Entscheidungsdatum
12.06.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
W140 2230440-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , StA. Russische Föderation, in Schubhaft zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 07.02.2020, Regionaldirektion Niederösterreich - Außenstelle St.Pölten, wurde über den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dagegen erhob der BF Beschwerde. Der BF befindet sich seit 14.02.2020 in Schubhaft. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.04.2020, XXXX , wurde die Beschwerde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen (Spruchpunkt II).
Das Bundesverwaltungsgericht führte u. a. Folgendes aus:
„Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
- Der Beschwerdeführer (in Folge auch BF genannt) hat am 23.09.2005 einen Asylantrag gestellt, wobei Ihm in II. Instanz am 08.04.2009 der Asylstatus gem. § 7 AsylG erteilt wurde.
- Er wurde von einem Landesgericht am 18.10.2016 (Rk 19.10.2016), gemäß §§ 15, 278a (Kriminelle Organisation), 107 Abs. 1, 107 Abs. 2 (Gefährliche Drohung), 83 Abs. 1, 278b Abs. 2 (Terroristische Vereinigung) StGB, zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monate, davon 16 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt (Jugendstraftat);
- Aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilung wurde am 27.06.2017 gegen den BF ein Aberkennungsverfahren eingeleitet.
- Am 01.12.2017 wurde gegen den BF in I. Instanz eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot erlassen.
- Gegen diese Entscheidung hat der BF am 02.01.2018 eine Beschwerde eingebracht.
- Am 14.08.2018 wurde der BF bei Begehung einer neuerlichen Straftat festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Er verblieb sodann in weiterer Folge bis zum 14.02.2020 in Strafhaft.
- Der BF wurden von einem Landesgericht am 07.11.2018 (Rk 13.11.2018), gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 (Nötigung), 142 Abs.1 (Raub) StGB, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monate, rechtskräftig verurteilt.
- Am 27.09.2019 erfolgte durch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur anhängigen Beschwerde eine mündliche Einvernahme, in welcher dem BF (und seinem Vater) das mündliche Parteiengehör gewährt und seine Mutter als Zeugin angehört wurde.
- Im Anschluss an diese Einvernahme erfolgte die Verkündung des Erkenntnisses, wobei die Beschwerde des BF gem. §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 Ziffer 2, 57, 10 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 9, 55 Abs. 1-3 FPG als unbegründet abgewiesen und das erlassene Einreiseverbot auf 7 Jahre verkürzt wurde.
- Die Rückkehrentscheidung iVm dem Einreiseverbot wurde am 27.09.2019 in II. Instanz rechtskräftig, wobei dem BF die Ausreise innerhalb von 14 Tagen nach Verbüßung seiner Haftstrafe zugestanden wurde.
- Der BF wurde am 29.01.2020, noch während der Verbüßung seiner Haftstrafe, in der JA niederschriftlich einvernommen und es wurde dem BF mitgeteilt, dass die Verhängung von Schubhaft vorgesehen sei. Zusätzlich wurden alle notwendigen Fragen und Unterlagen zum Erlangen eines Heimreisezertifikats ausgefüllt.
- Der Antrag auf Erteilung eines Heimreisezertifikats wurde am 31.01.2020 an die zuständige Abteilung weitergeleitet.
- Am 07.02.2020 wurde über den BF ein Bescheid gem. § 76 Abs. 2 Ziffer 2 FPG (regulärer Schubbescheid) erlassen und dieser dem BF in der JA zugestellt. Im angefochtenen Bescheid wurde angemerkt, dass eine freiwillige Ausreise auch im Zuge der Schubhaft in der gewährten Frist möglich sei. Dabei wurde ausgeführt, der BF habe durch sein Vorverhalten die Kriterien für das Bestehen von Sicherungsbedarf nach den gesetzlichen Vorgaben erfüllt und sei daher von Fluchtgefahr auszugehen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen haben. Ein gelinderes Mittel sei nach Sicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig.
- Der BF wurde am 14.02.2020 aus der Strafhaft (JA) entlassen und aufgrund des bestehenden Schubhaftbescheides und eines Einlieferungsauftrages festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum (PAZ) überstellt. Der Schubhaftbescheid vom 07.02.2020 wurde in Vollzug gesetzt.
- Am 28.02.2020 wurde durch das PAZ ein Bericht an die Behörde vorgelegt, aus der hervorging, dass der BF eine Ordnungswidrigkeit (Einschmuggeln von Gegenstände – Auffindung eines Mobiltelefons) während des Aufenthalts in Schubhaft begangen habe.
- Am 14.04.2020 wurde die Behörde verständigt, dass der Vater des BF durch die russische Botschaft identifiziert wurde und diesem ein Heimreisezertifikat ausgestellt werde.
- Mit Beschwerdeschrift vom 20.04.2020 (bei Gericht eingelangt am 21.04.2020) wurde im Wesentlichen das Vorliegen von Sicherungsbedarf verneint und die Unverhältnismäßigkeit der laufenden Schubhaft geltend gemacht.(…)
- Durch die derzeitige COVID-19 Pandemie konnte bis dato noch kein Vorführtermin bei der russischen Botschaft erlangt werden.
- Mit Beschwerdeergänzung vom 26.04.2020 wurde unter Beilage von Kopien der Aufenthaltstitel ergänzend vorgebracht, dass die Mutter und fünf Geschwister derzeit über eine Daueraufenthaltsbewilligung EU verfügen würden. Gegen diese werden daher auch keine Verfahren zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen geführt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person:
1.1. Der BF reiste vor vielen Jahren illegal in das Bundesgebiet ein, erhielt im Jahr 2009 in Österreich Asyl und ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Er ist Fremder i.S.d. Diktion des FPG.
1.2. Der BF leidet an keinen nennenswerten Erkrankungen.
1.3. Er wurde in Österreich bisher zweimal strafgerichtlich verurteilt und befand sich von 28.07.2016 bis 02.01.2017 und von 14.08.2018 bis 14.02.2020 jeweils in Strafhaft. Am 14.02.2020 wurde der BF nach Beendigung der Strafhaft direkt in die gegenständliche Schubhaft überführt.
Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:
2.1. Die titelgebende Rückkehrentscheidung vom 01.12.2017 wurde mit mündlicher Verkündung der Beschwerdeentscheidung vom 27.09.2019 rechtskräftig und ist (mittlerweile) auch durchsetzbar.
2.2. Ein Heimreisezertifikat für den BF liegt noch nicht vor. Von einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die Russische Botschaft und einer darauffolgenden baldigen Abschiebung des BF ist nach derzeitiger Sicht innerhalb der gesetzlichen Höchstanhaltefrist für Schubhaften auszugehen.
2.3. Der BF ist haftfähig.
2.4. Die Einleitung des Heimreisezertifikatsverfahrens am 31.01.2020 bei der russischen Botschaft erfolgte nicht verzögert.
Zum Sicherungsbedarf/Verhältnismäßigkeit:
3.1. Gegen den BF liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.
3.2. Der BF hat im Verfahren zur Aberkennung seines Asylstatus und zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung nur bedingt mitgewirkt und seine Rückkehr behindert, indem er keine Schritte zur Beschaffung identitätsbezeugender Dokumente unternommen hat.
3.3. Er ist nicht vertrauenswürdig.
3.4. Er ist nicht rückreisewillig.
3.5. Der BF war in Österreich durchgehend im Zentralen Melderegister erfasst.
3.6. Der BF verfügt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nach wie vor über aufrechte Kontakte zu Personen aus salafistisch-terroristischen Kreisen, mit denen vor seiner Inhaftierung eine Ausreise nach Syrien (Anschluss an den IS) geplant gewesen ist.
Zur familiären/sozialen Komponente:
4.1. In Österreich leben seine Eltern und mehrere Geschwister. Sonst bestehen keine nennenswerten sozialen Beziehungen und ist vielmehr von keiner besonderen Integration in der österreichischen Gesellschaft auszugehen. Diese familiären Verhältnisse waren in der Vergangenheit nicht in der Lage dem BF ausreichend Halt zu geben und ihn von wiederholter massiver Straffälligkeit zu bewahren.
4.2. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig und weist auch sonst, mit Ausnahme der Sprachkenntnisse, keine besonderen Integrationsmerkmale auf.
4.3. Er verfügt über € 650,39 (per 23.04.2020).
4.4. Der BF hat in Österreich einen gesicherten Wohnsitz.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.3.):
Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes (1.1.). Die Feststellung zur Staatbürgerschaft des BF ergeben sich daraus, dass sein Vater mittlerweile als Angehöriger der Russischen Föderation identifiziert worden ist, der BF selbst sich in den Verfahren als Staatsbürger der RF bezeichnet hat, er dort geboren ist und seine ersten Lebensjahre auch dort verbracht hat. Die Russische Staatsangehörigkeit des BF wurde zudem im Verfahren zur Aberkennung bereits gerichtlich festgestellt. Bisher sind zudem keine Hinweise aufgetaucht, dass der BF tatsächlich als „staatenlos“ anzusehen wäre. Hinsichtlich des BF sind keine nennenswerten Erkrankungen aktenmäßig erfasst (1.2.) und hat der BF auch selbst stets angegeben, gesund zu sein (EV vom 29.01.2020). Aus den Eintragungen in der Anhaltedatei war ebenso nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Das Gericht konnte daher davon ausgehen, dass der BF im Wesentlichen gesund ist. Die strafgerichtlichen Verurteilungen und die Haftzeiten waren dem Strafregister zu entnehmen (1.3.).
2.2. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.4.):
Die Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung nach mündlicher Erkenntnisverkündung durch das BVwG am 27.09.2019 ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und wurde seitens des Beschwerdeführers nicht in Zweifel gezogen (2.1.).
Die Feststellung zu 2.2. ergibt sich daraus, dass bereits am 31.01.2020, daher während der laufenden Strafhaft, ein behördlicher Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der russischen Botschaft gestellt wurde. Die aktuelle Antragstellung durch die Behörde ist nach derzeitigem Stand der Informationen keinesfalls aussichtslos und ist die Ausstellung eines Heimreisezertifikates als durchaus möglich anzusehen. Das Verfahren hat diesbezüglich nichts Entgegengesetztes ergeben. Da jedoch derartige Verfahren mit Russland durchschnittlich mehrere Monate dauern, ist im vorliegenden Fall erst im Laufe des Sommers mit einer Ausstellung des Zertifikates zu rechnen. Demgegenüber hat die Behörde glaubhaft ausgeführt, dass eine tatsächliche Abschiebung des BF nach Erhalt eines Heimreisezertifikates ohne Verzögerung durchführbar sein wird. Es war daher davon auszugehen, dass eine Abschiebung des BF jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Höchstfristen für die Anhaltung in Schubhaft bewerkstelligt werden kann.(…)
2.4. Eine Antragstellung während aufrechtem Asyl war nicht möglich. Als sich abzeichnete, dass der Vater des BF als Staatsbürger der RF identifiziert werden würde, wurde am 31.01.2020 auch das Verfahren für den BF in Gang gesetzt. Für den BF liegen derzeit aufgrund der fehlenden Mitwirkung des BF keine Identitätsurkunden zur Vorlage vor der russischen Botschaft vor, sodass hiefür der Nachweis der Staatsbürgerschaft des Vaters als zielführend angesehen werden durfte. Dieser wurde in weiterer Folge erst am 14.04.2020 als Staatsbürger der Russischen Föderation identifiziert. Das Heimreisezertifikatsverfahren wurde daher bereits frühzeitig, und somit rechtzeitig in Gang gesetzt und kam es bisher zu keinen aktenkundigen Verzögerungen.
2.3. Zum Sicherungsbedarf /Verhältnismäßigkeit (3.1.-3.6.):
Das Vorliegen einer durchsetzbaren und aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergibt sich bereits aus dem Akteninhalt (3.1.). Mit schriftlichem Parteiengehör vom 09.08.2019 wurde der BF im Aberkennungsverfahren aufgefordert eine Äußerung abzugeben, weitere Beweismittel vollständig vorzulegen, Unterlagen über seine Identität beizubringen und konkrete Fragen zu diesem Verfahren zu beantworten. Der BF, dem dieses Parteiengehör nachweislich zugekommen ist, hat in der Folge keine Stellungnahme abgegeben, obwohl aus dem Schreiben des BFA klar hervorgeht, dass die Angaben für das Verfahren zur behördlichen Entscheidung von hoher Wichtigkeit seien. Weiters hat der BF im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG am 27.09.2019 mehrmals die Beantwortung von verfahrenswesentlichen Fragen ohne hinreichende Begründung verweigert und dadurch gegen seine ihn treffende Mitwirkungspflicht verstoßen. Es finden sich auch keine Hinweise darauf, dass sich der BF bisher auch nur ansatzweise bemüht haben könnte, Dokumente zu beschaffen, um die Erlangung eines Heimreisezertifikates zu ermöglichen, oder zu beschleunigen. Schließlich wurde ihm bereits am 25.01.2018 die freiwillige Heimreise bewilligt. Der diesbezügliche offenbar nicht ernst gemeinte Antrag erfolgte sohin nach Ansicht des Gerichts in grober Verzögerungsabsicht und behinderte in weiterer Folge auch den Fortgang der behördlichen Bemühungen, den BF sodann zur Ausreise zu verhalten. Der BF hat daher durch sein geschildertes Verhalten das laufende Abschiebeverfahren, aber auch seine Rückkehr immer wieder behindert und sich in keiner Weise kooperativ gezeigt. (3.2.).
Aus dem gesamten bisherigen Verhalten des BF ergibt sich, dass dieser nicht vertrauenswürdig ist. Dies zeigte sich konkret durch die mehrmalige Straffälligkeit und das ordnungswidrige Verhalten in der Schubhaft (Benutzen eines Mobiltelefones). Weder das bisherige Verhalten, noch seine widerwillige Art, in der gerichtlichen Verhandlung vom 27.09.2019 Fragen zu beantworten bzw. die Beantwortung zu verweigern waren geeignet, das Gericht von einer Vertrauenswürdigkeit des BF zu überzeugen (3.3.).
Die fehlende Rückreisewilligkeit lässt sich aus dem Gesamtverhalten des BF klar entnehmen und hat er dies auch in seiner Einvernahme am 27.09.2019 verbal bekräftigt. Darüber hinaus hat er zwar einen Antrag auf freiwillige Ausreise gestellt, hat jedoch keine Bemühungen gezeigt, die notwendigen Dokumente zu erlangen und ist auch de facto bisher nicht freiwillig ausgereist. Ganz im Gegensatz zu einer behaupteten Ausreisewilligkeit setzt der BF derzeit sichtlich alles daran, seine Staatsangehörigkeit zur RF, die bisher nie zweifelhaft gewesen ist, zu verschleiern bzw. selbst plötzlich in Frage zu stellen. Ausreisewilligkeit würde sich anders ausdrücken (3.4.).
Aus dem ZMR war zu entnehmen, dass der BF in Österreich stets eine aufrechte Meldeadresse gehabt hat (3.5.).
Die Feststellung zu 3.6. basiert auf der Tatsache, dass der BF im Zuge seiner Schubhaft ordnungswidrig ein Mobiltelefon zur Kontaktaufnahme mit der Außenwelt betrieben hat. Dies indiziert in diesem Sinne aber auch, dass weiterhin aufrechte Kontakte zu terroristischen Kreisen bestehen könnten bzw. wahrscheinlich sind. Es kann daher nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der BF noch immer Kontakt zu ihm bekannten salafistisch-terroristischen Kreisen hat und im Falle einer Entlassung trotz Meldeadresse untertauchen und eventuelle erneut einen Ausreiseversuch (nach SYRIEN) starten würde. Daran kann auch der in der Beschwerdeschrift erwähnte Besuch einer klinisch-psychologischen Behandlungsgruppe und eines Antigewalttrainings nichts ändern, da der BF ganz offensichtlich dennoch weiterhin nicht dazu bereit ist, sich an gesellschaftliche Regeln (so auch Vorschriften der Anstaltsordnung) zu halten.
2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.4.):
Aufgrund der Aktenlage (behördlicher und gerichtlicher Schubhaftakt, sowie Akt des gerichtlichen Aberkennungsverfahrens) ergibt sich, dass der BF in Österreich ein familiäres Netz in Form vom Eltern und mehreren Geschwistern, jedoch sonst über keine nennenswerten anderweitigen wesentlichen sozialen Kontakte in Österreich verfügt. Auch die Behörde hat diesbezüglich eindeutige Feststellungen in dieser Weise getroffen, von denen ausgegangen werden konnte. Der BF wurde in Strafhaft periodisch von Familienmitgliedern besucht. Mit einer Ausnahme finden sich jedoch keine weiteren Personen, die über diesen Familienkreis und den Kreis der Haftbetreuung hinausgehen. Die Behauptung in der Beschwerdeschrift, die Behörde habe die familiären Beziehungen nicht gehörig ermittelt bzw. dementsprechend festgestellt, trifft daher nicht zu. Das Vorleben des BF zeigt jedoch klar auf, dass auch die an sich gute familiäre Einbettung in der Vergangenheit gar nicht in der Lage gewesen ist, dem BF den nötigen Halt zu bieten und diesen von der Begehung mehrerer massiver Straftaten erfolgreich abzuhalten (4.1.).
Der BF hat auch bisher keine nachhaltige legale Berufstätigkeit ausgeübt, durch welche sich eine gewisse Kontinuität seines Lebens widerspiegeln würde. Er ist auch derzeit nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtigt. Es kann daher auch nicht von einem periodischen Einkommen ausgegangen werden. Der BF verfügt zwar aktuell über einen höheren Geldbetrag (Feststellung 4.3.), dadurch ist sein Aufenthalt jedoch lediglich für kurze Zeit aus eigener Kraft abgesichert. Es würde daher jedenfalls auf die Versorgungszusage der Eltern zurückgegriffen werden müssen.
Bereits im Rahmen des behördlichen Verfahrens ist eine Wohnmöglichkeit für den BF festgestellt worden und geht das Gericht nun auch von der Möglichkeit des BF, wieder bei seiner Mutter zu wohnen aus (4.4.).(…)
3. Rechtliche Beurteilung(…)
3.1.3. Aufgrund des gerichtlichen Beweisverfahrens sieht das Gericht Sicherungsbedarf für gegeben an, da der BF nicht rechtmäßig im Inland aufhältig ist und gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung besteht. Der BF hat in Österreich anfangs Asyl erhalten, dieses wurde ihm jedoch im Zuge eines Aberkennungsverfahrens wieder entzogen und eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen. Er war zwar außerhalb seiner Zeiten in Haftanstalten stets aufrecht in Österreich gemeldet und sohin offenbar für die Behörde auch greifbar, kann jedoch nach Ansicht des Gerichtes aufgrund seines Vorverhaltens nicht als kooperativ oder aber als vertrauenswürdig angesehen werden. Seine fehlende Ausreisewilligkeit tat der BF im Rahmen seiner letzten Einvernahmen verbal kund, nutzte eine ihm gebotene Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise nicht und unternahm auch keinerlei Anstrengungen, sich selbst Dokumente für die Heimkehr zu besorgen.
Der BF hat in Österreich zwar mehrere Familienangehörige und konnte auch einen gesicherten Wohnsitz darlegen, ist jedoch sonst in der österreichischen Gesellschaft kaum sozial verfestigt, spricht aber gut Deutsch. Auch im Zuge des gerichtlichen Verfahrens wurde eine außerfamiliäre Integration nicht bescheinigt bzw. glaubhaft gemacht und kamen auch keinerlei weitere nennenswerten sozialen Kontakte des BF ans Tageslicht, wiewohl der BF bereits seit vielen Jahren in Österreich aufhältig ist. Der BF ist gesund und haftfähig. Das bestehende familiäre Netz hat dem BF jedoch klar ersichtlich in der Vergangenheit nicht ausreichend Halt geben können und wurde der BF wiederholt massiv straffällig. Die familiäre Umgebung ist daher nach Ansicht des Gerichtes nicht in der Lage, den BF, der mit hoher Wahrscheinlichkeit immer noch Kontakte zu früheren Weggefährten aus salafistisch-terroristischen Kreisen unterhält, mit ausreichender Wahrscheinlichkeit von einem Abtauchen in die Anonymität, oder aber von einem neuerlichen Versuch der Ausreise etwa nach Syrien, wodurch er sich den Behörden ebenso entziehen würde, erfolgreich abzuhalten. Das Gericht geht daher in einer Gesamtsicht des Verhaltens unter den oben angeführten und festgestellten Tatbeständen des § 76 Abs. 3 jedenfalls vom Bestehen erheblichen Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Person des BF aus. Die im Bescheid erwähnten Kriterien zur Annahme des Sicherungsbedarfes haben sich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens als weiterhin zutreffend erwiesen. Das Gericht sieht daher ebenso ausreichenden Sicherungsbedarf für gegeben an.
3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer zwar bisher nicht untergetaucht ist und über mehrere Familienangehörige im Inland verfügt, aber sonst keinerlei nennenswerte soziale Kontakte im Inland hat, die im Rahmen der gerichtlichen und behördlichen Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung bzw. eines Belassen in Freiheit zu beeinflussen ausreichend waren. Hinzu kommt, dass gegen den Vater und einen Bruder des BF ebenso aktuell Asylaberkennungsverfahren laufen bzw. bereits abgeschlossen sind und der längerfristige Verbleib dieser Familienmitglieder daher nicht als gesichert bezeichnet werden kann. Der BF hat durch seine wiederholt begangenen massiven Straftaten gegen geltende Gesetze des Landes verstoßen und damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Da sich der BF seit der Beendigung der letzten Strafhaft nicht auf freiem Fuße befand, kann auch im konkreten Fall nicht erkannt werden, dass sich dieser (seit der Entlassung) über einen maßgeblichen Zeitraum wohlverhalten hätte. Im Rahmen der laufenden Schubhaft ist es jedoch zu einer wesentlichen Ordnungswidrigkeit gekommen (Auffinden eines Mobiltelefones in der Zelle), was tendenziell keine massive Besserung des BF erkennbar macht. Gegen den BF liegt mittlerweile eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung und auch ein befristetes Einreiseverbot vor. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts nunmehr ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland rechtlich nicht gedeckt ist und auch eine Wiederkehr des BF nicht gewünscht werde. Daraus lässt sich sohin auch ein erhöhtes Interesse der Öffentlichkeit an einer gesicherten Außerlandesbringung des BF klar erkennen zumal der BF aufgrund der Ergebnisse des Aberkennungsverfahrens als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bezeichnet werden kann. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF weit weniger schwer als das öffentliche Interesse einer baldigen gesicherten Außerlandesbringung des BF. Das Gericht geht daher – wie oben angeführt – von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal die Bemühungen der Behörde trotz der momentan widrigen Umstände ein Heimreisezertifikat für den BF zu erlangen, im Rahmen des Verfahrens deutlich hervorgekommen sind. Dabei sei die manifestierte Unkooperativität des BF herauszuheben, die sich durch das Verhalten im Verfahren zur Abschiebung und zur Schubhaft deutlich gezeigt hat. Es ist daher dem BF nach heutiger Sicht auch zuzumuten, die Zeit bis zur Entscheidung über die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bzw. bis zu seiner Rückführung in Schubhaft zuzubringen.
3.1.5. Zur bezweifelten Effektuierbarkeit der Abschiebung:
3.1.5.1. Richtig ist, dass es bisher während der laufenden Strafhaft nicht zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats für den BF gekommen ist. Entgegen der Rechtsansicht des BF ist es jedoch ausreichend, dass die Behörde bei Beantragung eines Heimreisezertifikates von einer realistischen Möglichkeit der Ausstellung eines Zertifikates ausgehen durfte, was hier der Fall war. Die Behörde konnte bisher von einer russischen Staatsbürgerschaft des BF ausgehen, musste aber zur näheren Verifizierung zuwarten, bis die Identifizierung des Vaters des BF in greifbare Nähe gerückt ist. Die Behörde hat diesbezüglich jedoch ohnehin die Identifizierung des Vaters nicht gänzlich abgewartet, sondern bereits am 31.1.2020 das Antragsverfahren begonnen, wiewohl die russische Staatsbürgerschaft des Vaters, die für das Verfahren des BF einen versichernden Faktor bedeutet, zu diesem Zeitpunkt noch nicht restlos geklärt gewesen ist. Die nun gegebene Sachlage (Staatsbürgerschaft des Vaters geklärt) ist ausreichend, um gerichtlicherseits davon ausgehen zu können, dass eine Erlangung eines Heimreisezertifikates und eine daran anknüpfende Abschiebung des BF innerhalb der gesetzlichen Fristen trotz der derzeitigen unklaren Situation durch die CoViD-19 Pandemie, durchaus möglich erscheint.
Sich rechtswidrig zu verhalten und seiner Mitwirkungspflicht nur ungenügend nachzukommen, aber im Gegenzug die Dauer der Schubhaft oder die Schubhaft selbst sehr bald als unverhältnismäßig darzustellen bzw. die Erlangung eines Heimreisezertifikates als von vornherein aussichtslos zu qualifizieren, vermag das erkennende Gericht nicht zu überzeugen. Es steht dem BF in jeder Verfahrenslage frei, durch Anforderung von Unterlagen aus seiner Heimat seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen und dadurch einer Verkürzung seiner Schubhaft aktiv Vorschub zu leisten. Die laufende Schubhaft ist daher auch aus diesem Gesichtspunkt weiter verhältnismäßig.
3.1.5.2. Das Gericht schließt nicht aus, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) in den kommenden Wochen weiterhin zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt – mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung im Sommer 2020 ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch. Aus derzeitiger Sicht ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit CoViD-19 zumindest noch vor dem Sommer weitgehend gelockert und Abschiebungen wieder faktisch durchführbar werden.
Ebenso verhält es sich mit den konsularischen Prüfungsverfahren. Es liegen dem Gericht keine Berichte vor die den Schluss zulassen, dass es seitens der Botschaft, oder der russischen Behörden zur gänzlichen Arbeitseinstellung gekommen ist, oder diese in naher Zukunft zu erwarten wäre. Einschränkungen beim Parteienverkehr bedeutet keinen Stillstand der konsularischen Arbeit im Hintergrund. Das Gericht geht daher diesbezüglich davon aus, dass auch die russische Verwaltung ihre Tätigkeit so lang als möglich weiter aufrechterhalten wird, um die Rechtsstaatlichkeit auf dem bestehenden Niveau halten zu können. Eine Verzögerung der Abschiebung unmittelbar aufgrund dieser Umstände ist zum Entscheidungszeitpunkt nicht ersichtlich. Eine Abschiebung des BF innerhalb der gesetzlichen Höchstfrist ist daher weiterhin möglich.(…)
Wie oben unter 3.1.5. angeführt, ist der BF zum mehrfachen Straftäter geworden und hat massiv gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen. Dieses Fehlverhalten des BF kann nicht unbeachtet bleiben. Das massive öffentliche Interesse an einer gesicherten Abschiebung des BF ist im vorliegenden Fall durchaus erkennbar und ist es dem BF daher auch aus diesen Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit zumutbar, weiter in Haft zu verbleiben.
3.1.6. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit einer baldigen Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt „Sicherungsbedarf“ erörtert wurden zeigen eindeutig, dass nicht mit der notwendigen Sicherheit davon ausgegangen werden konnte, dass der BF jederzeit für die Behörde greifbar bleiben würde. Aufgrund der durchgeführten Prüfung im Verfahren zeigte sich, dass beim BF erhebliche Fluchtgefahr anzunehmen ist. Das Gericht vermeint daher, dass dem BF jedes Mittel recht wäre, sich dem Zugriff der Behörde zu entziehen, was jedenfalls mit einem Untertauchen verbunden wäre. Auch hat die nahe Vergangenheit bereits gezeigt, dass der BF gerade jetzt, wo eine Abschiebung in den kommenden Monaten real durchführbar sein wird, dieser im Verfahren zur Aberkennung unkooperativ wurde um die nahende Abschiebung zu behindern. Daraus war ersichtlich, dass der BF in Hinkunft mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ergreifen würde, um seine zwangsweise Rückkehr in die Russische Föderation zu verhindern. Es besteht daher für das Gericht kein Grund davon auszugehen, dass ein gelinderes Mittel eine ausreichende Sicherung der Abschiebung des BF bedeuten würde. Auch die im vorliegenden Fall u. U. mögliche finanzielle Sicherheitsleistung wäre nach Ansicht des Gerichts nur ungenügend in der Lage, ein Untertauchen des BF zu unterbinden, zumal die vorhandenen Geldmittel zur Sicherung nach Ansicht des Gerichts als ungenügend zu bezeichnen sind. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.(…)
3.1.7. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als „ultima ratio“ und wird die Schubhaft auch bis zur erfolgreichen Abschiebung vorerst weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der „ultima ratio“ im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.(…)
Zu Spruchpunkt II. – Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:
Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.(…)“
Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 04.06.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".
Mit E-Mail vom 04.06.2020 übermittelte das BFA folgende Stellungnahme:
„(…)Zur Zahl XXXX wurde durch das BFA am 07.02.2020 ein regulärer Schubbescheid gem. § 76 Abs. 2 Ziffer 2 FPG erlassen und unter Beilage der Verfahrensanordnung Rechtsberater (VA RB) an die Partei mittels Zustellnachweis (Übernahme 10.02.2020) zugestellt und an die zuständige Rechtsvertretung mittels RSb versandt. Außerdem wurde am 07.02.2020 die zugewiesene Rechtsberatung (ARGE) mit Übersendung der VA RB per Mail in Kenntnis gesetzt.(…)
Der Beginn der Schubhaft war am 14.02.2020.
Am 20.04.2020 wurde durch die ARGE Rechtsberatung – XXXX eine Schubhaftbeschwerde bei der ha. Behörde eingebracht.(…)
Durch das BVwG wurde mit GZ XXXX am 28.04.2020 die eingebrachte Beschwerde als unbegründet abgewiesen und entschieden, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung weiter vorlag.
Eine weitere Beschwerde wurde seither nicht eingebracht.
Die Partei hat
? die Ausreiseverpflichtung missachtet;
? hatte Kontakt zu IS-Organisation und wollte nach Syrien ausreisen und wurde dafür (§ 278a StVG) rechtskräftig verurteilt;
? mehrere Straftaten begangen;
? nicht oder mangelhaft bei der Identitätsprüfung mitgewirkt;
? nicht oder mangelhaft bei der Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes mitgewirkt;
? mehrere Straftaten in Österreich begangen;
? kein gesichertes Einkommen;
? keine soziale Integration;
? keine berufliche Integration;
Dzt. familiären Verhältnisse:
Vater: ISAEV Khumid, geb. 10.01.1963, Sta. RUSSLAND (IFA: 751554201) – 02.04.2009 § 7 AsylG pos. – Aberkennungsverfahren (ABE) mit RE seit 27.09.2019 rk. vorhanden – Ausreisefrist verstrichen – Ausreise mit VMÖ beantragt und genehmigt – HRZ Zusage vorhanden – aus gelinderen Mittel entzogen, dzt. FNA ausgeschrieben – unbekannten Aufenthalts – rechtlich vertreten;
Mutter: XXXX , Sta: RUSSLAND ( XXXX ) – 08.04.2009 § 7 AsylG pos. – ABE ohne RE seit 16.01.2020 in Beschwerde – AT Daueraufenthalt EU seit 27.11.2019 bis 27.11.2024 vorhanden;
Bruder: XXXX , Sta. RUSSLAND ( XXXX ) - 08.04.2009 § 7 AsylG pos. – ABE mit RE iVm EV seit 01.03.2018 rk. vorhanden – seit 06.12.2019 in Schubhaft – letzte § 22a Abs. 4 BFA-VG Prüfung durch BVwG GZ XXXX durchgeführt und am 26.05.2020 beurteilt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen auch weiterhin vorliegen;
Bruder: XXXX , Sta: RUSSLAND ( XXXX ) – 08.04.2009 § 7 AsylG pos. – ABE ohne RE seit 16.01.2020 in Beschwerde – AT Daueraufenthalt EU seit 27.11.2019 bis 27.11.2024 vorhanden;
Bruder: ISAEV Izudy, geb. 19.09.2003, Sta: RUSSLAND ( XXXX ) – 08.04.2009 § 7 AsylG pos. – ABE ohne RE seit 05.03.2020 rk. vorhanden – seit 10.01.2020 AT Daueraufenthalt EU bis 10.01.2025 vorhanden;
Schwester: XXXX , Sta. RUSSLAND ( XXXX ) – 29.12.2010 § 3 AsylG pos. – ABE ohne RE seit 16.01.2020 in Beschwerde – seit 27.11.2019 AT Daueraufenthalt EU bis 27.11.2024 vorhanden;
Schwester: XXXX , Sta. RUSSLAND ( XXXX ) – 08.04.2009 § 7 AsylG pos. – ABE ohne RE seit 16.01.2020 in Beschwerde – seit 27.11.2019 AT Daueraufenthalt EU bis 27.11.2024 vorhanden;
Prüfung der Verhältnismäßigkeit:
- 12.03.2020 1. Prüfung gem. § 80 Abs. 6 FPG
- 08.04.2020 2. Prüfung gem. § 80 Abs. 6 FPG
- 08.05.2020 3. Prüfung gem. § 80 Abs. 6 FPG
Bisheriger Verfahrensgang:
Der Partei wurde am 08.04.2009 der positive Asylstatus gem. § 7 AsylG zuerkannt.
Die Partei wurde durch das LG F. XXXX , am 18.10.2016 (RK 19.10.2016) gemäß §§ 15 (Strafbarkeit des Versuches), 278a, 278b Abs. 2, (Kriminelle Vereinigung - aufscheinenden Terrororganisation IS Islamic State IS), 107 Abs. 1, 107 Abs. 2 StGB, (Gefährliche Drohung), 83 Abs. 1 (Körperverletzung) StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monate, davon 16 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit auf 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt.
Am 26.06.2017 wurde ein Aberkennungsverfahren eingeleitet und am 01.12.2017 erging ein diesbezüglicher Bescheid durch die I. Instanz. Eine Beschwerde gegen den Bescheid wurde am 02.01.2018 durch die Rechtsvertretung XXXX eingebracht.
Während dem laufenden Beschwerdeverfahren wurde die Partei neuerlich straffällig.
Die Partei wurde durch das LG F. XXXX , am 07.11.2018 (RK 13.11.2018), gemäß §§ 15 (Strafbarkeit des Versuches), 105 Abs. 1 (Nötigung), 142 Abs. 1 (Raub) StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monate, rechtskräftig verurteilt.
Mit GZ XXXX wurde am 27.09.2019 durch das BVwG im Zuge einer mündlichen Verhandlung, gegen die Partei und deren Vater, die eingebrachten Beschwerden hinsichtlich des Aberkennungsverfahrens als unbegründet abgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.
Somit wurde die erlassene Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot in II. Instanz rechtskräftig und die Partei befindet sich seither illegal im Bundesgebiet.
Sein Bruder, XXXX , IFA: XXXX befindet sich ebenfalls seit 06.12.2019 in Schubhaft.
Während die Partei sich in der Justizanstalt (JA) XXXX befand und seine Freiheitsstrafe verbüßte wurde am 27.01.2020 ein Verfahren zum Erlangen eines Heimreisezertifikats eingeleitet.
Am 29.01.2020 wurde der Partei das mündliche Parteiengehör gewährt und es erfolgte eine Einvernahme hinsichtlich der möglichen Erlassung einer Sicherungsmaßnahme und der Beschaffung eines Heimreisezertifikats. Ein Antrag auf Erteilung eines Heimreiszertifikats wurde am 03.02.2020 an die zuständige Abteilung XXXX weitergeleitet.
Am 07.02.2020 wurde der XXXX ein Bescheid gem. § 76 Abs. 2 Ziffer 2 FPG (regulärer Schubbescheid) erlassen, welcher mit der Verfahrensanordnung Rechtsberatung durch die Partei am 10.02.2020 nachweislich übernommen wurde.
Durch den XXXX wurde der Bescheid, Zahl XXXX und die Verfahrensanordnung Rechtsberater am 11.02.2020 ebenfalls nachweislich übernommen.
Nach der Haftentlassung am 14.02.2020 wurde die Partei in Schubhaft genommen und ins Polizeianhaltezentrum XXXX überstellt.
Mit Bericht vom 28.02.2020 wurde eine Ordnungswidrigkeit (Einschmuggeln von Gegenstände – Auffindung eines Mobiltelefons) während des Aufenthalts im PAZ/HG der Partei mitgeteilt.
Der Vater der Partei, welcher sich ebenfalls illegal im Bundesgebiet aufhält, hat für sich eine freiwillige Rückkehr mit XXXX beantragt, diese auch durch das BFA genehmigt bekommen und wurde aufgrund COVID-19 am 11.12.2019 ins gelindere Mittel (Meldeverpflichtung XXXX – alle 7 Tage im Zeitraum 08:00 – 12:00 Uhr) genommen.
Der Vater wurde durch die russische Botschaft identifiziert und die Ausstellung eines HRZ zugesagt.
Zusätzlich wurde durch die ha. Behörde eine Identifizierung der Partei und seines Bruders mittels einer schriftlichen Bestätigung durch den Vater mittels Foto und in kyrillischer Schrift organisiert und der Botschaft übermittelt.
Außerdem wurde der in Schubhaft befindliche Bruder, XXXX ebenfalls bereits der russischen Botschaft vorgeführt. Dieser sollte vom Vater vor der russischen Botschaft identifiziert werden, jedoch wurde seitens der Rechtsvertretung des Vaters eine Krankenbestätigung vorgelegt, sodass dieser nicht erschienen ist.(…)
Am 19.05.2020 wurde der ha. Behörde mitgeteilt, dass sich der Vater seit 12.03.2020 dem gelinderen Mittel entzieht und seither unbekannten Aufenthalts ist, jedoch Kontakt zu seiner Rechtsvertretung ( XXXX ) hat.
Es ist daher auch in dieser Hinsicht klar erkennbar, dass auch die Familienmitglieder alles daransetzen, um eine Identifizierung der Partei zu verhindern.
Aufgrund der vorhandenen schwerwiegenden Straffälligkeit und dem bisher gezeigten Verhalten, sowie dem ordnungswidrigen Verhalten währen der Schubhaft ist ein weiterer Sicherungsbedarf gegeben.
Durch die illegale Beschaffung eines Telefons während der Schubhaft kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Partei nicht noch immer den Kontakt zur Terrororganisation IS sucht, wodurch im Falle einer Entlassung eine Fluchtgefahr besteht.
Bis zur Klärung der Identität und Ausstellung eines Heimreisezertifikats mit anschließender Abschiebung wird durch die ha. Behörde die Sicherungsmaßnahme der Schubhaft als zulässig, notwendig, verhältnismäßig und zumutbar beurteilt.
Seitens der Abt XXXX (BFA-Heimreisezertifikat) wird ein Vorführtermin bei der russischen Botschaft sobald dies aufgrund COVID-19 Maßnahmen möglich ist, durchgeführt.
Die ha. Behörde hat daher alle möglichen Maßnahmen gesetzt, um die Schubhaftdauer so gering wie möglich zu halten.
Antrag:
Die Behörde beantragt daher im Wege der Schubhaftprüfung gem. § 22a BFA-VG, die weitere Anhaltung des Fremden im Stande der Schubhaft, nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit zu bestätigen.“
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 05.06.2020 führte das BFA Folgendes aus:
„Laut Auskunft der Abt XXXX (HRZ) ist voraussichtlich ein Vorführtermin zur russischen Botschaft für die obgenannte Partei ab Ende Juni 2020 zu erlangen.“
Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:
1. Feststellungen:
Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Entscheidungsgründe des Vorerkenntnisses werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben;
ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihren Stellungnahmen anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen u. a. betreffend Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.
Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.
Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.
2. Beweiswürdigung:
Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere dem zitierten Vorerkenntnis. Auch die Feststellungen des Vorerkenntnisses werden der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde dargetan hat, dass sie sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) bemüht und nach den Erfahrungswerten davon auszugehen ist, dass ein solches auch von der Russischen Botschaft erlangt werden kann. Ein HRZ-Verfahren mit der Russischen Botschaft ist im Laufen. Der Vater des BF wurde bereits durch die Russische Botschaft identifiziert und die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesagt. Eine Vorführung des BF vor die Russische Botschaft ist ab Ende Juni 2020 geplant.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. – Fortsetzung der Schubhaft
Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
Gemäß § 76 Abs 1 FPG idgF können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
Die Schubhaft darf gemäß § 76 Abs 2 FPG idgF nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
§ 76 Abs. 3 FPG idgF lautet:
Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.
Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.
§ 80 FPG idgF lautet:
(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.
(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.
(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,
kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.
(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.
(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.
(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.
(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.
Zur Judikatur:
Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe.“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich infrage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zugrunde, dass die infrage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).
Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.
Der Verwaltungsgerichthof führte in seiner Entscheidung vom 30.08.2018 (Ra 2018/21/0111) Folgendes aus: „In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 steht daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt wird, nicht entgegen.“
Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben. Insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Es ist zu betonen, dass bei Kooperation des Beschwerdeführers die Anhaltung in Schubhaft schon früher hätte beendet werden können. Dass sie noch andauert - und damit nun auch von den Maßnahmen hinsichtlich der Covid-19-Pandemie betroffen war/ist - hat der Beschwerdeführer zu verantworten.
Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund - dass sich die Behörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikat