TE Vwgh Erkenntnis 1978/4/25 0035/77

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Veröffentlicht am 25.04.1978
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Index

Verwaltungsverfahren - AVG
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §14
AVG §15

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Dr. Straßmann, Dr. Griesmacher, DDr. Hauer und Dr. Würth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsrat Dr. Thumb und des Schriftführers Oberregierungsrat Dr. Antoniolli, über die Beschwerde 1.) des JP in W und 2.) der MP, ebendort, beide vertreten durch Dr. Sepp Voitl, Rechtsanwalt in Wels, Kaiser Josef-Platz 12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Bauten und Technik vom 23. November 1976, Zl. 542.890-III/9-76, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei: Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch den Landeshauptmann von Oberösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 3.370,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit (u.a. auch) den Beschwerdeführern zugestellter Kundmachung vom 24. September 1975 beraumte der Landeshauptmann von Oberösterreich zufolge des von der Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, beabsichtigten Ausbaues der Innviertler Straße B 137 im Bereich des Bauloses „Verlängerung Puchberg 1974“ (km 4.240 bis km 4.850) unter Berufung auf die Bestimmungen der §§ 17 bis 20 Bundesstraßengesetz 1971 idgF sowie auf die §§ 40 bis 44 AVG 1950 die Grundeinlösungs- bzw. Enteignungsverhandlung für den 20. und 21. Oktober 1975 an. In dieser Kundmachung wurde unter anderem auch das Verhandlungsprogramm mit der Maßgabe bekanntgegeben, daß für den 21. Oktober 1975 die Protokollierung der Stellungnahmen der Beschwerdeführer als betroffener Grundeigentümer vorgesehen sei. Ferner enthielt die Kundmachung den Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG 1950.

Der Verhandlungsschrift vom „20. und 21. Oktober 1975“ ist nachfolgende Stellungnahme der Beschwerdeführer zu entnehmen:

„13. Stellungnahme der Ehegatten JP und MP, W, W-straße nn:

Wir sind je zur Hälfte bücherliche Eigentümer der Liegenschaft EZ 955, KG P.

a) Innviertler Straße B 137:

Für den Ausbau der Innviertler Straße B 137 im gegenständlichen Baulos wird auf Grundstück Nr. nn/4 Wiese, eine Fläche von ca. 280 m2 in Anspruch genommen.

Vom Grundsachverständigen wurde hiefür ein Entschädigungsbetrag in der Höhe von S 320,--/m2 begutachtet.

Für den gesamten zu entfernenden Bewuchs wurde ein Entschädigungsbetrag laut Gutachten in der Höhe von S 1.780,-- ermittelt.

Da durch die Grundinanspruchnahme für den Ausbau der Bundesstraße die Manipulationsfläche verringert wird, wurde vom Grundsachverständigen für 240 m2 ein Zuschlag von S 110,--/m2 ermittelt.

b) Wiederherstellung unterbrochener Verkehrsbeziehungen:

Für die Wiederherstellung unterbrochener Verkehrsbeziehungen - Verbreiterung der W-straße im Kreuzungsbereich mit der Innviertler Straße B 137 - wird aus Grundstück Nr. nn/4 eine Fläche von ca. 10 m2 in Anspruch genommen.

Vom Grundsachverständigen wurde auch hiefür ein Entschädigungsbetrag in der Höhe von S 320,--/m2 begutachtet.

Durch das Heranrücken der Straße wird das Einfahren insbesondere von schweren landwirtschaftlichen Maschinen und Lastwagenzügen zu meiner Kfz-Werkstätte so erschwert, daß eine Einfahrtsmöglichkeit überhaupt in Frage gestellt ist. Wir müssen daher südwestlich meines Grundstückes ein Ersatzgrundstück ankaufen und darüber hinaus dieses Ersatzgrundstück aufschütten sowie das Werkstättengebäude entsprechend umbauen. Wir sehen uns jedoch nicht in der Lage, mit den o.g. Entschädigungsbeträgen hiefür das Auslangen zu finden und fordern, daß uns ein geeignetes Ersatzgrundstück zur Verfügung gestellt wird.

Sollte die Beschaffung eines Ersatzgrundstückes nicht möglich sein, so begehren wir auf jeden Fall jenen Entschädigungsbetrag, der in der Summe gleich hoch ist, wie uns die Anschaffung eines Ersatzgrundstückes zu stehen kommt.

Wir möchten unsere Forderungen damit untermauern, daß wir für 8 Kinder zu sorgen haben und durch die gegenständliche Grundinanspruchnahme der Betrieb derart verkleinert wird, daß die Sorgepflicht für die Kinder in Frage gestellt ist.

Wir nehmen zur Kenntnis daß die o.g. Grundstücksflächen nach Auszahlung der Entschädigung durch die Bundesstraßenverwaltung in Anspruch genommen werden kann.

Die Überweisung der Entschädigung wolle auf das Konto Nr. nn bei der Bauernkreditbank W erfolgen.“

Daran anschließend findet sich in der Verhandlungsschrift folgender, zur Gänze durchstrichener Passus:

„AV: JP hat die oben gemachte Stellungnahme am 21. 10. 1975 abgegeben, jedoch sich vor Unterfertigung dieser Stellungnahme von der Verhandlung entfernt. MP ist trotz ordnungsgemäß ausgewiesener Ladung zur gegenständlichen Verhandlung überhaupt nicht erschienen, weshalb ihre Zustimmung gemäß § 42 AVG 1950 angenommen werden kann. Dies wird hiemit bestätigt.“

Daran schließen sich, ebenfalls durchstrichen, zwei offenbar von Amtsorganen stammende Unterschriften an. Nach der durchstrichenen Stelle der Verhandlungsschrift befinden sich die Unterschriften „JP“ und „MP“.

Die Verhandlungsschrift enthält ferner die Gutachten der Sachverständigen, die Stellungnahme der Bundesstraßenverwaltung und folgende Ausführungen:

„Auf die Verlesung der Verhandlungsschrift wird einvernehmlich verzichtet. Zum Gegenstand der Verhandlung wird nichts mehr vorgebracht. Sonstige Beteiligte und dinglich Berechtigte sind trotz ordnungsgemäß ausgewiesener Ladung zur Verhandlung nicht erschienen, weshalb ihre Zustimmung gemäß § 42 AVG 1950 angenommen werden kann. Alle Grundeigentümer sowie sonstigen Parteien und Beteiligten mit Ausnahme der Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, haben sich nach Abgabe ihrer Stellungnahmen entfernt. Die Gutachten der Sachverständigen wurden ihnen mündlich zur Kenntnis gebracht. Dauer der Verhandlung: Montag, 20. 10. 1975, 08.30 bis 18.00 Uhr, Dienstag, 21. 10. 1975, 08.30 bis 18.35 Uhr (je zwei halbe Mittagspausen). Dauer der Begehung: Montag, 20.10.1975: 5 halbe Stunden.“

Die Verhandlungsschrift ist an ihrem Ende lediglich mit zwei Unterschriften versehen; eine davon trägt offenbar den Namenszug des Verhandlungsleiters (VB. Dr. SP); die zweite: Unterschrift stammt offenkundig weder von JP noch von MP.

Dem Verwaltungsgerichtshof liegt des weiteren u.a. eine nach Erlassung des angefochtenen Bescheides abgefaßte Stellungnahme des seinerzeitigen Verhandlungsleiters Dr. P vor, in welcher u.a. festgehalten ist:

„........ Die Eröffnung der mündlichen Verhandlung sowie die Projektserläuterung erfolgte am 20. 10. 1975, 08.30 Uhr, im Großen Saal des Gasthofes W...... Hiezu waren auch die Ehegatten JP und MP ...... erschienen. An dem im Anschluß an die Projektserläuterung durchgeführten Lokalaugenschein .... hat JP mit seiner Gattin ..... teilgenommen.- Dabei hat JP den Vertretern der Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, sowie den technischen Amtssachverständigen gegenüber seinen Unmut darüber geäußert, daß die künftige Trasse der Bundesstraße nicht nach Norden verschoben werde . .... Von den Vertretern der Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, wurde vor allem auf das vom Bundesministerium für Bauten und Technik ..... genehmigte Projekt verwiesen und überdies bemerkt, daß im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung eine Verschiebung der Trasse nach Norden unter keinen Umständen in Betracht käme. Aus der Liegenschaft der Ehegatten P werde nur ein relativ schmaler Grundstreifen entlang der bestehenden Bundesstraßentrasse eingelöst, im Falle einer Verschiebung der Trasse nach Norden müßten jedoch die gesamte Tankstelle sowie ein Teil des Gasthofes W beansprucht werden. Diese Äußerungen bzw. Feststellungen wurden auch von dem dem gegenständlichen Verfahren beigezogenen technischen Amtssachverständigen bestätigt. JP führte daraufhin weiters aus, daß er einen Teil der ..... in Anspruch genommenen Grundflächen derzeit ...... im Rahmen seines Betriebes .... verwende .... Zur Protokollierung der Stellungnahme der Grundeigentümer JP und MP - die laut Kundmachung am 21.10.1975 stattfand - ist JP vorerst allein erschienen. Zu Beginn hat sich JP überhaupt geweigert, irgendeine Erklärung abzugeben. Erst auf Grund eingehender rechtlicher Belehrung durch die Verhandlungsleitung (unter besonderem Hinweis auf die Präklusionsfolgen nach § 42 AVG 1950) .... fand sich JP bereit, eine Äußerung abzugeben. Dabei hat er sich jedoch ausschließlich auf die Forderung entsprechender Entschädigungsbeträge für die Grundabtretung beschränkt (siehe Verhandlungsschrift .....). Auf die Frage der Verhandlungsleitung, ob er nicht auch gegen das Projekt Einwendungen zu Protokoll bringen möchte, antwortete JP sinngemäß: Es habe ohnedies keinen Sinn, da dies ja auch nichts ändern würde, wie man gestern (damit war wohl das Gespräch beim Lokalaugenschein gemeint) gesehen habe. Dies erregte P aber derart, daß er die Unterschrift zu seiner Stellungnahme verweigerte. Auf die Frage, warum seine Gattin nicht erschienen sei, ...... bemerkte er lediglich, seine Gattin gebe sowieso keine Äußerung ab. Anschließend hat sich JP ohne Unterschriftsleistung von der Verhandlung entfernt, wobei er vorher nochmals auf die rechtlichen Folgen seines Vorgehens hingewiesen wurde (siehe Aktenvermerk in der Originalverhandlungsschrift, der später - und zwar am gleichen Tage um ca. 18.00 Uhr gestrichen wurde). In der Mittagspause des gegenständlichen Verhandlungstages erschien JP gemeinsam mit seiner Gattin MP und hat mit dem technischen Amtssachverständigen .... die Betriebsführung im Hinblick auf ein angrenzendes Grundstück erörtert .... Gegen Abend des genannten Verhandlungstages ca. 17.30 Uhr erschien JP gemeinsam mit seiner Gattin vor der Verhandlungskommission und ersuchte, ob er seine am Vormittag abgegebene Stellungnahme doch noch unterfertigen dürfe. Da die Verhandlung noch nicht geschlossen war ....., wurde den Grundeigentümern die Stellungnahme unter dem ausdrücklichen Hinweis übergeben, die bisher schriftlich festgehaltenen Äußerungen zu prüfen bzw. allfällige Ergänzungen noch zu Protokoll zu geben. Die Ehegatten P haben ihre Stellungnahme mit dem Bemerken, daß eine Ergänzung nicht erforderlich wäre, unterfertigt und der Verhandlungsleitung übergeben. Somit war die Enteignungsverhandlung mit den Ehegatten P abgeschlossen und wurde der vormittags verfaßte Aktenvermerk als nunmehr gegenstandslos gestrichen. ....“

Im Enteignungserkenntnis des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 4. Dezember 1975 wurde über den vorbezeichneten Antrag der Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, dahin abgesprochen, daß gemäß den §§ 17 und 20 Abs. 1 Bundesstraßengesetz 1971, BGBl. Nr. 286, idgF, in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, für den Ausbau der Innviertler Straße B 137 im Bereich des Bauloses „Verlängerung Puchberg 1974“ und vom km 4.240 bis km 4.850 das dauernde und lastenfreie Eigentum u.a. am Grundstück der Beschwerdeführer EZ 955, Grundstücksnummer nn/4 Wiese, im voraussichtlich beanspruchten Ausmaß von ca. 280 m2 einschließlich des darauf befindlichen Bewuchses und sonstiger Anlagen unbeschadet der genauen Vermessung in der Natur für die Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, im Wege der Enteignung nach Maßgabe der bei der mündlichen Verhandlung vorgelegenen Planunterlagen in Anspruch genommen werde (Pkt. I.). Des weiteren wurde gemäß § 20 Abs. 2 Bundesstraßengesetz 1971, BGBl. Nr. 286, in Verbindung mit § 18 leg. cit. u.a. für die in Anspruch genommene Grundfläche der Beschwerdeführer sowie für den gesamten hievon zu entfernenden Bewuchs - im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht relevante - Entschädigungsbeträge bestimmt, über die angeführten Beträge hinausgehende Entschädigungsforderungen jedoch abgewiesen (Pkt. II.).

Im Zuge der Begründung dieses Enteignungserkenntnisses wurde auch zu den von den Beschwerdeführern über das zuerkannte Ausmaß hinausgehenden Entschädigungsforderungen im Hinblick auf die Verringerung ihrer Manipulationsfläche und die Beschaffung eines etwaigen Ersatzgrundstückes Stellung genommen.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung bestritten die Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Erfordernis des Verbleibens der durch den Enteignungsbescheid betroffenen Grundfläche in ihrem Eigentum zwecks Aufrechterhaltung ihres Landmaschinenhandels und Reparaturbetriebes die Notwendigkeit der Enteignung. Dies ergebe sich daraus, daß an der gegenüberliegenden Fahrbahnseite, also etwa in nordöstlicher Richtung, ausreichend Flächen vorhanden wären, die eine Verbreiterung der Trasse ohne schwere Nachteile für die Anlieger ermöglichen würden. Zunächst könne zur Verbreiterung ein öffentlicher Parkplatz herangezogen werden, dessen Situierung auf einer Kuppe ohnedies verkehrstechnisch bedenklich sei. Sollte aber dennoch in diesem Bereich wiederum eine öffentliche Parkfläche geschaffen werden müssen, so könnte hiefür an dieser Seite eine entsprechende Grundfläche herangezogen werden. Die etwas weiter nördlich gelegene Tankstelle der Firma FD solle wegen Unwirtschaftlichkeit aufgelassen werden, wie dies bei der Enteignungsverhandlung hervorgekommen sei. Es sei daher auch die Einbeziehung dieser Flächen ohne wirtschaftliche Bedrohung ihres Betriebes möglich. Darüber hinaus bedeute die Einrichtung von zwei Überholspuren im Bereich einer dort vorhandenen Straßenkreuzung praktisch nur die Herbeiführung verkehrstechnischer Gefahren, ein Umstand, der gleichfalls eine Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Maßnahme, zu deren Gunsten die Enteignung erfolgen solle, als nicht gegeben erscheinen lasse.

Am 13. Juli 1976 wurde u.a. auch über die Berufung der Beschwerdeführer eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, bei der der Vertreter der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Frage der Zufahrt zum Betriebsgrundstück der Beschwerdeführer auf sein Berufungsvorbringen verwies und insbesondere auch die Einholung weiterer Sachverständigengutachten begehrte.

Mit Bescheid vom 23. November 1976 wies der Bundesminister für Bauten und Technik die Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 42 leg. cit. sowie § 18 Abs. 2 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, wie sich aus den Verwaltungsakten ergebe, seien Einwendungen, die sich gegen die Notwendigkeit der Grundinanspruchnahme oder die beabsichtigte Straßenverbreiterung richteten, von seiten der Beschwerdeführer nicht erhoben worden. Die Niederschrift über die Enteigungsverhandlung vom 20. und 21. Oktober 1975 entspreche den Vorschriften des § 14 AVG 1950 und sei insbesondere auch von den Beschwerdeführern unterfertigt worden. Sie bilde daher vollen Beweis über den Verlauf der Enteignungsverhandlung. Im übrigen zeige der Inhalt der Verhandlungsschrift, soweit er sich auf andere Grundeigentümer beziehe, daß die Behörde erster Instanz etwaige, von den Grundeigentümern im Hinblick auf die Notwendigkeit der Grundinanspruchnahme vorgetragene Einwendungen genau festgehalten habe. Wie aus der Ladung zur mündlichen Enteigungsverhandlung und der angeführten Niederschrift hervorgehe, seien die Beschwerdeführer auf die Bestimmung des § 42 AVG 1950 hingewiesen worden. Gemäß § 42 AVG 1950 könnten jedoch Einwendungen, die nicht spätestens bei der mündlichen Enteignungsverhandlung vorgebracht würden, keine Berücksichtigung finden, und es sei die Partei dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilde, als zustimmend anzusehen. Ebenso werden im § 18 Abs. 2 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 bestimmt, daß ein Enteignungsbescheid nur von solchen Enteigneten angefochten werden könne, die rechtzeitig Einwendungen gegen die Enteignung erhoben hätten. Da von den Beschwerdeführern im Zuge des in erster Instanz geführten Enteignungsverfahrens nur Einwendungen in bezug auf die ihnen angebotene Entschädigung, nicht aber auch gegen Notwendigkeit, Gegenstand und Umfang der Enteignung vorgebracht worden seien, könnten derartige Einwendungen auch im. Berufungsverfahren nicht mehr erhoben werden. Die Berufung sei daher zurückzuweisen gewesen. Dem stehe auch nicht entgegen, daß die Berufungsbehörde am 13. Juli 1976 eine mündliche Verhandlung durchgeführt und Anträge sowie Ausführungen der Parteien zu Protokoll genommen habe. Diese mündliche Verhandlung habe einen Versuch dargestellt, die Frage der Zufahrt zum Grundstück der Beschwerdeführer mittels eines Vergleiches einer Lösung zuzuführen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach deren inhaltlichem Vorbringen sich die Beschwerdeführer in ihrem auf § 66 Abs. 4 AVG 1950 basierenden Recht auf meritorischen Abspruch über ihre Berufung als verletzt erachten. Im einzelnen wird hiezu vorgebracht, im Zuge der Berufungsverhandlung sei der nunmehr im angefochtenen Bescheid eingenommene Rechtsstandpunkt der belangten Behörde mit keinem Wort erörtert worden. Andernfalls wäre seitens der Beschwerdeführer unter Beweis gestellt worden, daß sie sehr wohl bei der Enteignungsverhandlung vorgebracht hätten, daß die Grundinanspruchnahme nicht nötig sei, sondern vielmehr die Möglichkeit bestünde, auf der gegenüberliegenden Straßenseite öffentliches Straßengut für eine Verbreiterung heranzuziehen, und daß ferner aus verkehrstechnischen Gründen die Errichtung von zwei Überholspuren im Bereich einer vorhandenen Straßenkreuzung auf einer Kuppe derart gefährlich sei, daß auch aus diesem Grund die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Grundinanspruchnahme zu verneinen sei. Wenn diese Einwendungen auch im Protokoll über die Grundeinlösungs- und Enteignungsverhandlung nicht aufschienen, so sei die Protokollierung dieser von ihnen erhobenen Einwendungen - wofür in der Beschwerde Zeugen namhaft gemacht werden - nur im Hinblick auf die Belehrung des Verhandlungsleiters unterblieben, daß sie gegen die Straßentrassierung ohnehin nichts unternehmen könnten, daß jedoch ihre Argumente amtswegig geprüft würden. Des Berufungsverfahren leide daher an einem wesentlichen Mangel, durch welchen den Beschwerdeführern das Recht darauf genommen worden sei, daß über eine in erster Instanz vorgebrachte und nur zufolge unrichtiger Belehrung nicht protokollierte Einwendung im Berufungsverfahren sachlich entschieden werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde und die hiezu erstattete Gegenschrift der belangten Behörde erwogen:

Nach § 15 AVG 1950 liefert eine gemäß den Bestimmungen des § 14 leg. cit. aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis, wobei allerdings der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig ist.

§ 14 AVG 1950 lautet in dem für den Beschwerdefall maßgeblichen Teil:

„(1) Mündliche Anbringen von Beteiligten sind erforderlichenfalls ihrem wesentlichen Inhalt nach in einer Niederschrift festzuhalten. Niederschriften über Verhandlungen (Verhandlungsschriften) sind derart abzufassen, daß bei Weglassung als nicht zur Sache gehörigen der Verlauf und Inhalt der Verhandlung richtig und verständlich wiedergegeben wird. ......

(3) Jede Niederschrift ist den Vernommenen oder sonst beigezogenen Personen, wenn sie nicht darauf verzichten, vorzulegen und von ihnen durch Beisetzung ihrer eigenhändigen Unterschrift zu bestätigen. Kann eine Person nicht oder nur mittels Handzeichens fertigen, hat sie die Fertigung verweigert oder sich vor Abschluß der Niederschrift oder des ihre Aussage enthaltenden Teiles der Niederschrift entfernt, so ist unter Angabe des Grundes, aus dem die Fertigung nicht erfolgte, die Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe von dem die Amtshandlung leitenden Organ ausdrücklich zu bestätigen.

(4) In dem einmal Niedergeschriebenen darf nichts Erhebliches ausgelöscht, zugesetzt oder verändert werden. Durchstrichene Stellen sollen noch lesbar bleiben. Erhebliche Zusätze oder Einwendungen des Vernommenen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Niederschrift sind in einem Nachtrag aufzunehmen und abgesondert zu bestätigen. .....“

Im vorliegenden Fall weist die Verhandlungsschrift somit zunächst den Mangel auf, daß der Verzicht auf die Vorlesung der Verhandlungsschrift entgegen § 14 Abs. 3 AVG 1950 weder durch Beisetzung der eigenhändigen Unterschrift der Beschwerdeführer noch vom Verhandlungsleiter unter Angabe des Grundes bestätigt wurde. Aus der Niederschrift geht ferner insofern nicht der Verlauf der Verhandlung im Sinne des § 14 Abs. 1 AVG 1950 in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise hervor, als in dem vorzitierten, nachträglich ohne Festhaltung des Grundes und ohne Bestätigung der Richtigkeit durchstrichenen „Aktenvermerk“ von der Entfernung des Erstbeschwerdeführers vor Unterschriftsleistung und von der Nichtanwesenheit der - am Beginn der Verhandlungsschrift als anwesend angeführten - Zweitbeschwerdeführerin die Rede war, anschließend aber die Unterschriften beider Beschwerdeführer beigesetzt sind. Die Verhandlungsschrift läßt ferner nicht klar erkennen, ob und inwieweit die in dem in der Ladung angegebenen Verhandlungsprogramm vorgesehene Gliederung des Verhandlungsverlaufes einghalten wurde.

Mängel dieser Art mögen nun zwar nicht in jedem Fall das gleiche rechtliche Gewicht haben. Im vorliegenden Falle kann aber deren Rechtserheblichkeit, von welcher ja die Rechtsschutzmöglichkeit für die Beschwerdeführer abhängt, nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, zumal auch die vorzitierte Äußerung des Verhandlungsleiters von Erklärungen des Erstbeschwerdeführers am ersten Verhandlungstag spricht.

Eine den Vorschriften des § 14 AVG 1950 nicht voll entsprechende Niederschrift verliert allerdings nicht jeglichen Beweischarakter, sie unterliegt jedoch gemäß § 45 Abs. 2 AVG 1950 der freien Beweiswürdigung der Behörde.

Wenn nun die Beschwerdeführer gegen das Enteignungserkenntnis des Landeshauptmannes von Oberösterreich eine Berufung einbrachten und darin die Notwendigkeit der Enteignung bekämpften, wobei sie sich bezüglich der Möglichkeit der Auflassung einer Tankstelle auf die Enteignungsverhandlung bezogen, so hätte die belangte Behörde prüfen müssen, ob die Beschwerdeführer nicht doch bei der Enteignungsverhandlung auch gegen die Enteignung als solche Einwendungen erhoben hatten. Solche Einwendungen wären auch dann zu berücksichtigen gewesen, wenn sie nicht am zweiten Verhandlungstag ausdrücklich zu Protokoll gegeben, wohl aber mit Billigung des Verhandlungsleiters am ersten Verhandlungstag erhoben und in der Folge nicht ausdrücklich widerrufen worden wären.

Die Beschwerdeführer verkennen zwar insoweit die Rechtslage, als die belangte Behörde nicht verpflichtet war, sie vor Bescheiderlassung von ihrer Rechtsansicht in Kenntnis zu setzen, um ihnen ein entsprechendes Sachvorbringen zu ermöglichen. Dennoch ist nach Ansicht des Gerichtshofes der Sachverhalt insofern in einem wesentlichen Punkte ergänzungsbedürftig geblieben, als die belangte Behörde von der Präklusion der Beschwerdeführer nach § 42 AVG im Zusammenhalt mit § 20 des Bundesstraßengesetzes 1971 ausging, ohne im Rahmen der Beweiswürdigung eine Feststellung über den tatsächlichen Verlauf der Enteignungsverhandlung zu treffen.

Somit aber war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542.

Wien, am 25. April 1978

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1978:1977000035.X00

Im RIS seit

04.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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