Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch GEISTWERT Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) b***** AG, *****, Schweiz, und 2) H***** Gesellschaft ***** mbH & Co KG, *****, Deutschland, beide vertreten durch Dr. Bernhard Tonninger und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 2. November 2020, GZ 2 R 89/20b-19, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Rechtsvorgängerin der Klägerin erstellte im Auftrag der Firma D***** im Zeitraum von Juli 2013 bis Oktober 2013 Entwürfe für Gartenmöbel (a*****), die sich auf einen Stapelsessel, einen Klappsessel, einen Relaxsessel, eine Klappliege und einen Hocker bezogen. Nach der Grundidee sollte das Design filigran und geradlinig sein; bei den tragenden Elementen sollte ein Dreiecksprofil verwendet werden. Vor der Serienproduktion durch den chinesischen Hersteller mussten die Entwürfe produktionsbedingt adaptiert werden.
[2] Im Zuge des Entwicklungsprozesses nahm die Rechtsvorgängerin der Klägerin eine spezifische Marktbeobachtung samt Konkurrenzanalyse vor. Bereits im Zeitraum vom 8. bis 10. 9. 2013 wurde auf der größten Gartenbaumesse in Köln der Sessel „C*****“ zur Schau gestellt, der ebenfalls Dreiecksprofile aufwies und auch sonst eine ähnliche Gestaltungsform wie die Entwürfe der Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte.
[3] Mit dem Honorar, das die Rechtsvorgängerin der Klägerin von der Firma D***** erhielt, war der kreative Prozess nicht abgedeckt. Dementsprechend räumte die Rechtsvorgängerin der Klägerin der Firma D***** mittels Lizenzvertrags das Recht zur Serienherstellung und zum Vertrieb nach den Möbeldesigns ein. Mit Schreiben vom 28. 8. 2016 kündigte die Firma D***** den Lizenzvertrag auf und teilte der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit, dass die Marke a***** von der hier Erstbeklagten weitergeführt werde. Ebenfalls im August 2016 erwarb die Erstbeklagte von der Firma D***** den gesamten vorhandenen Warenbestand an Gartenmöbeln einschließlich jener der Serie a***** sowie weiters die Rechte an der Marke a***** und alle Geschmacksmuster. In der Folge bot die Rechtsvorgängerin der Klägerin der Erstbeklagten den Abschluss eines Lizenzvertrags an, was von der Erstbeklagten aber abgelehnt wurde. Mit Vereinbarung vom 1. 2. 2020 übertrug die Rechtsvorgängerin der Klägerin Letzterer alle Verwertungsrechte an den klagsgegenständlichen Möbeldesigns.
[4] Die Klägerin begehrte von den Beklagten Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung. Zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs beantragte sie zudem die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Der Klägerin kämen die Verwertungsrechte an den klagsgegenständlichen Werken in Form von Möbeldesigns zu. Die Handlungen der Beklagten begründeten zum einen eine Urheberrechtsverletzung und zum anderen eine unlautere Geschäftspraktik wegen unautorisierter Verwendung der Möbeldesigns.
[5] Die Beklagten entgegneten, dass der Erstbeklagte von der Firma D***** den gesamten Warenbestand an Gartenmöbeln erworben habe. Davon abgesehen käme den Entwürfen der Klägerin kein urheberrechtlicher Schutz zu, weil diese nicht eigentümlich seien. Außerdem habe die Rechtsvorgängerin der Klägerin auf bereits bekannte Möbeldesigns zurückgegriffen, weshalb ebenfalls kein Urheberrechtsschutz bestehe.
[6] Die Vorinstanzen wiesen den Sicherungsantrag ab. Bei Beurteilung der Frage, ob ein Werk vorliege, sei der im behaupteten Schöpfungszeitraum bekannte Formenschatz zu berücksichtigen. Der Werkcharakter der Skizzen der Rechtsvorgängerin der Klägerin sei im Hinblick auf zum Zeitpunkt des Schaffensprozesses bereits vorbekannte Designs zu verneinen, weil den Skizzen der Stempel der Einmaligkeit fehle. Den Beklagten sei daher keine Urheberrechtsverletzung anzulasten. Auch eine glatte Leistungsübernahme liege nicht vor, weil die Beklagten sowohl die Gartenmöbel als auch den Werbeauftritt von der Firma D***** übernommen hätten.
Rechtliche Beurteilung
[7] Mit dem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf:
[8] 1.1 Zur Abgrenzung der – ohne Zustimmung des Urhebers nicht rechtmäßig verwertbaren – Bearbeitung von der zulässigen Neuschöpfung sprach der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt aus, dass freie Benützung voraussetze, dass das fremde Werk nicht in identischer oder umgestalteter Form übernommen wird, auch nicht als Vorbild oder Werkunterlage, sondern lediglich als Anregung für das eigene Werkschaffen dient (RIS-Justiz RS0076503). Für die freie Benützung ist kennzeichnend, dass trotz des Zusammenhangs mit einem anderen Werk ein von diesem verschiedenes selbständiges Werk vorliegt, demgegenüber das Werk, an das es sich anlehnt, vollständig in den Hintergrund tritt. Angesichts der Eigenart des neuen Werks müssen die Züge des benützten Werks verblassen (RS0076521). Eine selbständige Neuschöpfung iSd § 5 Abs 2 UrhG, bei der das benützte Werk völlig in den Hintergrund tritt, ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Übereinstimmung mit dem benützten Werk nur im Thema, der Idee, dem Stoff oder der Problemstellung besteht (RS0076452). Bei der Beurteilung der Voraussetzungen des § 5 Abs 2 UrhG sind beide Werke in ihrer Gesamtheit zu vergleichen, wobei insbesondere auch der Frage eines möglichen Wettbewerbs zwischen ihnen Bedeutung zukommen kann (RS0076469; 4 Ob 21/18v mwN).
[9] 1.2 Die Vorinstanzen sind von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Ihre Beurteilung, wonach den klagsgegenständlichen Entwürfen der Rechtsvorgängerin der Klägerin kein Urheberrechtsschutz zukomme, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung.
[10] Nach dem bescheinigten Sachverhalt hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin anlässlich der Entwicklung der zugrunde liegenden Gartenmöbel den Markt einer Beobachtung unterzogen, wobei der bereits zur Schau gestellte Sessel „C*****“ das für die klagsgegenständlichen Entwürfe charakteristische Dreiecksprofil und auch sonst eine ähnliche Erscheinungsform aufwies. Da die prägenden Teile der zu beurteilenden Skizzen mit dem Vorbild „C*****“ zumindest weitestgehend übereinstimmen, ist der maßgebende schöpferische Gesamteindruck ident, weshalb jedenfalls keine Neuschöpfung vorliegt. Entgegen den Ausführungen der Klägerin will das Rekursgericht mit seiner Beurteilung, wonach den Entwürfen der Klägerin der Stempel der Einmaligkeit fehle, gerade zum Ausdruck bringen, dass zufolge Übernahme des Vorbekannten keine Neuschöpfung vorliegt.
[11] 2.1 Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine glatte Leistungsübernahme durch die Beklagten stützen.
[12] Nach der Rechtsprechung ist im Interesse der Wettbewerbsfreiheit für Produkte ohne Sonderrechtsschutz vom Grundsatz der Nachahmungsfreiheit nachzugehen. Das Anbieten einer Nachahmung kann aber dann unlauter sein, wenn besondere Begleitumstände in Form eines unlauteren Verhaltens des Mitbewerbs hinzutreten, wie eine sklavische Nachahmung bzw eine glatte Leistungsübernahme (RS0078341), eine vermeidbare Herkunftstäuschung (RS0078156) oder eine unangemessene Ausnützung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts (RS0078130). Eine glatte Leistungsübernahme liegt vor, wenn der Verletzer ohne jede eigene Leistung bzw ohne eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang das ungeschützte Arbeitsergebnis eines anderen ganz oder doch in erheblichen Teilen glatt übernimmt, um so dem Geschädigten mit dessen eigener mühevoller und kostspieliger Leistung Konkurrenz zu machen. Zu dem muss die Nachahmung bewusst erfolgen (4 Ob 80/19x mwN).
[13] 2.2 Die Vorinstanzen sind auch in dieser Hinsicht von den Rechtsprechungsgrundsätzen nicht abgewichen.
[14] Die Erstbeklagte hat von der Firma D***** den gesamten vorhandenen Warenbestand an Gartenmöbeln einschließlich jene der Serie a***** samt Marke und Geschmacksmustern erworben und diese weiterproduzieren lassen. Davon ausgehend ist die Beurteilung der Vorinstanzen, die Beklagten hätten keine Arbeitsergebnisse unlauter übernommen, weshalb keine glatte Leistungsübernahme vorliege, nicht korrekturbedürftig.
[15] 3. Insgesamt gelingt es der Klägerin mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
Schlagworte
Gartenmöbeldesign,Textnummer
E130510European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00210.20S.1222.000Im RIS seit
03.02.2021Zuletzt aktualisiert am
04.11.2021