweiswürdigung
Der für die Zurückweisung relevante Sachverhalt ergibt sich aus der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei. Die Feststellungen zum aufenthaltsrechtlichen Verfahren beim Magistrat Wien ergeben sich aus dem Im Akt befindlichen und rechtskräftigen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien. Dieses wurde auch bereits vom Bundesamt als Beweismittel berücksichtigt.
3. Rechtliche Beurteilung
In der Beschwerde wird bemängelt, dass sich das BFA bei der Erlassung des Bescheides nicht näher mit den Auswirkungen des Assoziierungsabkommen auseinander gesetzt habe. Die Beschwerde selbst enthält diesbezüglich keine Konkretisierung, woraus die bP dabei konkret für sich ein Aufenthaltsrecht bzw. Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt ableiten könnte.
Am 12. September 1963 schlossen die damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Rat der Europäischen Gemeinschaften mit der Türkei ein Abkommen zur Gründung einer Assoziation (Assoziierungsabkommen). Am 23. November 1970 verabschiedeten die Vertragsparteien das "Zusatzprotokoll zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation" (im Folgenden: ZP), das am 1. Januar 1973 in Kraft trat. In weiterer Folge wurde am 19.09.1980 durch den Assoziationsrat (dem durch das ZP Normsetzungskompetenz übertragen wurde) der Beschluss Nr. 1/80 über die Entwicklung der Assoziation (kurz: ARB 1/80) gefasst, welcher den vorangegangenen Beschluss Nr. 2/76 weitgehend ablöste.
Der Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19.09.1980 über die Entwicklung der Assoziation regelt im Wesentlichen welche Rechte türkischen Staatsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat auf dem Gebiet der Beschäftigung zustehen. Die Artikel 6 und 7 ARB 1/80 sind dabei die zentralen Vorschriften aus denen türkische Staatsangehörige, sofern die Voraussetzungen vorliegen, unmittelbar Ansprüche für rechtmäßigen Aufenthalt und Arbeitserlaubnis herleiten können.
Die Art 6 und 7 enthalten ihrem Wortlaut nach in erster Linie beschäftigungsrechtliche Regelungen. Der EuGH geht jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die beschäftigungsrechtlichen Vergünstigungen, die türkischen Staatsangehörigen verliehen werden, zwangsläufig auch ein Aufenthaltsrecht dieser Personen im jeweiligen EU-Mitgliedstaat beinhalten, weil sonst die in diesen Bestimmungen eingeräumten Arbeitsmarktzugangsrechte wirkungslos wären.
Artikel 6 ARB 1/80
(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat
– nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
– nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung – vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs – das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
– nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.
(3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt.
Artikel 7 ARB 1/80
Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,
– haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;
– haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.
Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war.
Fallbezogen ergibt sich daraus:
Gegenständlich kann die bP keine Rechte aus Art 6 Abs 1 ARB 1/80 erster Spiegelstrich darlegen, weil sie „kein Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung bei dem gleichen Arbeitgeber“ nachzuweisen vermochte. Aufgrund ihres unrechtmäßigen Aufenthalts und der Beschäftigung ohne Vorliegen einer Arbeitsbewilligung wird diese Voraussetzung nicht erfüllt. Auch die Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 kommen nicht zum Tragen, da es hierfür die Genehmigung bedarf, zu einem dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Staatsbürger zu ziehen. Gerade dies hatte die bP nicht, da sie sich nach dem Ablauf des Touristenvisums weiterhin im Bundesgebiet aufhielt, ohne eine Genehmigung für den Aufenthalt konkret anzustreben oder erhalten zu haben.
Somit kommen die (Aufenthalts)Rechte aus dem Assoziierungsabkommen nicht zum Tragen.
Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen / Rückkehrentscheidung
§ 10 AsylG Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme
{...}
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
{...}
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG
Gegenständlich war gem. § 58 Abs 1 Z 5 AsylG von Amts wegen zu prüfen, ob der bP ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG zukommt, da sie sich als „Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.“
§ 57 AsylG Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz
(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.
Ein Sachverhalt, wonach der bP gem. § 57 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen wäre, kam nicht hervor.
Da sich die bP nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG [Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung] fällt und ihr auch amtswegig kein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG zu erteilen war, ist diese Entscheidung gem. § 10 Abs 2 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung gem. dem 8. Hauptstück des FPG [Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Fremde] zu verbinden.
Dem zur Folge hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs 1 FPG [Rückkehrentscheidung] gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z2).
Die bP hält sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Daher ist gegenständlich gem. § 52 Abs 1 Z 1 FPG die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu prüfen.
Rückkehrentscheidung
Das Bundesamt hat gegenständlich entschieden, dass zur Erreichung von in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Interessen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung dringend geboten sei.
Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.
Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“
Privatleben
Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Rückkehrentscheidungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Bei der Schutzwürdigkeit des Privatlebens manifestiert sich der Grad der Integration des Fremden insbesondere an intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124).
Familienleben
Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben;
das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00); etwa bei Zutreffen anderer Faktoren aus denen sich ergibt, dass eine Beziehung genügend Konstanz aufweist, um de facto familiäre Bindungen zu erzeugen: zB Natur und Dauer der Beziehung der Eltern und insbesondere, ob sie geplant haben ein gemeinsames Kind zu haben; ob der Vater das Kind als eigenes anerkannt hat; ob Unterhaltszahlungen für die Pflege und Erziehung des Kindes geleistet wurden; und die Intensität und Regelmäßigkeit des Umgans (EGMR v. 8.1.2009, Zl 10606/07, Fall Grant gg. Vereinigtes Königreich).
Kinder werden erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).
Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere "de facto Beziehungen" ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).
Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).
Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 76).
Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebens fallen, unter den Begriff des ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens zu subsumieren (VwGH 21.4.2011, 2011/01/0093-7 [vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 9. Oktober 2003, Slivenko gegen Lettland, Beschwerde Nr. 48321/99, Randnr. 97, vom 15. Juni 2006, Shevanova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 58822/00, Randnr. 67, vom 22. Juni 2006, Kaftailova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 59643/00, Randnr. 63, und vom 12. Jänner 2010, A.W. Khan gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 47486/06, Randnr. 31 ff]).
Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.
Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR im Fall Cruz Varas gegen Schweden). In diesen Fällen ist nach der Judikatur des EGMR der Eingriff in das Privatleben gegebenenfalls separat zu prüfen (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 856 mwN).
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Ob eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Dabei obliegt es dem Fremden integrationsbegründende Umstände, denen maßgebliche Bedeutung zukommen könnte, geltend zu machen (vgl. etwa VwGH 22.1.2014, 2012/22/0245).
Aufgrund der getroffenen Feststellungen ergibt sich das Vorhandensein eines relevanten Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK, daher bedarf es diesbezüglich einer Abwägung der persönlichen Interessen an einem Verbleib mit den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendung, somit, ob eine Rückkehrentscheidung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Im vorliegenden Fall ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs 2 EMRK legitime Ziele, nämlich
- die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, worunter auch die geschriebene
Rechtsordnung zu subsumieren ist.
Öffentliche Ordnung
Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Rückkehrentscheidung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.). Die Schaffung eines Ordnungssystems mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt wird, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.9.2007, B 328/07, VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251 uva.). Die öffentliche Ordnung, hier va. das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird zB. schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Rückkehrentscheidung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und/oder Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.2.1996, 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz grds. gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. (VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007). Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Rückkehrentscheidung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).
Aus Art 8 EMRK ist zudem kein Recht auf Wahl des Familienwohnsitzes ableitbar (VfGH 13.10.2007, B1462/06 mwN).
Der rechtswidrige Aufenthalt im Bundesgebiet stellt eine Verwaltungsübertretung dar. Im darin enthaltenen Strafrahmen des FPG lässt der Gesetzgeber das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung bzw. Bekämpfung des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet erkennen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung stellt daher ein Instrument zur Verhinderung eines derartigen unter Strafe gestellten Verhaltens bzw. Unterlassens dar.
Wenn das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die bP ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, ist dies bei der Abwägung gegebenenfalls als die persönlichen Interessen mindernd in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562, Fall Nnyanzi gg. Vereinigtes Königreich, Fall Darren Omoregie u.a. gg. Norwegen).
Privatleben iSd Art 8 Abs 1 EMRK kann grundsätzlich nur im Rahmen eines legalen Aufenthaltes entstehen. Selbst eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung in einem Asylverfahren ist nicht geeignet berechtigterweise schon die Erwartung hervorzurufen, in Österreich bleiben zu dürfen (EGMR in den Sachen Ghiban v. 7.10.04, 33743/03 und Dragan NVwZ 2005, 1043, Nnyanzi gg. Norwegen).
Eine sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Person kann nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben fortgesetzt werden kann. Die Einwanderungsregeln dürfen nicht umgangen werden.
Verfügt die beschwerdeführende Partei über einen ungesicherten Aufenthalt und ist sie nicht straffällig geworden, so bewirken diese Umstände keine relevante Verstärkung ihrer persönlichen Interessen (Hinweis E 24. Juli 2002, 2002/18/0112; 31.10.2002, 2002/18/0190).
Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich [vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0114, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246] (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).
Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es der beschwerdeführenden Partei bei der asylrechtlichen Rückkehrentscheidung grds. nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN).
Unter Zugrundelegung der Abwägungkritierien und der getroffenen Feststellungen ergibt sich Folgendes:
Die bP hat während des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes eine österreichische Staatsangehörige mit türkischen Wurzeln kennengelernt und während unrechtmäßigen Aufenthalts 2018 geheiratet. Es musste bewusst sein, dass der Aufenthalt sowohl zum Zeitpunkt des Kennenlernens für die bP als auch zum Zeitpunkt der Eheschließung aufgrund des fehlenden Aufenthaltstitel unrechtmäßig und somit keine wirklich begründete Aussicht auf Erlangung eines Aufenthaltstitels bestand. Die Ehegattin spricht so wie die bP auch Türkisch. Es liegen hier keine Umstände vor, die es unmöglich bzw. unzumutbar machen würden das Familienleben etwa auch in der Türkei fortzusetzen. Dies hat auch die Beschwerde nicht konkret aufgezeigt.
Zudem könnte ersatzweise Kontakt auch über moderne Medien, Besuche der Ehegattin in der Türkei oder vice versa die bP in Österreich über ein Visum stattfinden. Abgesehen davon bleibt es der bP unbenommen, so wie andere Fremde auch, vom Ausland aus einen Antrag auf Einreise bzw. Aufenthaltstitel zu stellen, die Entscheidung dort abzuwarten und bei Erteilung sodann legal einzureisen. Eine Unzumutbarkeit für die bP für diese rechtmäßige Vorgangsweise kam nicht hervor.
Die bP ist erwachsen und kam nicht hervor, dass hier eine persönliche, emotionale oder sonstige auf Beziehungsebene über das normale Maß bestehende, außergewöhnliche Bindung zu ihrer erwachsenen Schwester und ihrer Mutter in Österreich bestünde. Abgesehen davon leben Verwandte zum Teil auch in der Türkei. In der Türkei leben etwa auch noch der Vater, Onkeln, Tanten, Großmutter und Stiefbruder.
Bei der Interessensabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Bedacht zu nehmen (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0135). Ein diesbezügliches Vorbringen hat freilich im Rahmen der Gesamtabwägung nicht in jeder Konstellation Relevanz. Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen deren Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188 mwN). Unüberbrückbare Hindernisse wurden von der bP nicht dargelegt.
Sonstige, außergewöhnliche Integrationserfolge vermag die bP nicht aufweisen. Ein Engagement in der österr. Gesellschaft, etwa im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeit ist nicht hervorgekommen.
Die Umstände, dass der Fremde einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat und er der deutschen Sprache mächtig ist, können seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet hier nicht maßgeblich verstärken (vgl. VwGH 26.11.2009, 2007/18/0311; 29.6.2010, 2010/18/0226), zumal der Aufenthalt seit 2011 auch unrechtmäßig ist.
Dass sie versucht sich finanziell selbst zu erhalten, spricht grds. für sie, jedoch vermochte sie bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht nachzuweisen, dass sie unter Beachtung österreichischer Gesetze ihren Lebensunterhalt sichern kann, da ihre beruflichen Tätigkeiten in Österreich ohne Arbeitsbewilligung gem. AuslBG vorgenommen wurden.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit wirkt sich in der Bewertung neutral aus und führt nicht zur Verstärkung privaten Interessen, zumal dies auch von einem Fremden erwartet werden kann.
Bestandteil einer gelungenen Integration ist ua., dass sich die einen Aufenthaltstitel anstrebende Person im Wesentlichen regelkonform verhält. Das Verhalten allgemein und vor den staatlichen Behörden des Aufnahmestaates kann somit bei einer Bewertung der Integration in Österreich nicht ausgeblendet werden. Auf Grund von nicht wahrheitsgemäßen Angaben, der Nutzung eines gefälschten Personalausweises, Arbeit ohne Arbeitsbewilligung und einem jahrelangen unrechtmäßigen Aufenthalt führt dies gegenständlich zu einer Minderung der privaten Interessen der beschwerdeführenden Partei und zu einer Stärkung der genannten öffentlichen Interessen.
Zu bedenken ist auch, dass der beschwerdeführenden Partei spätestens seit der negativen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien bewusst sein musste, dass sie keine begründete Aussicht auf Erlangung eines dauerhaften Aufenthaltes erlangen konnte. Dennoch hat sie das Bundesgebiet nicht verlassen.
Auch eine langjährige Abwesenheit vom Herkunftsstaat, unter schwierigen äußeren Verhältnissen, die bei einer Rückkehr einer Gefährdung der Existenzgrundlage nahe kommen könnte, vermag dieser Umstand, angesichts ihres Verhaltens (unrechtmäßiger Aufenthalt und Heirat einer österreichischen Staatsbürgerin, um unter Umgehung der fremdenrechtlichen Vorschriften ihren Aufenthalt in Österreich "quasi zu erzwingen") der Erlassung einer Rückkehrentscheidung für sich betrachtet noch nicht im Wege stehen (VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0119)
Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und unter Einbeziehung der oa. Judikatur der Höchstgerichte ist gegenständlich ein überwiegendes öffentliches Interesse – nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, konkret das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung und Stärkung der Einwanderungskontrolle, das wirtschaftliche Wohl des Landes sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen insbesondere in Bezug auf den verwaltungsstrafrechtlich pönalisierten, nicht rechtmäßigen Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet, an der Aufenthaltsbeendigung der beschwerdeführenden Partei festzustellen, das ihre Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegt. Die Rückkehrentscheidung ist daher als notwendig und nicht unverhältnismäßig zu erachten.
Die persönlichen Bindungen in Österreich lassen keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK erkennen, die es der beschwerdeführenden Partei schlichtweg unzumutbar machen würde, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Aufenthalts- bzw. Niederlassungsverfahrens in ihr Heimatland zurückzukehren (vgl. zB. VwGH 25.02.2010, 2008/18/0332; 25.02.2010, 2008/18/0411; 25.02.2010, 2010/18/0016; 21.01.2010, 2009/18/0258; 21.01.2010, 2009/18/0503; 13.04.2010, 2010/18/0087; 30.04.2010, 2010/18/0111; 30.08.2011, 2009/21/0015), wobei bei der Rückkehrentscheidung mangels gesetzlicher Anordnung hier nicht auf das mögliche Ergebnis eines nach einem anderen Gesetz durchzuführenden (Einreise- bzw. Aufenthalts)Verfahrens Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 18.9.1995, 94/18/0376).
Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass einwanderungswillige Fremde, welche sich an die gesetzlichen Regeln für eine geordnete Zuwanderung halten letztlich schlechter gestellt wären, als jene Fremde, welche, einer geordneten Zuwanderung widersprechend, genau zu diesen verpönten, rechtswidrigen Mitteln greifen, um ohne jeden sonstigen anerkannten Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich zu erzwingen bzw. zu legalisieren. Dies würde in letzter Konsequenz wohl zu einer unsachlichen Differenzierung der einwanderungswilligen Fremden untereinander führen (vgl. Estoppel-Prinzip bzw. auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007) und würde angesichts der Publizitätswirksamkeit der behördlichen/verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen wohl den Nachzieheffekt für andere einwanderungswillige Fremde in Richtung nicht rechtmäßiger Zuwanderung verstärken.
Es erfolgte daher zu Recht die Erlassung einer Rückkehrentscheidung.
Zulässigkeit der Abschiebung
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
§ 50 FPG Verbot der Abschiebung
(1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Die Zulässigkeit der Abschiebung der bP in ihren Herkunftsstaat ist gem. § 46 FPG gegeben, da keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würden. Das Bundesamt führte im Bescheid aus, dass die bP in der Türkei auf Grund der aktuellen Lage keine Verfolgung zu befürchten habe. Dem wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten und zeigt diese auch sonst keine Rückkehrgefährdung der bP auf, die einer Abschiebung entgegen stehen könnte.
Frist für freiwillige Ausreise
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
§ 55 FPG Frist für