TE Bvwg Beschluss 2020/9/25 L504 2176051-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.09.2020
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Entscheidungsdatum

25.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L504 2223333-2/2E

L504 2176051-1/14E

L504 2176047-1/11E

L504 2176048-1/11E

L504 2176049-1/11E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. Engel über die Beschwerde von

1) XXXX , geb. XXXX , StA. staatenlos (Palästinensische Autonomiegebiete - Gaza), vertreten durch RA Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Hubert-Sattler-Gasse 10, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.04.2020, Zl. XXXX ,

2) XXXX , geb. XXXX , StA. staatenlos (Palästinensische Autonomiegebiete - Gaza), vertreten durch die Diakonie Flüchltingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2017, Zl. XXXX ,

3) XXXX , geb. XXXX , StA. staatenlos (Palästinensische Autonomiegebiete - Gaza), vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch die Diakonie Flüchltingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2017, Zl. XXXX ,

4) XXXX , geb. XXXX , StA. staatenlos (Palästinensische Autonomiegebiete - Gaza), vertreten die Mutter XXXX , diese vertreten durch die Diakonie Flüchltingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2017, Zl. XXXX ,

5) XXXX , geb. XXXX , StA. staatenlos (Palästinensische Autonomiegebiete - Gaza), vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch die Diakonie Flüchltingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2017, Zl. XXXX

beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Parteien 2 -5 [bP] stellten am 18.12.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Es handelt sich dabei um eine Frau (bP2) mit ihren zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Kindern.

Die bP2 gab als Mutter für sich und ihre Kinder in der Erstbefragung am 18.12.2015 im Wesentlichen an, dass sie aus Gaza, Palästina stammten und aus Palästina geflüchtet seien, weil ihr Ehegatte von der Gruppe Hamas verfolgt und gesucht werde. Da ihr Haus zerstört worden sei, seien sie bei ihren Schwiegereltern untergebracht gewesen. Dort sei aber nicht genug Platz gewesen, weswegen ihr Ehegatte sie in Sicherheit bringen wollte und sie daher nach Europa aufgebrochen seien. Das Haus der Eltern von bP2 sei von den Juden zerbombt, ihr Bruder von den Juden 2007 oder 2008 getötet und ihr Cousin von den Hamas getötet worden. Im Jahr 2009 habe sie einen Schlaganfall erlitten und sei seitdem im Gesicht linksseitig beeinträchtigt.

2. In der Einvernahme am 16.08.2017 legte bP2 einen palästinensischen Personalausweis, eine Kopie des Ehevertrages und eine Kopie einer UNRWA Karte vor. Sie gab an, dass sie Moslem, Sunnitin und verheiratet sei und drei Kinder habe. Sie sei in Gaza geboren, habe dort 12 Jahre lang die Schule besucht und eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert. Danach habe sie ein Monat gearbeitet, aber die Familie ihres Ehegatten wollte nicht, dass sie arbeitete. In Gaza würden noch ihre Eltern, zwei ihrer Brüder und zwei Schwestern leben, ein Bruder sei als Märtyrer gestorben und ein Bruder lebe in Klagenfurt und habe subsidiären Schutz erhalten. Ihr Ehegatte befinde sich noch in Gaza und suche gerade eine neue Arbeitsstelle.

Zu ihrem Ausreisegrund befragt gab die bP2 an, dass sie mit ihren Kindern im Haus der Familie ihres Ehegatten lebte, wo wenig Platz gewesen und es auch öfters zu Streitigkeiten mit ihren Schwiegereltern gekommen sei. In Gaza gäbe es auch keine Sicherheit oder Arbeit und die Versorgung sei sehr schlecht. Da es in Gaza immer Auseinandersetzungen gäben würde, hätten sie ständig in Angst gelebt. Sie wollte ihren Kindern ein besseres Leben bieten und sei nur wegen ihren Kindern geflüchtet. Hier in Österreich könnten ihre Kinder die Schule besuchen, ohne Angst lebe und ruhig schlafen, was in Gaza nicht möglich gewesen sei. Sie sei nur wegen der schlechten Lebensumstände geflohen. Die Wasser- und Stromversorgung sei sehr schlecht und es gäbe dort keine Sicherheit. Ihre Kinder hätten dieselben Fluchtgründe wie sie. Drohungen gegen sie hätte es nicht gegeben, ihr Mann sei jedoch mehrmals von der Hamas bedroht und drei Tage vor ihrer Flucht festgenommen worden. Gründe dafür konnte sie keine nennen. Diese Festnahme stünde jedoch in keinem Zusammenhang mit ihrer Flucht, da sie alleine wegen der schlechten Lage und der mangelnden Sicherheit geflohen sei. Nach Gaza wolle sie nicht zurück, da sie von der Familie ihres Mannes geschlagen und auf die Straße geschickt worden sei. Sie sei einmal am Nachmittag geschlagen worden und als sie am nächsten Tag aufwachte, sie ihre eine Gesichtshälfte gelähmt gewesen. Dieser Vorfall habe sich vor ca. sieben Jahren ereignet, sie sie jedoch nicht zur Polizei gegangen.

Die bP2 gab an, dass sie eigentlich gemeinsam mit ihrem Ehegatten Gaza verlassen wollte, sie habe aber vor der Flucht keinen Kontakt zu ihm gepflegt und daher auch nicht gewusst, dass er verhaftet worden sei. Sie wünsche sich aber, dass er nach Österreich zu seiner Familie komme.

3. Die Anträge der bP2-bP5 auf internationalen Schutz wurden folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Palästinensische Gebiete nicht zugesprochen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Palästinensischen Gebiete gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

4. Dagegen wurde von den bP 2-5 innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Die Familie sei mehrmals von den Israelis bedroht, ihr Vater für einige Zeit eingesperrt und die bP2 sei von einem Gasgewehr an der rechten Seite getroffen worden. Ihr Ehegatte sei Anhänger der Fatah und daher von der Hamas bedroht worden, dass er wenn er sich nicht stelle, seine Frau und die Kinder entführt werden. Zum Zeitpunkt der Flucht sei ihr Ehegatte in der Gefangenschaft der Hamas gewesen. Auch ein Bruder der bP2 sei von den Hamas getötet worden. Darüber hinaus sei die bP2 gesundheitlich angeschlagen und leide in Folge eines Schlaganfalles an einer halbseitigen Lähmung. Die Behörde habe verabsäumt, die bP2 nach den fluchtausösenden Ereignissen zu befragen und auch nicht amtswegig eigene Fluchtgründe der minderjährigen bP3-5 zu ermitteln. Auch würden Asylwerber*innen, die dem Schutz einer von Art 11 Abschnitt D GFK erfassten Organisation wie der UNRWA genießen, „ipso facto“ dem Schutz der GFK unterstehen wenn der Schutz der Organisation nicht länger gewährt wird. Die Behörde habe verabsäumt, zu prüfen, ob ein solcher Schutz noch gewährt werden kann.

5. Am 10.11.2017 langte die Beschwerdevorlage der bP 2-5beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6. Am 11.05.2019 wurde die Polizei zu der Wohnung der bP 2-5 gerufen, wo eine fremdenrechtliche Überprüfung bei der bP1 durchgeführt wurde und in dessen Zuge die bP1 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Es handelt sich dabei um den Ehegatten der bP2 und den Vater der bP 3-5. Während der Amtshandlung wurde von den Beamten erhoben, dass die bP 1 seine Ehefrau und Kinder mehrmals täglich schlage. Aufgrund dessen wurde ein Betretungsverbot gegen bP 1 ausgesprochen. Am selben Tag wurde auch noch die bP2 und deren in Klagenfurt lebender Bruder zu dem Vorfall vernommen.

Im Zuge dieser Vernehmung gab die bP2 an, dass sie mit ihrem Mann im Juni/Juli 2008 verheiratet wurde. Dieser hielt sich zu diesem Zeitpunkt bereits in den Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) auf. Am 16.09.2008 ging auch sie in die VAE, um gemeinsam mit ihrem Mann dort zu leben. Bereits dort habe er sie geschlagen, wollte mit einem Messer auf sie losgehen und hatte vor ihren Augen Sex mit einer anderen Frau. Anfang Dezember 2015 habe die bP1 sie bedroht und verlangt, dass sie mit ihren Kindern weggehe, ansonsten würde er sie alle nach Gaza bringen und töten. Sie sei daher am 04.12.2015 mit den Kindern von den VAE aus in die Türkei geflogen und von dort aus im Zuge des Flüchtlingsstroms bis nach Österreich gereist. Der Plan ihres Ehegatten sei es gewesen, dass sie einen Aufenthaltstitel in Österreich bekomme und er danach zur Familienzusammenführung nachreise. Da sie keinen Aufenthaltstitel bekommen habe, drohte die bP1 ihr, nach Österreich zu kommen und gegen ihren Willen mit den gemeinsamen Kindern in die VAE oder nach Gaza zu reisen. Am 15.04.2019 sei die bP1 nach Österreich gekommen und sie habe sie zum Wohle der Kinder in der Familienwohnung aufgenommen. Nach dem Gültigkeitsende des Visums der bP1 am 23.04.2019 habe diese Österreich jedoch nicht verlassen. Vielmehr habe sie die bP2 am 03.05.2019 absichtlich in den Bauch geschlagen, weswegen sie im Krankenhaus behandelt werden musste. Auch die gemeinsamen Kinder seien von der bP 1 täglich attackiert worden.

7. Bei der Erstbefragung der bP1 am 12.05.2019 gab sie im Wesentlichen an, dass sie 2003 Palästina verlassen habe und danach in den VAE aufhältig war. Sie reiste legal mit einem spanischen Schengen-Visum, ausgestellt von der spanischen Botschaft in den VAE nach Spanien und dann weiter nach Österreich. Sie habe Palästina verlassen, weil dort ständig Krieg herrsche und es keine Sicherheit gäbe. Sie habe Angst getötet zu werden, habe keine Heimat und sei staatenlos. Außerdem wolle sie mit der Frau und Kindern in Österreich leben.

8. Am selben Tag wurde die bP1 hinsichtlich des Verdachtes auf Körperverletzung von der LPD Kärnten als Beschuldigter vernommen.

9. Am 27.05.2019 lehnte Spanien die Übernahme des Falles der bP1 aufgrund fehlender Beweismittel, dass die bP1 tatsächlich das spanische Visum zur Einreise in die EU verwendet habe, ab.

10. In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.06.2019 gab die bP1 an, dass sie den Reisepass, mit dem sie eingereist sei in die VAE zurückgeschickt habe, damit die Arbeit dort abgeschlossen werden könne, da sie von ihrem Arbeitgeber gekündigt worden sei, mit dem letzten Arbeitstag am 30.04.2019. Sie sei Moslem, Sunnit und mit der bP2 verheiratet, die seit Dezember 2015 in Klagenfurt lebe. Ihre Frau habe die bP1 2008 geheiratet und mit ihr bis zu deren Ausreise 2015 in den VAE gelebt. Die bP2 sei damals ausgereist, weil in den VAE die Gefahr bestehe, jederzeit die Arbeit zu verlieren und sie dann nach Gaza zurückkehren hätten müssen, wo die Lage sehr schlecht sei. Weil nicht genug Geld da war, sei seine Frau mit den Kindern alleine gereist. Die bP1 war als Buchhalter in den VAE bei der Post tätig und lebte dort von 2003 bis zum 15.04.2019. Davor habe sie von 1994-2003 in Gaza gelebt und dort die Universität besucht. Arbeit konnte sie jedoch danach keine finden. Die Eltern der bP1, ein Bruder und vier Schwestern würden noch in Gaza leben, ein Bruder lebe mit Aufenthaltstitel in Belgien. Die Familie lebe ohne Probleme in Gaza, auch wenn die Lage dort nicht so sicher sei. Seine Schwester sei Lehrerin und unterstütze – genauso wie die bP1 – die Familie finanziell.

Zu den Ausreisegründen befragt, antwortete die bP1 im Wesentlichen, dass ihre Familie in Österreich liebe und sie zu ihnen wollte. Außerdem wurde der Arbeitsvertrag in den VAE beendet und sie wollte nicht zurück nach Palästina, da es dort nicht sicher sei und sie keine Arbeit finden würde. Das Wichtigste sei jedoch, dass sie bei ihrer Familie leben wolle. Die Kündigung sei erst nach der Visumserteilung in ihrem Urlaub ausgesprochen worden. Sie habe grundsätzlich nichts dagegen, in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren, sie würden nur von den Juden bedroht werden, wie alle anderen Palästinenser. Seine Frau und ihre gemeinsamen Kinder (bP 2-5) hätte dieselben Fluchtgründe. Auf Vorhalt, dass seine Frau in ihrer Einvernahme etwas Anderes sagte, antworte die bP1, dass sie gelogen habe. Er sei auch nie in Gefangenschaft der Hamas gewesen.

Derzeit lebe die bP2 mit ihren gemeinsamen Kindern in Klagenfurt und sie habe Anzeige gegen die bP 1 erstattet, da sie nun einen anderen Freund habe, den sie liebe. Der Bruder der bP2 habe ihn auch per Facebook bedroht, als er noch in den VAE war. Er habe auch seine Frau und Kinder nicht geschlagen.

11. Durch das Bezirksgericht Klagenfurt wurde am 04.06.2019 eine einstweilige Verfügung getroffen und der bP1 der Aufenthalt innerhalb von 50m von der Wohnung der bP2-5, des Kindergarten, der Musikvolksschule, des Sportplatzes und der Praktikumsstelle von bP 2 verboten.

12. Am 02.08.2019 erging ein Festnahmeauftrag gegen die bP1, da ihr Aufenthaltsort unbekannt war und sie sich somit dem Asylverfahren entzogen habe.

13. Per Email wurden dem BFA am 26.08.2019 durch eine Vertreterin der bP1 Belege vorgelegt, dass die bP2 in ihrer Zeit in Österreich Geld vom Konto der bP1 in den VAE abgehoben habe.

14. Am 04.09.2019 wurden von der bP1 Familienfotos und eine Stellungnahme übersandt.

15. Per 18.09.2019 langte eine Generalvollmacht beim BFA ein, in der Frau Eva Slowak durch die bP1 eine Generalvollmacht erteilt worden ist.

16. Am 18.12.2019 erfolgte die Vollmachtsbekanntgabe der RA Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Hubert-Sattler-Gasse 10, 5020 Salzburg.

17. Am 16. Und 20.01.2020 langten zwei Emails von Frau Eva Slowak mit Stellungnahmen hinsichtlich des Falles der bP1 beim BFA ein.

18. Die bP1 wurde am 04.02.2020 erneut vor dem BFA einvernommen. Dabei gab sie kund, dass die Vollmacht für Frau Slowak nicht mehr aufrecht sei, jene für die RA Dr. Lechenauer und Dr. Swozil jedoch schon. Weiters legte sie die UNWRA Familienregistrierung, ihren Personalausweis, ihre Geburtsurkunde und eine Entlassungsbescheinigung der Emirates Post Group vor. Die bP1 gab an, dass die ihre Frau am 05.06.2008 geheiratet habe und diese drei Monate später zu ihr in die VAE gekommen sei. Von 1976 bis 1994 habe sie mit ihrer Familie in Saudi-Arabien gewohnt, von 1994 bis 2003 in Gaza und danach in den VAE. In Gaza habe sie in dem Bureij refugee Camp gewohnt, in einem Eigentumshaus ihres Vaters. In dieser Zeit habe sie Public Management und Buchhaltung studiert und lebte von der finanziellen Unterstützungsleistung ihres Vaters, der als Lehrer in Saudi-Arabien tätig gewesen sei. Ein- oder Zweimal habe ihre Familie Unterstützungsleistungen durch die UNRWA erhalten. Nachdem er in die VAE gegangen war, sei er nur einmal noch in Gaza gewesen, da es schwer sei, einfach so wieder auszureisen und er eine Arbeit in den VAE gehabt habe. Nachdem er ein spanisches Visum erhalten habe, sei er am 14.04.2019 von Dubai nach Spanien geflogen und von dort aus dann nach Wien, wo er am 15.04.2019 angekommen sei. Da seine Frau am 19.04.2019 eine Operation gehabt habe, sei er so schnell wie möglich hergekommen. In der Zeit wo das Asylverfahren eingestellt gewesen sei, habe er sich in Belgien bei seinem Bruder aufgehalten. Sie pflege einen guten Kontakt zu ihren Familienmitgliedern. Seine Schwester sei Lehrerin in Gaza, ein Bruder würde beim Ermittlungsdienst der Polizei arbeiten. Neben dem Eigentumshaus besäße sein Vater auch noch ein 350 qm2 großes Grundstück als Wertanlage. In Österreich finanziere er sich sein Leben von seinen Ersparnissen und lerne gerade Deutsch.

Nach seinen Fluchtgründen befragt führte die bP1 aus, dass sie hauptsächlich wegen ihren Kindern hier sei. Weiters habe sie ihren Arbeitsplatz in den VAE verloren, weswegen sie auf jeden Fall zurück nach Palästina müsse, wo die Lage sehr schlecht und es schwer sei, eine Arbeit zu finden. Um in ihrer Branche zu arbeiten, müsste sie sich der Fatah oder Hamas anschließen, was sie jedoch nicht wolle. Vielmehr wolle sie in Österreich bleiben und brauche dafür auch keine Unterstützung vom Staat. Die wichtigste Sache sei jedoch ihre Familie. Vor einer Rückkehr nach Palästina habe und hatte er nie Angst, er könne jedoch wegen seiner Kinder nicht zurück. Wenn er zurückkehren müsse, dann nur mit seinen Kindern. Seiner Familie in Gaza würde es derzeit auch nicht so gut gehen, da er sie nicht mehr finanziell unterstützen könne.

19. Am 04.03.2020 übersandte das BFA der bP1 eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation hinsichtlich ihrer UNRWA Registrierung, um das Parteiengehör zu wahren.

20. Am 16.03.2020 langte die Stellungnahme der bP1 zu Anfragebeantwortung beim BFA ein.

21. Am 20.04.2020 übersandte die bP1 eine Email an das BFA, wo sie eine Stellungnahme abgab.

22. Der Antrag der bP1 auf internationalen Schutz wurden folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Palästinensische Gebiete nicht zugesprochen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP1 gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Palästinensischen Gebiete gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

23. Dagegen wurde von der bP1 innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Asylwerber*innen, die dem Schutz einer von Art 11 Abschnitt D GFK erfassten Organisation wie der UNRWA genießen, „ipso facto“ dem Schutz der GFK unterstehen wenn der Schutz der Organisation nicht länger gewährt wird. Der bP1 sei zu Unrecht der Schutz der Status-RL nicht zugesprochen worden. In Palästina herrsche auch immer wieder Krieg, weswegen sie nicht zurückkönne.

24. Am 04.06.2020 langte die Beschwerdevorlage der bP1 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

25. Mit Beschluss des Bezirksgericht Klagenfurt vom 21.04.2020 wurde der bP2 die alleinige Obsorge für die bP3-5 zugesprochen.

26. Am 27.05.2020 langte die Stellungnahme der bP2 zu dem im ergänzenden Ermittlungsverfahren des Bundesverwaltungsgerichts gestellten Fragen ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

1. Feststellungen:

Die bP1-5 sind staatenlos und stammen aus dem palästinensischen Autonomiegebiet-Gaza. Sie sind sunnitische Moslem. Identitäten stehen aufgrund der Vorlage von Identitätsdokumenten fest.

Die bP2 ist die Mutter der zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Kinder bP3-5.

Die bP1 ist der Vater der zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Kinder bP3-5.

BP1 und bP2 sind seit 2008 miteinander verheiratet.

Die bP1 wurde in Jordanien geboren, lebte von 1976-1994 in Saudi-Arabien, von 1994-2003 in Gaza, wo sie Buchhaltung und Public Management studierte sowie teilweise als Hilfskraft tätig war. Von 2003 bis 2019 lebte sie legal in den VAE, wo sie bis April 2019 bei der emiratischen Post beschäftigt war.

Die bP2 lebte mit ihrer Familie in Gaza, wo sie die Schule und eine Ausbildung zur Krankenschwester absolvierte, bevor sie 2008 die bP1 heiratet und zu ihm in die VAE zog. Dort lebte sie legal bis Dezember 2015.

Die bP3-5 wurden in den VAE geboren und kamen mit ihrer Mutter 2015 nach Österreich, wo sie den Kindergarten bzw. die Schule besuchen.

Die Eltern der bP1, ein Bruder und vier Schwestern leben in Gaza, ein Bruder verfügt über einen Aufenthaltstitel in Belgien. Eine Schwester ist Lehrerin in Gaza und ein Bruder arbeitet bei der Polizei. Ihre Familie lebt in einem Einfamilienhaus und verfügt über ein weiteres 350qm2 großes Grundstück. Die bP1 steht in einem guten und regelmäßigen Kontakt zu ihren Familienmitgliedern.

Die Eltern, zwei Brüder und zwei Schwestern der bP2 leben in Gaza, ein Bruder von ihr lebt in Klagenfurt und hat subsidiären Schutz erhalten.

Die bP 2-5 reisten gemeinsam mit der bP1 Anfang 2015 aus den VAE in die Türkei, wo sie dann schlepperunterstützt im Zuge des Flüchtlingsstroms, jedoch ohne die bP 1, bis nach Österreich kamen.

Die bP1 reiste ihren Angaben nach legal mit einem spanischen Schengen Visum, ausgestellt von der spanischen Botschaft in den VAE, am 14.04.2019 mit dem Flugzeug nach Spanien und dann weiter nach Österreich, wo sie am 15.04.2019 ankam.

Nach Ablauf des Visums stellte sie am 11.05.2019 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesamt hat keine Feststellungen zu den als Herkunftsstaat zu wertenden Vereinigten Arabischen Emiraten getroffen und damit den maßgeblichen Sachverhalt nicht ermittelt.

2. Beweiswürdigung:

Der hierfür relevante Sachverhalt ergibt sich aus der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zurückverweisung

§ 28 VwGVG

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

(6) [….]

(7) [….]

(8) [….]

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Ergänzend zu obigen Ausführungen ist aber auch die jüngste Judikatur des EuGH zu erwähnen, der in seinem Urteil vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 sich ua. mit der Frage, ob nationale Bestimmungen, welche dem Verwaltungsgericht die amtswegige Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts (anstelle der Behörde) – bei entsprechender Untätigkeit der Behörde - der in der europarechtlichen Judikatur geforderten Objektivität bzw. Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Gerichts entgegenstehen.

Nach seiner Ansicht können die Gerichte nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C 390/12, EU:C:2014:281) diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.

Der EuGH führte weiter aus, dass die Art. 49 und 56 AEUV, wie sie insbesondere im Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C 390/12, EU:C:2014:281), ausgelegt wurden, im Licht des Art. 47 der Charta dahin zu interpretieren sind, dass sie einer nationalen Verfahrensregelung, nach der in Verwaltungsverfahren das Gericht, bei der Prüfung des maßgeblichen Sachverhalts die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache von Amts wegen zu ermitteln hat, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung nicht zur Folge hat, dass das Gericht an die Stelle der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu treten hat, denen es obliegt, die Beweise vorzulegen, die erforderlich sind, damit das Gericht eine entsprechende Prüfung durchführen kann. Hinsichtlich des Rechts nach Art. 47 Abs. 2 der Charta auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht umfasst der Begriff der „Unabhängigkeit“, die der Aufgabe des Richters innewohnt, nämlich zwei Aspekte. Der erste, externe, Aspekt setzt voraus, dass die Stelle vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteilens ihrer Mitglieder im Hinblick auf die ihnen unterbreiteten Rechtsstreite gefährden könnten (Urteil vom 9. Oktober 2014, TDC, C?222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der zweite, interne, Aspekt steht mit dem Begriff der „Unparteilichkeit“ in Zusammenhang und bezieht sich darauf, dass hinsichtlich der Parteien des Rechtsstreits und ihren jeweiligen Interessen an dessen Gegenstand ein gleicher Abstand gewahrt wird. Dieser Aspekt verlangt, dass Sachlichkeit obwaltet und neben der strikten Anwendung der Rechtsnormen keinerlei Interesse am Ausgang des Rechtsstreits besteht (Urteil vom 9. Oktober 2014, TDC, C?222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Was das Zusammenspiel zwischen der den nationalen Gerichten nach dem nationalen Recht obliegenden Pflicht, in den bei ihnen anhängigen Rechtssachen den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, und dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C?390/12, EU:C:2014:281), anbelangt, ist in den Rn. 50 bis 52 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen worden, dass die nationalen Gerichte nach dem Unionsrecht eine Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen eine restriktive Regelung erlassen worden ist und durchgeführt wird, auf der Grundlage der Beweise vornehmen müssen, die die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vorgelegt haben.

Diese Gerichte können nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie – wie die Generalanwältin in den Nrn. 51 bis 56 und 68 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat – nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C?390/12, EU:C:2014:281), diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.

Die Ausführungen des EuGH beziehen sich zwar auf ein Verwaltungsstrafverfahren, sie sind nach ho. Ansicht in ihren sich daraus ergebenden Grundsätzen zu der Rolle des Verwaltungsgerichtes im Verhältnis zu jener der ermittelnden Behörde jedoch auch im gegenständlichen Fall anwendbar.

Im Lichte einer GRC-konformen Interpretation der verfassungsrechtlichen Bestimmungen, wonach das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden hat, finden diese demnach jedenfalls dort ihre Grenze, wenn das Gericht an die Stelle der zuständigen belangten Behörde zu treten hätte, der es eigentlich obliegt, dem Gericht die Beweise, iSd Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts, vorzulegen. Wird diese Grenze überschritten ist das Gericht ermächtigt – wenn nicht sogar iS obiger, vom EuGH aufgezeigter Grundsätze verpflichtet - eine kassatorische Entscheidung iSd § 28 Abs. 3 VwGVG zu treffen.

Fallbezogen ergibt sich Folgendes:

Das Bundesamt stellte hinsichtlich der beschwerdeführenden Parteien fest, dass diese staatenlose Palästinenser aus dem Gaza sind und prüfte im Verfahren zum Antrag auf internationalen Schutz die Palästinensischen Gebiete als „Herkunftsstaat“, traf zu diesem Staat Feststellungen und prüfte eine Gefährdung im Falle der Rückkehr.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 17 AsylG 2005 ist Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

Gemäß §§ 3, 8 AsylG hat sich die Prüfung des Status eines Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigen bei Staatenlosen somit auf den Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu beziehen.

Der zeitliche Bezug des Wortes „frühere“ bezieht sich auf den Vorgängeraufenthaltsstaat, also auf jenen Staat, in dem sich der Fremde dauernd aufgehalten hat, bevor er in den Asylantragstaat eingereist ist (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Kommentar, K36 zu §2 AsylG).

UNHCR erläutert in seinem Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (1993), es müsse zur Festlegung des maßgeblichen Herkunftsstaates geprüft werden, ob eine Wechselbeziehung zwischen den angegebenen Fluchtgründen und dem Land, in dem der bisherige Wohnsitz lag, und im Verhältnis zu dem Furcht vor Verfolgung geltend gemacht wird, bestehe. Er bezieht sich dabei (wie auch Grahl-Madsen, The Status of Refugees in International Law I (1966), 160 f) auf die Materialien zur Genfer Flüchtlingskonvention, wonach es sich um das Land handle, "in dem er (der Asylwerber) seinen Wohnsitz hatte und wo er Verfolgung erlitten hatte bzw. fürchtete, verfolgt zu werden, wenn er dahin zurückkehrte" (UNHCR-Handbuch, Rz 103). Gefordert wird eine 'feste Bindung' zu diesem Staat im Sinne einer zumindest für eine gewisse Dauer erfolgten Verlagerung der Interessen dorthin (vgl. Grahl-Madsen, a.a.O., 160; Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (1999(, Rz 158, und ihm folgend das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0089, sowie Schmidt/Frank, AsylG 1997, K 22 zu § 1).Unter dem „Land seines (das heißt des Asylwerbers) gewöhnlichen Aufenthaltes“ („country of his former habitual residence“ bzw „pays dans laquelle elle avait sa résidence habituelle“) iSd Art 1 lit A Z 2 GFK ist nur ein solcher Aufenthalt zu verstehen, der sich auf eine gewollte Rechtsbeziehung zwischen Flüchtling und Aufenthaltsstaat gründet.

Solch eine Beziehung würde jedenfalls bei sich unrechtmäßig im betreffenden Staatsgebiet aufhaltenden Personen nicht vorliegen (vgl Amann, Die Rechte des Flüchtlings, 129, zum gleichlautenden Begriff des „gewöhnlichen Aufenthaltes“ in Art 14 GFK; Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005, 3. Auflage, E7 zu §2).

Ein gewöhnlicher Aufenthalt setzt dauerhafte, nicht nur vorübergehende Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt voraus, die sich in einer bestimmten längeren Dauer und Beständigkeit des Aufenthalts äußert und sich auf objektiv überprüfbare Umstände persönlicher oder beruflicher Art gründet. (OGH, 29.08.1996, RS0102776, 15.11.1988, RS0046583)

Im gegenständlichen Fall stellte das Bundesamt fest, dass es sich bei den bP um Staatenlose handelt und prüfte die Behörde bei den bP 1-5 die Palästinensischen Gebiete – Gaza als Herkunftsstaat. Das Bundesamt ließ dabei völlig außer Acht, dass die bP1 bereits seit 2003, somit 16 Jahre vor ihrer Ausreise und die bP2 seit 2008, somit sieben Jahre vor ihrer Reise nach Österreich zwecks Asylantragstellung bereits ihren (legalen) gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in den Palästinensischen Gebieten hatten, sondern sich dieser in die VAE verlagert hatte. Auch die bP3-5 sind in den VAE geboren und haben sich bis zu ihrer Ausreise ihr Leben lang dort offensichtlich legal befunden. Darüber hinaus war die bP1 dort seit 2003 beruflich tätig. Die VAE erfüllen somit die Kriterien des gewöhnlichen Aufenthaltes, da es sich nicht nur um eine vorübergehende Beziehung zwischen den bP1-5 und ihrem Aufenthaltsort handelte, sondern sich klar ihr privater und beruflicher Lebensmittelpunkt über mehrere Jahre bis zu ihrer Ausreise dort befand. Da in den gegenständlichen Fällen der Aktenlage nach Staatenlosigkeit gegeben ist, hätte die Behörde ihrer Beurteilung gem. § 2 Abs 1 Z 17 AsylG den Staat des früheren gewöhnlichen Aufenthalts vor der Asylantragstellung und somit die VAE als Herkunftsstaat prüfen müssen.

Im gegenständlichen Fall wurde durch die das Heranziehen der Palästinensischen Gebiete anstatt der VAE der falsche Herkunftsstaat geprüft und somit der maßgebliche Sachverhalt dermaßen qualifiziert mangelhaft ermittelt, dass von einem gänzlichen Ausbleiben der zur Entscheidungsfindung notwendigen Ermittlungen über weite Strecken iSd Erk. d. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 gesprochen werden muss. Ausgehend von der Antragsbegründung der Partei ist die Beurteilung der Lage im Herkunftsstaat für die zu treffende Prognoseentscheidung, ob im Falle der Rückkehr eine relevante Gefährdung bestünde, die hier zentrale Frage im Verfahren, ohne die diese Entscheidung gar nicht getroffen werden kann. Das BVwG hätte hier nicht bloß Ergänzungen dazu vorzunehmen, sondern wäre vielmehr die erste Instanz die diese vollinhaltlich vornimmt und kann erst nach dieser eine Beweiswürdigung und Beurteilung der Rechtsfrage stattfinden. Das ho. Gericht hätte iSd Urteils des EuGH vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 somit den wesentlichen Teil des Ermittlungsverfahrens „an die Stelle“ der zuständigen belangten Behörde zu treten, der es eigentlich obliegt, dem Gericht die Beweise iSd Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts vorzulegen.

Trotz der Einrichtung von Außenstellen des BVwG ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des BVwG und des BFA eine Weiterführung des Verfahrens durch das BVwG im Sinne des § 28 Abs. 2 u 3 VwGVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist bzw. zu keiner wesentlichen Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens führt. So ergäbe sich etwa für das BVwG nach der nunmehr stRsp des VwGH auch im Falle der Einbringung neuer Berichte durch das Verwaltungsgericht zur Wahrung des Parteiengehörs hier grds. die Verpflichtung eine Verhandlung durchzuführen, dies zudem in einem Mehrparteienverfahren. Schon daraus ergibt sich ein wesentlicher Mehraufwand gegenüber einem Verfahren vor dem Bundesamt in einem Einparteienverfahren, in dem die schriftliche Stellungnahmemöglichkeit zur Wahrung des Parteiengehörs grds. alleine genügt. Das Bundesamt verfügt auch hinsichtlich der Anzahl von Entscheidern über wesentlich höhere personelle Ressourcen als das BVwG.

Eine vorweg per se angenommene Verlängerung des Verfahrens durch die Zurückverweisung und eine nochmalige Beschwerdeerhebung wäre rein spekulativ, zumal die Statistiken zeigen, dass nicht gegen jegliche Entscheidung des Bundesamtes Beschwerde erhoben wird. Insbesondere, wenn nunmehr ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und darauf basierend eine nachvollziehbare Beweiswürdigung und rechtsrichtige Beurteilung des Antrages vorgenommen wird, kann den Erfahrungen nach von einer höheren Akzeptanz durch die Partei ausgegangen werden.

Das BFA hat somit die aufgezeigten Mängel zu beheben bzw. den maßgeblichen Sachverhalt in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren festzustellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs 3 VwGVG an das BFA zurückzuverweisen.

Entfall einer Verhandlung

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, worunter nach hL auch eine Kassation des Bescheides subsumiert werden kann (vlg. Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 22 zu §67d).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung hinsichtlich § 28 Abs 3 VwGVG von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ermittlungspflicht Familienverfahren gewöhnlicher Aufenthalt Herkunftsstaat Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung staatenlos

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L504.2176051.1.00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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