TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/21 L502 2162929-1

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Veröffentlicht am 21.10.2020
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Entscheidungsdatum

21.10.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L502 2162929-1/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX ; StA. Irak, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2017, FZ. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I, II und III, erster Satz, als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III, zweiter Satz, stattgegeben und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

3. Gemäß § 55 Abs. 1 Z. 1 AsylG wird XXXX eine „Aufenthaltsberechtigung“ erteilt.

4. Die Spruchpunkte III, dritter Satz, und IV werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 17.08.2015 im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 18.08.2015 fand seine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

3. Am 23.05.2017 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Kärnten, einvernommen. Dabei legte er verschiedene Integrationsnachweise vor.

4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde vom 07.06.2017 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihm eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).

5. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 07.06.2017 wurde ihm gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

6. Gegen den am 09.06.2017 durch Hinterlegung am Postamt zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz seiner Rechtsberatung vom 19.06.2017 innerhalb offener Frist Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

7. Am 29.06.2017 langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung L506 zugewiesen.

8. Aufgrund einer Unzuständigkeitseinrede vom 03.07.2017 wurde das Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung L502 zugewiesen.

9. Die Ladung für eine am 05.10.2017 anberaumte mündliche Verhandlung langte als nicht behoben wieder beim BVwG ein.

10. Am 29.12.2017 langte die Mitteilung der Überstellung des BF aus Deutschland nach Österreich im Rahmen des Dublin-Verfahrens beim BVwG ein. Am 11.01.2018 wurde die Überstellung vollzogen.

11. Am 25.04.2018 übergab der BF nationale Identitätsdokumente an das BFA, die in Kopie dem BVwG übermittelt wurden.

12. Am 11.12.2018 langten Kopien sogen. Dienstleistungsschecks des BF ein.

13. Am 05.03.2019 langte die Mitteilung über die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zugunsten des BF ein.

14. Am 14.05.2019 und 12.11.2019 langten Gehaltsnachweise des BF ein.

15. Am 14.01.2020 langte die Mitteilung über die Erteilung einer weiteren Beschäftigungsbewilligung zugunsten des BF sowie weitere Gehaltsnachweise des BF ein.

16. Am 02.04.2020 langte eine Beschäftigungsmeldung zugunsten des BF ein.

17. Der Aufforderung des BVwG vom 07.10.2020 folgend legte der BF mit 14.10.2020 weitere Gehaltsnachweise und mit 15.10.2020 eine Teilnahmebestätigung für einen Sprachkurs vor.

18. Als länderkundliche Beweismittel führte das BVwG aktuelle Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer ins Verfahren ein und veranlasste die Erstellung von Auszügen des Zentralen Melderegisters, des Grundversorgungsinformationssystems, des Informationssystems Zentrales Fremdenregister und des Strafregisters.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität des BF steht fest. Er ist irakischer Staatsangehöriger sowie Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung.

Er stammt aus XXXX in der nordirakischen Provinz XXXX an der Grenze zur kurdisch-autonomen Provinz XXXX . Er ging ehemals dem Beruf des Landarbeiters nach. Seine Herkunftsfamilie betrieb dort eine Landwirtschaft.

Von 2008 bis April 2012 lebte er mit seiner Herkunftsfamilie in der Gemeinde „ XXXX “ nahe der irakisch-syrischen Grenze, ehe die Familie wieder nach XXXX zog.

Im Zuge des Überfalls der bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf die Provinz XXXX verließ der BF gemeinsam mit den übrigen Mitgliedern seiner Herkunftsfamilie Anfang August 2014 seine engere Heimat um sich in der Folge wieder in „ XXXX “ bei Verwandten niederzulassen, ehe er gemeinsam mit Gattin und Kindern seines Bruders XXXX Anfang August 2015 auf dem Landweg aus dem Irak in die Türkei aus- und anschließend schlepperunterstützt auf dem Landweg bis Österreich weiterreisten, wo sie am 17.08.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.

Der genannte Bruder des BF, der sich im September 2014 für ca. zwei Monate bis Ende Oktober 2014 freiwillig den bewaffneten Einheiten der kurdischen Peshmerga im Kampf gegen den IS angeschlossen hatte und bis Anfang September 2015 im Umkreis von XXXX als gewöhnlicher Soldat weiterdiente, verließ danach den Irak und gelangte auf dem gleichen Weg nach Österreich, wo er am 17.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der BF hielt sich bis August 2017 in Österreich auf, ehe er auf illegale Weise nach Deutschland ausreiste, wo sich ein weiterer Bruder mit Familie aufhält, um 11.01.2018 von dort wieder nach Österreich überstellt zu werden.

Die Eltern, sechs weitere Brüder und zwei Schwestern des BF lebten nach ihrer Ausreise aus dem Irak im Sommer 2016 in der Türkei, drei dieser Brüder sind zwischenzeitig nach Deutschland weitergereist, die übrigen drei gehen wie auch der Vater in der Türkei Gelegenheitsarbeiten nach.

Der BF ging in Österreich im Oktober und November 2018 einer legalen Beschäftigung als Haushaltshilfe auf der Basis von sog. Dienstleistungsschecks nach. Von 27.02. bis 15.05.2019, von 07.12. bis 21.12.2019 und von 01.04. bis 30.09.2020 ging er auf der Grundlage von saisonalen Beschäftigungsbewilligungen einer legalen unselbständigen Erwerbstätigkeit als Küchengehilfe bzw. gastgewerbliche Hilfskraft nach.

Er hat die Sprachprüfung für die deutsche Sprache auf dem Niveau A1 erfolgreich absolviert, nahm an der Sprach- und Integrationsprüfung B1 teil und verfügt über Deutschkenntnisse für den täglichen Gebrauch.

Er ist bis dato strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Die Stadt XXXX liegt im Bezirk XXXX in der nordirakischen Provinz XXXX an der Grenze zwischen dieser und der kurdischen Autonomieregion des Iraks. Anfang August 2014 drangen die bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) im Zuge ihres Überfalls auf die Provinz auch auf die Stadt vor, die sie am 04.08.2014 besetzten, ehe es im Rahmen einer bis September 2014 andauernden Gegenoffensive der kurdischen Peshmerga, die als „Schlacht um XXXX “ bekannt wurde, zur Befreiung der Stadt kam. In weiterer Folge blieb die Region umkämpft. Diese Milizen wurden beginnend mit 2015 bis Ende 2017 von einer Allianz aus irakischer Armee und Polizei, staatsnahen schiitischen Milizen und internationalen Militärkräften aus den von ihnen besetzten Provinzen im Zentralirak auf Dauer vertrieben.

1.3. Laut Informationen der UN-Organisation IOM Iraq vom Juni 2020 (Quelle: DTM Round 116) standen 1,38 Mio. Binnenvertriebenen im Irak ca. 4,7 Mio. zwischenzeitig in ihre Ursprungsheimat zurückgekehrte gegenüber. In der Provinz Dohuk hielten sich noch ca. 319.000 Binnenvertriebene auf.

Die kurdischen autonomen Provinzen des Nordiraks (Dohuk, Erbil, Suleimanyia) sind vom Ausland aus auf dem Luftweg mit internationalen Flügen u.a. nach Erbil erreichbar. Es gibt keine maßgeblichen Schwierigkeiten für Angehörige der kurdischen Volksgruppe, die aus der Region stammen, im Hinblick auf Zugang und Niederlassung ebendort. Sie benötigen u.a. in der Provinz XXXX lediglich einen Nachweis für ihre Identität und Herkunft, jedoch im Unterschied zu Arabern und Turkmenen keine spezielle Aufenthaltserlaubnis (Quelle: EASO, COI Report, Iraq, Internal Mobility, Februar 2019).

Die kurdischen autonomen Provinzen des Nordiraks (Dohuk, Erbil, Suleimanyia) weisen eine insgesamt stabile Sicherheitslage auf, die von den Sicherheitskräften der kurdischen Regionalregierung gewährleistet wird. Für die Provinz Dohuk wurden für das Jahr 2018 20 gewaltsame Vorfälle Zivilpersonen betreffend mit 28 Todesopfern registriert, 75% davon fielen Luftangriffen und Bodenoperationen im Rahmen des militärischen Konflikts zwischen der türkischen Armee und in der Provinz aufhältigen Mitgliedern der PKK zum Opfer (Quelle: EASO, COI Report, Iraq, Security Situation, März 2019).

Einer Kurzübersicht über sicherheitsrelevante Vorfälle im 1. Quartal 2020 folgend wurden für die Provinz Dohuk insgesamt 61 Vorfälle mit 20 zivilen Todesopfern registriert (Quelle: ACLED; ACCORD, 23.06.2020)

Der Islamische Staat (IS) erweitert seine Netzwerke im irakischen Kurdistan. Es wird vermutet, dass er versucht diese mit seinen wiederauflebenden Unterstützungszonen in den Gouvernements Kirkuk und Diyala zu verbinden. Einheiten der Asayish [Anm.: Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan] konnten laut eigenen Angaben seit Jänner 2019 unter anderem drei arabische IS-Zellen sprengen - in Sulaymaniyah City, in Chamchamal, zwischen Sulaymaniyah und der Stadt Kirkuk, sowie in Kalar, im Nordosten des Diyala Flußtales. Am 11. April verhafteten die Asayish einen IS-Kämpfer, der für das Schleusen von Kämpfern zwischen Kirkuk Stadt, Hawija und Dibis im Gouvernement Kirkuk verantwortlich war. Die türkische Luftwaffe führte in den Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniya Luftangriffe durch und verursachte materielle Schäden, ohne dass jedoch Verluste an Menschenleben gemeldet wurden. Zwischen 14. Februar und 9. April meldeten die türkischen Streitkräfte mindestens zwölf Einsätze sowie zwei Zusammenstöße mit Einheiten der kurdischen Arbeiterpartei. (Quelle: Kurzinformation der Staatendokumentation des BFA, Irak, Sicherheitsupdate, 2. Quartal 2019)

In der Kurdischen Region im Irak (KRI) wurden bis zum 5.8.2020 15.577 bestätigte Fälle von COVID-19 verzeichnet. Davon sind 9.711 wieder genesen und 597 Personen verstorben (Gov.KRD 5.8.2020).

Es gilt Schutzmaskenpflicht für sämtliche öffentliche Orte, wie Märkte, Restaurants und andere kommerzielle Einrichtungen, wie Firmen. Bei zuwiderhandeln drohen den Inhabern Geldstrafen und temporäre Zwangsschließungen. Auch Beerdigungen, Hochzeitsfeiern und andere gesellschaftliche Veranstaltungen sind unter Androhung von Geldstrafen verboten (Gov.KRD 5.8.2020; vgl. Rudaw 3.8.2020A). Kliniken und Labore bleiben per Verordnung für 14 Tage geschlossen (Gov.KRD 5.8.2020). Um den steigenden Infektionszahlen im Gouvernement Erbil entgegenzuwirken wurden mittlerweile vier Krankenhäuser als alleinige

Covid-19 Behandlungszentren deklariert (Rudaw 3.8.2020B).

Aktuelle Maßnahmen umfassen weiterhin ein Reiseverbot zwischen den kurdischen Gouvernements Erbil, Sulaymaniyah, Dohuk und Halabja, sowie ein Reiseverbot innerhalb derselben, ausgenommen bei Notfällen und mit Sondergenehmigungen (Gov.KRD 5.8.2020;

vgl. Rudaw 3.8.2020A; UNHCR 4.8.2020).

Der Grenzübergang Ibrahim Khalil zur Türkei wurde für den Zeitraum vom 4. bis zum 11. August Covid-19-anlassbezogen für den Personenverkehr geschlossen (Gov.KRD 5.8.2020; vgl. Garda 4.8.2020). Die Grenzübergänge Haji Omaran und Bashmakh zum Iran sind für Bürger der KRI, die heimkehren wollen, geöffnet (Gov.KRD 5.8.2020).

Am 1.8.2020 nahmen die internationalen Flughäfen in Erbil und Sulaymaniyah wieder ihren Betrieb auf (Gov.KRD 5.8.2020; vgl. Rudaw 1.8.2020). Personen, die über die Flughäfen einreisen müssen jedoch auf eigene Kosten einen Covid-19-Test machen und sich zur Selbstquarantäne verpflichten, bei deren Verstoß sie mit einem Bußgeld bestraft werden. Personen, die positiv auf Covid-19 getestet wurden und die die Quarantäne missachten müssen alle anfallenden medizinischen Kosten für evtl. infizierte Personen übernehmen und

werden strafrechtlich verfolgt (Artikel 368-369 des geänderten Gesetzes 111 von 1969) (Gov.KRD 5.8.2020).

(Quelle: Kurzinformation der Staatendokumentation des BFA, Naher Osten/COVID-19/aktuelle Lage, 14.08.2020)

1.4. Der BF verließ seine engere Heimat angesichts der vormaligen Präsenz der bewaffneten Milizen des IS und einer von ihnen ausgehenden allgemeinen Bedrohung, ist jedoch im Falle einer Rückkehr dorthin aktuell keiner maßgeblichen Gefährdung durch Dritte ausgesetzt.

Er verfügt bei einer Rückkehr dort über eine hinreichende Lebensgrundlage.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes in der Rechtssache des BF und in jene des BVwG seinen Bruder XXXX und dessen Angehörige betreffend, die Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht beigeschafften länderkundlichen Informationen und durch die amtswegige Einholung von Auskünften der og. Datenbanken.

Die Beschwerdeverfahren des Bruders und seiner Angehörigen wurden mit Erkenntnis des BVwG vom 23.07.2020 abgeschlossen.

Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangte das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu den entscheidungswesentlichen Feststellungen.

2.2. Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit sowie Religionszugehörigkeit des BF konnten angesichts seiner Kenntnis der kurdischen Sprache seiner Herkunftsregion und seiner Ortsangaben in Verbindung mit dem Inhalt der von ihm vorgelegten Identitätsnachweise festgestellt werden.

Die Feststellungen zum Lebenswandel und zu den familiären Verhältnissen des BF im Irak vor der Ausreise und dem aktuellen Aufenthalt und Lebenswandel seiner Verwandten resultieren aus der Zusammenschau seiner Aussage dazu im erstinstanzlichen Verfahren und der Feststellungen des BVwG im Verfahren seines Bruders.

Die Feststellungen zur aktuellen Lebenssituation des BF in Österreich stützen sich auf die von ihm im Beschwerdeverfahren vorgelegten Urkunden und die vom BVwG eingeholten Informationen aus den genannten Datenbanken.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsregion und zur Niederlassungsfreiheit für den BF resultieren aus den vom BVwG dazu beigeschafften länderkundlichen Berichten in der Zusammenschau mit den Aussagen seines Bruders im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG.

2.3. Zu den Feststellungen unter Pkt. 1.3.:

2.3.1. Dass der BF gemeinsam mit den Angehörigen seines Bruders seine engere Heimat angesichts der vormaligen Präsenz der bewaffneten Milizen des IS und einer von ihnen ausgehenden allgemeinen Bedrohung verließ, konnte das BVwG in der Übereinstimmung seiner eigenen Aussagen vor dem BFA mit den Feststellungen des Gerichts im Verfahren seines Bruders und seiner Angehörigen feststellen.

2.3.2. Die Feststellung, dass er im Falle einer Rückkehr dorthin aktuell keiner maßgeblichen Gefährdung durch Dritte ausgesetzt ist, stützt das BVwG auf folgende Erwägungen:

Der BF hatte im erstinstanzlichen Verfahrensgang auf einen behaupteten Konflikt seiner Familie mit einem „arabischen Clan“ verwiesen, der seit 2008 angedauert habe.

Bereits im ersten Verfahrensgang seines Bruders im Jahr 2018 war das BVwG zum Ergebnis gelangt, dass eine angebliche Verfolgungsgefahr im Zusammenhang mit diesem behaupteten Konflikt nicht glaubhaft sei.

Auf diesen Konflikt verwies der Bruder des BF zwar neuerlich in der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2019 im zweiten Verfahrensgang, als er nach etwaigen Rückkehrhindernissen befragt wurde. Auf Nachfrage, ob es im Gefolge der Entscheidung des BVwG vom Mai 2018 etwaige konkrete Ereignisse gegeben habe, die auf eine von diesem Clan ausgehende Bedrohung hinweisen würden, nannte er jedoch lediglich bereits viele Jahre zurückliegende Ereignisse.

2.3.3. Zur Feststellung, dass der BF bei einer Rückkehr in die Heimat auch über eine hinreichende Lebensgrundlage verfügt, gelangte das Gericht zum einen auf der Grundlage seiner Feststellungen im Verfahren seines Bruders.

Zum anderen war darauf abzustellen, dass der BF angesichts eigener beruflicher Vorerfahrungen und Kenntnisse als selbsterhaltungsfähig anzusehen war, was er nicht zuletzt auch mit seiner aktuellen Erwerbstätigkeit in Österreich zeigte.

Das BVwG ging seinerseits im Lichte der dazu eingesehenen länderkundlichen Berichte von einer Niederlassungsmöglichkeit für den BF in der Provinz XXXX aus, in der er auch bereits vor der Ausreise ansässig war.

III. Rechtliche Beurteilung

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 7 B-VG wurde der Asylgerichtshof mit 1.1.2014 zum Bundesverwaltungsgericht, die Mitglieder des AsylGH wurden zu Mitgliedern des BVwG.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Die vom BF behauptete Bedrohung durch Dritte war nicht als glaubhaft anzusehen.

1.3. Die Beschwerde war sohin zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen.

2.2. Somit war zu klären, ob im Falle der Rückführung der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände („exceptional circumstances“) vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter „außergewöhnlichen Umständen“ können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr („real risk“) – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

Der EGMR geht allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Jüngst hat der EGMR im Fall PAPOSHVILI vs. Belgium weitere grundsätzliche Ausführungen zu diesem Thema getätigt:

„(175) [...] Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung verschlimmert wird oder droht verschlimmert zu werden, die sich aus Haftbedingungen, einer Ausweisung oder anderen Maßnahmen ergibt, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können. Der GH ist jedoch nicht daran gehindert, eine Rüge eines Bf. unter Art. 3 EMRK zu prüfen, wo die Quelle des Risikos der untersagten Behandlung im Empfangsstaat aus Faktoren stammt, die weder direkt noch indirekt die Verantwortung der Behörden dieses Landes begründen können.

(181) Aus dieser Rekapitulation seiner Rechtsprechung zieht der GH den Schluss, dass die Anwendung von Art. 3 EMRK nur auf Fälle, wo die von einer Ausweisung betroffene Person dem Tod nahe ist – was seit dem Urteil N./GB seine Praxis war –, Fremde vom Nutzen dieser Bestimmung ausgeschlossen hat, die schwer krank sind, deren Zustand aber weniger kritisch ist. Als Konsequenz daraus hat die Rechtsprechung seit N./GB keine detailliertere Orientierung betreffend die in N./GB genannten »sehr außergewöhnlichen Fälle« geboten, die sich von dem in D./GB geprüften Fall unterscheiden.

(183) Die »anderen sehr außergewöhnlichen Fälle« im Sinne des Urteils N./GB, die eine Angelegenheit unter Art. 3 EMRK aufwerfen können, sollten nach Ansicht des GH so verstanden werden, dass sie sich auf die Ausweisung einer schwer kranken Person betreffende Situationen beziehen, in denen stichhaltige Gründe für die Annahme aufgezeigt wurden, dass sie, obwohl sie nicht in unmittelbarer Lebensgefahr ist, mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Empfangsstaat oder des fehlenden Zugangs zu solcher Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu werden, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. Der GH betont, dass diese Situationen einer hohen Schwelle für die Anwendung von Art. 3 EMRK in Fällen entsprechen, welche die Ausweisung von an einer schweren Erkrankung leidenden Fremden betreffen. Gemäß Art. 1 EMRK liegt die primäre Verantwortung für die Umsetzung der garantierten Rechte und Freiheiten bei den nationalen Behörden, die daher vom Standpunkt des Art. 3 EMRK die Ängste der Bf. beurteilen und die Risiken einschätzen müssen, denen diese im Fall der Abschiebung in den Empfangsstaat ausgesetzt wären.

(185) In derartigen Fällen wird die aus Art. 3 EMRK erwachsende Verpflichtung der Behörden, die Integrität der betroffenen Personen zu schützen, folglich in erster Linie durch angemessene Verfahren erfüllt, die eine Durchführung einer solchen Prüfung erlauben.

(186) Im Kontext dieses Verfahrens ist es Sache der Bf., Beweise vorzubringen, die zeigen können, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, sie würden im Fall der Vollstreckung der angefochtenen Maßnahme einem realen Risiko ausgesetzt, einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass dem präventiven Zweck von Art. 3 EMRK ein gewisser Grad an Spekulation innewohnt und von den betroffenen Personen nicht verlangt werden kann, eindeutige Beweise für ihre Behauptung, einer verbotenen Behandlung unterworfen zu werden, zu erbringen.

(187) Wenn solche Beweise erbracht werden, ist es Sache der Behörden des ausweisenden Staates, im Zuge der innerstaatlichen Verfahren jeden dadurch aufgeworfenen Zweifel zu zerstreuen. Die behauptete Gefahr muss einer genauen Prüfung unterzogen werden, im Zuge derer die Behörden im ausweisenden Staat die vorhersehbaren Konsequenzen der Ausweisung auf die betroffene Person im Empfangsstaat im Lichte der dort herrschenden allgemeinen Lage und der persönlichen Umstände des Betroffenen erwägen müssen. [...]

(188) [...] Worum es hier geht, ist die negative Verpflichtung, Personen nicht der Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung zu unterwerfen. Folglich muss die Auswirkung der Abschiebung auf die betroffene Person beurteilt werden, indem ihr Gesundheitszustand vor der Abschiebung damit verglichen wird, wie er sich nach der Überstellung in den Empfangsstaat entwickeln würde.

(189) Was die zu berücksichtigenden Faktoren betrifft, müssen die Behörden des ausweisenden Staates sich anhand des Einzelfalls vergewissern, ob die im Empfangsstaat generell verfügbare Versorgung in der Praxis für die Behandlung der Krankheit des Bf. ausreichend und angemessen ist, um zu verhindern, dass er einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung ausgesetzt wird. Maßstab ist nicht das im ausweisenden Staat herrschende Versorgungsniveau. Es geht nicht darum sich zu vergewissern, ob die im Empfangsstaat gewährte Versorgung jener entspricht, die vom Gesundheitssystem des ausweisenden Staates geboten wird, oder dieser unterlegen ist. Aus Art. 3 EMRK kann auch kein Recht abgeleitet werden, eine bestimmte Behandlung im Empfangsstaat zu erhalten, die für die übrige Bevölkerung nicht verfügbar ist.

(190) Die Behörden müssen auch berücksichtigen, inwieweit die fragliche Person tatsächlich Zugang zu dieser Behandlung und diesen Einrichtungen im Empfangsstaat haben wird. In diesem Zusammenhang stellt der GH fest, dass er in früheren Fällen die Zugänglichkeit von Versorgung bezweifelt und auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, die Kosten von Medikamenten und Behandlung, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzes und die Distanz zu berücksichtigen, die zurückgelegt werden muss, um die erforderliche Behandlung zu erhalten.

(191) Wenn nach Prüfung der relevanten Information ernste Zweifel hinsichtlich der Auswirkung der Abschiebung auf die betroffene Person bestehen [...], muss der ausweisende Staat als Voraussetzung für die Abschiebung individuelle und ausreichende Zusicherungen des Empfangsstaats erhalten, wonach eine angemessene Behandlung verfügbar und für die betroffenen Personen zugänglich sein wird, sodass sie sich nicht in einer Art. 3 EMRK widersprechenden Situation wiederfinden.

(192) Der GH betont, dass in die Ausweisung schwer kranker Personen betreffenden Fällen das Ereignis, das die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung auslöst und die Verantwortung des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründet, nicht das Fehlen medizinischer Infrastruktur im Empfangsstaat ist. Es geht auch nicht um eine Verpflichtung des ausweisenden Staates, die Diskrepanzen zwischen seinem Gesundheitssystem und dem Versorgungsniveau im Empfangsstaat zu mildern, indem er allen Fremden ohne Niederlassungsrecht in seinem Hoheitsgebiet kostenlose und unbeschränkte Gesundheitsversorgung gewährt. Die Verantwortung unter der Konvention, um die es in solchen Fällen geht, ist jene des ausweisenden Staates aufgrund einer Handlung – in diesem Fall der Ausweisung –, die dazu führen würde, dass eine Person der Gefahr einer von Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung ausgesetzt wird.

2.3. Konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind im Lichte der notorischen Informationen zur allgemeinen Sicherheitslage in der Herkunftsregion (vgl. die Feststellungen oben) nicht hervorgekommen.

Auch stichhaltige Hinweise auf eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), kamen nicht hervor.

Zudem würde er als Kurde der Mehrheitsethnie dieser Region angehören und wäre auch dahingehend kein Hinweis ersichtlich geworden, dass er sich in die dortige Gesellschaft nicht wieder eingliedern könnten.

2.4. Vor diesem Hintergrund erwies sich die Annahme des Bundesamtes, es lägen im gegenständlichen Fall keine stichhaltigen Gründe mehr für die Annahme des realen Risikos einer Gefährdung des BF im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG vor, als mit dem Gesetz in Einklang stehend.

2.5. Im Hinblick darauf war die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.1. § 10 AsylG lautet:

(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3.       der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

§ 57 AsylG 2005 lautet:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1.       wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.       zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.       wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

§ 58 AsylG 2005 lautet:

(1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5.       ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1.       sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2.       bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3.       gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1.       das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2.       der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1.       ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2.       die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

§ 52 FPG lautet:

(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.       dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4.       ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

2.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4.       der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG),

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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