Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Gabriele Svirak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** (Verein) *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei *****, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien, wegen 10.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. August 2020, GZ 9 Ra 26/20i-32, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO
zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Nach ständiger Rechtsprechung zu dem auf den vorliegenden Sachverhalt noch anzuwendenden Vereinsgesetz 1954 obliegt es demjenigen, der mit einem Verein eine Vereinbarung von weittragender Bedeutung abschließen will, sich durch Einsicht in die Vereinsstatuten die Überzeugung über Inhalt und Umfang der Vertretungsmacht des für den Verein handelnden Organs und darüber zu verschaffen, dass die Handlungen des Vereinsorgans im Rahmen seines statutenmäßigen Wirkungskreises erfolgen und durch eine allfällige erforderliche Beschlussfassung des Vorstands gedeckt sind. Handelt der Obmann eines Vereins zwar im Rahmen seiner statutenmäßigen Vertretungsmacht (Außenverhältnis), aber ohne die erforderliche Zustimmung des Vorstands (Innenverhältnis), und ist der Dritte, dem gegenüber die Handlung vorgenommen wird, hinsichtlich des Mangels dieser Zustimmung insofern schlechtgläubig, als ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit Bedenken hätten entstehen müssen, dann ist die Rechtshandlung des Obmanns für den Verein nicht verbindlich (6 Ob 313/58 = MietSlg 6.228; 8 Ob 201/97k mwN; 9 Ob 41/09h [noch zur alten Rechtslage ergangen]; RIS-Justiz RS0019717; zuvor schon GlUNF 2594).
[2] Das Berufungsgericht orientierte sich zutreffend an dieser Rechtsprechung. Ob sie auch für die Rechtslage nach dem Vereinsgesetz 2002 Gültigkeit beanspruchen kann (so – ohne Erörterung von § 6 Abs 3 VerG 2002 – 6 Ob 102/11k, dagegen: Kossak, Keine Formalvollmacht des Vereinsobmanns?, Zak 2010/323; Höhne, Vertretungsbefugnis im Verein – was ist da so schwierig?, RdW 2013/325; Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 26 Rz 58; Ludvik, Glosse zu 9 ObA 68/14m in ZAS 2016, 42 ff [43]; Kornfehl, Die Schlichtungseinrichtung und andere vereinsrechtliche Probleme im Spiegel der Rechtsprechung von 2002–2017, GES 2017, 417 [427]) bedarf keiner Erörterung, weil die hier zu beurteilenden Änderungen des Dienstvertrags des Beklagten mit dem klagenden Verein vor dem Inkrafttreten des VerG 2002 am 1. 7. 2002 erfolgten.
[3] 2. Die Frage, ob eine bestimmte Tatsache einer Partei hätte bekannt sein müssen, ob also die Unkenntnis Fahrlässigkeit bedeutet, ist dem Bereich der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen (RS0031795 [T1]). Der Gegner muss lediglich die Umstände behaupten und unter Beweis stellen, die den Schluss rechtfertigen, dass dem anderen die Tatsache bekannt sein musste (vgl RS0043687).
[4] Das Berufungsgericht zieht den Schluss, dass dem Beklagten zumindest Bedenken an der Zustimmung des Präsidiums des Klägers zu den Änderungen hinsichtlich des Dienstvertrags hätten kommen müssen, daraus, dass dieser zum einen bereits 20 Jahre beim Kläger (als Jurist) beschäftigt und dessen designierter Generalsekretär (Geschäftsführer) war und ihm daher die Statuten und die erforderliche Zustimmung des Präsidiums zu seinem Dienstvertrag bekannt sein mussten, zum anderen daraus, dass die streitgegenständlichen Änderungen im Protokoll der Präsidiumssitzung vom 23. 6. 1992 nicht erwähnt sind. Wenn das Berufungsgericht im Sinne der aus RS0019717 ersichtlichen Rechtsprechung die Vertragsänderungen als von weittragender Bedeutung qualifiziert und dem Beklagten hinsichtlich der fehlenden Zustimmung des Präsidiums Schlechtgläubigkeit attestiert, ist dies keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.
[5] 3. Beweise vom Hörensagen sind nicht generell unzulässig. Welcher Beweiswert derartigen bloß mittelbaren Beweisergebnissen zuzubilligen ist, ist ausschließlich Gegenstand der im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof keiner weiteren Überprüfung unterliegenden Beweiswürdigung (RS0114723 [T2]). Die diesbezüglichen (beweiswürdigenden) Ausführungen in der außerordentlichen Revision verfehlen ihr Ziel.
[6] 4. Der Kläger stützte sein Begehren jedenfalls auch auf ungerechtfertigte Bereicherung des Beklagten (Mahnklage Seite 3; vorbereitender Schriftsatz des Klägers Seite 12). Der Einwand des Beklagten, ein sich aus der – ihm vom Kläger (zusätzlich) vorgeworfenen – Kollusion mit dem vormaligen Vereinsvorstand resultierender Schadenersatzanspruch unterläge der dreijährigen Verjährungsfrist, geht insoweit ins Leere.
[7] Weil es dem Beklagten nicht gelingt, eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzuzeigen, ist seine außerordentliche Revision zurückzuweisen.
Textnummer
E130516European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00101.20S.1218.000Im RIS seit
03.02.2021Zuletzt aktualisiert am
03.02.2021