TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/3 L518 2228749-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2020
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Entscheidungsdatum

03.12.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L518 2228749-1/5E

L518 2228747-1/5E

L518 2228747-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Vorsitzenden und den Richter Mag. LEITNER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen die Bescheide des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 17.1.2020 und 21.1.2020, Zl. OB: XXXX und XXXX in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs 2, § 40 Abs 1, § 41 Abs 1, § 42 Abs 1 und 2, § 43 Abs 1, § 45 Abs 1 und 2, § 47 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF iVm § 1 Abs 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, als unbegründet abgewiesen und darüber hinaus festgestellt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 70 vH beträgt und aufgrund des ermittelten Sachverhaltes festgestellt, dass die Voraussetzungen hinsichtlich der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass iSd zitierten Bestimmungen des BBG nicht vorliegen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden „BF“ bzw. „bP“ genannt) beantragte mit Schreiben vom 6.6.2019 die Neufestsetzung des Grades der Behinderung in den Behindertenpass, sowie mit einem weiteren Schreiben die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass. Diese Schreiben langten am 14.6.2019 bei der belangten Behörde (folglich „bB“ bezeichnet) ein.

Zur Untermauerung ihrer Schreiben brachte die BF ein Konvolut von ärztlichen Schreiben in Vorlage.

Am 30.9.2019 wurde die BF durch Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, klinisch untersucht und erbrachte das am7.11.2019 vidierte Gutachten im Wesentlichen nachstehendes Ergebnis:

Anamnese:

Neufestsetzung Behindertenpass und Antrag auf Parkausweis nach Vorgutachten vom 23.10.2012 mit 90% GdB wegen Bluthochdruck, Kniegelenksbeschwerden bds., Brustkrebs re., Wirbelsäulenbeschwerden. Pflegestufe 1 wird bezogen, weil sie aufgrund der Schwäche durch die Chemotherapie Hilfe im Haushalt, beim Einkaufen, Kochen, Waschen und in der Mobilität benötigt.

Z.n. Brustkrebs rechts 04/2011: wurde operiert, Chemo- und Strahlentherapie, bisher kein Rezidiv. Die rechte Hand tue ihr seit der Brustkrebserkrankung weh. Es fallen ihr immer wieder mal Dinge aus der Hand, wegen weniger Kraft und weniger Gefühl in den Fingern. Seit der oralen Chemotherapie habe sie zeitweilig ein taubes Gefühl in den Fingerspitzen. Das Lymphödem im rechten Arm sei minimal, z.B. drückt sich das Armband leicht ein, z.T. ist das Ödem schmerzhaft. Therapie bisher mit Lymphdrainage 14-tägig, seit Chemotherapie pausiert.

Degenerative Veränderungen beider Kniegelenke: KTEP rechts 10/2013 mit guter Funktion. Am linken Knie besteht innenseitig ein Druckschmerz, der Bewegungsumfang ist nicht eingeschränkt, aber beim Gehen treten Schmerzen auf. Bildgebend konnte eine ausgeprägte Knochenumbausteigerung im li. Kniegelenk medialseits nachgewiesen werden. Z.n. Meniskus OP.

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen: Mäßiger Umbau BWS in der Szintigraphie vom 05.11.2018

Bluthochdruck: besteht keiner mehr, keine Medikation

Harninkontinenz: besteht keine mehr

Z.n. Magenbypass bei Adipositas 1995 und 2001, dieser ist insuffizient

Derzeitige Beschwerden:

Zn. operiertem, hepatal metastasiertem Ovarial-Carcinom 11/2018 mit medianer Ober- und Unter- bauchlaparotomie und Hysterektomie sowie Adnexektomie, Netzresektion, Sigmaresektion mit End-zu-End Anastomose und Anlage eines protektiven lleostoma sowie Resektion eines LK-Paketes aortocaval, Chemotherapie seit 12/2018. Orale Chemo ab 4.6.2019 Olaparip über 2 Jahre geplant. Durch die Behandlung ist sie schwach, weniger belastbar, hat eine Anämie mit einem Hb unter 9g/dl, immer ein flaues Gefühl in der Magengegend.

Beide Beine sind verdickt, das linke mehr als das rechte, entsprechend einem Lipödem. Die Beine schmerzen und führen zu einem bleiernen Gefühl. Sie trägt Stützstrümpfe.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Lynparza 150mg 2-0-2, Multivit B alle 3 mo, Pantoprazol 1-0-0, Zofran 8mg 1-0-0, Ferretab 1x1

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

XXXX Szintigraphie 05.11.2018

Ausgeprägte Knochenumbausteigerung im li. Kniegelenk medialseits, Z.n. Meniskus OP. Mäßiger Umbau BWS

XXXX Innere-Onkologie 12.04.2019

Zn. operiertem, hepatal metastasiertem Ovarial-Carcinom 11/2018 mit medianer Ober- und Unter- bauchlaparotomie und Hysterektomie sowie Adnexektomie, Netzresektion, Sigmaresektion mit End-zu-End Anastomose und Anlage eines protektiven lleostoma sowie Resektion eines LK-Paketes aortocaval 30.11.2018. Tumorstadium pT3b pN1b (9/16) pRx cM1 (hepar). Chemotherapie ab 17.12.2018. Z.n.N.mammae rechts im oberen äußeren Quadranten mit Tumorektomie und Sentinel-LK-Entfernung 04/2011. Tumorstadium pT1c pN0 L0 pR0 cM0. Z.n. 6 Zyklen adjuvanter Chemotherapie. Z.n. Gastric banding 1995 und 2001, Z.n. ASK beide Knie

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

normal

Ernährungszustand:

adipös

Klinischer Status – Fachstatus:

Haut rein, rosig, Rachen, Tonsillen, Zunge unauffällig, Zähne saniert, Trommelfell bland, Pupillen isocor, Lichtreaktion prompt, Okulomotorik unauffällig, keine auffällige Lymphknotenvergrößerung, Abdomen: normale Peristaltik, kein Druckschmerz, keine Resistenzen, Nierenlager frei, Lungen: auskultatorisch o.B., sonorer Klopfschall Herz: rein, rhythmisch, normofrequent, WS: Skoliose, Rundrücken; kein Klopfschmerz; FBA im Sitzen bis zu den Zehen. Obere Extremität: alle großen Gelenke aktiv und passiv frei beweglich; Funktionsgriffe: Nackengriff und Schürzengriff sind möglich; Feinmotorik erhalten; grobe Kraft seitengleich, leicht reduziert. Untere Extremität: alle großen Gelenke aktiv und passiv frei beweglich, grobe Kraft leicht reduziert; Lymphödeme, Lipödem; keine Varikositas

Gesamtmobilität – Gangbild:

Unauffällig, selbstständiges Gehen

Status Psychicus:

Unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Z.n. Ovarialcarcinom 11/2018 unter Chemotherapie

Oberer Rahmensatz, aufgrund des operativ entfernten Tumors mit ausgedehnten Resektionen im Bauchraum unter noch laufender Chemotherapie.

13.01.03

70

2

Lymphödem des Armes und Lipödem der Beine

Unterer Rahmensatz, aufgrund der leichten Schwellung des rechten Armes mit gelegentlichen Schmerzen, Ungeschicklichkeit und Taubheitsgefühl nach Brustkrebserkrankung. Lipödem in den Beinen, Stützstrümpfe erforderlich.

05.08.01

20

3

Degenerative Veränderungen im linken Knie

Oberer Rahmensatz, aufgrund der geringen Funktionseinschränkung, vollem Bewegungsumfang, jedoch Schmerzen beim Gehen.

02.05.18

20

4

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen

Oberer Rahmensatz, aufgrund der mäßigen radiologischen Veränderungen mit geringen Funktionseinschränkungen. Schmerztherapie bei Bedarf.

02.01.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Führend ist das Leiden Nummer 1 mit 70 %. Die übrigen Leiden steigern von Geringfügigkeit nicht weiter.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Bluthochdruck: besteht keiner mehr, keine Medikation

Harninkontinenz: besteht keine mehr

Z.n. Brustkrebserkrankung: in Remission

Z.n. Magenbypass bei Adipositas 1995 und 2001, dieser ist insuffizient, keine Beschwerden

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Bluthochdruck: besteht keiner mehr. Die degenerativen Veränderungen an den Knien liegt nach KTEP rechts nur mehr links vor. Die Brustkrebserkrankung ist in Remission, es bestehen noch Folgebeschwerden im rechten Arm. Neu hinzugekommen ist ein Ovarialcarcinom.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Das Vorgutachten wurde noch nach der Richtsatzverordnung (RVO) erstellt, dieses Gutachten nun nach der Einschätzungsverordnung (EVO) wodurch es zu einer unterschiedlichen Würdigung der Leiden kommen kann.

Verminderung des GdB von 90 auf 70%.

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist möglich. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität der unteren Extremitäten, keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Kraft.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Es liegt keine schwere Immunerkrankung vor

Mit Schreiben vom 8.11.2019 wurde der BF das Ergebnis der Beweisaufnahme gem. § 45 Abs. 3 AVG mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht.

Mit am 21.11.2019 bei der bB einlangenden Schreiben bezog die BF dahingehend Stellung, dass der Gesamtgrad der Behinderung mit 70v.H. angesichts der Art und Schwere ihrer Erkrankung zu niedrig angesetzt sei.

Folglich legte die BF neuerlich ihr Leiden dar. So traf sie Ausführungen betreffend der oralen Chemotherapie, ausgeprägte Veränderungen lt. Knochenszintigraphie vom 18.11.2018, Probleme nach Mamma-Ca, Porth-a-cath, Sigmaresektion sowie der körperlichen und psychischen Belastungen. Zudem seien ein pulmonales Emphysem, erheblich atrophe Pankreas und ein Milzinfarkt ventral neu aufgetreten Defizite.

Im Rahmen einer medizinischen gutachterlichen Stellungnahme führte Dr. XXXX im Wesentlichen nachstehendes aus:

Die im Parteiengehör vorgebrachten Leiden wurden alle im Gutachten vom 07.11.2019 besprochen und berücksichtigt. Die Behauptung es sei "wenig Rücksicht auf die körperliche und sychische Belastung genommen" worden, wird durch die Beschreibung der Beschwerden im Gutachten widerlegt. Korrektur: Im Text gibt Frau XXXX die Knieprothesenimplantation links an "Linkes Knie TEP OP. 2013", tatsächlich wurde diese rechts implantiert. Die eingebrachten neuen Befunde bringen keine neuen Informationen (Anämie mit Hb 8.5 Hb), die neuen Defizite "pulmonales Emphysem, Pankreas erheblich atroph, Milzinfarkt ventral" sind Beschreibungen aus der bildgebenden CT Diagnostik und haben kein manifestes Krankheitskorrelat. Der Gesamtgrad von 70% entspricht insgesamt einer hochgradigen bzw. schweren Gesundheitsbeeinträchtigung die hier vorliegt und dementsprechend eingeschätzt wurde.

Folglich wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass im Scheckkartenformat ausgestellt und mit im Spruch bezeichneten Bescheid der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen.

Dagegen erhob die BF binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen dahingehend, dass infolge einer Mamma-Karzinomerkrankung ein GdB von 90 v.H. festgesetzt wurde. Damals litt die BF bereits unter Einschränkungen im Berich deer Wirbelsäule und beider Sprung-, Knie- und Hüftgelenke.

Durch das im November 2018 diagnostizierte Ovarial-Karzinom, einer umfangreichen Operation sowie eine anschließende Chemotherapie und bis dato laufende orale Chemo-Therapie habe sich der angeschlagene Gesundheitszustand weiter verschlechtert. Aus der BF unerklärlichen Gründen sei der Gesamtgrad der Behinderung auf 70 v.H. herabgesetzt worden und sei auch die Einschränkungen im Bewegungsapparat weniger gravierend bewertet worden, als im Jahr 2011.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 12.10.2020 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung L517 abgenommen und der nunmehr entscheidenden Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0. Feststellungen (Sachverhalt):

Es konnte nicht festgestellt werden, dass bei der BF die Voraussetzungen für einen höheren Gesamtgrad der Behinderung sowie die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen.

2.0. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.

2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“. Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.

Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (vgl auch VwGH vom 01.03.2016, Ro 2014/11/0024; VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0030; VwGH vom 17. Juni 2013, 2010/11/0021 mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 23. Februar 2011, 2007/11/0142 und vom 23. Mai 2012, 2008/11/0128; vgl auch VwGH vom 20.03.2001, 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das eingeholte Sachverständigengutachten des Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin vom 7.11.2019, sowie dessen Stellungnahme vom 19.12.2019 schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.

Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt es auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden sowie der Einsichtnahme in die in Vorlage gebrachten Bescheinigungsmittel, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises.

Dem VwGH zufolge kommt es für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258).

Bei Beurteilung der Frage, ob eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist, war vor allem auch zu prüfen, wie sich die bei der bP gegebene dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0242).

Wie der VwGH in seinem am 19.12.2017, Ra 2017/11/0288-3 ergangenen Erkenntnis bestätigte, kann der tatsächlich gegebenen Infrastruktur in diesem Sinne, bei der Beurteilung der Zumutbarkeit, aber nur im Hinblick auf die entscheidende Beurteilung der Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigungen, und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Bedeutung zukommen, weil der VwGH im gegenständlich zitierten Erkenntnis - der hg. Judikatur folgend - wiederholend zum Ausdruck gebracht hat, dass es bei der Beurteilung der Zumutbarkeit, „nicht aber auf andere Umstände wie die Entfernung zwischen Wohnung und der nächsten Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel“ ankommt (vgl. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013, mwN).

Das im Verfahren vor der bB eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zum Grad der Behinderung bedarf nach der Rsp des VwGH (vom 21.06.2017, Ra 2017/11/0040) einer ausreichenden, auf die vorgelegten Befunde eingehenden und die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden Begründung.

Im angeführten Gutachten und in der Stellungnahme wurde vom Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP ausführlich eingegangen. Insbesondere erfolgte die Auswahl und Begründung weshalb nicht eine andere Positionsnummer mit einem höheren Prozentsatz gewählt wurde, schlüssig und nachvollziehbar (VwGH vom 04.12.2017, Ra 2017/11/0256-7).

Laut diesem Gutachten besteht Z.n. Ovarialcarcinom 11/2018 unter Chemotherapie, oberer Rahmensatz aufgrund des operativ entfernten Tumors mit ausgedehnten Resektionen im Bauchraum unter noch laufender Chemotherapie (Pos.Nr. 13.01.03, nunmehr 13.05.03, 70 v.H.). Wenn die BF in der Beschwerdeschrift anführt, dass sich ihr seit 2011 angeschlagener Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe, war festzustellen, dass die BF dem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist bzw. Widersprüchlichkeiten oder Unplausibilitäten substantiiert aufzeigte. Ebenso vermochte sie der nachvollziehbare Beurteilung durch den Sachverständigen nicht entgegentreten. Ebenso zutreffend wurde durch den Sachverständigen die in Remission befindliche Brustkrebserkrankung (2011) beurteilt. Der Sachverständige legte Lymphödem des Armes und Lipödeme der Beine dar, wobei nachvollziehbar der untere Rahmensatz aufgrund der leichten Schwellung des re. Armes mit gelegentlichen Schmerzen, Ungeschicklichkeit und Taubheitsgefühl nach Brustkrebserkrankung sowie der Erforderlichkeit von Stützstrümpfen wegen der Lipödeme in den Beinen. Wenn der Sachverständige nach in Remission befindlicher Brustkrebserkrankung die noch bestehenden Folgebeschwerden im re. Arm berücksichtigt war auch hier keine Mangelhaftigkeit des Gutachtens zu ersehen.

Insoweit der Sachverständige die degenerative Veränderungen im li. Knie mit dem oberen Rahmensatz aufgrund der zwar geringen Funktionseinschränkung und vollem Bewegungsumfang, jedoch Schmerzen beim Gehen und degenerative Wirbelsäulenveränderungen ebenso mit dem oberen Rahmensatz aufgrund der mäßigen radiologischen Veränderungen mit geringen Funktionseinschränkungen und bedarfsorientierter Schmerztherapie, bewertete, war auch dieser Beurteilung nicht entgegenzutreten, insbesondere lediglich geringe Funktionseinschränkungen im Zuge der klinischen Untersuchung zu Tage traten. Insoweit geht auch der Einwand der BF, dass die Einschränkungen im Bereich des Bewegungsapparates als weniger gravierend bewertet wurden als 2011, ins Leere, dies insbesondere auch deshalb, weil 2011 noch eine Beurteilung nach der Richtsatzverordnung erfolgte (siehe unten).

Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

In dem Gutachten wurden alle relevanten, von der bP beigebrachten Unterlagen bzw. Befunde berücksichtigt. Gegenteiliges wurde auch in der Beschwerdeschrift nicht behauptet.

Die im Rahmen des Parteiengehörs und der Beschwerdeschrift erhobenen Einwände waren nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe von 70 v.H. vorliegt und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, zu entkräften. Neue fachärztliche Aspekte wurden nicht vorgebracht.

Auch war den Vorbringen und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die von der bP eingebrachte Beschwerde enthält kein substanzielles Vorbringen, welches die Einholung eines weiteren Gutachtens erfordern würde und mangelt es dieser darüber hinaus an einer ausreichenden Begründung für die behauptete Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides (VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0030-5).

Es lag daher kein Grund vor, von den schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen abzugehen.

Das Sachverständigengutachten und die Stellungnahme wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.

Gemäß diesem Gutachten sowie der gutachterlichen Stellungnahme ist folglich von einem Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. auszugehen und liegen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ nicht vor.

Soweit seitens der bB das Parteiengehör verletzt wurde (durch Nichtvorhalten gutachterlichen Stellungnahme vom 19.12.2019), ist festzuhalten, dass die Verletzung des Parteiengehörs in diesem Einzelfall – bei ansonsten ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren – durch die Möglichkeit der Einbringung der Beschwerde (allenfalls nach Akteneinsicht) in diesem konkreten Fall als saniert anzusehen ist (vgl für viele: VwGH vom 11.09.2003, 99/07/0062; VwGH vom 27.02.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 26.02.2002, 98/21/0299). Es ist jedoch auch festzuhalten, dass durch diese Feststellung die bB nicht generell vom ihrer Obliegenheit das Parteiengehör zu wahren, entbunden wird.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF

- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF

- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF

- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1.       gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.

3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Der Mangel des Parteiengehörs wird im Beschwerdeverfahren durch die mit der Beschwerde gegebene Möglichkeit der Stellungnahme zu einem Beweismittel saniert (vgl. VwGH vom 27.02.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 24.11.1995, 95/17/0009 mit Hinweis auf E 30.9.1958, 338/56).

Eine im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufene Verletzung des Parteiengehörs wird jedenfalls dadurch saniert, dass die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung und sodann im Zuge des Berufungsverfahrens ihren Rechtsstandpunkt darzulegen und sohin an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (VwGH vom 28.05.1993, 92/17/0248 mit Hinweis auf E vom 20.11.1967, 0907/67).

Wenn der Beschwerdeführer Gelegenheit gehabt hat, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen, und davon auch Gebrauch gemacht hat, so ist eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs durch die erste Instanz damit als saniert anzusehen (VwGH vom 11.09.2003, 99/07/0062; VwGH vom 26.02.2002, 98/21/0299).

Seit Einführung der Neuerungsbeschränkung mit 01.07.2015, BGBl. Nr. 57/2015, welche konkret in § 46 BBG geregelt ist, wurde vom Gesetzgeber ein Beschwerdevorbringungsregulativ geschaffen. Ziel und Zweck der Novelle des Behindertenrechtes ist u.a. die grundsätzliche Beschleunigung des erstinstanzlichen Verfahrens. Unter Heranziehung der finalen Programmierung der Norm versteht man unter „neuen Tatsachen“ jene Zustände der Gesundheit, welche zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens nicht bekannt waren bzw. sein mussten. Werden nunmehr im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG von der bP „neue Tatsachen“ vorgebracht, so sind diese in der Entscheidungsfindung des Gerichtes nicht zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Gerichtes unterliegen nicht dem Neuerungsverbot jene Beeinträchtigungen, Schädigungen und dergleichen, welche nach gegenwärtigem Stand der Medizin als bekannte Folgen der Grunderkrankungen zu qualifizieren sind. Die Neuerungsbeschränkung entfaltet ihre Rechtswirkung mit dem Einbringen der Beschwerde bei Gericht.

Die neu geschaffene Bestimmung des § 46 3. Satz hat zur Folge, dass der bP bei Verletzung des Parteiengehörs durch die bB jedwede Möglichkeit eines Vorbringens, insbesondere zu den eingeholten Sachverständigengutachten, genommen wird. In Verbindung mit der Neuerungsbeschränkung wird dadurch die Stellung der bP im Rechtsmittelverfahren derart eingeschränkt, dass dadurch kein faires Verfahren nach den Grundprinzipien eines Rechtsstaates gewährleistet ist. Beispielsweise wird dies der Fall sein, wenn eine medizinisch relevante Tatsache von der bP zwar vorgebracht wurde, aber keinerlei Berücksichtigung im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren gefunden hat. Bedingt durch das Beschwerdevorbringungsregulativ kann seitens des Gerichtes im Zuge des Beschwerdeverfahrens dieser Umstand, je nach konkretem Sachverhalt, nicht berücksichtigt werden.

Die Nichtvornahme eines Parteiengehörs wird in aller Regel zur Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides führen, außer wenn die Gewährleistung der Parteienrechte keinen umfassenderen, entscheidungsrelevanten Sachverhalt ergeben hätte.

Aufgrund der obigen Ausführungen deckt sich die Ansicht des BVwG grundsätzlich mit der Rechtsprechung des VwGH betreffend mangelhaftes Parteiengehör. Wie eingangs ausgeführt, sieht der VwGH das Parteiengehör nicht verletzt, wenn die bP im Berufungsverfahren die rechtliche Möglichkeit besitzt, Stellung zu nehmen. Unter dem Aspekt der mit 01.07.2015 in Kraft getretenen Neuerungsbeschränkung ist dies aber nicht mehr gewährleistet.

Im gegenständlichen Fall wurde der bP die sachverständige Stellungnahme vom 19.12.2019 nicht zur Kenntnis gebracht. Damit wurde das Recht auf Parteiengehör verletzt und der bP in Verbindung mit der Neuerungsbeschränkung (im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG vorgebrachte „neue Tatsachen“ sind nicht zu berücksichtigen) jedwede Möglichkeit eines Vorbringens genommen, was in aller Regel zur Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides führt. Da die bP aber im Zuge der Einbringung der Beschwerde keine neuen Beweismittel vorgebracht bzw. ein substantiiertes Vorbringen erstattet hat, hätte hier die Gewährleistung der Parteienrechte keinen umfassenderen entscheidungsrelevanten Sachverhalt ergeben. Schlussfolgernd führte hier die Möglichkeit, im Beschwerdeverfahren zu obigem Gutachten Stellung zu nehmen, zur Sanierung der Verletzung des Parteiengehörs.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.

3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.

Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen

Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs 2 vorliegt.

Gemäß § 41 Abs 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 43 Abs 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, sofern Änderungen eintreten, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

Gemäß § 43 Abs 2 BBG ist der Besitzer des Behindertenpasses verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.

Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 2 Abs 1 leg cit sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage der Einschätzungsverordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Gemäß § 2 Abs 2 leg cit ist bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

Gemäß § 2 Abs 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Gemäß § 4 Abs 1 leg cit bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

Gemäß § 4 Abs 2 leg cit hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Leidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, wobei im Falle der Beurteilung nach dem BEinstG gemäß § 27 Abs 1 dieses Gesetzes Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht (u.a. VwGH vom 24.09.2003, 2003/11/0032; VwGH vom 21.08.2014, Ro 2014/11/0023-7).

Wie der VfGH in seinem Beschluss vom 24.09.2018, E 2304/2018, festgestellt hat, ist es nicht in gesetzwidriger Weise unsachlich, wenn der Verordnungsgeber für die Bewertung des Gesamtgrades der Behinderung – statt einer Addition der einzelnen Beeinträchtigungen – auf die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander abstellt. Durch die Berücksichtigung der Wechselwirkungen wird sichergestellt, dass die Auswirkungen der Beeinträchtigungen jedenfalls in ihrer Gesamtheit beurteilt werden, unabhängig davon, ob sich die Behinderung aus einer oder mehreren Beeinträchtigungen zusammensetzt.

Der Unterschied in der Einschätzung ergibt sich zusätzlich noch daraus, dass seit dem 01.09.2010 nicht mehr die Richtsatzverordnung, sondern die Einschätzungsverordnung maßgeblich ist. Dies resultiert aus dem Umstand, dass die Richtsatzverordnung schon vor mehr als 40 Jahren in Kraft getreten ist und bei Weitem nicht mehr dem Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht bzw. die Anforderungen des heutigen Arbeitsmarktes nicht mehr adäquat abbildet. Die Einschätzungsverordnung legt bei der Beurteilung des Grades der Behinderung offenkundig strengere, dem Stand der medizinischen Forschung und den modernen Behandlungsmöglichkeiten angepasste, Maßstäbe an und bewirkt daher die Änderung der medizinischen Kriterien zur Feststellung des Grades der Behinderung im Gutachten vom 7.11.2019 in der Weise, dass die Krankheit bzw. Gesundheitsschädigung einen anderen Grad der Behinderung erreicht.

Der Grund für den nunmehr geringer festgestellten Grad der Behinderung liegt nicht in einer

markanten Änderung des Krankheitsbildes der bP oder in neuen Befunden, sondern in der, strengere Maßstäbe anlegenden, Einschätzungsverordnung (UFS vom 13.07.2012, RV/1001-L/11).

Weiters wird in dem Gutachten auch festgestellt, dass die Behinderung iSd § 1 Abs 2 BBG mehr als 6 Monate gegeben sein wird.

Das erstellte Gutachten erfüllt auch die im § 4 Einschätzungsverordnung normierten Voraussetzungen.

Der VwGH führte in seinem Erkenntnis Ra 2017/11/0040 vom 21.06.2017 sinngemäß aus, dass sich der Sachverständige in seinem Gutachten ausreichend mit den vorgelegten Befunden auseinanderzusetzen hat, und das Gutachten eine eingehende die Rahmensätze vergleichende Begründung für die gewählte Positionsnummer zu enthalten hat.

Bei Fehlen einer ausreichenden Begründung hätte das BVwG gegebenenfalls, ergänzende Ermittlungen oder eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. VwGH Ra 2015/11/0036 vom 08.07.2015, vgl. VwGH vom 04.12.2017, Ra 2017/11/0256-7).

Das Sachverständigengutachten und die Stellungnahme wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.

Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4 – also die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt und das Begehren) zu überprüfen, ist also daran gebunden.

Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4 – also die Gründe, auf die s

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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