Entscheidungsdatum
01.10.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
L502 2233523-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , staatenlos, vertreten durch RA XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2020, FZ. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte im Gefolge seiner illegalen Einreise in das österr. Bundesgebiet am 05.12.2000 einen ersten Asylantrag, welcher mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (UBAS) vom 20.03.2001 rechtskräftig abgewiesen wurde.
2. In weiterer Folge wurde er mit Bescheid der Bundespolizeidirektion (BPD) Wien vom 21.08.2001 gemäß § 33 Abs. 1 FrG 1997 ausgewiesen und ihm gemäß § 40 Abs. 1 FrG aufgetragen das Bundesgebiet sofort nach Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides zu verlassen.
Sein daraufhin eingebrachter Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubs vom 06.09.2001 wurde mit Bescheid der BPD Wien vom 23.08.2004 gemäß § 56 Abs. 2 FrG abgewiesen.
3. Am 27.06.2004 stellte er einen weiteren Asylantrag, welcher mit Bescheid des UBAS vom 17.12.2004 rechtskräftig zurückgewiesen wurde.
4. Mit Bescheid der BPD Wien vom 10.01.2005 wurde gegen ihn gemäß § 61 Abs. 1 FrG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung und eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Abschiebung angeordnet.
5. Mit Bescheid der BPD Wien vom 29.02.2008 wurde von der Anordnung der Schubhaft Abstand genommen und ihm als gelinderes Mittel eine regelmäßige Meldeverpflichtung bei der zuständigen Polizeidienststelle auferlegt.
6. Am 07.03.2008 wurde der BF an der BPD Wien niederschriftlich einvernommen. Dabei äußerte er seine Bereitschaft das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen.
In weiterer Folge nahm er am 13.03.2008 an einem Rückkehrberatungsgespräch des Vereins Menschenrechte Österreich teil.
7. Die BPD Wien ersuchte die Botschaft des Staates Israel in Wien mit Schreiben vom 03.04.2008 um Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF.
Mit am 16.04.2008 eingelangtem Schreiben der Israelischen Botschaft wurde die BPD Wien darüber in Kenntnis gesetzt, dass es weiterer Informationen für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bedarf, und wurde zu diesem Zweck ein entsprechendes Erhebungsformular übermittelt.
8. Am 23.04.2008 wurde der BF ein weiteres Mal an der BPD Wien niederschriftlich einvernommen.
Im Zuge dieser Einvernahme füllte er das von der israelischen Botschaft übermittelte Formular aus.
9. Mit Schreiben vom 06.05.2008 teilte die israelische Botschaft der BPD Wien mit, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates angesichts der Unvollständigkeit des übermittelten Fragebogens und der folglich nicht geklärten Nationalität des BF nicht möglich ist.
10. Am 14.10.2008 erfolgte eine weitere Einvernahme des BF zur bisher nicht erfolgten freiwilligen Ausreise.
Danach verblieb der BF weiterhin im Bundesgebiet.
11. Mit Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 13.11.2019 ersuchte dieser beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) um Akteneinsicht.
12. Am 19.02.2020 beantragte der BF mit Schriftsatz seines rechtsfreundlichen Vertreters beim BFA die Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a FPG.
13. Mit Verständigung des BFA vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 27.02.2020 wurde der BF von der beabsichtigten Abweisung seines Antrages in Kenntnis gesetzt und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme binnen zwei Wochen hierzu eingeräumt.
14. Am 12.03.2020 langte die entsprechende Stellungnahme beim BFA ein.
15. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 25.06.2020 wurde sein Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 1 Z. 3 FPG abgewiesen.
16. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 25.06.2020 wurde ihm von Amts wegen gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.
17. Gegen den seinem rechtsfreundlichen Vertreter am 29.06.2020 zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz desselben vom 24.07.2020 binnen offener Frist Beschwerde erhoben.
18. Mit 30.07.2020 langte die Beschwerdevorlage des BFA beim BVwG ein und wurde das gg. Beschwerdeverfahren der nunmehr zuständigen Abteilung des Gerichts zur Entscheidung zugewiesen.
19. Das BVwG erstellte Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des Melde- sowie des Strafregisters.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht fest.
1.2. Die genaue Identität des BF steht nicht fest. Er ist staatenloser Angehöriger der palästinensischen Volksgruppe und stammt aus dem palästinensischen Autonomiegebiet im Westjordanland. Dort wurde er in XXXX geboren und lebte zuletzt in der Stadt XXXX .
Er verließ seine Herkunftsregion im Jahr 2000 und hält sich seit seiner unrechtmäßigen Einreise am 03.12.2000 bis dato durchgehend im österr. Bundesgebiet auf. Von 05.12.2000 bis 20.03.2001 kam ihm als Asylwerber eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu, seither ist sein Aufenthalt unrechtmäßig.
Im palästinensischen Autonomiegebiet lebt noch eine Schwester des BF, zu der auch Kontakt besteht. Seine Eltern sind bereits verstorben.
1.3. Er verblieb trotz Bestehens einer rechtskräftigen aufenthaltsbeendenden Maßnahme seit August 2001 in Österreich. In dieser Zeit nahm er lediglich am 13.03.2008 an einem Rückkehrberatungsgespräch des VMÖ teil und füllte im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 23.04.2008 ein von der israelischen Botschaft übermitteltes Erhebungsformular zur Erlangung eines Heimreisezertifikates aus. In Ermangelung einer von ihm angegebenen Identifikationsnummer konnte seine Nationalität bzw. Herkunft von der israelischen Botschaft nicht geklärt werden, weshalb die Ausstellung eines Heimreisezertifikates scheiterte. Er setzte seither aus Eigenem keine weiteren Schritte zur Erlangung eines Heimreisedokumentes und wurde insbesondere nie persönlich, zur Erlangung eines Heimreisedokumentes, bei der israelischen Botschaft in Wien vorstellig.
2. Beweiswürdigung:
Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den gg. Verfahrensakt, unter zentraler Berücksichtigung des schriftlichen Antrages des BF auf Ausstellung einer Duldungskarte, die Stellungnahme vom 11.03.2020, den angefochtenen Bescheid und den Beschwerdeschriftsatz sowie durch die Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems.
Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht im Lichte des vorliegenden Akteninhalts als unstrittig fest.
Mangels Vorlage eines unverfälschten nationalen Identitätsdokumentes des BF war dessen genaue Identität nicht feststellbar. Die palästinensische Volksgruppenzugehörigkeit sowie die Herkunft des BF aus XXXX bzw. XXXX im palästinensischen Autonomiegebiet war angesichts seiner stets gleichlautenden Angaben dazu feststellbar. Aus der feststellbaren palästinensischen Volksgruppenzugehörigkeit iVm seiner Abstammung aus dem Westjordanland war zu folgern, dass er staatenlos ist.
Die Feststellungen oben unter 1.3. beruhen auf dem gg. Akteninhalt. Weder dem Verfahrensakt des BFA noch seinem Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte, seiner Stellungnahme oder der Beschwerde waren substantiierte Hinweise auf von ihm gesetzte Schritte zur Ermöglichung seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat zu entnehmen, sondern ergab sich auch daraus vielmehr, dass er außer einer Rückkehrberatung und dem Ausfüllen des og. Formulars keine weiteren Schritte zur Ausstellung eines Reisedokumentes setzte.
2. Rechtliche Beurteilung:
Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF sowie § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Zu A)
1. Der BF gab seit seiner unrechtmäßigen Einreise in das österr. Bundesgebiet stets an, dass er staatenloser Palästinenser aus dem Westjordanland sei. Dieser Umstand wurde auch von der belangten Behörde, soweit ersichtlich, nicht angezweifelt, zumal den dortigen Feststellungen zu entnehmen war, dass das BFA von dessen palästinensischer „Staatsbürgerschaft“ – wenngleich diese Feststellung unzutreffend ist, zumal er folglich staatenlos ist – ausgeht (Seite 3 des angefochtenen Bescheides).
Nach etwas mehr als neunzehnjährigem und mehrheitlich unrechtmäßigem Aufenthalt des BF in Österreich beantragte dieser am 19.02.2020 die Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a FPG und begründete dies im Wesentlichen damit, dass seine einstige Abschiebung daran scheiterte, dass von der israelischen Botschaft kein Heimreisezertifikat ausgestellt wurde, weshalb seine Abschiebung aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich sei und sein Aufenthalt im Bundesgebiet folglich zu dulden sei.
Die belangte Behörde wies den Antrag des BF jedoch gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 1 Z. 3 FPG ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass seit 2001 eine durchsetzbare Ausweisung gegen ihn bestehe und es ihm jederzeit zumutbar gewesen sei sich bei seiner Botschaft ein Reisedokument zu beschaffen. Er sei mehrfach aufgefordert worden die Formulare für die [israelische; Anm.] Botschaft auszufüllen und sich aus eigenem ein Reisedokument zu beschaffen, er sei dieser Aufforderung jedoch nicht nachgekommen. Es lagen sohin die Voraussetzungen des § 46a Abs. 1 Z. 3 FPG nicht vor und sein Antrag sei daher gemäß Abs. 4 leg. cit. abzuweisen gewesen.
Dem wurde in der Beschwerde im Wesentlichen entgegnet, dass der BF seiner Mitwirkungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei und ihm dennoch kein Heimreisezertifikat ausgestellt wurde, weshalb seinem Antrag stattzugeben gewesen wäre.
2.1. § 46 FPG idgF lautet:
(1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat – vorbehaltlich des Abs. 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.
(2a) – (7) …
§ 46a FPG idgF lautet:
(1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange
1. …
2. …
3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder
4. …
es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.
(2) ...
(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er
1. seine Identität verschleiert,
2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder
3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.
(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen „Republik Österreich“ und „Karte für Geduldete“, weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.
(5) – (6) …
2.3. Nach § 46a FrPolG 2005 idF 2015/I/070 ist der Ausstellung einer Karte für Geduldete keine Feststellung über die tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung vorgeschaltet. Liegen die Voraussetzungen des § 46a Abs. 1 Z 3 legcit vor, ist die Karte gemäß Abs. 4 von Amts wegen oder auf Antrag auszustellen. Die Behörde hat - nur als Vorfrage - zu prüfen, ob die im Antrag bezeichneten Voraussetzungen für die Duldung (hier: ob die Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint) vorliegen und je nach Prüfungsergebnis die Karte auszustellen oder den Antrag abzuweisen (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0078, mwN).
Zur Rechtslage vor der Novelle des FPG durch das FrÄG 2017 hielt der VwGH zwar fest, dass es, sofern es an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass der Fremde im Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates Falschangaben gemacht und dadurch dessen Ausstellung vereitelt hat, fehlt, es auch nicht ersichtlich ist, inwieweit eine persönliche Vorsprache aus eigener Initiative zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die genannte Botschaft hätte führen können. Aus dem Umstand, dass sich der Fremde hinsichtlich eines Heimreisezertifikates nicht selbst mit der Botschaft in Verbindung gesetzt hat, woraus die Behörde eine Verletzung ihre Mitwirkungspflicht folgerte, lasse sich daher ebenso wenig die Beurteilung ableiten, die Abschiebung eines Fremden sei aus von ihm zu vertretenden Gründen tatsächlich unmöglich (vgl. VwGH 28.08.2012, 2011/21/0209).
Davon abweichend hielt der VwGH in seinem jüngeren Erkenntnis vom 07.03.2019, Ra 2018/21/0153, zur Rechtslage nach dem FrÄG 2017, fest, dass das Fehlen jeglicher Eigeninitiative zur Erlangung von Identitäts- bzw. Heimreisedokumenten einen vom Fremden zu vertretenden Grund für die Unmöglichkeit seiner Abschiebung darstellt. Im Weiteren legte er dar:
„Selbst wenn der Revisionswerber bereits seine richtige Identität angegeben haben sollte, konnte nämlich davon ausgegangen werden, dass eine persönliche Vorsprache bei der Botschaft - anders als die bloß schriftliche Kontaktaufnahme durch das BFA - möglicherweise zur Ausstellung eines Reisedokuments geführt hätte. Die Beurteilung, dass er die Unmöglichkeit seiner Abschiebung insgesamt im Sinn des § 46a Abs. 3 FPG selbst zu vertreten hat, erscheint daher zumindest nicht als unvertretbar.
Soweit die Revision unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung weiters geltend macht, dass sich das Bundesverwaltungsgericht zum Nachteil des Revisionswerbers auf eine zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht geltende Rechtslage (die Verpflichtung zur eigenständigen Einholung eines Reisedokuments nach § 46 Abs. 2 FPG idF des FrÄG 2017) berufen habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Neuregelung auf den Revisionswerber seit ihrem Inkrafttreten mit 1. November 2017 anzuwenden war; der zuvor gestellte Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete bzw. das noch anhängige (Rechtsmittel-)Verfahren vermochten daran nichts zu ändern. Die genannte Verpflichtung nach § 46 Abs. 2 FPG ist auch von jener nach § 46 Abs. 2a FPG zu unterscheiden, die die Erlangung eines Ersatzreisedokuments betrifft und lediglich die Auferlegung von Mitwirkungspflichten in Verbindung mit einer behördlichen Amtshandlung erlaubt (vgl. noch zur Rechtslage vor dem FrÄG 2017 grundlegend VwGH 23.3.2017, Ro 2017/21/0005, sowie - den Revisionswerber betreffend - VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0102). Im Übrigen konnte mangelnde Eigeninitiative schon bisher ein Anhaltspunkt für die Annahme sein, dass der Fremde das Erlangen von Identitäts- bzw. Heimreisedokumenten selbst verhindert habe (vgl. idS VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0019, Rn. 33).“
3.1. Für den gg. Fall bedeutet dies:
Dem Akteninhalt war unstrittig zu entnehmen, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF in der Vergangenheit an seiner mangelnden Kenntnis seiner israelischen Identifikationsnummer („ID No.“) scheiterte (vgl. insb. AS 267 bis 269 und 281 bis 298). Weitere Schritte zur Effektuierung der gegen ihm bestehenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme setzte er nicht.
Wenngleich die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, wonach es ihm ohne weiteres möglich sei, sich ein gültiges Heimreisedokument zu beschaffen, aus Sicht des erkennenden zu weit greift, galt es dennoch zu bedenken, dass es dem BF während seines langjährigen Aufenthalts jederzeit möglich und zumutbar gewesen wäre persönlich bei der israelischen Botschaft in Wien vorstellig zu werden und dort persönlich an der Feststellung seiner Identität bzw. Nationalität mitzuwirken, was die Chance für die Ausstellung eines Reisedokumentes – im Vergleich zum bloß schriftlichen Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die belangte Behörde – maßgeblich erhöht hätte. Dem schriftlichen Vorbringen des BF waren keine Gründe dafür zu entnehmen, dass ihm die persönliche Vorsprache bei der israelischen Botschaft nicht möglich gewesen wäre, und wurden solche auch sonst nicht erkennbar, insbesondere auch, weil keinem seiner beiden Anträge auf internationalen Schutz stattgegeben wurde, was ein Hindernis dafür gewesen wäre.
Wenngleich ihm die fehlende Kenntnis seiner Identifikationsnummer als solche nicht in jenem Maße anzulasten ist, dass allein daraus keine ausreichende Mitwirkung abzuleiten gewesen wäre, war jedoch festzustellen, dass er bis dato über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte im Herkunftsgebiet verfügt. Er steht nach wie vor mit seiner Schwester im Westjordanland in Kontakt und ist es ihm daher zumutbar sich mit ihr zur Übermittlung von Identitätsnachweisen – wie etwa seiner Geburtsurkunde oder insbesondere seines von der palästinensischen Autonomiebehörde ausgestellten Personalausweises, der sich seinen früheren Angaben zufolge bei seiner Familie befand (AS7) – in Verbindung zu setzen. Sein einziger Beitrag bestand in dieser Hinsicht vielmehr in der Vorlage eines solchen Ausweises im Juli 2003 (AS 101), der aber als Totalfälschung qualifiziert wurde. Er hätte sohin seit nunmehr etwa zwanzig Gelegenheit dazu gehabt sich taugliche Urkunden aus dem Herkunftsstaat zu beschaffen und damit einen Beitrag zur Erlangung eines Heimreisedokumentes durch die israelische Botschaft zu leisten.
Folglich war entgegen der Darstellung in der Beschwerde, der zufolge er sämtliche Schritte zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes ergriffen habe und somit weder die notwendigen Schritte zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes vereitelt noch daran die Mitwirkung unterlassen habe, festzuhalten, dass das Fehlen zumutbarer Eigeninitiative zu Erlangung von Identitäts- bzw. Heimreisedokumenten, insbesondere die fehlende persönliche Vorsprache vor der israelischen Botschaft in Wien, als von ihm zu vertretender Grund der Unmöglichkeit der Abschiebung anzusehen ist (vgl. VwGH 07.03.2019, Ra 2018/21/0153, mwN).
Es ist nämlich davon auszugehen, dass seine persönliche Vorsprache – anders als die bloß schriftliche Kontaktaufnahme durch das BFA in der Vergangenheit – möglicherweise zur Ausstellung eines Reisedokumentes für ihn geführt hätte. Folglich handelte er seiner Verpflichtung zur eigenständigen Einholung eines Reisedokumentes gemäß § 46 Abs. 2 FPG zuwider, weshalb die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht vom Vorliegen eines von ihm zu vertretenden Abschiebungshindernisses iSd § 46a Abs. 3 FPG ausging und sohin die Voraussetzungen zur Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 1 Z. 3 FPG nicht vorlagen.
3.2. Die Beschwerde war sohin als unbegründet abzuweisen.
4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, BGBl I Nr. 68/2013 idgF, kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gg. Fall gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war.
5. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Abschiebungshindernis Duldung Heimreisezertifikat Mitwirkungspflicht staatenlosEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L502.2233523.1.00Im RIS seit
02.02.2021Zuletzt aktualisiert am
02.02.2021