TE Lvwg Erkenntnis 2020/11/27 LVwG-AV-1046/001-2020

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Veröffentlicht am 27.11.2020
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Entscheidungsdatum

27.11.2020

Norm

BAO §227
BAO §227a
BAO §288

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A, ***, ***, auf Grund des Vorlageantrages vom 16. September 2020 gegen die Beschwerdevorentscheidung des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Aufgaben des Umweltschutzes im Bezirk *** vom 3. September 2020, mit dem eine Berufung des Beschwerdeführers gegen eine als „Mahnung“ titulierte Rechnung/Lastschriftanzeige des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Aufgaben des Umweltschutzes im Bezirk *** vom 2. Juni 2020, als unzulässig zurückgewiesen worden war, zu Recht erkannt:

1.   Auf Grund der Beschwerde wird der als „Beschwerdevorentscheidung“ titulierte Bescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Aufgaben des Umweltschutzes im Bezirk *** vom 3. September 2020 gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) ersatzlos behoben.

2.   Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.       Sachverhalt:

1.1. Verwaltungsbehördliches Verfahren:

1.1.1.

Mit einer im Betreff mit „Mahnung“ bezeichneten Erledigung des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Aufgaben des Umweltschutzes im Bezirk *** vom 2 Juni 2020 wurde Herr A (in der Folge: Beschwerdeführer) hinsichtlich eines offenen Abgabenbetrages für Behandlungsanteil Restmüll, Bereitstellungsanteil, Seuchenvorsorgeabgabe und Mahngebühr von insgesamt € 80,90 gemahnt:

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

1.1.2.

Gegen diese vorgenannte Erledigung erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10. Juli 2020 ein als „Berufung“ bezeichnetes Rechtsmittel und begründete dieses damit, dass es sich bei der Erledigung des Obmannes des Gemeindeverbandes für Aufgaben des Umweltschutzes im Bezirk *** vom 2. Juni 2020 um einen Mahnbescheid handle er durch diesen in seinen Rechten verletzt werde. Ausdrücklich würden nur die Müllgebühren (Behandlungs- und Bereitstellungsanteil) bekämpft. In der Folge wurde die Aufhebung des Mahnbescheides bzw. subsidiär die bescheidmäßige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Mahnung sowie die Korrektur des Abgabenkontos beantragt.

1.1.3.

Mit dem als „Beschwerdevorentscheidung“ titulierten Bescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Aufgaben des Umweltschutzes im Bezirk *** vom 3. September 2020, ohne Zahl, wurde das Rechtsmittel des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen.

1.2. Beschwerdevorbringen:

Gegen diese vorgenannte Erledigung erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 16. September 2020 ein als Vorlageantrag bezeichnetes Rechtsmittel und begründete dieses umfangreich.

1.3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Mit Schreiben vom 24. September 2020 legte der Gemeindeverband für Aufgaben des Umweltschutzes im Bezirk *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen Akt des Gemeindeverbandes für Aufgaben des Umweltschutzes im Bezirk ***.

1.4. Beweiswürdigung:

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.

2.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. NÖ Abfallwirtschaftsgesetz idF LGBl. 42/2017:

Berechnung der Abfallwirtschaftsgebühr

§ 24. (1) Die Abfallwirtschaftsgebühr besteht jedenfalls aus

- einem Anteil für die Erfassung und Behandlung von Abfall.

Überdies darf die Gemeinde festlegen, daß ein Teil der Abfallwirtschaftsgebühr als

- Anteil für die Bereitstellung von Einrichtungen für die Abfallwirtschaft eingehoben wird.

(2) Die Höhe der jährlichen Abfallwirtschaftsgebühr ist wie folgt zu errechnen:

1. Anteil für die Erfassung und Behandlung von Abfall (Behandlungsanteil):

a. Bei Verwendung von Müllbehältern für eine wiederkehrende Benützung (Tonnen) ist die Grundgebühr für einen Müllbehälter mit der Anzahl der aufgestellten Müllbehälter und mit der Zahl der Abfuhrtermine oder mit der Zahl der tatsächlichen Abfuhren zu vervielfachen.

b. Bei Verwendung von Müllbehältern für eine einmalige Benützung (Säcke) ist die Grundgebühr mit der Zahl der jährlich zugeteilten Müllbehälter zu vervielfachen.

c. Bei der Festsetzung der Grundgebühr sind Kriterien wie der Rauminhalt der Müllbehälter, das Gewicht, das Volumen und die Art des Abfalls etc. zu berücksichtigen, wobei auf die Grundsätze der Abfallwirtschaft (§ 1 Abs. 2) und die Interessen der Verwaltungsökonomie Bedacht zu nehmen ist.

Die Grundgebühr kann festgesetzt werden

- für jede Art von Müllbehältern oder

- nur für Restmüllbehälter. Werden in diesem Fall auch andere Müllbehälter (z. B. Altpapier- und Altglasbehälter) zur Verfügung gestellt, so kann dies bei der Festsetzung der Grundgebühr für den Restmüllbehälter durch Zu/Abschläge entsprechend berücksichtigt werden (gestaffelte Grundgebühr).

d. Für den Sonderbereich (§ 3 Z 11) ist eine um 10% reduzierte Grundgebühr festzusetzen.

2. Anteil für die Bereitstellung von Einrichtungen für die Abfallwirtschaft (Bereitstellungsanteil):

Der Anteil für die Bereitstellung von Einrichtungen für die Abfallwirtschaft ist das Produkt aus der Anzahl der Wohnungen pro Grundstück mal einem Bereitstellungsbetrag. Als Wohnung gelten auch Betriebe, Anstalten und sonstige Einrichtungen, die in die öffentliche Müllabfuhr einbezogen sind. Der Bereitstellungsbetrag darf so festgesetzt werden, daß der voraussichtliche Jahresertrag des Anteils für die Bereitstellung von Einrichtungen für die Abfallwirtschaft an der Abfallwirtschaftsgebühr höchstens 40 % des Jahresaufwandes (Abs. 4) beträgt.

Abgabenschuldner

§ 26. (1) Die Abfallwirtschaftsgebühr und die Abfallwirtschaftsabgabe ist von den Eigentümern der im Pflichtbereich gelegenen Grundstücke, bei deren widmungsgemäßer Verwendung mit Abfallanfall gerechnet werden kann, zu entrichten.

(2) Miteigentümer haften für die Abgabenschulden zur ungeteilten Hand.

Eigener Wirkungsbereich der Gemeinden

§ 32. Die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben der Gemeinden sind solche des eigenen Wirkungsbereiches.

2.2. Bundesabgabenordnung – BAO:

§ 1. (1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden.

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§ 92. (1) Erledigungen einer Abgabenbehörde sind als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen

         a)       Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder

         b)       abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder

         c)       über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.

(2) Bescheide bedürfen der Schriftform, wenn nicht die Abgabenvorschriften die mündliche Form vorschreiben oder gestatten.

§ 93. (1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.

(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

§ 217. (1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages. …

§ 227. (1) Vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeiten sind einzumahnen.

(2) Die Mahnung wird durch Zustellung eines Mahnschreibens (Mahnerlagscheines) vollzogen, in dem der Abgabepflichtige unter Hinweis auf die eingetretene Vollstreckbarkeit aufgefordert wird, die Abgabenschuld binnen zwei Wochen, von der Zustellung an gerechnet, zu bezahlen (Mahnklausel). Ein Nachweis der Zustellung des Mahnschreibens ist nicht erforderlich; bei Postversand wird die Zustellung des Mahnschreibens am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post vermutet. …

§ 227a. Für Landes- und Gemeindeabgaben gilt Folgendes:

         1.       Im Falle einer Mahnung nach § 227 ist eine Mahngebühr von einem halben Prozent des eingemahnten Abgabenbetrages, mindestens jedoch drei Euro und höchstens 30 Euro, zu entrichten. Die Mahngebühr wird bei Zustellung des Mahnschreibens mit der Zustellung, bei Einziehung des Abgabenbetrages durch Postauftrag mit der Vorweisung des Postauftrages fällig.

         2.       Wird eine vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeit erstmals eingemahnt, ohne dass dies erforderlich gewesen wäre, so kann eine Mahngebühr festgesetzt werden; Z 1 gilt sinngemäß.

§ 243. Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, sind Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

§ 260. (1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie

                                     a)     nicht zulässig ist oder

                                     b)     nicht fristgerecht eingebracht wurde.

§ 278. (1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

         a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

         b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandlos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären, so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zweistufiger Instanzenzug bei Gemeinden

§ 288. (1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§ 76 Abs. 1 lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden.

2.3. NÖ Gemeindeordnung 1973 idF LGBl. Nr. 34/2020

Instanzenzug

§ 60. (1) Der Instanzenzug in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches geht

1. gegen Bescheide des Bürgermeisters (des Gemeindeamtes gemäß § 42 Abs. 3) an den Gemeindevorstand (Stadtrat),

2. gegen erstinstanzliche Bescheide des Gemeindevorstandes (Stadtrates) an den Gemeinderat

Gegen Berufungsbescheide des Gemeindevorstandes (Stadtrates) nach Z 1 ist eine weitere Berufung unzulässig.

2.4. NÖ Gemeindeverbandsgesetz idF LGBl. Nr. 34/2020:

Verfahren und vergleichbare Organe

§ 29. (1) Das Verfahren bei Erlassung von Bescheiden und deren Vollstreckung durch Verbandsorgane richtet sich nach den in Betracht kommenden Verfahrensvorschriften.

(2) Das dem Bürgermeister vergleichbare Organ ist der Verbandsobmann, das dem Gemeindevorstand vergleichbare Organ ist der Verbandsvorstand und das dem Gemeinderat vergleichbare Organ ist die Verbandsversammlung. Hiedurch werden die in diesem Gesetz geregelten Zuständigkeiten der Verbandsorgane nicht berührt.

2.3. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:

         1.       Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;

         2.       Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;

         3.       Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.

(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

3.       Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Der mit Beschwerde bekämpfte Bescheid ist wegen Unzuständigkeit des Verbandsobmannes ersatzlos zu beheben.

3.1.1. Grundsätzliches zur Erledigung vom 2. Juni 2020:

Bei dem Schreiben vom 2. Juni 2020 handelte es sich um eine Mahnung für eine offene Seuchenvorsorgeabgabe. Durch dieses Schreiben wurde keine Seuchenvorsorgeabgabe oder sonstige Abgabe festgesetzt.

Gemäß § 227 Abs. 1 und 2 erster Satz BAO sind vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeiten einzumahnen. Die Mahnung wird durch Zustellung eines Mahnschreibens (Mahnerlagscheines) vollzogen, in dem der Abgabepflichtige unter Hinweis auf die eingetretene Vollstreckbarkeit aufgefordert wird, die Abgabenschuld binnen zwei Wochen, von der Zustellung an gerechnet, zu bezahlen (Mahnklausel). Die gegenständliche Erledigung weist einen offenen Zahlungsbetrag (€ 80,90) aus.

Hinsichtlich der Mahnung des offenen Abgabenbetrages stellt sich die gegenständliche Erledigung somit eben nicht als Bescheid, sondern als Mahnschreiben gemäß § 227 BAO dar.

Gemäß § 227a Z.1 erster Satz BAO ist im Falle einer Mahnung nach § 227 eine Mahngebühr von einem halben Prozent des eingemahnten Abgabenbetrages, mindestens jedoch drei Euro und höchstens 30,-- Euro, zu entrichten.

Die Festsetzung einer Mahngebühr hätte daher mit Abgabenbescheid zu erfolgen
(§ 92 iVm §§ 3 und 3a BAO).

Die Erledigung vom 2. Juni 2020 ist jedoch kein Bescheid.

Da eine Mahnung keinen Bescheid darstellen kann, fehlt es der gesamten Erledigung am Bescheidcharakter. Eine Zahlungsverpflichtung zur Abgabenentrichtung wurde durch dieses Schreiben nicht begründet. Eine solche Zahlungsverpflichtung kann nur mit einem gesonderten Abgabenbescheid begründet werden. Das Schreiben vom
2. Juni 2020 enthält keine Vorschrift, durch welche eine Verpflichtung zur Entrichtung einer Abgabe begründet werden könnte.

Gemäß § 93 Abs. 2 BAO hat ein Bescheid einen Spruch zu enthalten.

Entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fehlt einem Verwaltungsakt, der keinen bestimmten Spruch enthält, die Rechtsqualität als Bescheid.

Durch die Erledigung vom 2. Juni 2020 wurde keine bestimmte Abgabe festgesetzt. Das Schreiben des Verbandsobmannes stellt sich dem Inhalt nach als Mahnschreiben dar, wodurch eine Zahlungspflicht jedenfalls nicht begründet werden konnte. Da durch diese Erledigung keine Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe begründet wurde, kommt ihr auch kein normativer Inhalt zu, sie enthält daher keinen Spruch. Eine Zahlungsverpflichtung zur Abgabenentrichtung (z.B. zur Entrichtung einer Abfallwirtschaftsgebühr) wurde durch dieses Schreiben jedenfalls nicht begründet, sodass vom Vorliegen eines normativen Spruches nicht gesprochen werden kann.

Es handelt sich daher schon aus diesem Grund nicht um einen Bescheid, sondern um eine Mahnung.

Die Mahnung selbst ist kein Bescheid (arg.: die Worte Mahnschreiben und Mahnerlagschein in § 227 BAO; VwGH 89/17/0006; VwGH 96/17/0339 und VwGH 95/17/0458).

Im Übrigen ist das Schreiben auch nicht als Bescheid bezeichnet.

Bescheide sind ausnahmslos und ausdrücklich mit dem Wort „Bescheid“ zu bezeichnen (vgl. § 93 Abs. 2 BAO; Ritz, BAO5, § 93, Tz.4). Die Bezeichnung als Bescheid dient der Erkennbarkeit einer behördlichen Ausfertigung als normativer Akt (Stoll, BAO, 958). Die fehlende Bezeichnung einer Erledigung einer Behörde als Bescheid ist unschädlich, wenn sich aus dem Inhalt der Erledigung keine Zweifel am normativen Gehalt ergeben (vgl. z.B. VwGH 89/14/0162 und VwGH 2002/14/0035). Bei Zweifeln über den Bescheidcharakter ist schließlich doch die Bezeichnung als Bescheid essentiell (vgl. VwGH 90/17/0117; VwGH 92/17/0288; VwGH 98/17/0283 und VwGH 2007/17/0115).

Es handelt sich bei diesem Schreiben daher nicht um einen Bescheid.

3.1.2. Zum Verfahren nach dem NÖ Abfallwirtschaftsgesetz 1992:

Der Beschwerdeführer hat in seinem Rechtsmittel vom 10. Juli 2020 ausdrücklich nur die eingemahnten Müllgebühren (Behandlungs- und Bereitstellungsanteil) bekämpft.

Gemäß § 32 NÖ Abfallwirtschaftsgesetz 1992 sind die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben der Gemeinden solche des eigenen Wirkungsbereiches.

Daraus folgt, dass im Bereich der Vorschreibung der von Abfallwirtschaftsgebühren und –abgaben nach dem NÖ Abfallwirtschaftsgesetz 1992 ex lege im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde erfolgen, sodass ein Abgabenbescheid des Bürgermeisters/Verbandsobmannes gemäß § 288 BAO iVm § 60 Abs. 1 NÖ Gemeindeordnung 1973 und § 29 NÖ Gemeindeverbandsgesetz nur mit Berufung an den Gemeindevorstand/Verbandsvorstand bekämpft werden kann.

Mit Berufung bzw. Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide, daher sind Beschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VwGH 2005/13/0179; VwGH 2006/13/0001 oder VwGH 2010/17/0066).

Eine Berufung ist gemäß § 288 iVm § 278 BAO nur gegen Bescheide zulässig.

Im vorliegenden Fall ist nun von dem in einem Verfahren des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde unzuständigen Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Aufgaben des Umweltschutzes im Bezirk *** mittels „Beschwerdevorentscheidung“ entschieden worden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.3.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

3.1.4. Ergänzende unpräjudizielle Anmerkungen:

Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers vom 10. Juli 2020 richtet sich nicht gegen einen Bescheid und wäre somit - mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes - auch nicht zulässig. Die Zurückweisung hätte mit Berufungsentscheidung durch den Verbandsvorstand erfolgen müssen.

Da der Beschwerdeführer bereits mehrfach Rechtsmittel gegen Mahnungen/Lastschriftanzeigen des Gemeindeverbandes eingebracht hat, die dann im Ergebnis alle zurückzuweisen waren bzw. – rechtskräftig - als unzulässig zurückgewiesen worden sind, wäre im Falle weiterer Rechtsmittel gegen Mahnungen und Lastschriftanzeigen zu prüfen, ob nicht die Voraussetzungen zur Verhängung einer Mutwillensstrafe iSd § 112a BAO erfüllt sind.

3.2.    Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die unter Punkt 3.1. auch dargelegt wird.

Schlagworte

Finanzrecht; Abfallwirtschaft; Gemeindeverband; Verfahrensrecht; Bescheid; Mahnschreiben; Zahlungsverpflichtung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.1046.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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