TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/11 W252 2129813-2

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Veröffentlicht am 11.11.2020
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Entscheidungsdatum

11.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs2 Z2
AsylG 2005 §9 Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W252 2129813-2/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Elisabeth SCHMUT LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2019, Zl. XXXX zu Recht:

A)

Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 stattgegeben und werden die Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides zur Gänze ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) stellte am 01.10.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

2. Mit Schreiben vom 22.05.2016 erhob der BF eine Säumnisbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG.

3. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.11.2016 eine mündliche Verhandlung durch.

4. Mit Erkenntnis vom 09.01.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt (Spruchpunkt II.). Eine befristete Aufenthaltsberechtigung wurde dem BF bis zum 08.01.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Zu den Gründen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes wurde ausgeführt, dass beim BF nicht von einer Wiederaufnahme in die unterstützende Struktur der Kernfamilie im Falle einer Rückkehr nach Somalia ausgegangen werden könne. Er verfüge somit über kein soziales Netz, das beim Wiederaufbau einer Existenzgrundlage notwendig wäre und gehöre einem Minderheitenclan an, was ihm die Wiedereingliederung zusätzlich erschwere. Zu berücksichtigen sei auch die prekäre Sicherheitslage in Süd-/Zentralsomalia und die allgemeine schlechte Grundversorgungslage. Eine innerstaatliche Fluchtalternative könne wegen der in Süd-/ Zentralsomalia generell nach wie vor herrschenden prekären Sicherheitslage und der mangelnden sozialen und familiären Verwurzelungen des BF weder angenommen noch zugemutet werden.

5. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich verständigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) am 01.07.2017 über die Meldung einer Straftat eines Asylwerbers gemäß § 30 Abs. 2 BFA-VG wegen der Delikte Diebstahl, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel und Urkundenunterdrückung.

6. Der BF stellte am 01.02.2018 den Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.

7. Mit Bescheid vom 05.02.2018 wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 08.01.2020 erteilt.

8. Am 17.09.2018 wurde gegen den BF eine Strafverfügung gemäß § 81 Abs. 1 SPG erlassen, in der gegen den BF ein zu zahlender Geldbetrag in der Höhe von EUR 150 ausgesprochen wurde.

9. Die Staatsanwaltschaft XXXX verständigte die belangte Behörde am 21.09.2018 von der Teileinstellung des Ermittlungsverfahrens wegen §§ 202 Abs. 1, 105 Abs. 1 und 218 Abs. 1 Z 1 StGB und von der Erhebung des Strafantrages wegen § 218 Abs. 1 Z 1 StGB beim Bezirksgericht XXXX .

10. Nach dem Abschluss der Ermittlungen am 27.01.2019 wurde die belangte Behörde durch die Staatsanwaltschaft XXXX am 30.01.2019 von der Anklageerhebung gegen den BF wegen §§ 83 Abs. 1, 218 Abs. 1a und 15, 269 Abs. 1 3. Fall StGB verständigt.

11. Die belangte Behörde leitete am 29.01.2019 ein Aberkennungsverfahren ein.

12. Der BF wurde am 12.02.2019 durch das Bezirksgericht XXXX wegen des Vergehens der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

13. Am 17.02.2019 wurde gegen den BF Anzeige wegen Körperverletzung erstattet, jedoch wurde das Ermittlungsverfahren am 18.03.2019 eingestellt.

14. Am 11.03.2019 wurde der BF durch das Landesgericht XXXX wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Vergehens der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen nach § 218 Abs. 1a StGB und des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15 Abs. 1, 269 Abs. 1 3. Fall StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von sieben Monaten, welche unter der Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

15. Der BF wurde am 12.03.2019 im Aberkennungsverfahren niederschriftlich einvernommen. Er legte folgende Dokumente der belangten Behörde vor: Zertifikat über die Prüfung ÖSD A1, Zertifikat über die Prüfung ÖSD A2, Zertifikat über die Prüfung ÖSD B1 (nicht bestanden), zwei Teilnahmebescheinigungen an einem Deutsch- und Integrationskurs des BFI, vier Teilnahmebestätigungen an einem Deutschkurs durch den Verein Begegnung, eine Bescheinigung der Teilnahme des Erste-Hilfe Grundkurses des Roten Kreuzes, eine Kopie des Führerscheins der Klasse AM, eine Kopie des Zulassungsscheines seines Motorrades, ein Zertifikat über die Teilnahme an einem Workshop namens Fotografie & Bildbearbeitung, eine Bestätigung des Roten Kreuzes über die freiwillige Mitarbeit im Rahmen der Flüchtlingsbetreuung, eine Kopie der Kostenaufstellung der Wiener Städtischen, sowie seinen Ausbildungsvertrag als Restaurantfachmann, eine Kopie bezüglich Aufforderung zur Entrichtung des Mitgliedbeitrages des ASKÖ XXXX und ein Empfehlungsschreiben.

16. Die belangte Behörde ersuchte die Staatendokumentation um eine Anfragebeantwortung bezüglich Humanitäre Hilfe, Arbeitsmarkt und Versorgungslage in Mogadischu.

17. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28.03.2019 wurde der dem BF mit Erkenntnis vom 09.01.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von sieben Jahren erlassen (Spruchpunkt VI.). Die Frist für seine freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VII.).

Folgende Feststellungen wurden im Wesentlichen dem Bescheid zugrunde gelegt:

Die Identität des BF stehe nicht fest. Er führe im Verfahren den Namen XXXX und gebe an, dass er am XXXX geboren, somalischer Staatsangehöriger sei, aus Mogadischu stamme, der Volksgruppe der Sheikhal angehöre und moslemischen Glaubens sei. Er sei gesund und arbeitsfähig. Der subsidiäre Schutz und eine befristete Aufenthaltsberechtigung seien dem BF bis 08.01.2020 zuerkannt worden. Der BF sei strafrechtlich nicht unbescholten.

Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die Situation des BF im Fall seiner Rückkehr wurde festgestellt, dass im Strafregister des BF mehrere Verurteilungen aufscheinen würden. Aufgrund der wiederholten Verurteilung wegen ähnlich gelagerter Delikte, welche objektiv besonders wichtige Rechtsgüter, wie die körperliche Unversehrtheit und die Würde von Frauen betrafen, stelle der BF eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit, insbesondere der in Österreich lebenden Frauen dar. Die belangte Behörde stelle aus den angeführten Gründen einen Aberkennungsgrund fest, weswegen eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 von Amts wegen durchzuführen sei. Es liege eine wesentliche, dauerhafte und für den BF relevante Änderung der damaligen Umstände in seinem Heimatland vor. Weiters seien seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes Informationen eingegangen, welche eine Rückkehr nach Somalia, speziell nach Mogadischu, nicht mehr unmöglich scheinen lasse. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände könne nicht festgestellt werden, dass bei einer Rückkehr nach Somalia für den BF eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge unwillkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es könne nicht festgestellt werden, dass er im Falle einer Rückkehr eine konkrete Bedrohung oder Verfolgung in Somalia zu befürchten habe. Nicht festgestellt werden könne, dass er im Falle der Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in Somalia in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Es könne nicht erkannt werden, weshalb konkret der BF einem größeren Risiko einer realen Gefahr ausgesetzt sei, als die restliche Bevölkerung von Somalia. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass dem BF im Herkunftsland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen werde oder dass er bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten werde. Darüber hinaus sei der BF in einem arbeitsfähigen Alter und könne in Somalia einer Arbeit nachgehen. Es stehe fest, dass die Erwirtschaftung seines Lebensunterhaltes durch seine Arbeitsfähigkeit gewährleistet sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass er im Falle der Rückkehr in seine Heimat Gefahr laufen würde, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notsituation zu geraten. Fest stehe, dass er aufgrund seiner Arbeitserfahrungen durch eigene Anstrengungen eine Arbeitsstelle in seiner Heimat finden werde, sei es auch durch Gelegenheitsarbeiten. Es könne somit festgestellt werden, dass er seinen Lebensunterhalt durch selbstständige Arbeit decken und somit auch Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft befriedigen könne. Eine Rückkehr nach Somalia sei ihm zumutbar und möglich. Es könne nicht festgestellt werden, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Somalia in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde hinsichtlich der Gründe für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Wesentlichen aus, dass der BF am 12.02.2019 durch das Bezirksgericht XXXX zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Wochen verurteilt worden sei. Die strafbare Handlung betreffe das Delikt der sexuellen Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen. Der BF habe dabei eine Frau am 18.07.2018 durch eine geschlechtliche Handlung an ihr belästigt, indem er unterhalb der Kleidung auf ihre Brüste und oberhalb der Unterhose, jedoch unterhalb ihrer Hose, in ihren Schambereich gegriffen habe, wobei er ihr zuvor den BH geöffnet habe. Als mildernd sei vom Gericht seine Unbescholtenheit und das Geständnis in der Hauptverhandlung gewertet worden. Es seien keine erschwerenden Umstände angeführt worden. Der BF habe bei der Einvernahme am 12.03.2019 dazu angegeben, dass dies zuhause im Schülerheim gewesen sei und er die Frau nicht belästigt hätte. Diese Aussage stehe im Gegensatz zu den Ausführungen im Gerichtsurteil, wo er ein Geständnis abgelegt habe. Die Hauptverhandlung habe am 12.02.2019 stattgefunden. Die Einvernahme habe am 12.03.2019 stattgefunden. Der BF sei daher, obwohl ihn ein Richter für schuldig befunden habe, einen Monat später wieder schulduneinsichtig. Der BF sei am 11.03.2019 durch das Landesgericht XXXX zu einer bedingten Haftstrafe von sieben Monaten verurteilt worden. Die strafbaren Handlungen seien die Delikte der sexuellen Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen, der Körperverletzung und des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Der BF habe am 26.01.2019 um 05:55 Uhr eine ihm fremde Frau vor einer Bar angesprochen und dabei sexuelle Anspielungen gemacht. Obwohl die Frau zu dem BF gesagt habe, dass er sie nicht verfolgen solle, habe der BF die Frau von der Bar bis zum Hauptplatz verfolgt und sei dann dort ausgerastet. Er habe der Frau in das Gesicht geschlagen, habe sie mit beiden Händen an den Haaren gefasst und habe sie zu Boden ziehen wollen, wodurch die Frau auf den Boden gestürzt sei. Dadurch seien Passanten zur Hilfe gekommen und der BF habe das Opfer losgelassen. Am 26.01.2019 von 06:54-06:59 Uhr, ca. eine Stunde später, habe er bei einer Haltestelle eine ihm fremde Frau, welche auf die Straßenbahn gewartet habe, mehrmals angesprochen und bedrängt. Diese Frau habe die Annäherungsversuche ignoriert und habe sich auf kein Gespräch mit dem BF eingelassen. Der BF sei dieser Frau allerdings trotzdem immer näher gerückt. Als die Frau die Straßenbahn betreten habe, habe der BF mit seiner linken Hand und einem festen Griff auf das Gesäß der Frau gefasst. Als Polizeibeamte den BF daraufhin anhalten hätten wollen, habe sich der BF sofort heftig mit Fußtritten und Ellbogenstoße gegen die Sicherheitsorgane gewehrt. Als mildernd sei vom Gericht das teilweise Geständnis (ohne sichtlicher Reue), die bisherige Unbescholtenheit und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben sei, gewertet worden. Als erschwerend sei das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und die hohe Aggressivität gewertet worden. Bei den fehlenden Diversionsvoraussetzungen habe die Richterin angeführt, dass er nicht einmal eine bedingte Unrechtseinsicht oder eine partielle Verantwortungsübernahme gezeigt habe. Weiters werde angeführt, dass dem BF eine Tatwiederholung zur Last liege bzw. er eine solche angekündigt habe. Auch bei der Einvernahme am 12.03.2019 sei der Eindruck entstanden, dass er schulduneinsichtig sei. So gebe er zwar an, dass dies passiert sei und er sich entschuldigt habe. Er sei betrunken gewesen und dies werde nie mehr passieren. Die Schuldeinsicht und die Reue seien zunächst ein innerer Vorgang, das Bedauern bzw. die Betrübnis über die begangene Tat. Dieses Bedauern bzw. innere Betrübnis über seine begangene Tat sei für die belangte Behörde bei dem BF nicht erkennbar. So versuche er das Geschehene immer wieder zu relativieren, indem er angebe, dass er betrunken gewesen sei und sich an nichts erinnere. Laut dem Abschlussbericht des Stadtpolizeikommandos XXXX zu dem Vorfall am 26.01.2019 sei der BF bei seiner Festnahme mit ca. 1,5 Promille alkoholisiert gewesen und habe angegeben, sich aufgrund seiner Alkoholisierung an nichts erinnern zu können. Bei diesem Promillewert könne nicht von einem Vollrausch ausgegangen werden. Auch sei beim BF von einer relativen Gewöhnung an Alkohol auszugehen. Auch wenn der BF angebe, dass ihm Bekannte möglicherweise „etwas“ in sein Getränk gemischt hätten, stehe für die Behörde fest, dass er seine Taten zu relativieren und mit den angeblichen Gedächtnislücken seine Schuld zu mindern versuche. Der BF sei innerhalb kürzester Zeit wegen desselben Delikts, innerhalb einer offenen Probezeit von drei Jahren, der sexuellen Belästigung strafrechtlich verurteilt worden, wobei er beim zweiten Tathergang wesentlich aggressiver vorgegangen sei und dabei sogar eine Frau geschlagen habe und sie zu Boden zu reißen versucht habe. Weiters habe er bei seiner Anhaltung durch die Polizei übermäßigen, aggressiven Widerstand gegenüber den Sicherheitsorganen geleistet. Es liege somit eine aggressive, kriminelle Steigerung seines Verhaltens und Schulduneinsicht vor. Es scheine der belangten Behörde daher dringend geboten, die weibliche Bevölkerung im Bundesgebiet vor dem BF zu schützen, bevor es zu weiteren Steigerungen seines aggressiven und gegenüber den Frauen herabwürdigenden Verhaltens kommen könne.

In der rechtlichen Beurteilung stützte sich die belangte Behörde darauf, dass gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen sei, wenn dieser eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle. Im vorliegenden Fall sei der BF innerhalb kürzester Zeit wegen desselben Delikts der sexuellen Belästigung von Frauen nach § 218 StGB verurteilt worden. Der zweiten Verurteilung lägen zusätzlich die Delikte der Körperverletzung und des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt zugrunde. Es sei auch anzumerken, dass es beim Aberkennungsgrund des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 im Gegensatz zur jenem des Z 3 leg cit. nicht darauf ankomme, ob der BF wegen eines Vergehens oder eines Verbrechens verurteilt worden sei, sondern darauf, ob er wegen der von ihm begangenen Straftaten im Zusammenhalt mit einer Prognose seines zukünftigen Verhaltens eine Gefahr für die Allgemeinheit des Landes darstelle. Weitere Voraussetzung für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei, dass für sein künftiges Verhalten keine günstige Prognose ausgestellt werden könne. Bei den Taten zu seiner zweiten Verurteilung sei er wesentlich aggressiver vorgegangen und habe eine Frau geschlagen, zudem zeige er keine Reue. Für die belangte Behörde stehe fest, dass der BF eine Gefahr für die Allgemeinheit, insbesondere für die weibliche Bevölkerung im Bundesgebiet iSd. § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 darstelle. Aufgrund genannter Erwägungen gehe eine Interessensabwägung zwischen seinem Interesse an der Aufrechterhaltung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und dem öffentlichen Interesse an der Aberkennung desselben zu seinen Lasten aus und sei festzuhalten, dass in Anbetracht der großen Gefahr für die Frauen im Bundesgebiet, die vom BF ausgehe, und um eine weitere Steigerung seines aggressiven und gegenüber den Frauen herabwürdigenden Verhaltens hintanzuhalten, die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten keinesfalls als unverhältnismäßig zu qualifizieren sei.

18. Mit Schriftsatz vom 19.04.2019 erhob der BF binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde zur Gänze und brachte darin im Wesentlichen vor, dass hinsichtlich der Lage in Somalia keine grundlegenden Veränderungen bzw. wesentlichen Verbesserungen seit Gewährung des subsidiären Schutzes zu entnehmen seien. Auch wesentliche Änderungen hinsichtlich der individuellen Situation des BF habe die belangte Behörde nicht ordentlich dargetan. So sei weder die von Seiten der belangten Behörde behauptete finanzielle Unterstützung durch die Verwandten des BF eine wesentliche Änderung noch die nunmehr vorhandene Berufserfahrung des BF, da diese bereits bei der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vorgelegen habe. Des Weiteren liege durch den BF keine Gefahr für die Allgemeinheit gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 vor und hätte die Behörde auch die Umstände des Einzelfalles und vor allem auch die Strafzumessung berücksichtigen müssen. Darüber hinaus sei eine Abschiebung des BF nach Somalia nicht zulässig und verfüge der BF über ein schützenswertes Privat- und Familienleben. Der BF lebe seit nahezu vier Jahre im Bundesgebiet und nutze die Zeit um seine Deutschkenntnisse zu verbessern und sich am Arbeitsmarkt zu integrieren. Ebenso sei das befristete Einreiseverbot zu hoch bemessen.

19. Am 09.01.2020 übermittelte die belangte Behörde einen Abschlussbericht wegen des Verdachts auf Betrug und Urkundenunterdrückung.

20. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 31.08.2020 eine Strafregisterabfrage durch.

21. Mit Schreiben vom 03.06.2020 wurde den Parteien das Länderinformationsblatt Somalia vom 17.09.2019 zur Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme zu den Länderinformationen wurde nicht abgegeben.

22. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Urfahr vom 31.01.2020 wurde der BF wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB, sowie wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung gemäß § 229 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 150 Tagsätzen zu je 4,00 EUR (600,00 EUR), sowie im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 75 Tagen, verurteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Dem BF wurde mit Erkenntnis vom 09.01.2017 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Weder der BF noch die belangte Behörde haben dagegen Beschwerde erhoben. Begründend wurde festgestellt, dass beim BF nicht von einer Wiederaufnahme in die unterstützende Struktur der Kernfamilie im Falle einer Rückkehr nach Somalia ausgegangen werden könne. Er verfüge somit über kein soziales Netz, das beim Wiederaufbau einer Existenzgrundlage notwendig wäre und gehöre einem Minderheitenclan an, was ihm die Wiedereingliederung zusätzlich erschwere. Zu berücksichtigen sei auch die prekäre Sicherheitslage in Süd-/Zentralsomalia und die allgemeine schlechte Grundversorgungslage.

1.2. Die allgemeine Lage in Somalia hat sich nicht wesentlich und nachhaltig gebessert.

Aufgrund der aktuellen Gegebenheit ist auf die derzeitig herrschende Pandemie hinzuweisen. COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Somalia wurden mit Datum 10.11.2020 rund 4.301 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei ca. 107 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurde. Diesbezüglich ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Dunkelziffer viel höher sein wird, da in Somalia kein ausreichendes und effektives Testsystem besteht.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

1.3. Die persönliche Situation des BF hat sich nicht wesentlich geändert. Es wird festgestellt, dass der BF über kein unterstützendes familiäres Netzwerk oder einen Bekanntenkreis in Somalia, insbesondere in Mogadischu, verfügt. Deshalb kann nicht festgestellt werden, dass er von der allgemein schlechten Lage im Falle einer Rückkehr weniger intensiv betroffen wäre.

Er ist Angehöriger des Clans der Sheikhal. Er kann im Falle einer Rückkehr nach Somalia, konkret nach Mogadischu, keine ausreichende Hilfe durch seinen Clan erwarten.

1.4. Die Versorgungslage von Binnenflüchtlingen in Somalia hat sich nicht wesentlich und nachhaltig gebessert.

1.5. Die Lage in Somalia hat sich auch aus anderen Gründen nicht dahingehend wesentlich und nachhaltig gebessert, sodass der BF im Falle seiner Rückkehr mit ausreichender Wahrscheinlichkeit in der Lage sein würde, sich einen notdürftigsten Lebensunterhalt zu verschaffen.

1.6. Eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts zur Frage der Gewährung subsidiären Schutzes ist somit weder im Hinblick auf das individuelle Vorbringen des BF noch in Bezug auf die allgemeine Lage in Somalia eingetreten.

1.7. Im Strafregister des BF scheinen drei rechtskräftige Verurteilungen auf. Der BF wurde am 12.02.2019 durch das Bezirksgericht XXXX wegen des Vergehens der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Am 11.03.2019 wurde der BF durch das Landesgericht XXXX wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Vergehens der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen nach § 218 Abs. 1a StGB und des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15 Abs. 1, 269 Abs. 1 3. Fall StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von sieben Monaten, welche unter der Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Am 31.01.2020 wurde der BF durch das Bezirksgericht Urfahr wegen der Vergehen des Betruges nach § 146 StGB, sowie wegen Urkundenunterdrückung gemäß § 229 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 150 Tagsätzen zu je 4,00 EUR (600,00 EUR), sowie im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 75 Tagen, verurteilt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten, unstrittigen Verwaltungsunterlagen sowie dem Erkenntnis vom 09.01.2017. Die Feststellungen hinsichtlich der Lage in Somalia und möglichen Änderungen ergeben sich insbesondere aus einem Vergleich der dem Erkenntnis vom 09.01.2017 und dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 28.03.2019 zugrundeliegenden Länderberichte, nämlich der Länderinformationsblätter (in der Folge: LIB) der Staatendokumentation zu Somalia vom 25.04.2016 (in der Folge LIB 2016) bzw. vom 12.01.2018 (samt Kurzinformation vom 17.09.2018, in der Folge LIB 2018) und dem LIB vom 17.09.2019 (LIB 2019).

2.1. zu 1.1. Dass bzw. aus welchen Gründen dem BF mit dem Bescheid der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem rechtskräftigen Erkenntnis vom 09.01.2017.

2.2. zu 1.2. Die Feststellung, dass sich die schwierige Versorgungssituation in Somalia, insbesondere in Mogadischu im Vergleich nicht wesentlich und nachhaltig gebessert hat, ergibt sich aus einem Vergleich der dem Erkenntnis vom 09.01.2017 und dem angefochtenen Bescheid vom 28.03.2019 zugrundeliegenden Länderberichte wie oben angeführt, sowie den Parteien zugesandten aktualisierten Länderinformationsbericht vom 17.09.2019.

Was die Sicherheitslage in Süd- und Zentralsomalia wie auch in Mogadischu anbelangt, kann nicht von einer wesentlichen Verbesserung ausgegangen werden, weil auch die aktuellen Länderberichte zeigen, dass es kaum Schutz gegen Übergriffe gibt, der Einfluss von AMISOM häufig nur auf die Stadtzentren beschränkt ist und Gebiete auch unter der Kontrolle der Al Shabaab stehen. Gerade was die Situation der Zivilisten anbelangt zeichnen die Länderberichte ein schlechtes Bild. Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur durch Al Shabaab führten 2018 zu hunderten zivilen Todesopfern und Verletzten, wobei diese als Kollateralschaden in Kauf genommen wurden. Im Zeitraum Jänner-September 2018 sind in Somalia bei Sprengstoffanschlägen mindestens 280 Menschen ums Leben gekommen, 220 wurden verletzt. 43% der Opfer waren Zivilisten. Auch kommt es vermehrt zu Luftangriffen. Eine wesentliche und nachhaltige Verbesserung der Sicherheitslage kann somit nicht festgestellt werden.

Hinzu kommt, dass Somalia von einer großen, notorisch bekannten Dürreperiode betroffen war und es zwar zwischenzeitig zu Regenfällen kam, die allgemeine Versorgungslage aber - wie sich aus den im Rahmen der Verhandlung eingeführten Länderberichten ergibt - noch nicht nachhaltig gebessert hat. Dazu wird näher ausgeführt wie folgt:

Im Kapitel "Grundversorgung/Wirtschaft" wird im LIB 2019 neu angeführt: " Generell erholt sich die somalische Wirtschaft weiterhin von der Dürre der Jahre 2016 und 2017... (S. 115). In der Folge wird aber festgehalten, dass dieses Potential die aktuelle Lage nicht reflektiert: „Das Wirtschaftswachstum ist für die meisten Somalis zu gering, als dass sich ihr Leben dadurch verbessern würde…“. Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia seit Jahrzehnten zum Land mit dem größten Bedarf an internationaler Nothilfe (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, 01.01.2017; vgl. Auswärtiges Amt, Somalia - Wirtschaft, April 2017). Das Land ist also in hohem Grade von Hilfe abhängig (United Nations Assistance Mission in Somalia, SRSG Keating Briefing to the Security Council, 13.09.2017)."

Hinsichtlich der Dürresituation wird im LIB 2019 zusätzlich Folgendes ausgeführt:

„Die ländliche Bevölkerung und IDPs befinden sich in der am meisten vulnerablen Position. Erstere verfügen kaum über Mittel, um die durch die Dürre entstandenen Verluste wieder wettzumachen. Dadurch sind sie hinsichtlich neuerlicher Katastrophen wehrlos. Hintergrund ist, dass 60% der Somali zum größten Teil von der Viehzucht abhängig sind, 23% sind Subsistenz-Landwirte. Zwei Drittel der Bevölkerung leben im ländlichen Raum. Sie sind absolut vom Regen abhängig. In den vergangenen Jahren haben Frequenz und Dauer von Dürren zugenommen. Deswegen wurde auch die Kapazität der Menschen, derartigen Katastrophen zu begegnen, reduziert. Mit jeder Dürre wurden ihre Vermögenswerte reduziert: Tiere starben oder wurden zu niedrigen Preisen verkauft, Ernten blieben aus; es fehlt das Geld, um neues Saatgut anzuschaffen. Zusätzlich verstärken Mangel an Bildung, übermäßige Abhängigkeit von einem Einkommen aus der Landwirtschaft, Arbeitslosigkeit, geringes Vermögen und eine große Personenzahl im Haushalt die Vulnerabilität im Fall eines Katastrophen (z.B. Naturkatastrophe). Bereits 2016/17 wurden im Zuge der Dürre fast eine Millionen Somali vertrieben. Nur aufgrund großangelegter und erfolgreicher humanitärer Hilfe wurde eine Hungersnot verhindert.

Zwischenzeitlich hatte sich die humanitäre Situation aufgrund guter Regenfälle im Jahr 2018 etwas entspannt. Die Sicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung hatte sich verbessert– nicht zuletzt aufgrund fortgesetzter humanitärer Hilfe und aufgrund überdurchschnittlicher Regenfälle. Trotzdem blieb auch dann die Zahl der auf Hilfe angewiesenen Menschen bei 4,2 Millionen (LIB 2019, S. 122-123).“

Die aktuelle Lage in Somalia stellt sich wie folgt dar: „Somalia steht wieder vor einem großen humanitären Notfall. Am meisten betroffen sind IDPs und marginalisierte Gruppen. Das Land leidet unter den negativen Folgen unterdurchschnittlicher Regenfälle in der Gu-Regenzeit (April-Juni) 2019. Letztere hat sehr spät eingesetzt. Der gefallene Regen hat die Dürre-Bedingungen zwar etwas entspannt und den Zustand des Viehs etwas verbessert; trotzdem reichte er nicht aus, um die Landwirtschaft nachhaltig zu stärken. Am Ende ist die Gu zwar normal oder fast normal ausgefallen; doch war der Niederschlag erratisch und schlecht verteilt. Außerdem kam er um einen Monat später als normal. Bereits zuvor war die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) 2018 schlecht ausgefallen und Anfang 2019 war ungewöhnlich trocken. Mit Ausnahme der Gu im Jahr 2018 ist seit Ende 2015 jede Regenzeit unterdurchschnittlich ausgefallen. Der humanitäre Bedarf ist nach wie vor hoch, Millionen von Menschen befinden sich in einer Situation akuter Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung. In Nord- und Zentralsomalia herrschen durchgehend moderate bis große Lücken in der Versorgung. Dort wird für August/September 2019 in einigen Teilen mit IPC 3 und IPC 4 gerechnet. Das gleiche gilt für den Süden, wo aufgrund einer unterdurchschnittlichen Ernte die Lebensmittelpreise steigen werden. Der Preis für Sorghum befindet sich bereits auf einer außergewöhnlichen Höhe. Viele Menschen aus ländlichen Gebieten sind in Städte gezogen, um Zugang zu Hilfsgütern zu erhalten. Schätzungen zufolge werden bis September 2019 5,4 Millionen Menschen von Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung betroffen sein. Mit Stand September 2019 verhindert eine großangelegte humanitäre Hilfe schlimmere Zahlen. Geht die Hilfeleistung zurück, ist von einer Verschlechterung auszugehen. Und auch für den Fall, dass die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) besser ausfallen sollte, wird sich dies frühestens Ende Dezember auf die Versorgungslage auswirken.“ (LIB 2019, S. 123)

Aus dem Vergleich der Länderberichte kann keine Verbesserung abgeleitet werden, es ist vielmehr ersichtlich, dass die Lage nach wie vor volatil ist. Einerseits erreicht die Prognose einer Verbesserung der Versorgungslage noch nicht das notwendige Ausmaß an Nachhaltigkeit, die für eine tatsächliche Verbesserung der Lage gegeben sein muss. Einerseits mögen die einsetzenden Regenfälle zwar dazu führen, dass die Dürre zurückgeht, andererseits führen sie auch vermehrt zu Überschwemmungen, was wiederum die Versorgungslage beeinträchtigt. Jedenfalls kann aufgrund dieser Berichte nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sich die Versorgungslage wesentlich und nachhaltig geändert hat, und hat das Bundesamt eine wesentliche Verbesserung auch sonst nicht näher begründet oder nachgewiesen.

Der BF ist in der Stadt Mogadischu geboren und aufgewachsen. Dem Länderbericht von 2019 zufolge wird die Stadt zwar von der Regierung und AMISOM kontrolliert, doch sind rund um die Stadt, das heißt vor allem in ländlicheren Bereich, die Al Shabaab vertreten. Für die Al Shabaab bietet die Stadt aber schon alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele (LIB 17.09.2019, S. 28-29). In Zusammenschau der nach wie vor prekären Versorgungslage ist daher eine Rückkehr in die Herkunftsregion trotz der Vorherrschaft der Regierung in der Stadt als nicht zumutbar einzustufen.

Die Situation zur Erkrankung von COVID-19 Infizierten ergibt sich aus der Übersicht der John Hopkins Universität bei der Abfrage der Homepage https://coronavirus.jhu.edu/map.html und die Risikogruppen für Personen aus den Anfragebeantwortungen des Sozialministeriums, welche auf der Homepage abrufbar sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html). So sind hier ältere Menschen über 60 Jahre und immungeschwächte Personen (z.B. Diabetes, Herzerkrankungen, Krebserkrankungen und Bluthochdruck) gefährdet. Auch liegt die Sterblichkeitsrate unter jener von MERS (bis zu 30 Prozent) und SARS (ca. 10 Prozent). Die Sterblichkeitsrate ist zurzeit geringer als die von bis zu drei Prozent, wobei auch die saisonale Grippe durch Influenzaviren eine Sterblichkeitsrate von 1 Prozent aufweist. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der BF eine schwere Erkrankung erleiden wird oder gar den Tod, zumal er gesund und jung ist.

2.3. zu 1.3. Die Feststellung, dass der BF über kein unterstützendes familiäres Netzwerk in Somalia verfügt, ergibt sich aus den Aussagen des BF in der Einvernahme im Aberkennungsverfahren sowie aus seiner Beschwerde vom 19.04.2019. Der BF gibt dabei gleichbleibend und stringent an, dass sich seine Familie nicht mehr in Somalia befinde und nach Äthiopien gezogen sei. Diesbezüglich war daher an der Glaubhaftigkeit nicht zu zweifeln.

Aus der Einvernahme vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht und der Beschwerde ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass andere Verwandte zum Unterhalt des BF beitragen könnten.

Das LIB 2019 weist für Mogadischu für zuziehende, vermögenslose und alleinstehende Personen ohne soziale Anbindung vor Ort eine nach wie vor akute Unterversorgung mit Nahrungsmitteln als Folge der vorangegangenen Dürreperiode aus. Dezidiert wird ausgeführt, dass zuziehende Personen sich keinen Lebensunterhalt werden sichern können, die in der Stadt weder über eine Kern- noch über eine erweiterte Familie mit entsprechenden Ressourcen verfügen; solche Personen würden gezwungen sein, sich in Lagern für Binnenvertriebene niederzulassen. Gerade die Nahrungsmittelversorgung solcher Personen in Mogadischu beschreiben die Länderberichte als nach wie vor kritisch.

Wenn die belangte Behörde in ihrem Bescheid auf die Arbeitsfähigkeit des BF Bezug nimmt, so ist darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde auch damit keine Änderung der Voraussetzungen, unter denen dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, darstellt, da diese auch zum Zeitpunkt der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung bereits vorgelegen hat.

Der BF ist kein Angehöriger des in Mogadischu angesiedelten Mehrheitsclans der Hawiye. Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid jedoch davon aus, dass dem BF nunmehr eine Rückkehr nach Mogadischu offenstehe und begründet dies auch damit, dass der BF aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Clan der Sheikhal auf Unterstützung seines Clans zurückgreifen könne. Der BF war bereits zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes zu jenem Clan zugehörig. Prinzipiell gilt als allgemeine Regel, dass Somali auch sehr entfernt Verwandte, die aus einer anderen Gegend kommen, unterstützen werden, da eine Clan-Verbindung besteht. Voraussetzung dafür ist, dass die Kapazitäten dafür zur Verfügung stehen. Allerdings wurde das Konzept der Clan-Solidarität in Süd-/Zentralsomalia überdehnt. Viele Familien und Clan-Netzwerke sehen sich nicht mehr in der Lage, die Bedürfnisse vertriebener Verwandter zu erfüllen. Wenn das Bundesamt davon ausgeht, dass aufgrund der Clanzugehörigkeit des BF ein ausreichendes Netzwerk vorhanden sei, ist festzuhalten, dass sich die Clanzugehörigkeit des BF seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht verändert hat und bereits bei der Zuerkennung ein unterstützendes Netz aufgrund seiner Clanzugehörigkeit nicht angenommen worden ist. So führt das LIB hierzu an:

„Generell gilt, dass eine Einzelperson immer dann in der „Minderheiten“-Rolle ist, wenn sie sich auf dem Gebiet eines anderen Clans aufhält. Sie verliert so die mit ihrer Clanzugehörigkeit verbundenen Privilegien. Sie gilt als „Gast“ in dem Territorium, was sie in eine schwächere Position bringt als die „Gastgeber“. In diesem System von „hosts and guests“ sind also Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt.

Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass dem BF bei einer Rückkehr eine derartige Unterstützung durch einen fremden Clan (Hawiye) zu Teil wird, die mit der Unterstützung durch den Jilib innerhalb der eigenen Clanfamilie vergleichbar wäre.

Eine Änderung der persönlichen Situation des BF ist insofern nicht eingetreten, als der BF weiterhin keine familiären Angehörigen in Somalia hat und ihm auch aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Clan der Sheikhal keine innerstaatliche Fluchtalternative nach Mogadischu zumutbar ist. Auch sind sonst keine Umstände hervorgekommen, welche zu einer maßgeblich verbesserten Situation des BF im Fall einer Rückkehr führen würden.

2.4. zu 1.4. Die Feststellung, dass sich die Versorgungslage von Binnenflüchtlingen in Somalia im Vergleich nicht wesentlich und nachhaltig gebessert hat, ergibt sich aus einem Vergleich des Kapitels "Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge" des LIB 2018 und des LIB 2019, das in dieser Hinsicht nicht wesentlich geändert wurde und jedenfalls nicht darauf schließen lässt, dass sich die Versorgungslage von Binnenflüchtlingen in Somalia wesentlich und nachhaltig gebessert hätte. Vielmehr wurde es um die Informationen ergänzt, dass Al Shabaab mitverantwortlich dafür ist, dass von der Dürre betroffene Personen aus ihrer Heimat fliehen mussten, da die Gruppe humanitäre Hilfe behindert und Blockaden betreibt (Somalia and Eritrea Monitoring Group, Report of the SEMG on Somalia, 08.11.2017), es vor allem in Mogadischu weiterhin zur Vertreibung bzw. Zwangsräumung von IDPs kommt (Amnesty International, Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia 22.02.2017) und IDPs in Somalia zu den am meisten gefährdeten Personengruppen gehören (Ministerie von Buitenlandse Zaken, Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië November 2017), sowie dass IDPs über die Maßen von der Dürre betroffen sind (International Crisis Group, Instruments of Pain (III) - Conflict and Famine in Somalia, 09.05.2017). Die aktuellen Länderberichte lassen einen solchen Schluss also nicht zu und wurde eine solche Änderung vom Bundesamt auch nicht vorgebracht.

2.5. zu 1.5. Die Feststellung, dass sich auch aus sonstigen Gründen die Lage in Somalia im Vergleich nicht dahingehend wesentlich und nachhaltig gebessert hat, sodass der BF im Falle seiner Rückkehr mit ausreichender Wahrscheinlichkeit in der Lage sein würde, sich einen notdürftigsten Lebensunterhalt zu verschaffen, ergibt sich daraus, dass sich solche Gründe aus den aktuellen Länderberichten (LIB der Staatendokumentation zu Somalia, 17.09.2019) nicht ergeben und auch sonst nicht hervorgekommen sind. Schließlich weist auch die Staatendokumentation selbst in ihrer dem inhaltlichen Teil des Länderinformationsblatts zu Somalia vorangehenden "vergleichenden länderkundlichen Analyse i.S. § 3 Abs. 4a AsylG" darauf hin, dass es zu keinen wie im § 3 Abs. 4a AsylG beschriebenen Verbesserungen in Somalia gekommen ist.

2.6. zu 1.6. Die Feststellung, dass eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts somit weder im Hinblick auf das individuelle Vorbringen des BF noch in Bezug auf die allgemeine Lage in Somalia eingetreten ist, ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben angeführten Beweiswürdigung. Weder ein Vergleich der herangezogenen Länderberichte, noch das Vorbringen des BF in der Einvernahme und in seiner Beschwerde, welche für die Entscheidung herangezogen wurden, lassen einen solchen Schluss zu. Auch die belangte Behörde hat eine Änderung von diesem Ausmaß in ihrem Bescheid in keinster Weise nachgewiesen, sondern lediglich unsubstantiiert behauptet, die Lage habe sich verbessert, oder sich auf Prognosen und Stehsätze beschränkt. Der Umstand, dass heftige Regenfälle zu den schlimmsten Überflutungen seit 60 Jahren führen (was zwar im Vergleich zur langjährigen Dürre als Veränderung, jedoch keinesfalls als Verbesserung der Lage gesehen werden kann) lässt nicht darauf schließen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den BF nicht mehr vorliegen; andere Gründe sind weder hervorgekommen, noch wurden solche (substantiiert) vorgebracht.

2.7. zu 1.7. Die Feststellung hinsichtlich der rechtskräftigen Verurteilungen ergibt sich aus dem Strafregisterauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) Stattgabe der Beschwerde in allen Spruchpunkten und ersatzlose Behebung

3.1.1 Einleitend wird festgehalten, dass sich die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 28.03.2019 bezüglich des Aberkennungstatbestandes explizit auf § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 gestützt hat und begründend ausführt, dass der BF im Zusammenhalt mit einer Prognose seines zukünftigen Verhaltens eine Gefahr für die Allgemeinheit des Landes darstelle. Auch der Spruch des angefochtenen Bescheides bezieht sich ausschließlich auf den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005.

3.1.2. Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass das Verwaltungsgericht prinzipiell nicht nur die gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. etwa VwGH 30.01.2019, Ra 2018/03/0131, mwN; siehe jüngst auch VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005). "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0032, mwN). Angesichts der historischen Entwicklung des § 9 AsylG 2005, die gesetzlich vorgesehene Verpflichtung, bei Straffälligkeit des subsidiär Schutzberechtigten jedenfalls ein Aberkennungsverfahren einzuleiten und die in den § 9 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 festgelegten Prüfschritte, die dabei vorzunehmen sind, hielt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, fest, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in dem diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Fall nicht bloß das Fortbestehen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 zu überprüfen hatte. Der Verwaltungsgerichtshof führte weiters aus, die zu entscheidende Angelegenheit ist die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus an sich und damit sämtliche in § 9 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 vorgesehenen Prüfschritte und Aussprüche. Dementsprechend ist die "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht nur die Klärung der Frage, ob die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angenommenen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 tatsächlich vorliegen, sondern sie umfasst sämtliche Prüfschritte und Aussprüche, die im Verfahren zur Aberkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 9 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 vorzunehmen sind (siehe dazu VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, Rz 23 ff).

3.1.3. In Hinblick auf die oben aufgezeigte jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die zu entscheidende Angelegenheit die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus an sich und damit sämtliche in § 9 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 vorgesehenen Prüfschritte und Aussprüche ist, stellt sich im vorliegenden Fall somit vorerst die Rechtsfrage, ob dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 Z 1 abzuerkennen war.

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Zur richtlinienkonformen Interpretation:

Artikel 16 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Rates vom 13.12.2011 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304 (in der Folge: Status-RL), über das Erlöschen des subsidiären Schutzes lauten:

"(1) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser hat keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist.

(2) Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden."

Art. 19 Abs. 1 und 4 lauten:

"(1) Bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2011/95/EU gestellt wurden, erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Artikel 16 nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.

(4) Unbeschadet der Pflicht des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, gemäß Artikel 4 Absatz 1 alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen, weist der Mitgliedstaat, der ihm den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, in jedem Einzelfall nach, dass die betreffende Person gemäß den Absätzen 1 bis 3 dieses Artikels keinen oder nicht mehr Anspruch auf subsidiären Schutz hat."

In Anlehnung an Art. 16 der Status-RL bedarf es hier (§ 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005) einer grundlegenden und dauerhaften Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland des Fremden. So ist es keineswegs ausreichend, lediglich festzustellen, dass sich seit der ursprünglichen Antragstellung in Österreich die Gegebenheiten im Herkunftsstaat wesentlich gebessert haben und darauf basierend gegenwärtig keine reale Gefahr für den bislang subsidiär Schutzberechtigten besteht, im Falle seiner Abschiebung in dieses Land, Opfer einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder des 6. bzw. 13. ZPEMRK zu werden, respektive als Zivilperson ernsthaft am Leben oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bedroht zu sein. Um die Voraussetzungen der Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 objektiv zu erfüllen, muss eine entsprechende Nachhaltigkeit der positiven Veränderungen im Herkunftsland des Fremden gewährleistet sein. Dies erfordert im Regelfall eine längere Beobachtungsphase, anhand deren Verlaufs und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sich das nachhaltige Ende der bisherigen Bedrohungssituation entsprechend verifizieren lässt (Schrefler-König/Gruber, Asylrecht, § 9 AsylG 2005, Anm. 11).

Soweit die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid zur Situation des BF im Falle einer Rückkehr ausführt, dass der BF in Somalia in keine existenzbedrohende Notlage geraten würde bzw. eine wesentliche, dauerhafte Änderung der damaligen Umstände in seinem Heimatland vorliege, ist festzuhalten, dass diese Änderungen nur unzureichend und unsubstantiiert von der belangten Behörde behauptet wurden. Vielmehr hat sich neben der Sicherheitslage auch die Versorgungslage durch die unmittelbar auslaufende Dürreperiode verschlechtert. Auch eine wesentliche Änderung im Hinblick auf die individuelle Situation des BF wurde von der belangten Behörde nicht schlüssig dargetan. Die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des BF ist zwar an sich nicht als volatil anzusehen, doch kommt entgegen der Annahme im angefochtenen Bescheid auch weiterhin eine innerstaatliche Fluchtalternative des BF nach Mogadischu mangels Vorliegens eines familiären Unterstützungsnetzwerkes respektive einer Unterstützung durch das Clansystem nicht in Betracht. Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt ist nicht davon auszugehen, dass der BF als Angehöriger des Clans der Sheikhal weder auf eine Unterstützung seines Clans, noch der in Mogadischu vorherrschenden Hawiye Clans zurückgreifen kann.

Bezüglich der bereits bestehenden Pandemie, aufgrund des Corona-Virus ist festzuhalten, dass COVID-19 sowohl in Österreich als auch in Somalia ist, der BF allerdings nicht zur Risikogruppe gehört, da er gesund und jung ist.

Sohin liegen die Voraussetzungen für § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor. Umstände, welche für § 9 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG 2005 relevant wären, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, weswegen nicht näher darauf einzugehen war.

3.1.4. Weiters ist im Folgenden zu prüfen, ob bzw. welcher Teil von Abs. 2 im konkreten Fall anzuwenden ist:

Nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 hat eine Aberkennung des subsidiären Schutzes bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 leg.cit. zu erfolgen, wenn der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt. Entsprechende Vorschriften sehen auch Art. 19 Abs. 3 lit. a iVm Art. 17 Abs. 1 lit. d Statusrichtlinie vor, die mit der zitierten nationalen Regelung umgesetzt worden sind.

Abweichend von der in § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 geforderten formalen Grenze des "Verbrechens (§ 17 StGB)", kann der Aberkennungstatbestand der Z 2 leg.cit. auch dann erfüllt sein, wenn mehrere minderschwere Straftaten vorliegen, welche für sich das Kriterium der Ziffer 3 nicht erfüllen (vgl. ErläutRV 330 BlgNR 24. GP 9).

Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, erfordert eine Gefährdungsprognose. Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und in Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (vgl. VwGH 14.03.2019, Ra 2018/20/0387, Rz 13, mwN).

Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 13.12.2011, U 1907/19 (VfSlg. 19591), aus, dass eine Gefahr für die Sicherheit und Allgemeinheit eines Landes nur dann gegeben sei, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei oder wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorlägen. Zur Begründung verwies er darauf, dass § 9 Abs. 2 (Z 2) AsylG 2005 in Umsetzung der Statusrichtlinie ergangen sei und daher richtlinienkonform interpretiert werden müsse. Gemäß Art. 17 Abs. 1 der Statusrichtlinie seien Personen vom Genuss des subsidiären Schutzes auszuschließen, die Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit (lit. a) bzw. schwere Straftaten (lit. b) begangen hätten oder sich Handlungen zuschulden kommen ließen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen (lit. c). Angesichts der schweren Natur dieser Ausschluss- bzw. Aberkennungstatbestände könne nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Interpretation Art. 17 Abs. 1 lit. d leg. cit. (Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit eines Landes) nur dahingehend verstanden werden, dass zur Verwirklichung dieser Bestimmung zumindest die Begehung einer Straftat von vergleichbarer Schwere wie die in lit. a bis c der Statusrichtlinie genannten Handlungen vorliegen müsse. Diese Sicht werde auch dadurch bestätigt, dass die Statusrichtlinie selbst bzw. die Materialien zur Statusrichtlinie auf die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) Bezug nehmen würden und sich aus der zu den einschlägigen Bestimmungen der GFK ergangenen Judikatur bzw. Literatur ergebe, dass eine "Gefahr für die Sicherheit oder für die Allgemeinheit eines Landes" nur dann gegeben sei, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei oder wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorlägen (vgl. auch VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155, Rz 19).

Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner Rechtsprechung erkannt, dass nur ein Flüchtling, der wegen einer "besonders schweren Straftat" rechtskräftig verurteilt wurde, als eine "Gefahr für die Allgemeinheit eines Mitgliedstaats" angesehen werden könne (EuGH vom 24.06.2015, C-373/13, H.T. gegen Land Baden-Württemberg, ECLI:EU:C:2015:413).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich diesen zitierten rechtlichen Erwägungen angeschlossen, wonach ein Fremder jedenfalls dann eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 darstellt, wenn sich diese aufgrund besonders qualifizierter strafrechtlicher Verstöße prognostizieren lässt. Als derartige Verstöße kommen insbesondere qualifizierte Formen der Suchtgiftdelinquenz (wie sie beispielsweise in § 28a SMG unter Strafe gestellt werden) in Betracht, zumal an der Verhinderung des Suchtgifthandels ein besonderes öffentliches Interesse besteht (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155 mit Verweis auf VwGH 22.11.2012, 2011/23/0556).

3.1.4.1. Im vorliegenden Fall weist der BF drei rechtskräftige Verurteilungen auf.

Der BF wurde am 12.02.2019 durch das Bezirksgericht XXXX wegen des Vergehens der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Am 11.03.2019 wurde der BF durch das Landesgericht XXXX wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Vergehens der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen nach § 218 Abs. 1a StGB und des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15 Abs. 1, 269 Abs. 1 3. Fall StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von sieben Monaten, welche unter der Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Am 31.01.2020 wurde der BF nunmehr durch das Bezirksgericht Urfahr wegen der Vergehen des Betruges nach § 146 StGB, sowie wegen Urkundenunterdrückung gemäß § 229 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 150 Tagsätzen zu je 4,00 EUR (600,00 EUR), sowie im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 75 Tagen, verurteilt.

Bei der Urteilsfindung des Bezirksgerichtes wurde als mildernd seine Unbescholtenheit und das Geständnis in der Hauptverhandlung gewertet. Als erschwerend kam kein Umstand hinzu. Die verhängte bedingte Freiheitsstrafe von sechs Wochen ist bei einem möglichen Rahmen von bis zu sechs Monaten als gering anzusehen. Hinsichtlich der zweiten Verurteilung durch das Landesgericht wurde als mildernd sein teilweises Geständnis, dies allerdings ohne sichtlicher Reue, die bisherige Unbescholtenheit und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist gewertet. Als erschwerend kamen hinzu das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und die hohe Aggressivität. Die verhängte bedingte Zusatzfreiheitsstrafe von sieben Monaten ist bereits im mittleren Rahmen anzusehen. Hervorzuheben ist allerdings der Umstand, dass die Diversionsvoraussetzungen aufgrund eines hohen Gesinnungs- und Handlungsunwertes nicht vorlagen. Auch standen spezialpräventive Überlegungen dagegen, da der BF nicht einmal eine bedingte Unrechtseinsicht bzw. Verantwortungsübernahme gezeigt hat und ihm eine Tatwiederholung zur Last liegt bzw. er eine solche ankündigte. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 43 Abs. 1 StGB das Gericht die Strafe dann bedingt nachzusehen hat, wenn anzunehmen ist, dass die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Das Strafgericht hat daher, wie die bedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe zeigt, die Auffassung vertreten, dass die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe genügen werde, den BF von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und dass keine Wiederholungsgefahr besteht. Das Strafgericht ist daher von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen.

Bei einer Gefährdungsprognose ist neben den begangenen strafbaren Handlungen und deren Art und Schwere auch die Judikatur der Höchstgerichte zu berücksichtigen. So verkennt das Gericht zwar nicht, dass der BF immer wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten ist (aus dem Akt gehen neben den drei Verurteilungen mehrere Anzeigen hervor), und dadurch mehrere minderschwere Straftaten zu Lasten des BF aufscheinen, doch wird von den Höchstgerichten ein strenger Maßstab zur Beurteilung der Frage der Gefahr für die Allgemeinheit und Sicherheit herangezogen. Die Art und die Schwere der begangenen Straftaten reichen daher nicht aus, um den BF als Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen. Er hat weder besonders strafrechtlich qualifizierte Delikte oder an sich besonders schwere Straftaten (der Verwaltungsgerichtshof versteht darunter etwa Vergewaltigung oder Mord) begangen. Auch wenn der BF bereits mehrmals strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, so erreicht dies noch nicht den Grad an Schwere, der vorausgesetzt wird und kann deshalb, auch unter Berücksichtigung seines Gesamtverhaltens, keine negative Gefährdungsprognose getroffen werden.

3.1.5. Da Abs. 2 Z 2 im gegenständlichen Fall nicht anwendbar ist, sind noch die Voraussetzungen der Z 3 zu prüfen. § 9 Abs. 2 Z 3 lautet:

Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des § 9 Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

(…)

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

3.1.5.1. Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG hat die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits auf Grund der Verurteilung wegen eines Verbrechens nach § 17 StGB, also einer vorsätzlich begang

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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