TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/22 L524 2236202-1

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Veröffentlicht am 22.10.2020
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Entscheidungsdatum

22.10.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L524 2236202-1/3Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG, Friedrichgasse 31, 8010 Graz, gegen Spruchpunkt V. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2020, Zl. 301043102/191173215,

A) beschlossen:

Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird stattgegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, hält sich seit 1995 durchgehend in Österreich auf und er verfügte bereits über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“. Es erfolgte jedoch eine Rückstufung gemäß § 28 NAG, weshalb der Beschwerdeführer nunmehr über einen bis 24.04.2022 gültigen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ verfügt.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 06.12.2018, XXXX , wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 17.04.2020, XXXX , wegen des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 2 fünfter und sechster Fall, Abs. 3 erster Fall SMG, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandelt nach § 28 Abs. 1 erster und zweiter Fall, Abs. 4 erster Fall SMG und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21.09.2020, Zl. 301043102/191173215, wurde gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die „Abschiebung gemäß § 46 FPG nach zulässig“ sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm „Abs. 3 Z 0 FPG“ wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

II. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers, einem IZR-Auszug, den Urteilen des Landesgerichts XXXX , dem Bescheid des BFA und der Beschwerde.

III. Rechtliche Beurteilung:

Über die gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG erhobene Beschwerde ist mit Erkenntnis zu entscheiden (vgl. VwGH 19.09.2019, Ra 2019/21/0224).

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 18 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

„Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) …

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1.         die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2.         der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3.         Fluchtgefahr besteht.

(3) - (5) …

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.“

Zu A) Zurückweisung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Im Rahmen des § 18 BFA-VG kann sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des BFA über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren ist ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG gesetzlich nicht vorgesehen. Es kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG ist somit unzulässig (vgl. VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0284).

Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher zurückzuweisen.

Zu A) Ersatzlose Behebung des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides:

Die belangte Behörde stützt die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides auf § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es zur Begründung der Notwendigkeit der sofortigen Ausreise nicht, dafür auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (vgl. VwGH 28.05.2020, Ra 2020/21/0128, Rn. 18; 16.01.2020, Ra 2019/21/0360, Rn. 18; 04.04.2019, Ra 2019/21/0053, Rn. 12).

Derartige Umstände, die nicht nur ein öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung begründen, sondern darüber hinaus ihren sofortigen Vollzug erfordern, hat das BFA nicht aufgezeigt. Zur Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wegen der Notwendigkeit der sofortigen Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führt das BFA aus, dass der Beschwerdeführer am 03.10.2019 wegen Suchtmitteldelikten zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer sei „immer wieder“ im Bereich der Suchtmitteldelikte straffällig und weise bereits „neun rechtskräftige Verurteilungen auf (von 1997 bis 2019)“ [Hervorhebung im Original].

Diesbezüglich ist einerseits darauf zu verweisen, dass es nach der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht genügt, auf die die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen. Andererseits handelt es sich bei den Ausführungen des BFA um aktenwidrige Feststellungen. Weder wurde der Beschwerdeführer neun Mal rechtskräftig verurteilt noch war dies in einem Zeitraum zwischen 1997 bis 2019. Tatsächlich wurde der Beschwerdeführer zwei Mal rechtskräftig verurteilt. Die erste Verurteilung erfolgte im Dezember 2018 zu einer bedingten Freiheitsstrafe und die zweite Verurteilung war im April 2020 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe zu fünfzehn Monaten.

Die gesamte Begründung des BFA zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung befasst sich ausschließlich mit den strafrechtlichen Verurteilungen, welche schon für die Aufenthaltsbeendigung herangezogen wurden. Das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind, wird vom BFA nicht aufgezeigt. Die Begründung des BFA zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfüllt somit nicht die gesetzlichen Anforderungen. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. war daher stattzugeben.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.

Schlagworte

Aktenwidrigkeit aufschiebende Wirkung besondere Umstände ersatzlose Behebung Teilerkenntnis unzulässiger Antrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L524.2236202.1.00

Im RIS seit

04.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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