TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/17 W226 1433147-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.11.2020
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Entscheidungsdatum

17.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W226 1433144-4/11E

W226 1433145-4/9E

W226 1433146-4/7E

W226 1433147-4/7E

W226 1433148-4/7E

W226 1433202-4/7E

W226 2113476-2/7E

W226 2147655-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX (BF1), geb. XXXX , 2.) XXXX (BF2), geb. XXXX 3.) XXXX (BF3), geb. XXXX , 4.) XXXX (BF4), geb. XXXX , 5.) XXXX (BF5), geb. XXXX , 6.) XXXX (BF6), geb. XXXX , 7.) XXXX (BF7), geb. XXXX und 8.) XXXX (BF8), geb XXXX , alle StA: Russische Föderation, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.01.2017 bzw. 26.03.2018, Zlen. 1.) 821156403-152023549, 2.) 821401902/170183234, 3.) 821402006/170183242, 4.) 821402104-170183277, 5.) 821402202-170183285, 6.) 830095203-170183293, 7.) 1050087108-170183307und 8.) 1117819500-160791130, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.09.2020 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1 Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2) sind Ehegatten. Die Dritt- bis Achtbeschwerdeführer (im Folgenden BF3, BF4, BF5, BF6, BF7 und BF8) sind ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder. Das Vorbringen der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist untrennbar miteinander verknüpft bzw. beziehen sich die BF auf dieselben Verfolgungsgründe, weshalb die Entscheidung unter Berücksichtigung des Vorbringens aller BF abzuhandeln war.

Die BF sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, gehören der tschetschenischen Volksgruppe an und bekennen sich zum muslimischen Glauben.

1.2 Der BF1 reiste laut eigenen Angaben am 28.08.2012 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.3. Die BF2 reiste mit den minderjährigen BF3-BF5 im Oktober 2012 illegal ins Bundesgebiet ein und stellten diese am 04.10.2012 Anträge auf internationalen Schutz.

1.4. Am XXXX wurde die BF6 im Bundesgebiet geboren und wurde für diese am 23.01.2013 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Die erwachsenen BF brachten zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen vor, man habe dem BF1 im Jahr 2006 vorgeworfen Widerstandskämpfer unterstützt zu haben. Er sei festgehalten, geschlagen und aufgefordert worden ein Dokument zu unterschreiben. Der BF1 sei dann zu einer Haftstrafe verurteilt worden und sieben Monate inhaftiert gewesen. Nach seiner Freilassung habe er sich monatlich bei den Behörden melden müssen und sei wiederholt mitgenommen worden. Er habe auch einige Vorladungen bekommen. Nachdem es im Juli 2012 einen Schusswechsel zwischen den Sicherheitsbehörden und Widerstandskämpfern gegeben habe, habe man abermals das Haus des BF1 aufgesucht, dieser habe sich aber gerade bei einem Nachbarn aufgehalten. Der BF1 habe dann – aus Angst, dass man ihm eine Beteiligung am Schusswechsel vorwerfe und er dann wieder inhaftiert werde – das Land verlassen. Die BF2 gab darüber hinaus noch an, es seien – nach der Ausreise des BF1 – mehrmals maskierte Männer ins Haus der Familie gekommen und hätten nach dem BF1 gefragt.

Für die BF2 sowie die minderjährigen BF3-BF6 wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

1.5. Mit Bescheiden vom 08.02.2013, Zlen: 1.) 12 11.564-BAT, 2.) 12 14.019-BAT, 3.) 12 14.020-BAT, 4.) 12 14.021-BAT, 5.) 12 14.022-BAT und 6.) 13 00.952-BAT, wies das Bundesasylamt die Anträge der BF1-BF6 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF ab (Spruchpunkte I.). Weiters wies es die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten unter Bezugnahme auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Absatz 1 iVm 2 Absatz 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkte II.) und wies die BF1-BF6 gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkte III.). Dagegen wurden fristgerecht Beschwerden erhoben.

1.6. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.10.2014 wurden die Beschwerden der BF1-BF6 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.11.2014, Zlen.: W204 1433144-1/11E, W204 1433145-1/6E, W204 1433146-1/6E, W204 1433147-1/6E, W204 1433148-1/6E, W204 1433202-1/6E; gemäß § 3 Abs. 1 AsylG und § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 10 iVm § 75 Abs. 20 AsylG wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurückverwiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Im Erkenntnis wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass glaubhaft sei, dass der BF1 in der Russischen Föderation vom 07.12.2006 bis 06.07.2007 wegen § 208 StGB (Organisation einer illegalen bewaffneten Formation oder die Teilnahme an einer solchen) inhaftiert gewesen sei, er vorzeitig entlassen worden sei und sich nach seiner Freilassung in monatlichen Abständen bei den Behörden habe melden müssen. Auch sei glaubwürdig, dass er - wie auch andere Männer aus dem Dorf - wegen unterschiedlicher Vorfälle in der Heimatregion einige Male durch Behördenvertreter befragt worden sei. Es habe jedoch nicht festgestellt werden können, dass der BF1 ab dem Jahr 2007 in seinem Heimatland einer gezielten Verfolgung oder Diskriminierung aufgrund seiner Verurteilung ausgesetzt gewesen sei. Es sei - aufgrund diverser Widersprüche - nicht glaubwürdig, dass der BF1 nach einer Schießerei im Juli 2012 flüchten habe müssen, da bewaffnete Behördenvertreter sein Haus gestürmt und ihn gesucht hätten. Vielmehr habe der BF1 mit dieser Behauptung seinen Fluchtgründen einen aktuellen Aspekt hinzufügen wollen. Weiters sei nicht glaubwürdig, dass die BF2 - nach der Ausreise des BF1 – mehrmals von maskierten Männern besucht und nach dem Aufenthalt des BF1 befragt worden sei.

1.7. Am XXXX wurde die BF7 in Österreich geboren. Für sie wurde durch den BF1 am 19.01.2015 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Für die minderjährige BF7 wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

1.8. Mit Schreiben vom 16.01.2015 beantragten die BF1-BF6 die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 06.11.2014 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Dieser Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass nachträglich neue Beweismittel hervorgekommen seien, welche hinsichtlich §§ 3, 8 und 10 AsylG eine andere Entscheidung herbeigeführt hätten, wären sie im anhängigen Verfahren berücksichtigt worden. Es wurden das Gerichtsurteil vom 22.02.2007, eine Ladung für den 05.12.2014 sowie die empfangene E-Mail der Schwester des BF1 vorgelegt.

1.9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.05.2015, Zlen.: W111 1433144-2/4E, W111 1433145-2/2E, W111 1433146-2/2E, W111 1433147-2/2E, W111 1433148-2/2E, W111 1433202-2/2E, wurde der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 VwGVG abgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass die Beweismittel die Glaubhaftmachung der erfolgten Verurteilung bzw. Inhaftierung in Tschetschenien im Jahr 2007 bezwecken würden, diese Aspekte jedoch schon im Erkenntnis vom 06.11.2014 als glaubwürdig – jedoch nicht asylrelevant - erachtet worden seien und den Feststellungen bzw. der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt worden seien. Hinsichtlich der Ladung wurde darauf hingewiesen, dass aus dem bloßen Erhalt einer Ladung kein asylrelevanter Sachverhalt geschlossen werden könne, zumal es einer solchen an der für die Asylgewährung nötigen Eingriffsintensität mangle bzw. auch nicht ausgeschlossen werden könne, dass es sich dabei um ein Gefälligkeitsschreiben handle.

1.10. Mit Bescheiden des BFA vom 31.07.2015 wurde den BF1-BF6 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF1-BF6 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Nach § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF1-BF6 in die Russische Föderation zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Dagegen wurden Beschwerden erhoben.

1.11. Mit Bescheid vom 31.07.2015, Zl. 1050087108 – 150049428, wies das BFA den Antrag der BF7 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 idgF, sowie bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der BF in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der BF zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.). Auch gegen diesen Bescheid wurde eine Beschwerde eingebracht.

1.12. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.11.2015, Zlen.: W103 1433144-3/3E, W103 1433145-3/3E, W103 1433146-3/3E, W103 1433147-3/3E, W103 1433148-3/3E, W103 1433202-3/3E, wurden die Beschwerden des BF1-BF6 als unbegründet abgewiesen und die Revision als nicht zulässig erklärt.

1.13. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.11.2015, Zl.: W103 2113476-1/2E, wurde die Beschwerde der BF7 in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen und die Revision für nicht zulässig erklärt. Begründend wurde hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Asylstatus ausgeführt, dass für die BF7 keine individuellen Gründe für die Gewährung von Asyl vorgebracht worden seien bzw. auch von Amts wegen nicht hervorgekommen seien. Auch eine reale Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 2 und 3 EMRK sei nicht gegeben.

1.14. Am 18.12.2015 stellte der BF1 den gegenständlichen (neuen) Antrag auf internationalen Schutz.

In der diesbezüglichen Erstbefragung am 18.12.2015 gab der BF1 zum Grund für den Folgeantrag an, dass er Asyl in Österreich wolle. In Tschetschenien sei es nach wie vor für ihn gefährlich. Er werde sicher wieder verhaftet. Seine Eltern hätten ihn in Österreich angerufen und mitgeteilt, dass die Polizei noch immer nach ihm suche. Was die Polizei von ihm wissen wolle, würden weder er noch die Eltern wissen.

Nach Belehrung, dass sein Asylverfahren bereits rechtkräftig abgeschlossen sei und ausschließlich neue Gründe entscheidend seien, gab der BF1 an, dass seine Mutter sage, dass er nicht nach Hause kommen solle, weil es noch immer gefährlich für ihn sei. Andere Gründe habe er nicht. Bei einer Rückkehr habe er Angst erneut verhaftet zu werden. Er glaube, dass er deshalb von den Behörden verfolgt werde, weil er damals die Partisanen mit Lebensmitteln und mit Geld versorgt habe. Befragt, ob es einen konkreten Hinweis gäbe, dass ihm bei einer Rückkehr unmenschliche Behandlung, Strafe oder die Todesstrafe drohe, gab der BF1 an, es gäbe Hinweise, dass er in ein Gefängnis müsse. Mehr wisse er nicht. Die Änderung der Situation sei ihm seit ein paar Monaten bekannt. Befragt, warum er jetzt den neuen Asylantrag stelle, gab der BF1 an, die Diakonie habe gesagt, er solle noch warten, bis ein „Papier“ bzw. ein negativer Asylbescheid komme. Abschließend gab der BF1 noch an, er wolle mit seiner Familie in Österreich leben, in Tschetschenien sei es zu gefährlich.

1.15. Am 20.01.2016 legte der BF1 eine Bestätigung der Europäisch-Tschetschenischen Gesellschaft vom 10.12.2015 (unleserlich) sowie eine Stellungnahme der russischen Organisation „Memorial“ vor.

1.16. Am 17.02.2016 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF1 vor dem BFA statt.

Der BF1 legte einen psychologischen Befundbericht eines Interkulturellen Psychotherapiezentrums vom 26.01.2016 vor, wonach der BF1 seit September 2015 in psychotherapeutischer Behandlung stehe und sich der psychische Zustand des BF1 noch nicht gebessert habe. Er berichte weiterhin über Ein- und Durchschlafstörungen, realistische Albträume und Flashbacks. Daraus resultiere eine Tagesmüdigkeit und erhöhte Reizbarkeit. Die Stimmungslage des BF1 sei depressiv, er habe Angstzustände und massive Verfolgungsängste.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der BF1 an, drei Cousins in Österreich zu haben. Er stehe mit ihnen in einer engen Verbindung, sie hätten regelmäßig Kontakt, würden einander besuchen und ständig telefonischen Kontakt haben. Ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis bestehe nicht.

Befragt, warum er neuerlich einen Asylantrag stelle, gab der BF1 an, er werde nach wie vor in seinem Heimatland verfolgt und habe Angst zurückzukehren. Nach Vorhalt, dass seine Fluchtgründe schon im Vorverfahren bekannt gewesen seien, führte er aus, er verstehe nicht, warum sein Asylantrag negativ entschieden worden sei. Nach weiterem Vorhalt, dass sich die vorgebrachten Unterlagen auf ein bereits abgeschlossenes Asylverfahren beziehen würden, gab der BF1 an, er habe sich an Memorial gewandt, damit diese ihm Material zusenden können, welche beweisen würden, dass er im Heimatland verfolgt werde und nicht nach Tschetschenien zurückkehren dürfe. Den Vorhalt der belangten Behörde, wonach aus dem Bericht ersichtlich sei, dass er seine Haftstrafe bereits abgesessen habe, bejahte der BF1 und gab er an, dass ihn 2006 jemand an die Behörden verraten habe. Er wisse wer und habe deshalb ins Gefängnis müssen. Nach weiterem Vorhalt, dass aus dem Bericht nicht hervorgehe, dass er noch immer einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt wäre, gab der BF1 an, dass darin stehe, dass die Behörden mehrmals bei ihm gewesen seien, auch bei seinem Nachbarn nach ihm gefragt hätten und somit noch immer hinter ihm her seien. Er wisse, was er in seinem Heimatland erlebt habe und was ihn wieder erwarte, weshalb er sich davor fürchte, wieder in sein Heimatland zurückzukehren. Auf Vorhalt des BFA, dass er keine Fluchtgründe vorbringen habe können, die nach Rechtskraft des Vorverfahrens entstanden seien und sein dargebrachten Vorbringen nicht geeignet sei, einen neuen asylrelevanten Sachverhalt zu begründen, gab der BF1 an, diesbezüglich nichts machen zu können. Es stehe nicht in seiner Macht mehr Beweismittel zu bringen, sondern könne er nur zurückkehren, damit dies als Beweis diene.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der BF1 an, in Österreich keiner Beschäftigung nachgegangen zu sein. Er sei in keinen Vereinen oder Organisationen tätig und spreche ein bisschen Deutsch. Seine Eltern und zwei verheiratete Schwestern würden in Russland leben, er stehe mit ihnen in Kontakt. Vom Rechtsberater gefragt, ob es Neuigkeiten zu seiner Person gäbe, führte der BF1 aus, er könne nicht offen nachfragen bzw. würden ihm seine Eltern auch nicht direkt sagen, aber sie würden immer andeuten, dass jemand da gewesen sei und man nach ihm gefragt habe. Diesbezügliche Beweise habe er nicht.

1.17. Am 26.03.2016 wurde beim BF1 eine Untersuchung durch eine Psychotherapeutin durchgeführt, wobei in der gutachterlichen Stellungnahme wie folgt geschlussfolgert wird: „Differentialdiagnostisch handelt es sich entweder um einen krisenhaften Zustand mit Belastung ohne Krankheitswert oder eine milde Anpassungsstörung, F 43.2, aufgrund – wie der AW selbst sagt – des negativ verlaufenden Verfahrens.“ Sonstige psychische Krankheitssymptome würden nicht vorliegen, therapeutische und medizinische Maßnahmen seien nicht anzuraten.

1.18. Am XXXX wurde der BF8 im österreichischen Bundesgebiet geboren. Für diesen wurde am 26.04.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.19. Am 08.11.2016 fand eine neuerliche Einvernahme des BF1 vor dem BFA statt.

Der BF1 gab bezüglich des BF8 an, dass dieser gesund sei. Zu den Fluchtgründen des BF8 gab er an, dass dieser keine eigenen Gründe habe, sondern wegen seiner Gründe hier sei. Seinem Sohn alleine drohe bei einer Rückkehr nichts. Er könne aber nicht gemeinsam mit ihm zurückkehren, er selbst habe Rückkehrbefürchtungen.

Zu seinem eigenen Gesundheitszustand gab der BF1 an, gesund zu sein. Er habe nur heute Zahnschmerzen.

Die Frage, ob sich an seinem Leben in Österreich etwas geändert habe, verneinte der BF1. Er gab an, dass er vorhabe Deutschkurse zu besuchen. Wegen der Kinder gehe sich dies aber nicht aus. Er gehe nicht arbeiten, sondern bekomme Sozialhilfe.

Befragt, warum er erneut einen Asylantrag gestellt habe, gab der BF1 an, dass es keine neuen Gründe gäbe, er aber Rückkehrbefürchtungen habe. Er habe noch keine neuen Beweismittel vorzulegen. Er habe sich mit Memorial in Verbindung gesetzt und ersucht, ihm zu helfen. Das Schreiben habe er schon vorgelegt. Nach Vorhalt des BFA, wonach in dem Schreiben von Memorial auf seine Situation im Jahr 2005 Stellung genommen werde und er schon im vorigen Verfahren seine Verhaftung bzw. Verurteilung glaubhaft habe machen können und dieses Schreiben kein Beweis für eine derzeitige Verfolgung sei, gab der BF1 an, das Schreiben selbst gelesen zu haben und dass darin stehe, dass derzeit die Polizeimitarbeiter nach ihm suchen würden.

Nachdem dem BF1 das Schreiben von Memorial gezeigt wurde, gab dieser an, das andere Schreiben von Dezember 2015 zu meinen. Den BF1 wurde vorgehalten, dass das Schreiben der Europäisch-Tschetschenischen Gesellschaft nicht lesbar sei und wurde er dazu aufgefordert, dieses Schreiben nochmals vorzulegen. Auf die Frage, was in dem Schreiben geschrieben stehe, gab der BF1 an: „Ich weiß nicht, was in dieser Bestätigung stand. Ich kann dieses Schreiben nochmals vorlegen.“ Nochmals befragt, was in dem Schreiben stehe, gab der BF1 an, dass die Polizei bis dato zu ihm nach Hause komme bzw. Polizisten auch zu den Nachbarn gegangen seien und diese nach ihm befragt hätten.

Dem BF1 wurde aufgetragen, das von ihm erwähnte Schreiben binnen einer Woche vorzulegen.

Befragt, warum die restlichen BF keinen neuerlichen Asylantrag gestellt hätten, gab der BF1 an, er habe gedacht, dass er alleine für die gesamte Familie einen Antrag stellen könne.

Nach Vorhalt der belangten Behörde, dass sein Verfahren negativ entschieden worden sei und er eine Verfolgungsgefahr nicht habe glaubhaft machen können, gab der BF1 an, dass bis jetzt nach ihm gesucht werde. Diese Leute würden immer wieder kommen und nach ihm fragen. Es würden keine konkreten Vorwürfe geäußert werden, aber er werde verfolgt. Er wisse aber nicht warum. Er werde von der Polizei bzw. von Mitarbeitern verschiedener Polizeiabteilungen verfolgt. Nach Vorhalt, konkrete Angaben zu machen, führte der BF1 aus, es hätten ihn einmal Polizisten aus dem Bezirk XXXX mitgenommen und ihn mit Stromschlägen gefoltert. Wer genau jetzt komme, wisse er nicht, die Leute würden sich nicht ausweisen. Er wisse auch nicht, warum die Polizisten an ihm ein Interesse hätten. Sie hätten dies nicht gesagt. Seitdem er nach Art. 208 verurteilt worden sei, verfolge und erpresse man ihn. Befragt, ob es schriftliche oder mündliche Vorladungen seit der negativen Entscheidung (November 2014) gegeben habe, gab der BF1 an, dies nicht zu wissen. Er habe eine Ladung abgegeben, aber er kenne das Datum nicht. Seitdem habe er- weder mündlich noch schriftlich – eine Ladung bekommen. Man habe ihn nach seiner Entlassung nicht anstellen wollen und er habe auch kein Konto eröffnen können. Er sei aus diesem Grund mit seinem Onkel zum stellvertretenden Leiter der Kriminalpolizei für den Bezirk XXXX gegangen und habe dieser ihnen gesagt, dass er sein Verfahren nicht kenne und XXXX am Jahresende einfach mehrere Personen festgenommen habe, um ein Verfahren abschließen zu können. Dieser Mann habe auch gesagt, dass er unschuldig gewesen sei. Auf die Frage, was – abgesehen von seiner Verfolgung – gegen eine Rückkehr nach Tschetschenien spreche, gab der BF1 an, dass sonst nichts dagegenspreche, er aber nicht mehr nach Tschetschenien zurückwolle.

Nach seiner derzeitigen medizinischen Behandlung befragt, gab der BF1 an, in den letzten ein bis zwei Jahren nichts bekommen zu haben. Früher habe er Physiotherapie wegen seiner Kreuzschmerzen gemacht. Wegen seiner psychischen Erkrankung sei er jetzt nicht in medizinischer Behandlung. Bis vor ein paar Monaten sei er bei einer Psychologin gewesen.

Er habe fast täglich Kontakt mit seiner Mutter. Er habe in der letzten Zeit nicht nachgefragt, aber er vermute, es sei niemand gekommen, da seine Mutter ihm nichts darüber erzählt habe. Er könne sich jetzt nicht mehr daran erinnern, wann zuletzt Leute bei seiner Mutter nach ihm gefragt hätte. Die Polizei sei seit seiner Ausreise ca. alle drei Monate zu ihm nach Hause gekommen.

1.20. Am 10.11.2016 legte der BF1 die Bestätigung der Europäisch-Tschetschenischen Gesellschaft vom 10.12.2015 im Original vor.

1.21. Am 05.12.2016 stellte das BFA eine Anfrage an die Staatendokumentation. Es wurde der vom BF1 vorgelegte Bericht von Memorial beigefügt und angefragt, ob bei Memorial eruiert werden könne, ob der beigelegte Bericht über den BF1 aufgrund eigener Recherchen oder nur aufgrund der Angaben des BF1 verfasst worden sei bzw. man die Recherchen von Memorial übermitteln könne.

1.22. Am 02.01.2017 teilte die Staatendokumentation mit, dass eine Mitarbeiterin des Menschenrechtszentrums Memorial im Jahr 2015 zur Einholung von Angaben über die Umstände des Lebens des BF1 an seinen früheren Wohnort gereist sei. Dort habe diese die Eltern des BF1 und andere Bewohner der Siedlung über die Umstände seines Lebens separat befragt. Die eingeholten Informationen seien nicht widersprüchlich. Aufgrund der Angaben - welche von einer Mitarbeiterin vor Ort eingeholt worden seien - sei die Auskunft von Memorial erstellt worden.

1.23. Mit Bescheid des BFA vom 25.01.2017 unter Spruchteil I. der Antrag des BF1 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. Dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde dem BF1 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF1 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF1 in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. In Spruchpunkt IV. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise gem. § 55 Abs. 1-3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Das BFA führte aus, dass in den vorangegangen Verfahren als glaubhaft festgestellt worden sei, dass der BF1 von 07.12.2006 bis 06.07.2007 eine Haftstrafe verbüßt habe. Eine asylrelevante Verfolgungsgefahr habe er aber laut den Erwägungen im Erkenntnis des BVwG vom 06.11.2014 nicht glaubhaft machen können. Es habe daher auch nicht festgestellt werden können, dass der BF1 nach seiner Entlassung von den Behörden im Heimatland verfolgt worden sei. Die von ihm angeführten Gründe für die neuerliche Asylantragstellung seien nicht geeignet, eine Verfolgung seiner Person im Herkunftsstaat glaubhaft zu machen.

Hinsichtlich des nunmehr vorgelegten Schreibens wurde ausgeführt, dass der Inhalt des Schreibens zwar bestätigt worden sei, im ersten Teil des Schreibens aber die Verurteilung angeführt werde, welche bereits im Vorverfahrens ausreichend gewürdigt worden sei. Der zweite Teil beziehe sich auf Mutmaßungen, wonach „allgemein“ bzw. „in der Regel“ entlassene Häftlinge nach der Haft weiterverfolgt werden würden. Das Schreiben bestätige zwar regelmäßige Ermittlungstätigkeiten der Polizei an der Wohnadresse des BF1, jedoch sei keine gezielt gegen den BF1 geäußerter Vorwurf oder gegen ihn eingeleitetes Verfahren oder Beschuldigung einer Tat angeführt worden. Der BF1 habe auch selbst angegeben, dass keine konkreten Vorwürfe gegen ihn geäußert worden seien. Die Vorgehensweise der Polizei, also regelmäßige Kontrollen bzw. Befragungen bei vorzeitigen Haftentlassungen bzw. ehemaligen Straftätern durchzuführen, entspreche einer allgemein kriminalpolizeilichen Ermittlungstätigkeit und könne dies keinesfalls als eine gegen den BF1 gerichtete Verfolgung gewertet werden, zumal der BF1 im Vorverfahren auch angegeben habe, dass auch andere Männer im Dorf der Befragung ausgesetzt gewesen seien. Das Interesse der tschetschenischen Behörden an seinem derzeitigen Aufenthaltsort sei daher nicht als Verfolgung seiner Person zu werten, da einerseits keine entsprechende Intensität von Verfolgungshandlungen durch die Polizei glaubhaft festzustellen gewesen sei und zweitens der Aufenthaltsort eines ehemaligen Straftäters für jeden Staat von Interesse sei, weshalb entsprechende Erkundungen durch die Behörden keinesfalls eine Verfolgung seiner Person darstellen würden. Wäre der BF1 tatsächlich aufgrund einer (unterstellten) Hilfstätigkeit von Rebellen im Visier der tschetschenischen Behörden, so sei zu erwähnen, dass diesfalls auch seine Verwandten nachhaltige Probleme mit den tschetschenischen Behörden bekommen hätten. Hinsichtlich der vorgelegten Ladung für den 05.12.2014 sei schon im Erkenntnis des BVwG darauf hingewiesen worden, dass aus dem bloßen Erhalt einer behördlichen Ladung kein asylrelevanter Sachverhalt geschlossen werden können bzw. auch ein Gefälligkeitsschreiben nicht ausgeschlossen werden könne. Laut Angaben des BF1 selbst sei seit der letzten Ladung – also seit mehr als einem Jahr – keine weitere mehr gekommen, weshalb weder eine nachhaltige Verfolgung, noch ein Strafverfahren, noch ein Ermittlungsverfahren gegen den BF1 vorliege, da ansonsten nicht nur Routinekontrollen, sondern weiterer Ladungen der tschetschenischen Behörden veranlasst worden wären. Bei dem Schreiben der Europäisch-tschetschenischen Gesellschaft handle es sich um ein allgemeines Schreiben, welches nicht mehr Beweiskraft als das Schreiben von Memorial habe und nicht geeignet sei, eine Verfolgung des BF1 glaubhaft zu machen.

Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass der BF1 in Russland bzw. in Tschetschenien verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte habe und Unterkunfts- bzw. Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen würden. Der BF1 befinde sich derzeit in keiner ärztlichen Behandlung und sei auch nicht medikamentös eingestellt. Er sei arbeitsfähig, sei vor seiner Ausreise krankenversichert gewesen und sei die medizinische Behandlung seiner Erkrankung im Herkunftsstaat gewährleistet.

Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung kam die belangte Behörde zum Schluss, dass die öffentlichen Interessen an der Ausreise des BF1 gegenüber den persönlichen Interessen überwiegen würden und nicht von einer umfassenden Integration ausgegangen werden könne. Die BF2 und die minderjährigen Kinder hätten keinen weiteren Asylantrag gestellt und sei auch deren Aufenthalt in Österreich nur ein vorübergehender. Zu den in Österreich aufhältigen Cousins bestehe weder ein gemeinsamer Haushalt, noch ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis.

1.24. Gegen diesen Bescheid brachte der BF1 fristgerecht eine vollumfassende Beschwerde ein, worin inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wurden. Zudem wird darin ausgeführt, dass die Fluchtgeschichte des BF1 als unglaubwürdig gewertet worden sei und diese Feststellung auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung bzw. einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung beruhe. Das BFA habe sich auch nicht ausreichend mit den Länderberichten befasst. Verschiedene Quellen würden zitieren, dass seit 2013 eine verschärfte Gesetzeslage in Russland gelte, welche zur Abschreckung sogar die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen vorsehe und Kollektivbestrafungen – wie das Niederbrennen von Häusern von Personen, die man verdächtige, Kontakte zum terroristischen Widerstand zu haben – legalisiere. Auch seien Rückkehrer in Tschetschenien einer besonderen Gefahr ausgesetzt ins Visier der staatlichen Behörden zu gelangen, weil vermutet werde, dass sie tatsächlich einen Grund zur Flucht aus Tschetschenien gehabt hätten, also Widerstandskämpfer gewesen seien oder Widerstandskämpfer kennen würden. Das Vorbringen des BF1 falle aufgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht unter das Neuerungsverbot. Der BF1 werde in Tschetschenien/Russland wegen der vermeintlichen Unterstützung von Rebellen (Terroristen) verfolgt. Dem BF1 stehe auch keine IFA zur Verfügung, da die Verfolgung vom Staat bzw. staatsnahen Einrichtungen ausgehe. Weiters sei die familiäre Situation unzureichend gewürdigt worden

1.25. Ebenso wurde mit Bescheid des BFA vom 25.01.2017 der Antrag des BF8 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde dem BF8 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF8 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. In Spruchpunkt IV. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise gem. § 55 Abs. 1-3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Auch gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht eine Beschwerde eingebracht.

1.26. Am 11.02.2017 stellte die BF2 den gegenständlichen (neuen) Antrag auf internationalen Schutz.

In der diesbezüglichen Erstbefragung gab die BF2 zu dem Grund für die neuerliche Asylantragstellung befragt an, dass sie im Jahr 2012 wegen der Probleme ihres Mannes aus Tschetschenien geflohen seien. Er sei zu Unrecht verhaftet, misshandelt und gefoltert worden. Diese Gefahr bestehe heute noch und würde er im Falle einer Rückkehr erneut verhaftet und vermutlich verschleppt werden. Die Schwiegermutter habe berichtet, dass vor einem Monat und auch vor vier Monaten die Polizei bei ihnen zu Hause gewesen sei und den BF1 gesucht habe. Sie hätten ein Schreiben von Memorial, welches bestätige, was der BF1 in Tschetschenien alles erlebt habe und er verfolgt werde. Bei einer Rückkehr befürchte sie, dass ihr Mann verhaftet und verschleppt werde bzw. sie mit den Kindern aus Tschetschenien vertrieben werde.

Zum Schreiben von Memorial gab die BF1 ergänzend an, dass dieses ihnen Anfang 2016 postalisch übermittelt worden sei. Die Schwiegermutter habe sie telefonisch informiert, dass im Jänner 2017 und Oktober 2016 die tschetschenische Polizei den BF1 in seinem Elternhaus erneut gesucht habe.

Die BF2 stellte auch für die minderjährigen BF3-BF7 erneut Asylanträge und gab an, dass für diese dieselben Fluchtgründe gelten würden.

1.27. Am 03.05.2017 fand eine Einvernahme der BF2 vor dem BFA statt.

Die BF2 gab an gesund zu sein und keine Medikamente einzunehmen.

Sie habe bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und sei ihr Fluchtgrund noch immer aufrecht.

Im Heimatland würden noch ihre Mutter und ihre Schwestern leben. Ihr Vater sei bereits verstorben. Zu ihren Verwandten habe sie regelmäßig Kontakt. Die Mutter habe ihr vor Kurzem gesagt, dass die Polizei wieder da gewesen sei und nach dem BF1 gesucht habe.

Zu ihrem Leben in Österreich befragt, gab die BF2 an, sich mit der Kindererziehung und dem Haushalt zu beschäftigen. Sie versuche die Sprache zu lernen. Ihre Freundin bringe es ihr bei. Sonst mache sie nichts. Sie wolle, dass ihre Kinder gute Schulen abschließen und habe sie arbeiten gehen wollen. Sie sei von Beruf Buchhalterin und würde sie gerne als Pädagogin im Kindergarten arbeiten. Den Lebensunterhalt bestreite sie von der Grundversorgung.

Zu ihren persönlichen Verhältnissen im Herkunftsland gab sie ergänzend an, 10 Klassen einer Mittelschule und drei Jahre eine Fachschule besucht zu haben. Im Heimatland habe sie nicht gearbeitet.

Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab die BF2 an, dass dieser noch immer derselbe wie im ersten Verfahren sei. Es komme aber hinzu, dass ihre Verwandten vor wenigen Wochen gesagt hätten, dass sie nach wie vor von der Polizei gesucht werden würden. In Tschetschenien erwarte sie der Tod. Zu den Rückkehrbefürchtungen gab sie an, dass die Behörden versuchen würden, den BF1 festzunehmen. Der BF1 habe ihr gesagt, dass er die Beamten und dann sich selbst töten werde. Sie habe erlebt, wie ihr Vater während des Krieges getötet worden sei, sie wolle nicht, dass ihre Kinder dies auch sehen müssen.

Ihr minderjährigen Kinder würden keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen haben.

1.28. Mit Bescheiden des BFA vom 26.03.2018 wurden jeweils unter Spruchteil I. die Anträge der BF2-BF7 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. diese Anträge auch bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde den BF2-BF7 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF2-BF7 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise gem. § 55 Abs. 1-3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.)

Die belangte Behörde führte aus, dass der BF1 schon einen Folgeantrag gestellt habe, welcher bereits in erster Instanz negativ entschieden worden sei und nunmehr nach einer Beschwerdevorlage in zweiter Instanz anhängig sei. Die BF2 habe sich bei ihrem erneuten Antrag auf die bereits rechtskräftig abgesprochenen Fluchtgründe aus dem Vorverfahren bezogen. Diese hätten keine Asylrelevanz begründet. Neue Gründe habe sie nicht vorgebracht. Ansonsten wurde auf die beweiswürdigenden Ausführungen im Bescheid des BF1 verwiesen und ausgeführt, dass der BF1 keine Gefährdung für sich glaubhaft habe machen können, weshalb auch zur Gänze ausgeschlossen werden könne, dass die restlichen BF aus den erklärten Verfolgungsgründen der BF2 selbst eine Gefährdung ableiten könnten.

Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass die BF über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in ihrer Heimat verfügen würden und ihr Lebensunterhalt durch eigene Arbeit bzw. durch finanzielle Unterstützung von Verwandten gesichert sei. Die BF2 sei eine arbeitsfähige, gesunde Frau mit fundierter Berufsausbildung.

Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung kam die belangte Behörde zum Schluss, dass die öffentlichen Interessen an der Ausreise der BF gegenüber den persönlichen Interessen überwiegen würden und nicht von einer umfassenden Integration ausgegangen werden könne.

1.29. Gegen diese Bescheide brachten die BF2-BF7 fristgerecht gleichlautende Beschwerden ein, in welchen inhaltliche Rechtswidrigkeit und die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wurden. Weiters wurde ausgeführt, dass die BF2 unzureichend hinsichtlich der westlichen Orientierung der weiblichen BF befragt worden sei. Die Frauen der Familie würden in Österreich einen westlichen Lebensstil pflegen und hätten bereits im Zuge der Einvernahme beim BFA darauf hingewiesen. Der BF2 seien auch hinsichtlich der Integrationsbemühungen keine ausführlichen Fragen gestellt worden. Auch das Kindeswohl sei nicht miteinbezogen worden. Die minderjährigen BF würden kein Russisch sprechen, da zu Hause Tschetschenisch gesprochen werde. Im Kindergarten und in der Schule würden die Kinder Deutsch sprechen. Sie wären im Falle einer Rückkehr mit einer ihnen unbekannten Sprache konfrontiert und enormen Diskriminierungen ausgesetzt. Sie würden einen wesentlichen Bildungsmangel erleiden. Zudem seien die herangezogenen Länderberichte unvollständig sowie veraltet und würden sich nur bedingt auf das individuelle Fluchtvorbringen beziehen. In Tschetschenien würden nach wie vor schwere Menschenrechtsverletzungen passieren und sei die diesbezügliche Strafverfolgung unzureichend. Zudem wurde auf diverse Berichte aus den Jahren 2012-2016 verwiesen, wonach es für aus Tschetschenien stammende Personen keine IFA in anderen Teilen Russlands gäbe. Hätte die belangte Behörde diese Berichte berücksichtigt, wäre sie zum Ergebnis gekommen, dass eine Rückkehr der BF in die Russische Föderation ein reales Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK implizieren würde. Auch die Beweiswürdigung sei mangelhaft. Dem Ehemann der BF2 werde eine politische Gesinnung unterstellt, weshalb die gesamte Familie wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie verfolgt werde. Den BF sei sohin Asyl, ansonsten subsidiärer Schutz zu gewähren. Die Familie sei bemüht, sich in Österreich möglichst rasch zu integrieren. Die Familiensituation sei unzureichend gewürdigt worden und hätte der gesamten Familie ein Aufenthaltstitel erteilt werden müssen.

Mit der Beschwerde wurden folgende Unterlagen vorgelegt:

-        Schreiben einer Kindergartenpädagogin sowie einer Volksschullehrerin betreffend die BF5;

-        Schulbesuchsbestätigung des BF3 für die Vorschulklasse (Schuljahr 2014/15);

-        Jahreszeugnisse des BF3 für die 1. und 2. Klasse Volksschule (Schuljahre 2015/16, 2016/17);

-        Schulbesuchsbestätigung der BF4 für die Vorschulstufe (Schuljahr 2016/17);

-        Schulnachricht und Schulbesuchsbestätigung der BF4 für die 1. Klasse Volksschule (Schuljahr 2017/18);

-        Kurzbericht der Volksschule betreffend die BF4;

-        ÖSD-Zertifikat A2 der BF2 vom 03.11.2017.

1.30. Am 29.11.2018 wurde eine Strafverfügung der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 06.11.2018 vorgelegt, wonach der BF1 am 22.10.2018 (aus Tschechien kommend) nicht rechtmäßig ins Bundesgebiet eingereist sei, da er kein gültiges Reisedokument mit sich geführt habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gegangen (§ 120 Abs. 1 iVm § 15 Abs. 1 FPG) und wurde über ihn eine Geldstrafe im Ausmaß von 100 € verhängt.

1.31. Der BF1 und die BF2 wurden im Zuge einer Beschwerdeverhandlung vom 08.09.2020 durch das erkennende Gericht nochmals ergänzend zu ihren Verwandten in der Russischen Föderation bzw. in Tschetschenien, zu den damaligen Fluchtgründen des BF1, den beiden vorgelegten Schreiben sowie zu ihrer Integration in Österreich befragt.

Im Zuge der Verhandlung legten die BF folgende Unterlagen vor:

-        Einstellungszusage der BF2, datiert mit 02.09.2020, wonach diese nach Erlangen eines positiven Asylbescheides und damit einhergehender Arbeitserlaubnis in einem Unternehmen eingestellt werde;

-        Schreiben einer Volksschulpädagogin betreffend die BF6 und die BF4;

-        Jahreszeugnis des BF3 der 1. Klasse (5. Schulstufe) eines Gymnasiums (Schuljahr 2019/20);

-        Jahreszeugnis der BF4 für die 3. Klasse Volksschule (Schuljahr 2019/20);

-        Schulnachricht des BF5 für die 2. Klasse Volksschule (Schuljahr 2019/20);

-        Deutsch-Lernpass der BF2;

-        Bestätigung vom 21.08.2020, wonach die Familie an Veranstaltungen des Vereines Miteinander teilgenommen habe;

-        Zeugnis zur Integrationsprüfung (Sprachniveau A2) der BF2 (Prüfungsdatum 18.02.2020).

1.32. Am 06.10.2020 wurde ein Schreiben der Volksschule betreffend die BF4, den BF5 und die BF6 übermittelt, wonach diese derzeit die 4., 3. und 1. Klasse Volksschule besuchen würden und man sich für den Verbleib der Familie in Österreich ausspreche.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung wie folgt erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zu den BF:

Die BF sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und bekennen sich zum muslimischen Glauben. Der BF1 und die BF2 sind traditionell und standesamtlich verheiratet und die Eltern der minderjährigen BF3-BF8.

Die Identität der BF sämtlicher BF steht nach Vorlage unbedenklicher Dokumente fest.
Der BF1 reiste am 28.08.2012 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Die BF2 reiste mit den minderjährigen BF3-BF5 im Oktober 2012 illegal ins Bundesgebiet ein und stellten diese am 04.10.2012 Anträge auf internationalen Schutz. Am XXXX wurde die BF6 im Bundesgebiet geboren und wurde für diese am 23.01.2013 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Mit Bescheiden des BFA vom 08.02.2013 wurden die Anträge der BF1-BF6 sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten, als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet abgewiesen. Es wurden Rückkehrentscheidungen erlassen und die Abschiebung in die Russische Föderation als zulässig erklärt. Die Beschwerden gegen diese Bescheide des BFA wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.11.2014 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG und § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 10 iVm § 75 Abs. 20 AsylG wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurückverwiesen.

Am XXXX wurde die BF7 in Österreich geboren. Für sie wurde durch den BF1 am 19.01.2015 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Mit Schreiben vom 16.01.2015 beantragten die BF1-BF6 die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 06.11.2014 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Diese Anträge wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.05.2015 gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

Mit Bescheiden des BFA vom 31.07.2015 wurde den BF1-BF6 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Es wurden Rückkehrentscheidungen erlassen und die Abschiebung in die Russische Föderation als zulässig erklärt. Die Beschwerden gegen diese Bescheide des BFA wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.11.2015 als unbegründet abgewiesen.

Ebenso wurde mit Bescheid des BFA vom 31.07.2015 der Antrag auf internationalen Schutz der BF7 sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten, als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet abgewiesen. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung in die Russische Föderation als zulässig erklärt. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid des BFA wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.11.2015 in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen.

Am 18.12.2015 stellte der BF1 den gegenständlichen (neuen) Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 25.01.2017 sowohl hinsichtlich § 3 AsylG, als auch hinsichtlich § 8 AsylG abgewiesen wurde. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung in die Russische Föderation als zulässig erklärt.

Am XXXX wurde der BF8 im österreichischen Bundesgebiet geboren. Für diesen wurde am 26.04.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, welcher mit Bescheid des BFA vom 25.01.2017 sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten, als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet abgewiesen. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung in die Russische Föderation als zulässig erklärt.

Am 11.02.2017 stellte die BF2 für sich und die minderjährigen BF3-BF7 die gegenständlichen (neuen) Anträge auf internationalen Schutz, welche mit Bescheiden des BFA vom 26.03.2018 sowohl hinsichtlich § 3 AsylG, als auch hinsichtlich § 8 AsylG abgewiesen wurde. Es wurden Rückkehrentscheidungen erlassen und die Abschiebung in die Russische Föderation als zulässig erklärt.

Nicht festgestellt werden kann, dass den BF in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität – oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität – in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht.

Nicht festgestellt werden kann, dass die BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation respektive Tschetschenien in ihrem Recht auf Leben gefährdet wären, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Die BF1-BF5 waren vor ihrer Ausreise nach Europa in der Republik Tschetschenien in einem gemeinsamen Haushalt mit den berufstätigen Eltern des BF1 in einem Eigentumshaus wohnhaft. Der BF1 verfügt über grundlegende Schulbildung und arbeitete in seinem Heimatland als Hilfsarbeiter auf Baustellen. Die BF2 ging in der Russischen Föderation keiner Tätigkeit nach, sie verfügt aber über grundlegende Schulbildung und hat eine Ausbildung zur Buchhalterin abgeschlossen. Die BF waren in der Russischen Föderation dazu in der Lage - durch die berufliche Tätigkeit des BF1 sowie den Bezug von Sozialleistungen - sich ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Der BF1 hat mittlerweile (nach dem Tod seines Vaters) das Eigentumshaus in Tschetschenien geerbt.

In der Russischen Föderation (Tschetschenien) halten sich nach wie vor zahlreiche Verwandte der BF auf. So leben unter anderem die Mutter, die beiden Schwestern des BF1 (samt Ehemännern) nach wie vor in Tschetschenien. Auch außerhalb Tschetscheniens befinden sich nach wie vor Verwandte des BF1, zumal unter anderem eine Cousine in Inguschetien und ein Cousin in Moskau lebt. Von den Familienangehörigen der BF2 halten sich nach wie vor ihre Mutter und ihre zwei Schwestern im Heimatland auf. Die BF stehen mit ihren Familienangehörigen in der Russischen Föderation in regelmäßigem Kontakt. Es ist auch davon auszugehen, dass sich noch weitere Verwandte – wie etwa Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen in Tschetschenien bzw. der Russischen Föderation aufhalten.

Der BF1 hat bei seiner Einreise nach Österreich an Schmerzen an der Wirbelsäule sowie an Gastritis gelitten. Er hat in Österreich auch psychologische Hilfe in Anspruch genommen. Die gesundheitlichen Probleme des BF1 wurden in Tschetschenien und in Österreich behandelt. Es liegen keine Krankheiten vor, welche einer Rückkehr in die Russischen Föderation/Tschetschenien entgegenstehen würden. Die restlichen BF sind gesund. In der Russischen Föderation (Tschetschenien) besteht darüber hinaus eine ausreichende medizinische (auch psychologische/psychiatrische) Grundversorgung.

Die erwachsenen BF (BF1 und BF2) sind strafgerichtlich unbescholten, die minderjährigen BF3-BF8 sind strafunmündig. Über den BF1 wurde allerdings mittels Strafverfügung der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 06.11.2018 wegen nicht rechtmäßiger Einreise ins Bundesgebiet (Einreise ohne Mitführung eines gültigen Reisedokumentes) eine Geldstrafe im Ausmaß von 100 € verhängt.

Der BF1 hält sich seit August 2012, die BF2 sowie die minderjährigen BF3-BF5 halten sich seit Oktober 2012, sohin seit etwas mehr als acht Jahren in Österreich auf. Die minderjährigen BF6, BF7 und BF8 wurden am XXXX , am XXXX und am XXXX in Österreich geboren.

Die BF wohnen in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt

Der BF1 hat in der Vergangenheit (im Jahr 2012/2013) Deutschkurse besucht, Deutschzertifikate konnte er bis dato allerdings nicht in Vorlage bringen. Er versteht bzw. spricht trotz seines achtjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet wenig bis gar kein Deutsch. Der BF1 ist seit seiner Einreise nach Österreich keiner legalen Beschäftigung nachgegangen und hat auch keine ehrenamtlichen Tätigkeiten absolviert. Er konnte lediglich eine (veraltete) und sehr allgemein gehaltene Einstellungszusage von Juli 2015 in Vorlage bringen, welche keine Angaben betreffend Gehalt oder Arbeitsumfang enthält. Der BF1 hat auch keine sonstigen Ausbildungen im Bundesgebiet absolviert.

Die BF2 konnte ein ÖSD-Zertifikat A2 vom 03.11.2017 sowie ein positives Zeugnis zur Integrationsprüfung (Sprachniveau A2) vom 18.02.2020 in Vorlage bringen. Darüber hinaus hat sie keine Kurse oder Ausbildungen absolviert. Sie ist in Österreich bis dato keiner legalen Beschäftigung nachgegangen und hat auch keine ehrenamtlichen Tätigkeiten absolviert. Die BF2 konnte zwar eine Einstellungszusage vom 02.09.2020 in Vorlage bringen, diese ist allerdings an die Erlangung eines positiven Asylbescheides geknüpft und sind darin - wie in jener des BF1 - keine Angaben betreffend Gehalt oder Arbeitsumfang enthalten.

Die erwachsenen BF konnten im Bundesgebiet zwar Freundschaften mit Nachbarn knüpfen und konnten diesbezüglich im Laufe des Verfahrens Empfehlungsschreiben in Vorlage bringen, es handelt sich dabei jedoch nicht um enge soziale Kontakte. Weiters besucht die Familie seit Kurzem Veranstaltungen eines gemeinnützigen Vereines (Verein Miteinander), ansonsten geht die Familie in ihrer Freizeit spazieren oder mit den Kindern auf den Spielplatz.

Die BF sind nicht selbsterhaltungsfähig, sie beziehen – seit ihrer Einreise vor etwa acht Jahren – Sozialleistungen des Staates.

Der mittlerweile 12jährige BF3 hat in Österreich die Vorschulklasse, die Volksschule und zuletzt die 1. Klasse eines Gymnasiums abgeschlossen. Nunmehr besucht er die 2. Klasse des Gymnasiums (6. Schulstufe).

Die nunmehr 11jährige BF4 hat in Österreich ebenso eine Vorschulklasse besucht. Sie hat zuletzt die dritte Klasse Volksschule positiv abgeschlossen. Derzeit besucht sie die vierte Klasse Volksschule.

Der mittlerweile 9jährige BF5 hat hier den Kindergarten besucht und zuletzt die zweite Klasse Volksschule positiv abgeschlossen. Nunmehr besucht er die dritte Klasse Volksschule.

Die siebenjährige BF6 wurde im Herbst eingeschult, sie besucht die erste Klasse Volksschule.

Die sechsjährige BF7 und der vierjährige BF8 besuchen den Kindergarten.

Da die minderjährigen BF die Schule bzw. den Kindergarten in Österreich besuchen, ist davon auszugehen, dass sie sie die deutsche Sprache verstehen bzw. sich auf Deutsch verständigen können. Im Familienverband wird aber nach wie vor die Tschetschenische Sprache gesprochen. Die minderjährigen BF gehen in Österreich keinen besonderen Hobbies oder Freizeitaktivitäten nach. Sie sind nicht Mitglieder in Vereinen oder sonstigen Verbindungen. In ihrer Freizeit besuchen sie mit ihren Eltern den Spielplatz oder gehen Schwimmen.

Drei Cousins des BF1 leben in Österreich und sind hier zum dauernden Aufenthalt berechtigt. Mit den Cousins besteht weder ein gemeinsamer Haushalt, noch eine besondere Abhängigkeit.

Eine nachhaltige Integration der BF im Sinne einer tiefgreifenden Verwurzelung im Bundesgebiet kann insgesamt nicht erkannt werden.

Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der BF:

Politische Lage

Letzte Änderung: 27.03.2020

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (GIZ 2.2020c, vgl. CIA 28.2.2020). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weit reichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 2.2020a, vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister, und entlässt sie (GIZ 2.2020a). Wladimir Putin ist im März 2018 bei der Präsidentschaftswahl mit 76,7% im Amt bestätigt worden (Standard.at 19.3.2018, vgl. FH 4.2.2019). Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl stärkster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motiviert eingestuften Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018, vgl. FH 4.2.2019). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach vielen Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der [derzeitigen] Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinander folgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzesentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Zweikammerparlament, bestehend aus Staatsduma und Föderationsrat, ist in seinem Einfluss stark beschränkt (GIZ 2.2020a). Der Föderationsrat ist als „obere Parlamentskammer“ das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für fünf Jahre gewählt. Es gibt eine Fünfprozentklausel (GIZ 2.2020a, vgl. AA 2.3.2020c).

Im Jänner 2020 kündigte Präsident Putin bei seiner Neujahrsrede Verfassungsänderungen an. Daraufhin trat die Regierung unter Ministerpräsident Medwedew zurück (Spiegel Online 15.1.2020). Kurz darauf wurde Putins Kandidat Michail Mischustin, der zehn Jahre lang Leiter der russischen Steuerbehörde war, von der Duma zum neuen Ministerpräsident gewählt (Spiegel Online 16.1.2020). Dmitrij Medwedew wird Vizevorsitzender im Sicherheitsrat. Die angestrebte Verfassungsänderung ist ein umfangreicher Maßnahmenkatalog, bei dem es sich laut Putin um von der Gesellschaft geforderte Veränderungen handelt (Spiegel Online 15.1.2020). Das Volk wird über die Verfassungsänderungen abstimmen, um diese zu legitimieren (NZZ 19.3.2020), jedoch wird die Abstimmung aufgrund der Corona-Pandemie vom geplanten Termin im April nach hinten verschoben (ORF.at 25.3.2020). Vorgesehen ist nicht nur eine Ausweitung der Machtbefugnisse des Präsidenten. Putin soll nach einem Votum der Abgeordneten auch die Möglichkeit haben, sich noch einmal für maximal zwei Amtszeiten zu bewerben – er könnte also bei Wiederwahl bis 2036 im Amt bleiben. Nach bisheriger Verfassung könnte er 2024 nicht mehr antreten. Kritiker und Oppositionelle werfen Putin einen Staatsstreich vor. Das Verfassungsgericht hat den Änderungen bereits zugestimmt (NZZ 19.3.2020).

Zu den wichtigen Parteien der Russischen Föderation gehören: die Regierungspartei Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern; Gerechtes Russland (Sprawedliwaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern; die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, die die Nachfolgepartei der früheren KP ist; die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist; die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern; die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), links-zentristisch mit 85.000 Mitgliedern; die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 2.2020a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (343 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (39 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (RIA Nowosti 23.9.2016, vgl. Global Security 21.9.2016). Die sogenannte Systemopposition stellt die etablierten Machtverhältnisse nicht infrage und übt nur moderate Kritik am Kreml (SWP 11.2018).

Russland ist eine Föderation, die (einschließlich der international nicht anerkannten Annexion der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges Sewastopol) aus 85 Föderationssubjekten mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 2.2020a, vgl. AA 2.3.2020c). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 2.2020a).

Es gibt acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten), denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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