TE Bvwg Beschluss 2020/12/9 L518 2233222-1

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Veröffentlicht am 09.12.2020
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Entscheidungsdatum

09.12.2020

Norm

BEinstG §14
BEinstG §2
BEinstG §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


L518 2233222-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Vorsitzenden und den Richter Mag. LEITNER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle XXXX vom 13.12.2019, OB: XXXX :

A)       Das Verfahren wird gemäß § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B)        Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.


Text


Begründung

I.       Verfahrensgang und Sachverhalt:

Am 24.10.2018 stellte die bP den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten bei der bB.

In weiterer Folge wurde am 13.01.2019 ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten erstellt. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 vH als Dauerzustand festgestellt.

Am 30.01.2019 wurde Parteiengehör gewährt und der bP die Möglichkeit gegeben zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 07.02.2019, eingelangt am 08.02.2019 gab die bP eine Stellungnahme ab. Im Wesentlichen führte sie darin aus, dass sie mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht einverstanden sei. Sie könne auch die prozentuelle Einschätzung ihrer Krankheiten und deren Wechselwirkungen nicht nachvollziehen. Sie beantrage eine ergänzende Begutachtung durch einen Facharzt für Orthopädie bzw. Neurologie und eine ergänzende Begutachtung durch einen Facharzt für Augenheilkunde. Ihrer Stellungnahme legte die bP weitere Befunde bei.

Am 08.04.2019 wurde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten erstellt und ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 vH als Dauerzustand festgestellt.

Im Anschluss wurde am 23.07.2019 ein Sachverständigengutachten durch einen Arzt für Augenheilkunde erstellt. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 10 vH als Dauerzustand festgestellt.

Es wurde am 24.08.2019 eine Gesamtbeurteilung durch eine Allgemeinmedizinerin erstellt. Die Gesamtbeurteilung stellt eine Zusammenfassung der Gutachten vom 08.04.2019 und vom 23.07.2019 dar. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 vH als Dauerzustand festgestellt.

Am 26.08.2019 wurde erneut Parteiengehör gewährt. Es wurden der bP die Sachverständigengutachten vom 08.04.2019 und vom 23.07.2019 und die Gesamtbeurteilung vom 24.08.2019 übermittelt und ihr die Möglichkeit gegeben dazu Stellung zu nehmen. Die bP gab keine Stellungnahme ab.

Am 25.11.2019 wurde ein weiteres Sachverständigengutachten durch eine Ärztin für innere Medizin erstellt. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 vH festgestellt und eine Nachuntersuchung für 11/2020 angeordnet.

Mit Datum vom 13.12.2019 erging der Bescheid der bB. Es wurde der Antrag vom 24.10.2018 auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten abgewiesen. Rechtsgrundlage waren §§2 und 14 Abs.1 und 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) Begründend wurde ausgeführt: Im Ermittlungsverfahren sei eine ärztliche Begutachtung zur Feststellung des Grades der Behinderung durchgeführt worden. Nach diesem Gutachten betrage der Grad der Behinderung 40 vH. Gemäß §45 Abs.3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetztes 1991 (AVG) sei der bP mit Schreiben vom 26.08.2019 Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Auf Grund ihrer Stellungnahme sei ein weiteres ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt worden, welches in der Beilage übermittelt werde. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Es sei daher wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Am 23.12.2019 erhob die bP vertreten durch XXXX das Rechtsmittel der Beschwerde. Die Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid vom 03.12.2019 und das Gutachten der Ärztin für Innere Medizin vom 25.11.2019.

Es wurde am 03.04.2020 ein neurologisches und allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten erstellt und ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH festgestellt. Eine Nachuntersuchung wurde für 11/2020 angeordnet.

Mit Schreiben vom 22.06.2020, eingelangt am 23.06.2020 zog die bP vertreten durch XXXX ihre Beschwerde vom 23.12.2019 zurück: Wie telefonisch besprochen ziehe die bP ihre Bescheidbeschwerde im Feststellungsverfahren zurück. Eine Ausstellung des Bescheids mit 60% GdB sei somit vorgesehen. Eine Antragsstellung auf Ausstellung eines Behindertenpasses sei elektronisch veranlasst worden.

Aus einem Aktenvermerk der bB geht hervor, dass im Anschluss an die Zurückziehung der Beschwerde am 29.06.2020 durch den Vertreter der bP darum ersucht wurde, das Verfahren wegen Rückwirkung an das BVwG weiterzuleiten.

Am 16.07.2020 wurde in einem weiteren Aktenvermerk der bB festgehalten, dass es sich also um keine Zurückziehung handle, damit die Begünstigteneigenschaft ab Antrag gelte.

Am 21.07.2020 erfolgte die Beschwerdevorlage am BVwG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchteil A): Einstellung des Verfahrens wegen Zurückziehung der Beschwerde

Gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG idgF BGBl. I Nr. 57/2018 die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss.

In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Dazu stellte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29.04.2015, Zl. Fr 2014/20/0047, klar: "Bezogen auf nach dem AVG geführte Berufungsverfahren ist davon auszugehen, dass - auch ohne diesbezügliche ausdrückliche gesetzliche Anordnung - eine Verfahrenseinstellung (ua.) dann vorzunehmen ist, wenn die Berufung rechtswirksam zurückgezogen wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 56, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes hat diese Auffassung auch für das von Verwaltungsgerichten geführte Beschwerdeverfahren Platz zu greifen (vgl. Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 5; die Einstellung in Beschlussform im Fall der Zurückziehung der Beschwerde bejahend auch Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte § 28 VwGVG Rz 7, Schmied/Schweiger, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz S 112, Grabenwarter/Fister, Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit4 S 232, Hengstschläger/Leeb, AVG2, § 13 Rz 42, Hauer, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts3 Rz 191)" (so auch VwGH 09.06.2016, Zl. Ra 2016/02/0137, Rz 4).

Gemäß § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.

Eine Zurückziehung der Beschwerde durch die beschwerdeführende Partei ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich. Mit der Zurückziehung ist das Rechtsschutzinteresse der beschwerdeführenden Partei weggefallen, womit einer Sachentscheidung die Grundlage entzogen und die Einstellung des betreffenden Verfahrens - in dem von der betroffenen Umfang - auszusprechen ist (vgl. Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2015, § 7 VwGVG, Rz 20; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2013, § 7 VwGVG, K 5 ff.).

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offenlässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. zu Berufungen Hengstschläger/Leeb, AVG, § 63, Rz 75 mit zahlreichen Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Die bP hat mit Schreiben vom 22.06.2020, eingelangt am 23.06.2020, vertreten durch XXXX , ihre Beschwerde vom 23.12.2019 rechtswirksam zurückgezogen. In dem Schreiben wird ausgeführt, dass die bP wie telefonisch besprochen ihre Bescheidbeschwerde im Feststellungsverfahren zurückziehe. Eine Ausstellung des Bescheids mit 60% GdB sei somit vorgesehen. Eine Antragsstellung auf Ausstellung eines Behindertenpasses sei elektronisch veranlasst worden.

Bei diesem Schreiben vom 22.06.2019 handelt es sich um eine Erklärung die keinen Zweifel daran offenlässt, dass die bP damit zum Ausdruck bringt, dass sie ihre am 23.12.2019 erhobene Beschwerde zurückzieht. Die bP war bei Abgabe dieser Erklärung durch XXXX vertreten. Die Vertretung war durch eine schriftliche Vollmacht vom 29.10.2019, die im Akt aufliegt, gültig und wirksam.

Die Zurückziehung einer Berufung ist ebenso wie ein Rechtsmittelverzicht eine unwiderrufliche Prozesserklärung, die mit dem Einlangen der betreffenden Erklärung bei der Behörde rechtsverbindlich und damit wirksam wird, und zwar ohne dass es einer formellen Annahmeerklärung der Behörde bedürfte. Ob die Partei im Zeitpunkt, da sie die Zurückziehung der Berufung erklärte, anwaltlich vertreten war oder nicht, spielt keine Rolle (vgl. VwGH 18.11.2008, Zl. 2006/11/0150).

Aus einem Aktenvermerk der bB geht hervor, dass im Anschluss an die Zurückziehung der Beschwerde am 29.06.2020 durch den Vertreter der bP darum ersucht wurde, das Verfahren wegen Rückwirkung an das BVwG weiterzuleiten. Am 16.07.2020 wurde in einem weiteren Aktenvermerk der bB festgehalten, dass es sich also um keine Zurückziehung handle, damit die Begünstigteneigenschaft ab Antrag gelte.

Da es sich bei der Zurückziehung einer Berufung bzw. Beschwerde um eine unwiderrufliche Prozesserklärung handelt kommt dem Ersuchen des Vertreters der bP vom 29.06.2020, um Weiterleitung an das BVwG keine rechtliche Bedeutung zu. Die von der bB im Aktenvermerk vom 16.07.2020 getroffene Feststellung es handle sich um keine Zurückziehung ist nicht korrekt. Die mit dem Einlagen bei der bB am 23.06.2020 rechtswirksam gewordene Zurückziehung der Beschwerde kann nicht widerrufen werden, sondern bleibt aufrecht und wirksam.

Da die gegenständliche Beschwerde somit rechtswirksam zurückgezogen wurde, ist das Verfahren rechtskräftig entschieden und war daher mit Beschluss einzustellen.

Es besteht für die bP die Möglichkeit jederzeit einen neuen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten zu stellen.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Einstellung des Beschwerdeverfahrens wegen Vorheriger Zurückziehung der Beschwerde ist ihrem Wesen nach mit einer Zurückweisung vergleichbar. Für eine Zurückweisung sieht § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG ausdrücklich die Möglichkeit des Entfalls der mündlichen Verhandlung vor.

Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG aber auch deshalb unterbleiben, weil der Sachverhalt aus dem Verwaltungsakt in Verbindung mit der Beschwerde und deren ausdrücklichen Zurückziehung hinreichend geklärt ist. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem Entfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. hierzu die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs VfSlg. 17.063/2003 und 19.175/2010 sowie des Verwaltungsgerichtshofs VwGH 21.11.2012, 2008/07/0161 und VwGH 23.6.2014, 2013/12/0224, je mwH). Diese Judikatur ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts auch auf Fälle übertragbar, in denen ein Erledigungsanspruch (erst) nach Beschwerdeeinbringung verloren geht.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Verfahrenseinstellung Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L518.2233222.1.00

Im RIS seit

04.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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