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20/02 Familienrecht;Norm
AuslBG §15 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 31. Dezember 1996, Zl. SD 1047/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 31. Dezember 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 2. November 1991 aufgrund eines von der deutschen Botschaft in der Türkei ausgestellten und bis 24. Dezember 1991 gültig gewesenen Sichtvermerkes für die Bundesrepublik Deutschland, der ihn zur Durchreise durch Österreich berechtigt habe, in das Bundesgebiet eingereist. Er sei illegal in Österreich geblieben. Am 5. März 1992 habe er die Ehe mit einer österreichischen Staatsbügerin geschlossen, wodurch er die Erlaubnis zu einer Beschäftigung erhalten habe (Befreiungsschein gültig bis 15. März 1997). Nach Bestrafung wegen illegalen Aufenthaltes seien ihm in der Folge Sichtvermerke, zuletzt bis 24. Februar 1995, erteilt worden.
Am 6. Juni 1994 habe die Fremdenbehörde von der Nichtigerklärung der Ehe des Beschwerdeführers durch Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 15. Dezember 1993, rechtskräftig seit 5. Februar 1994, Kenntnis erlangt.
Ein Verlängerungsantrag nach dem Aufenthaltsgesetz sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. Februar 1995 abgewiesen worden. Seit Erlassung dieses Bescheides (am 25. Februar 1995) sei der Beschwerdeführer nicht mehr zum Aufenthalt berechtigt. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung habe der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 27. März 1996 im Hinblick auf die Scheinehe keine Folge gegeben.
Aus dem Nichtigkeitsurteil ergebe sich, daß die Ehe geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer, der sich zunächst die Einreise und den Verbleib in Österreich durch Mißbrauch des deutschen Sichtvermerkes (der ihn zur Durchreise berechtigt habe) verschafft habe, fremdenrechtlich bedeutsame Rechte zu verschaffen (letztlich die österreichische Staatsbürgerschaft), wobei die Begründung einer ehelichen Gemeinschaft nie beabsichtigt gewesen und auch nicht erfolgt sei. Der Beschwerdeführer bestreite dies auch nicht und meine nur, er müßte ein "Übermensch sein, hätte er nicht an diese Rechte gedacht". Bei einer Eheschließung, die nur zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte erfolge, handle es sich aber um einen Mißbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe, der als schwerwiegende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens und solcherart als Gefährdung der öffentlichen Ordnung anzusehen sei. Dieses Fehlverhalten sei - ebenso wie auch der Mißbrauch der Möglichkeit zur Durchreise - dem Gehalt nach der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten und stelle eine bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 leg. cit. dar, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertige. Dem Einwand des Beschwerdeführers, es hätte sich dadurch möglicherweise die österreichische Staatsbürgerin bereichert und die Sanktionen wären nicht gleichmäßig verteilt, sei entgegenzuhalten, daß beide Ehepartner für den Rechtsmißbrauch nicht strafrechtlich verantwortlich seien und daß die österreichische Ehepartnerin keine subjektiv öffentlichen Rechte dadurch erlangt habe, wogegen der Beschwerdeführer sich solche Rechte verschafft habe, sodaß der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Entzug dieser Rechte auch aus dieser Sicht gerechtfertigt erscheine. In einem solchen Fall sei ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, sofern dem nicht die §§ 19 oder 20 FrG entgegenstünden.
Einen Eingriff in das Familienleben habe der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. Im Hinblick auf den bisher fünfjährigen Aufenthalt, der allerdings nicht einmal drei Jahre rechtmäßig gewesen sei, könne kaum von einem Eingriff in das Privatleben i.S. des § 19 FrG gesprochen werden. Soweit man dies aber tun wolle, sei dieser Eingriff jedenfalls zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten.
Die bei einem Eingriff i.S. des § 19 FrG gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. vorzunehmende Interessenabwägung ergebe, daß die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Dabei sei zu bedenken, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers bis zur Erlassung des oben erwähnten Bescheides des Landeshauptmannes von Wien zwar erlaubt gewesen sei, die Erlaubtheit des Aufenthaltes jedoch nur auf das oben geschilderte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen sei. Dies bewirke, daß die aus der Dauer des Aufenthaltes resultierende Integration nicht wesentlich zugunsten des Beschwerdeführers zu veranschlagen sei (Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom 28. April 1995, Zl. 95/18/0441). Daß der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes einer Beschäftigung nachgegangen sei, falle dabei nicht ins Gewicht. Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Interesse der Volkswirtschaft an der Rückzahlung seiner Kredite sei bei der Interessenabwägung nicht zugunsten des Beschwerdeführers zu veranschlagen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser trat die Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 12. März 1997, B 259/97).
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend und begehrt aus diesem Grund die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde vertritt die Auffassung, daß vorliegend die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme nicht gerechtfertigt sei. Die Ansicht der belangten Behörde, daß die rechtsmißbräuchliche Eingehung der Ehe durch den Beschwerdeführer ein Fehlverhalten darstellte, das seinem Gehalt nach der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten wäre, sei nicht aufrecht zu erhalten. Eine richtige Auslegung des § 18 Abs. 1 FrG müsse ergeben, daß eine bestimmte Tatsache i.S. des Abs.1 "zumindest annähernd ähnlich schwer" wiegen müsse wie die in Abs. 2 aufgezählten Tatsachen. Dies treffe aber für den Fall der sogenannten Scheinehe nicht zu, was vor allem auch daraus erhelle, daß der Gesetzgeber diese Tatsache, obwohl ihm dieses Problem durchaus bewußt sei (vgl. § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG idF BGBl. Nr. 475/1992), bisher nicht in den Katalog des § 18 Abs. 2 FrG aufgenommen habe. Es könne dem österreichischen Gesetzgeber nicht unterstellt werden, "bewußt auf eine Regelung vergessen zu haben". Wenn sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Eheschließung (am 5. März 1992) über die geltende Rechtslage in Österreich informiert hätte, hätte ihm niemand mitteilen können, daß eine österreichische Norm bestehe, derzufolge das von ihm gesetzte Verhalten mit einer Nichtigerklärung seiner Ehe und der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes verbunden sei. Dazu sei noch darauf hinzuweisen, daß im Fall einer nichtigen Ehe die Sanktionen für die beiden Ehepartner nicht nur ungleich seien, sondern daß für den österreichischen Ehepartner überhaupt keine Sanktion mit dem "Eingehen einer nichtigen Ehe" verbunden sei. Obwohl dies im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen sei, sei die Ehe des Beschwerdeführers, weil zwecks Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung und eines Befreiungsscheines geschlossen, gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden. Nunmehr bestehe die Gefahr, daß - obwohl auch dies gesetzlich nicht vorgesehen sei - aufgrund dieser Tatsache ein Aufenthaltsverbot verhängt werde. Da "keinerlei Norm in der österreichischen Rechtsordnung besteht, die einen solchen gravierenden Eingriff in das Leben des Beschwerdeführers rechtfertigt, ist der Beschwerdeführer in seinem subjektiven Recht, daß ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 FrG ein Aufenthaltsverbot gegen ihn nicht verhängt wird, verletzt worden".
2. Dieses Vorbringen vermag keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 und § 20 leg. cit.) gestützt werden, wenn zwar - wie im Beschwerdefall - keiner der (demonstrativ aufgezählten) Tatbestände des § 18 Abs. 2 FrG verwirklicht ist, wohl aber das Gesamt(fehl)verhalten des betreffenden Fremden die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1053, und vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/18/0290).
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers handelt es sich bei der Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Berechtigung zur Aufnahme einer Beschäftigung nach dem AuslBG, Berechtigung zum Aufenthalt) um einen Rechtsmißbrauch, durch den die öffentliche Ordnung in erheblichem Maß beeinträchtigt wird, und dessen Gewicht aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes durchaus jenem entspricht, das die im § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG aufgezählten Fälle aufweisen, weshalb es gerechtfertigt ist, das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. gleichzusetzen (vgl. die vorzitierten hg. Erkenntnisse Zl. 94/18/1053 und Zl. 95/18/0290, sowie das Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/0970). Von daher gesehen ist eine Erörterung der Frage entbehrlich, weshalb das in Rede stehende Fehlverhalten eines Fremden nicht im - wie erwähnt lediglich Demonstrativcharakter aufweisenden - Katalog des § 18 Abs. 2 FrG angeführt ist.
2.2. Der Beschwerdeeinwand, daß im Ehegesetz die Nichtigerklärung einer zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen geschlossenen Ehe nicht vorgesehen sei und daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Eingehung der Ehe am 5. März 1992 diese Rechtsfolge nicht habe vorhersehen können, ist schon deshalb nicht zielführend, weil die Beurteilung einer Ehe als rechtsmißbräuchlich eingegangen die Nichtigerklärung dieser Ehe nicht voraussetzt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Erkenntnisse vom 30. Mai 1995, Zl. 95/18/0924, vom 28. September 1995, Zl. 95/18/1225, vom 9. November 1995, Zl. 95/18/1333, und vom 23. November 1995, Zl. 95/18/1180). Daß das Eingehen einer später für nichtig erklärten Ehe für den österreichischen Ehepartner ohne Sanktion ist, führt - ohne daß dies näherer Darlegungen bedarf - nicht zu einem Wegfall oder einer Schmälerung der durch das rechtsmißbräuchliche Verhalten des Fremden (nicht-österreichischen Ehepartners) herbeigeführten Beeinträchtigung des maßgeblichen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen.
2.3. Angesichts des somit unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung der öffentlichen Ordnung als gewichtig anzusehenden bezeichneten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers begegnet die Ansicht der belangten Behörde, es liege solcherart eine bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 FrG vor, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertige, keinen Bedenken (vgl. dazu sämtliche bereits zitierten hg. Erkenntnisse).
3. Im übrigen hat die belangte Behörde - zutreffend - das Gerechtfertigtsein der Annahme gemäß § 18 Abs. 1 FrG auf ein weiteres rechtsmißbräuchliches, gleichfalls dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. gleichzuhaltendes, Verhalten des Beschwerdeführers gestützt, nämlich die Einreise und das Aufenthaltnehmen im Bundesgebiet auf der Grundlage eines lediglich zur Durchreise durch Österreich berechtigenden deutschen Sichtvermerkes (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 5. April 1995, Zl. 93/18/0432, und vom 23. Mai 1996, Zl. 96/18/0112).
4. Hätte demnach jede der beiden dargestellten rechtsmißbräuchlichen Verhaltensweisen des Beschwerdeführers schon für sich allein die belangte Behörde zu der Annahme berechtigt, daß dessen Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährde, so war diese Annahme angesichts des insoweit kumulativen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers umso mehr gerechtfertigt.
5. Gegen die Bejahung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gemäß § 19 und § 20 Abs. 1 FrG durch die belangte Behörde bringt die Beschwerde nichts vor. Der Gerichtshof hegt gegen die diesbezügliche behördliche Beurteilung - unter Zugrundelegung der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen - keine Bedenken, weisen doch die keineswegs stark ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich nicht annähernd das Gewicht des durch ihn in zweifacher Hinsicht erheblich gefährdeten öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens auf.
6. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997180181.X00Im RIS seit
20.11.2000