TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/19 W150 2204855-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.11.2020
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Entscheidungsdatum

19.11.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W150 2204852-1/8E
W150 2204850-1/7E
W150 2204845-1/7E
W150 2204855-1/7E
W150 2223965-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KLEIN als als Einzelrichter über die Beschwerden von 1. Frau XXXX , geb. XXXX 1993, 2. dem mj. XXXX , geb. XXXX .2014, vertreten durch Frau XXXX als Obsorgeberechtigte, 3. dem mj., XXXX , geb. XXXX .2015, vertreten durch Frau XXXX als Obsorgeberechtigte, 4. der mj. XXXX , geb. XXXX .2017, vertreten durch Frau XXXX als Obsorgeberechtigte, und 5. dem mj. XXXX , geb. XXXX 2019, vertreten durch Frau XXXX als Obsorgeberechtigte, alle StA. Afghanistan, alle vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, ZVR-Zahl 460937540, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2018, 1. Zl. XXXX , 2. Zl. XXXX , 3. Zl. XXXX , 4. Zl. XXXX und 5. Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2019, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Die schwangere Erstbeschwerdeführerin (in der Folge auch: „BF1“) und ihre unmündig minderjährigen Kinder, der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer (in der Folge auch: „BF2“ und „BF3“) reisten spätestens am XXXX .12.2016 illegal in das Bundesgebiet ein und stellten die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

2.       Am 30.12.2016 wurde die BF1 in Marchegg durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Erstbefragung unterzogen. Dabei gab die BF1 zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen Folgendes an:

„Mein Ehemann war bereits als Kind in XXXX und hat einige Zeit dort gelebt. Er kam dann nach Afghanistan zurück. Wir haben dann geheiratet. Da er im Ausland war, haben die Leute aus der Region ihm vorgeworfen, dass er ungläubig sei und nicht regelmäßig in die Moschee gehe und auch nicht das Gebet verrichte. Er wurde von den Taliban gefangen gehalten, er wurde geschlagen und schwer verletzt. Die Ältesten der Region konnten ihn von den Taliban befreien. Mein Ehemann musste vor den Taliban flüchten. Ich weiß nicht, wo er sich aufhält. Das Leben meiner Kinder, sowie auch mein Leben waren gefährdet. Mein Bruder unterstützte mich und organisierte meine Ausreise. Ich kann im Heimatort nicht leben, da meinem Mann vorgeworfen wird, dass er ungläubig ist.“

3. Am XXXX .2017 wurde in Österreich die Viertbeschwerdeführerin (in der Folge auch: „BF4“) geboren. Am 04.07.2017 stellte die BF1 auch für die BF4 einen Antrag auf internationalen Schutz.

4. Am 17.04.2018 wurde die BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge auch: „BFA“ oder „belangte Behörde“) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen Folgendes an:

LA: Aus welchen Gründen verließen Sie das Heimatland? Weshalb haben Sie einen Asylantrag gestellt?

VP: Mein Mann ab dem 13./ 14. Lebensjahr in XXXX . Er lebte dort bis er eines Tages nach Afghanistan kam. Wir heirateten ein Monat nachdem er wieder in Afghanistan war. Wir lebten dann eine Zeit lang in XXXX . Eines Tages hat jemand aus dem Dorf den Taliban verraten, dass mein Mann nicht betet, sich vom Islam abgewendet hat und zum Christentum übergetreten ist. Ein paar Tage später entführten sie ihn dann. Er wurde in die Berge gebracht. Er war circa fünf Tage in Gefangenschaft von denen. Er wurde stark geschlagen und gefoltert. Danach haben die Dorfältesten beschlossen ihn zu befreien. Sie sind dann in die Berge gegangen um ihn zu holen. Die Dorfältesten holten ihn und brachten ihn ins Krankenhaus, wo er dann 15 Tage behandelt wurde. Danach kam er nach Hause und lebte weiter in XXXX bis ein paar Freunde zu ihm nach Hause gekommen sind und ihn gewarnt haben, dass die Taliban nach ihm suchen. Sie rieten ihm wegzulaufen. Er verließ dann das Haus und sagte mir, dass ich mich auch in Sicherheit bringen soll, weil er mich nicht retten kann. Danach wusste ich nicht, was ich machen soll mit zwei Kindern und habe meinen Bruder angerufen, dass er mich abholen soll. Er holte mich ab und wollte mich nach Hause bringen. Er entschied aber, dass er mich nicht zu sich nach XXXX bringen kann, weil dort auch die Taliban sind und besorgte mir einen Schlepper sowie Reisepässe, damit ich ausreisen kann. So begann die Reise dann für mich.

LA: Haben Sie seither von Ihrem Mann etwas gehört?

VP: Nein, nachdem Krankenhaus war er nur ein paar Tage da, dann verschwand er.

LA: Wohin ist er verschwunden? Haben Sie eine Idee, wo er sein könnte?

VP: Nein.

LA: Wie lange hat sich Ihr Mann insgesamt in XXXX aufgehalten? Welchen Aufenthaltstitel hatte er in XXXX ?

VP: Er lebte circa 8 Jahre dort. Er hatte nur ein dreijähriges Visum und wurde dann wieder nach Afghanistan abgeschoben.

LA: Wovon lebte Ihr Mann in Afghanistan? Welchen Beruf hat er in Afghanistan ausgeübt?

VP: Als er von XXXX kam, hatte er schon ein bisschen Geld gehabt. Dann haben die zwei Jahre von diesem Geld gelebt. Auch von seinem Vater bekam er von der Ernte seines Vaters Geld. Das Land ist dort sehr fruchtbar.

LA: Hat Ihr Mann selbst auch gearbeitet?

VP: Nein.

LA: Können Sie bitte noch genauer schildert, wie Ihr Mann von den Taliban in die Berge entführt wurde!

VP: Er war mit seinen Freunden draußen, als er entführt wurde. Wir bekamen das erst am Abend mit, dass er von den Taliban entführt wurde. Wir wussten nicht, ob mein Mann lebt. Mein Schwiegervater ist zu den Dorfältesten gegangen und hat gebettelt, dass sie dorthin gehen und meinen Mann dort befreien, falls er noch lebt.

LA: Wann ungefähr wurde Ihr Mann entführt?

VP: Im Jahr 2016 ist das passiert.

LA: Weshalb wurde er dann freigelassen?

VP: Die Dorfältesten gingen dort hin und haben ihn befreit. Sie schworen den Taliban, dass er wieder beten würde. Sie nahmen ihn zur Bewährung mit.

LA: Ging Ihr Mann regelmäßig in die Moschee?

VP: Zu Hause hat er gebetet, aber in die Moschee ist er nicht gegangen.

LA: Weshalb ging er nicht in die Moschee?

VP: Er ging schon ab und zu in die Moschee. Die Dorfleute sind aber ein bisschen strenger als er gewesen. Sie wollten, dass er auch zum Frühgebet kommt, das wollte er nicht.

LA: Haben Sie eine Idee, wer Ihren Mann an die Taliban verraten haben kann?

VP: Nein, wir wussten nicht, wer das war.

LA: Was hat Ihnen Ihr Mann alles von der Gefangenschaft bei den Taliban erzählt, nachdem er freigelassen wurde?

VP: Er hat seinem Vater erzählt, dass er von den Taliban geschlagen wurde. Die Dorfältesten meinten auch, dass er das Dorf verlassen soll, weil sie ihn kein zweites Mal befreien kann.

LA: Hat Ihr Mann auch mit Ihnen über seine Gefangenschaft gesprochen?

VP: Nein.

LA: Weshalb nicht?

VP: Ich war mit anderen Sachen beschäftigt, mit Kindern groß ziehen und so weiter.

LA: In welchem Zustand haben Sie Ihren Mann psychisch und physisch angetroffen nach der Gefangenschaft?

VP: Er hat sehr viel Blut verloren, war verletzt und hatte ein blasses (wörtlich: eigelbes) Gesicht. Er hatte Angst in sich.

LA: Haben Sie ihn noch gesehen bevor ins Krankenhaus gebracht wurde?

VP: Nein.

LA: Das heißt der Zustand, in dem Sie Ihren Mann vorgefunden haben, war nach dem Krankenhaus?

VP: Ja.

LA: Was machte Ihr Mann in der Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt bis zu seiner Flucht?

VP: Er konnte nicht viel machen. Er war nur vier Nächte da und verschwand dann. Er konnte auch nicht von zu Hause hinaus wegen den Verletzungen.

LA: Weshalb haben seine Freunde ihn plötzlich gewarnt, dass er fliehen soll? Woher wussten seine Freunde, dass er in Gefahr sei?

VP: Es kann sein, dass die Taliban auch selbst aus dem Ort sind. Sie haben den Freunden womöglich gesagt, dass sie meinen Mann nicht in Ruhe lassen werden.

LA: Weshalb hat Ihr Mann Sie und die Kinder nicht auch mitgenommen bei seiner Flucht?

VP: Er hat nur gesagt, dass ich meinen Bruder anrufen soll, weil er sich nicht einmal selbst helfen kann. Er wollte auch die Familie nicht in Gefahr bringen.

LA: Wie lange dauerte es dann, dass Ihr Bruder zu Ihnen kam und die Reise für sie organisiert hat?

VP: Mein Mann ging am Abend hinaus und mein Bruder kam dann in der Früh. Mein Bruder ist Taxifahrer in XXXX und so konnte er in der Früh kommen.

LA: Lebt Ihr Bruder in XXXX ?

VP: Nein, er ist nur Taxifahrer von XXXX nach XXXX .

LA: Haben Sie sonst Verwandte in XXXX ?

VP: Nein.

LA: Wie haben Sie Ihren Mann kennengelernt?

VP: Mein ältester Bruder und sein ältester Bruder waren miteinander befreundet. Der älteste Bruder meines Mannes war sehr oft in XXXX .

LA: Wie haben sich die jeweiligen Brüder kennengelernt?

VP: Das weiß ich nicht, vielleicht durchs Taxifahren in XXXX .

LA: Welchen Beruf übte der älteste Bruder Ihres Mannes aus?

VP: Er war Bauer und verkaufte öfters seine Sachen in XXXX .

LA: Sind Sie mit Ihrem Mann irgendwie verwandt?

VP: Verwandt sind wir nicht, aber meine Mutter stammt aus XXXX und deswegen habe ich auch einen Bezug nach XXXX .

LA: Was war Ihrer Meinung nach der zuletzt ausschlaggebende Grund für Sie persönlich zu flüchten?

VP: Der ausschlaggebende Grund war für mich, dass ich meine Kinder in eine sichere Lage bringen wollte. Da die Schwiegerfamilie auch geflohen ist, wusste ich nicht wohin ich sollte.

LA: Weshalb hat Sie die Schwiegerfamilie nicht mitgenommen?

VP: Mein Mann hat gesagt, dass ich meinen Bruder anrufen kann. Die Schwiegerfamilie war auch in Angst und musste fliehen wegen meinem Mann. Wenn ich meinen Bruder anrufe, fällt es nicht so auf, was mit mir ist.

LA: Weshalb konnte Sie Ihr Bruder, den Sie angerufen haben, nicht mit zu sich nehmen nach XXXX ?

VP: Die Taliban von XXXX und XXXX sind gleich. Mein Bruder wurde auch gewarnt, wenn ich mit ihm erwischt worden wäre, dann hätte er auch Probleme bekommen. Das wollte ich nicht.

LA: Welche Probleme hätte Ihr Bruder in XXXX bekommen, wenn er Sie mitgenommen hätte?

VP: Wenn ein Spion das ganze weiter erzählt hätte, dass ich in XXXX bei meiner Familie bin, dann hätte meine Familie auch Probleme bekommen.

LA: Hatten Sie noch weitere Fluchtgründe?

VP: Nein.

LA: Was würden Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Heimatstaat befürchten? Was würde Sie dort erwarten?

VP: Meine Kinder und ich würden nicht am Leben gelassen werden.“

Weiters zu ihrer Integration in Österreich befragt, gestaltete sich die Einvernahme wie folgt:

„LA: Wie sieht Ihr Alltag in Österreich aus?

VP: In der Früh stehe ich auf und kümmere mich um meine Kinder, bereite das Frühstück vor, wechsle die Windeln. XXXX braucht sehr oft eine neue Windel wegen seinem gesundheitlichen Problem. Dann habe ich meistens Termine für XXXX . Ich gehe auch oft zum Spielplatz mit den Kindern. Zu Hause muss ich dann wieder das Essen vorbereiten.

LA: Sind Sie Mitglied in einem Verein, oder einer Organisation hier in Österreich?

VP: Nein.

LA: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

VP: Ich gehe mit den Kindern in den Park.

LA: Mit wem haben Sie Kontakt? (Haben Sie österreichische Freunde oder soziale Kontakte zu Österreichern?)

VP: Ich habe keine Freundinnen.

LA: Wie sehen Ihre Zukunftspläne in Österreich für Sie selbst aus?

VP: Wenn meine Kinder etwas größer sind, möchte ich Deutschkurse besuchen und mich weiterbilden. Momentan rede ich mit Hand und Fuß Deutsch.

LA: Unterstützt Ihr Cousin Sie auch im Alltag?

VP: Er ist oft als Dolmetscher für mich dabei, wenn ich ins Krankenhaus muss oder sonst irgendeinen Termin habe.

LA: Wie kleiden Sie sich gewohnheitsmäßig?

VP: Ich passe mich an, wenn ich hinausgehe. Zu Hause sitze ich normal (Anm.: VP trägt Kopftuch mit Leopardenmuster sowie eine graue Weste, ist ungeschminkt).

LA: Weshalb tragen Sie draußen Kopftuch?

VP: Es gehört zur islamischen Kultur, zu Hause trage ich es locker gewickelt und nicht so streng.“

5. Mit Bescheiden vom 09.05.2018 wies das BFA im Familienverfahren die Anträge der BF1 bis BF4 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den BF1 bis BF4 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

6. Dagegen erhoben die BF fristgerecht am 06.06.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch: „BVwG“) und begründeten diese neben den ursprünglich angegebenen Fluchtgründen nunmehr auch mit einer westlichen Orientierung der BF1.

7. Am XXXX 2019 wurde in Österreich der Fünftbeschwerdeführer (in der Folge auch: „BF5“) geboren. Am 31.07.2019 stellte die BF1 auch für die BF4 einen Antrag auf internationalen Schutz.

8. Mit Bescheide vom 23.08.2019 wies das BFA im Familienverfahren denh Antrag des BF5 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem BF5 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

9. Dagegen erhob der BF5 fristgerecht am 24.09.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch: „BVwG“).

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.11.2020 in den gemäß § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Beschwerdeverfahren eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Paschto durch, in welcher die BF ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Weiters wurden das Privat- und Familienleben der BF und ihre Integrationsschritte erörtert. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde dem BFA übermittelt.

Die rechtsfreundlich vertretene BF1 erklärte, dass sie gesund und verhandlungsfähig sei. Weiters gab die BF1 an, dass auch die anderen BF gesund seien, ausgenommen der BF3, der an Blasenekstrophie leide. Dazu legte der Vertreter der BF eine Bestätigung der Medizinuniversität Wien, Kinderchirurgie vor) leide. Weiters legte dieser einen Beschluss betreffend das Obsorgerecht der BF1 bezüglich der anderen BF vor. Zu dem in der mündlichen Verhandlung eingebrachten Länderberichtsmaterial gaben weder die BF noch ihr Vertreter eine Stellungnahme ab. Die weitere Befragung gestaltete sich wie folgt:
„RI: Wie ich dem vorliegenden Gerichtsbeschluss entnehme, vertreten Sie als Obsorgeberechte die BF2 – BF5, Ihre Kinder, ist das richtig?

BF: Ja.

RI: Sind Sie und Ihre Kinder gesund oder leiden sie an Krankheiten?

BF: Mir geht es eigentlich gut oder sehr gut, denn ich denke nicht an mich, sondern an die Kinder. Dieses Kind ( XXXX , BF3) ist krank, er hat vier Operationen hinter sich, zwei Operation in Afghanistan und zwei in Pakistan. Das waren Operationen, wo man Nierensteine herausnimmt. Das Ergebnis der Operationen war nicht so ideal.

R: Ist das XXXX (BF3)?

BF: Ja.

RI: Nehmen Sie regelmäßig Medikamente?

BF: Nein.

RI: Führen Sie Ihren Namen seit Ihrer Geburt?

BF: Ja.

RI: Wie hießen Sie vor Ihrer Hochzeit?

BF: Vor der Hochzeit habe ich keinen speziellen Familiennamen getragen, Sie wissen das vielleicht auch, viele Leute in Afghanistan tragen keinen Familiennamen, aber nachdem ich geheiratet habe, trage ich den Familiennamen „ XXXX “, das ist der Familienname meines Mannes. Ich muss dazu sagen, ich komme aus der Provinz XXXX und mein Mann kommt aus der Provinz XXXX .

RI: D. h., Sie führen Ihren Namen nicht seit Ihrer Geburt?

BF: Ja. Auf der Tazkira hat man meinen Familiennamen als der Namen meines Vaters geschrieben, XXXX , mein Name und Namen meines Vaters.

RI: Bitte präzise antworten.

BF: Ja.

RI: Wo sind Sie geboren?

BF: Ich bin in der Provinz XXXX geboren.

RI: Sind Sie in Ihrem Heimatland Afghanistan unter anderen Namen, Spitznamen, Kampfnamen, Rufnamen bekannt?

BF: Nein.

RI: Sind Sie in anderen Ländern dieser Erde, einschließlich Österreich, unter anderen Namen bzw. Identitäten in Erscheinung getreten?

BF: Nein, ich trage nur diesen Namen.

RI: Haben Sie noch weitere Dokumente (Ausweise, Bestätigungen, etc.) die Ihre Person oder Familienangehörige betreffen, die noch nicht im Akt enthalten sind, die Sie mir heute vorweisen wollen?

BF: Nein, jetzt nichts.

RI: Sie wurden durch Organwalter der LPD NÖ und des BFA 2016 bzw. 2018 bereits ausführlich zu Ihren Erlebnissen, Lebensumständen und Fluchtgründen befragt. Haben Sie damals alles wahrheitsgemäß beantwortet?

BF: Ja, ich habe die Wahrheit gesagt.

RI: Gehören Sie einer Kirche oder Religionsgemeinschaft an? Wenn ja, welcher? Wenn nein, haben Sie ein religiöses Bekenntnis?

BF: Ich bin sunnitische Muslima.

RI: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

BF: Ich bin Paschtunin.

RI: Wie äußert sich ihre religiöse Überzeugung? Woran können Außenstehende erkennen, dass Sie sunnitische Muslima sind?

BF: Z. B., ich habe den Koran sehr gut gelernt. Ich versuche auch– soweit es mir möglich ist - an die Gebote und Verbote des Islam zu halten. Außerdem kann ich dafür auch nichts machen, ich bin in eine muslimische Familie geboren.

RI: Halten Sie irgendwelche Bekleidungsgebote ein?

BF: Nein, das kann ich nicht praktizieren. Ich kann Ihnen ein Beispiel geben: Islamische Frauenkleider sind meistens bis fünf Meter lang, außerdem muss man auch den Kopf bedecken, das kann ich nicht praktizieren.

RI: Warum?

BF: Ehrlich gesagt, aus diesem Grund, wenn es nach mir ginge, würde ich nie zurückgehen, weil, wenn ich so eine lange Kleidung tragen würde, würde ich mich wie eine Gefangene drinnen fühlen, das kann ich nicht. Aber in Afghanistan – besonders in unserem Ort – ist es in unserer Gegend so üblich, dass die Frauen solche Kleidung tragen, das kann ich nicht.

RI: Haben Sie bis zu Ihrer Flucht in XXXX gelebt?

BF: Bis zu meiner Hochzeit habe ich in XXXX gelebt.

RI: Und danach?

BF: Dann sind wir nach XXXX gezogen.

RI: Genauer bitte.

BF: Genauer gesagt nach XXXX .

RI: Können Sie mir das ein bisschen genauer erklären, wo dieses Dorf in XXXX liegt?

BF: Ich kann das nicht so gut erklären. Als ich geheiratet habe, sind wir direkt zu diesem XXXX . Ich kenne die Wege und Straßen überhaupt nicht, ich bin von meinem damaligen Zuhause und zu meinem neuen Zuhause hingezogen und war immer Hausfrau.

RI: Wissen Sie, was die nächstgelegene größere Stadt war?

BF: Ich weiß es nicht genau.

RI: Haben Sie noch Verwandte (z.B. Eltern, Kinder, Geschwister, Ehegatten) in Ihrer Heimat Afghanistan?

BF: Meine Familie, d. h., meine Eltern und die anderen von meiner damaligen Familie leben alle noch in XXXX . Ich hatte drei Brüder gehabt, einer ist verstorben, d. h., zurzeit habe ich zwei Brüder. Ich habe auch vier Schwestern, die alle schon verheiratet sind und führen ihr eigenes Leben. Mein Vater ist schon gestorben, meine Mutter lebt und sie ist auch dort.

RI: Haben Sie noch Verwandte in Österreich oder anderen Ländern dieser Erde?

BF: Ja, ich habe einen Cousin ms. (mütterlicherseits) in Österreich und mein Mann ist in XXXX .

RI: Seit wann ist er in XXXX ?

BF: Es war entweder im neunten oder zehnten Monat 2018, zufällig per Internet habe ich ihn gefunden. Ich weiß nicht genau, achter Monat, neunter Monat. Vorher hatte ich keine Ahnung gehabt, wo er lebt, ich wusste nur, dass er von Afghanistan damals herausgekommen ist, aber ich wusste nicht, wo er ist.

RI: Wann haben Sie ihn das letzte Mal persönlich gesehen?

BF: Ich war insgesamt ca. zwei Monate unterwegs nach Europa. Unser letztes gemeinsames Zusammensein war ca. zwei, drei Monate davor.

RI: Was meinen Sie mit „zwei oder drei Monate davor“, zwei oder drei Monate bevor Sie in Europa waren, zwei oder drei Monate vor 2018 oder zwei oder drei Monate bevor Sie aus Afghanistan weggegangen sind?

BF: Es war im Jahr 2016, ich meine diese zwei, drei Monate davor in Afghanistan.

[…]

RI: Sind Sie ledig, verheiratet, verwitwet, geschieden oder in einer eingetragenen Partnerschaft?

BF: Ich bin verheiratet.

RI: Haben Sie nicht daran gedacht, sich scheiden zu lassen, wenn Ihr Mann so lange weg ist?

BF: Nein. Niemals. Ich würde gerne mit ihm zusammenleben.

BFV: Die letzte Frage vor der Pause, ich glaube, die BF hat die Frage nicht gut verstanden, die BF hat Kontakte zu ihrem Mann, er befindet sich derzeit in XXXX .

RI: Wann waren Sie zuletzt in XXXX ?

BFV: Er war hier in Österreich.

BF: Nein, ich bin nicht hingegangen.

RI: Waren Sie schon einmal in XXXX ?

BF: Nein. Ich habe auch nicht die Möglichkeit dafür, ich besitze keinen Reisepass.

RI: Dann frage ich noch einmal. Wann haben Sie Ihren Mann das letzte Mal persönlich gesehen?

BF: Letztes Mal vor 15 oder 16 Tagen.

RI: Und wo?

BF: In Österreich, hier.

RI: Wohnt er bei Ihnen?

BF: Ja, er wohnt ein, zwei Tage bei mir, dann geht er zurück nach XXXX .

RI: Warum ist er dann nicht bei Ihnen in der Wohnung gemeldet?

BF: Das weiß ich nicht, ich habe es bis jetzt so verstanden. Wenn jemand drei Monate bleiben will, dann muss er sich offiziell melden, bei der Polizei oder offizielle Stelle, aber kommt und geht wieder schnell weg.

RI: Wie oft war er dieses Jahr bei Ihnen?

BF: Mindestens drei- bis viermal, er hätte noch mehr kommen wollen, aber wegen der Quarantäne und der Coronakrise kann er nicht mehr kommen.

RI: Sie haben mir gesagt, dass Sie zu Ihrem Mann nach XXXX gezogen sind, habe ich das richtig verstanden, damals in Afghanistan?

BF: Ja, XXXX gehört zur Provinz XXXX , da habe ich dann gelebt.

RI: Wo haben Sie denn Ihren Mann geheiratet, wo fand die Hochzeit statt?

BF: In der Provinz XXXX haben wir geheiratet.

RI: War das Ihre Entscheidung oder war das von der Familie arrangiert?

BF: Nein, in Afghanistan ist es überhaupt nicht möglich, dass man sich selbst dafür entscheidet. In meinem Fall war es so, dass mein Vater nicht da war, d. h., meine Mutter und mein Bruder haben das entschieden, aber ich muss sagen, ich bin voll zufrieden mit meinem Mann.

RI: Wann haben Sie ungefähr geheiratet, wann war das?

BF: Das genaue Datum – ehrlich gesagt – kann ich nicht sagen, es war im Jahre 2013.

RI: War Ihr Ehemann bei der Hochzeitszeremonie persönlich anwesend?

BF: Ja.

RI: Wie lange haben Sie danach gemeinsam in XXXX gewohnt?

BF: Von 2013 bis 2016 haben wir zusammengelebt und wir waren im besagten XXXX .

RI: War in diesem Zeitraum Ihr Ehemann auch anwesend oder auch nur so selten bei Ihnen zu Hause, so wie das jetzt der Fall ist?

BF: Er war immer dort, aber natürlich, er ging hinaus und wenn er was zu tun hat, ist er irgendwo hingegangen. Trotz allem, er war immer dort.

RI: Welche Schul- bzw. Berufsausbildungen haben Sie?

BF: Ich habe bis zur achten oder neunten Klasse gelernt, aber das war keine offizielle nationale Schule, es war ein Zelt. Wir Kinder gingen in dieses Zelt und haben dort gelernt.

RI: Sind Sie vor Ihrer Flucht einem Beruf nachgegangen?

BF: Nein, d. h., ich habe zu Hause gearbeitet. Draußen war es für mich als afghanische Frau nicht möglich.

RI: Wie sind Sie aus Afghanistan ausgereist?

BF: Von XXXX bis in den Iran sind wir geflogen. Nachher vom Iran in die Türkei, nachher nach Griechenland und nachher weiß ich nicht genau, ehrlich gesagt, es waren viele Länder.

RI: Wie sind Sie überhaupt nach XXXX gekommen?

BF: Mein Bruder ist Taxifahrer, mit ihm bin ich von XXXX nach XXXX gefahren.

RI: Wie lange hat die Fahrt ungefähr gedauert?

BF: Normalerweise dauert es zwischen vier und fünf Stunden, aber da mein Bruder ein professionaler Taxifahrer ist, deshalb haben wir an diesem Tag dreieinhalb Stunden dafür gebraucht.

RI: Sind Sie bei Tag gefahren oder in der Nacht?

BF: Weder Tag noch die Nacht. Es war vier in der Früh. Wir sind absichtlich früh von zu Hause rausgekommen, damit unterwegs kein Stau und keine Checkpoints sind, damit wir besser unterwegs seien können.

RI: Können Sie sich noch an die Orte erinnern, durch die Sie gefahren sind?

BF: Soweit ich mitbekommen habe, als wir von XXXX rausgekommen sind, ich kann nicht genau sagen, was kommt, welcher Ort kommt. Zuerst durch XXXX , dann kam ein Ort XXXX und dann XXXX und dann nach XXXX .

RI: Hat die Familie Ihres Mannes auch in XXXX gewohnt?

BF: Ja, in XXXX , in XXXX .

RI: Sind Sie legal oder illegal aus Afghanistan ausgereist?

BF: Es war auf legale Weise, denn wir haben Reisepässe besessen, wir haben das Visum gehabt.

RI: Die Republik Österreich hat Ihnen bereits durch den Bescheid des BFA subsidiären Schutz gewährt und eine, vorerst befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt. Warum streben Sie den Status des Konventionsflüchtlings an? Was glauben Sie, was sich dadurch für Sie ändern würde?

BF: Der Grund, warum ich weiter versuche ist, dass ich davor Angst, dass mir der subsidiäre Schutz irgendwann aus irgendeinen Grund abgeschoben werden würde. Ich habe meinetwegen eher weniger Angst, wegen meiner Kinder mehr Angst, besonders dieses Kind ( XXXX , BF3) ist nicht gesund und er würde niemals diese Chance haben dort geheilt zu werden. Ich habe auch Angst wegen meines Mannes, deshalb hoffe ich, dass auf sicherer Art und Weise ich hierbleiben kann, das ist mein Ziel. Besonders wegen diesem Kind (deutet auf XXXX , BF3) habe ich große Sorgen, weil er kann wirklich dort niemals so behandelt werden würde, wie hier in Österreich (gesundheitlich ist gemeint).

RI: Warum sind Sie aus Afghanistan geflüchtet?

BF: Ich konnte dort nicht mehr leben, weil es bestand eine Gefahr gegen meinen Mann und gegen meine Kinder.

RI: Was für eine Gefahr meinen Sie?

BF: Der Grund, warum ich meine Heimat damals verlassen musste war, dass mein Mann, bevor wir zwei geheiratet haben, hat er fast sein ganzes Leben in XXXX gelebt. Als er zurück war, wie es dort üblich ist, jedes Mitglied des Dorfes muss an dem Frühgebet an der Moschee teilnehmen und er ist nicht hingegangen. Ich konnte als Frau sowieso bei Frühgebet nicht teilnehmen und jemanden hat den Taliban, dass diese Person, nämlich mein Mann, „ungläubig“, „Kaffir“ geworden ist. Aus diesem Grund, an einem Abend, als mein Mann mit seinen besten Freunden draußen spazieren gegangen ist, haben die Taliban unterwegs nur ihn extrahiert und haben so lange auf ihn eingeschlagen, dass er auch sehr schwer verletzt war. Deshalb wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir dort nicht mehr weiterleben können. Aus diesem Grund habe ich auch Afghanistan verlassen müssen.

RI: Erzählen Sie mir doch bitte, wie vor diesem Vorfall ein normaler Tag in Ihrem Familienleben in XXXX ausgesehen hat.

BF: Es sah ein normaler Tag von mir zu diesem Zeitpunkt so aus, dass ich in der Früh sehr früh aufgewacht bin, um das Frühgebet zu Hause verrichten zu können. Nach dem Gebet habe ich Frühstück für alle gemacht. Nach dem Frühstück war öfters irgendwelche Kleidung gewaschen. Dort habe ich natürlich alles per Hand gewaschen. Nach dieser Tätigkeit war die Vorbereitung für das Mittagessen. Zu Mittag, bevor wir gegessen haben, haben wir das Mittagsgebet verrichtet und normaler Weise betete ich damals fünfmal pro Tag. Nach dem Mittagessen, dann war es irgendwann die Zeit, das Abendessen vorzubereiten und dazwischen war natürlich spät nachmittags Gebetszeit. Nachdem wir das Abendgebet verrichtet haben, haben wir zu Abend gegessen und nach dem Spätabendgebet dann war Schlafzeit. So hat damals ein normaler Tag von mir ausgeschaut.

RI: Sie haben gesagt, dass Sie das Mittagsgebet verrichtet haben, gemeinsam mit Ihrem Mann?

BF: Wenn er zu Hause gewesen ist, natürlich, wenn nicht, dann habe ich es auch alleine verrichtet.

RI: Und das Frühgebet?

BF: Egal, wer in der Familie zu diesem Zeitpunkt zu Hause ist, die müssen alle zusammen beten. Natürlich, wir haben nicht an einer Reihe gestanden.

RI: Wie war das bei Ihnen üblich, war üblicher Weise der Mann in der Früh oder zu Mittag zu Hause oder nicht?

BF: Wenn er einen Grund dafür gehabt, ist er zu Hause geblieben, sonst ist er in die Moschee gegangen, um das Mittagsgebet zu verrichten. Damit meine ich, wenn er kurz krank gewesen ist, dann war er auch beim Mittagsgebet zu Hause.

RI: Was hat Ihr Mann beruflich gemacht in dieser Zeit?

BF: Er ist – wie gesagt – frisch aus XXXX zurückgekommen. Aber, so lange er dort war, hat er auf dem Feld gearbeitet, mit seinen Brüdern.

RI: Wovon haben Sie gelebt?

BF: Normaler Weise hat man in Afghanistan, besonders in unserem Ort, kein bestimmtes Gehalt, sodass man Geld entnehmen kann, aber – im Falle meines Mannes war es so - dass er einiges erspart hat, da er ca. neun Jahre in XXXX gearbeitet hat.

RI: Hat Ihr Mann als Landarbeiter gearbeitet oder waren das eigene Felder?

BF: Auf dem eigenen Felder, das Feld gehörte meinem Mann und seine Brüder.

RI: Was haben sie dort angebaut?

BF: Es wurde Kukuruz angebaut, es wurde Blumenkohl und Gurken angebaut.

RI: Wurde das nach der Ernte von Ihrem Mann bzw. anderen Familienmitglieder selbst verkauft oder wurde das an einem Händler verkauft?

BF: Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Normalerweist ist es so, wenn man eine große Ernte hat, verkauft es an einem Händler und er nicht es auf dem Markt, aber in Falle meines Mannes und seiner Brüder, weiß ich nicht, wie sie das verkauft haben.

RI: Wie waren die Ernten, in den Jahren, wie Sie dort gelebt haben, gut oder schlecht?

BF: Es hat uns für’s ganze Jahr gereicht. Einen Teil der Ernte haben wir mit nach Hause genommen, für den Eigenbedarf, der Rest wurde verkauft.

RI: Sie haben ca. drei bis vier Jahre in XXXX gelebt, ist das richtig?

BF: Ja.

RI: Sie haben mir vorhin erzählt, dass die Taliban so lange auf ihn eingeschlagen haben, dass er auch sehr schwer verletzt war. Deshalb wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir dort nicht mehr weiterleben können. Aus diesem Grund habe ich auch Afghanistan verlassen müssen. Habe ich das so richtig verstanden?

BF: Ja.

RI: Wie rasch, wie bald – nach diesem Vorfall – haben Sie das Land verlassen?

BF: Nur eine Woche danach.

RI: So schnell, aber er war doch schwer verletzt, haben Sie doch gesagt?

BF: Insgesamt drei Wochen, weil er ist ca. 14 – 15 Tage im Krankenhaus geblieben und dann eine Woche dazu, als drei Wochen.

RI: Eine Woche oder drei Wochen danach, was ist richtig?

BF: Genau drei Wochen danach.

RI: Dann sind Sie gemeinsam nach XXXX und von dort weggeflogen, ist das richtig?

BF: Nein, stimmt nicht. Mein Mann ist eine Woche vor uns gegangen, dann bin ich – wie gesagt – mit meinem Bruder nachher nach XXXX gefahren. Entschuldigung, in der Nacht, in der mein Mann hingegangen oder hingefahren ist, der Tag darauf, um vier Uhr in der Früh, bin ich dann weggefahren. Das war nur eine Nacht Zeitunterschied.

RI: Haben Sie sich dann in XXXX getroffen, ja oder nein?

BF: Nein.

RI: Wie konnten Sie dann von XXXX wegfliegen?

BF: Also, mein Bruder hat sich um alles gekümmert.

RI: Sie haben es geschafft innerhalb von drei Wochen, einen Reisepass für sich, die Kinder, samt Visum zu erreichen?

BF: In Afghanistan ist es möglich, wenn man ein bisschen „Schmiergeld“ benützen oder geben würde, dann kann man sogar an einem Tag alles bekommen, aber in unserem Fall hat das Gesamte ca. eine Woche gedauert – wie gesagt – mein Bruder hat das Ganze vorbereitet und hat sich um alles gekümmert.

RI: War das mit Ihrem Mann abgesprochen?

BF: Natürlich haben wir zwei beiden darüber gesprochen, es war sogar sein Vorschlag, dass er nicht mehr bleiben kann, er wird weggehen und wir müssen ihm nachziehen.

RI: Wie war der Plan, was hatten Sie da ausgemacht?

BF: Ehrlich gesagt, wir haben am Anfang kein bestimmtes Ziel gehabt, zu welchem Land wir ziehen oder gehen wollen, aber mein Bruder meinte, in XXXX , dass wir auch nicht nach XXXX zurückkehren können, nämlich zur Familie meiner Mutter, weil es dort noch mehr gefährlicher wäre als in XXXX . Deshalb wollten wir einmal nur heraus und wie gesagt, mein Bruder hat sich um alles gekümmert.

RI: Meine Frau [gemeint: „Frage“] war dahingehend gerichtet, was Sie mit Ihrem Mann ausgemacht hatten.

BF: Er hatte auch kein bestimmtes Ziel gehabt, z. B., dass wir nach Österreich kommen wollten. Er sagte, wir müssen unsere Köpfe retten. Wie gesagt, am Anfang war kein bestimmtes Zielland.

RI: Sie sind also mit einem zwei- und einjährigen Kind einfach ins „Blaue“ gefahren, verstehe ich das richtig?

BF: Natürlich hat der Schlepper uns geholfen, sonst hätte ich das auch nicht geschafft, so ist es passiert. Wenn man – wie gesagt – das „Schmiergeld“ benutzt und gibt, wird einem auch geholfen.

RI: Ich habe es immer noch nicht verstanden. Sie waren verheiratet, hatten gemeinsam zwei kleine Kinder, haben gemeinsam beschlossen, das Land zu verlassen. Dann fährt man doch entweder gemeinsam zu viert oder man vereinbart einen Treffpunkt. Können Sie mir das bitte erklären?

BF: Sie haben Recht, aber mein Mann hatte darüber sehr genau mit meinem Bruder gesprochen, weil er selber nicht mehr warten konnte. Ich muss dazusagen, dass seine Verletzung auch nicht ganz geheilt war, er war noch immer verletzt, wie er weggegangen ist. Aber warum wir nach Österreich gegangen ist, ist ein Grund dafür, dass ich damals so – wie jetzt – einen Cousin ms. in Österreich gehabt habe und mein Bruder meinte auch: „Österreich ist ein gutes Land.“

RI: So, wie Sie mir das jetzt schildern, es war Ihnen egal, ob Sie Ihren Ehemann wiedersehen oder nicht, verstehe ich das richtig?

BF: Das war so, dass mein Mann immer gedacht hat, in Europa sei es sehr leicht zueinander zu kommen, egal welches Land. Er sagte damals dazu auch: Egal, wo wir sein werden, würde er uns in Europa sicher wiederfinden können.

RI: Das hat Ihnen ausgereicht, um eine mehrere tausende Kilometer weite Reise in ein unbekanntes Land zu unternehmen?

BF: Um Ihre Frage zu beantworten, ja. Nur dieser eine Satz von meinem Mann hat genügt, dass ich diese Reise unternommen habe, aber ich muss dazu sagen, dass jeder Mensch, deren Leben irgendwo in Gefahr ist, sie tun verrückte Sachen, sie machen nicht nur normale Sachen, sonst bin ich auch nicht bekloppt gewesen, um ein Kind in den Arm zu nehmen und das andere Kind auf meine Schulter zu nehmen und losgehen und losfahren.

RI: Ihre Kinder sind alle gemeinsame Kinder von Ihnen und Ihrem Ehemann?

BF: Ja:

RI: Hat das dann in Österreich, in Europa geklappt, dass sie sich wiedergetroffen haben?

BF: In diesem Zusammenhang hat mir mein Cousins ms. uns sehr geholfen, er war immer dahinter, meinen Mann zu finden und er hat ihn auch letztendlich per „Facebook“ gefunden.

RI: D. h., Sie bzw. Ihr Cousin haben dann Ihren Mann gefunden, nicht umgekehrt?

BF: Natürlich hat er sich auch mehr als genug bemüht, uns zu finden, aber letztendlich das stimmt. Mein Cousin und ich haben ihn gefunden, das stimmt.

RI: Und Sie haben ihn in XXXX gefunden?

BF: Wir haben ihn zwar per „Facebook“ gefunden, aber er hat mich dann angerufen und gesagt, wo er sei.

RI: Und wann war das, dass Sie Ihren Mann wiedergefunden haben?

BF: Im Jahr 2018.

RI: Frühjahr, Sommer, Herbst, Winter?

BF: Es war sicher im siebenten Monat.

RI: Nach europäischer Kalenderrechnung?

BF: Ja.

RI: Wie lange hat es dann gedauert, dass Sie dann persönlich zusammengekommen sind?

BF: Einen Monat danach, im achten Monat der österreichischen (Zeit)Rechnung ist er dann zu mir gekommen.

RI: Und dazwischen, zwischen Ihrer Flucht aus Afghanistan, als Ihr Mann verletzt war und im achten Monat der österreichischen Zeitrechnung, waren Sie voneinander getrennt, ist das richtig?

BF: Ja, das stimmt.

RI: Vorhalt: Da kann nicht stimmen: Ihre Tochter XXXX ist im Juli 2017 geboren, können Sie mir das erklären?

BF: Ja, das stimmt, als ich losgefahren bin, losgegangen bin war ich bereits schwanger, deshalb. Ich zwar schon ca. zweieinhalb Monate schwanger, als ich von Afghanistan losgefahren bin.

RI: Und Ihre Reise nach Österreich hat ca. zwei Monate gedauert, ist das richtig?

BF: Ja.

RI: Demnach wären Sie ca. elf Monate schwanger gewesen.

BF: Nein. Insgesamt zweieinhalb Monate, d. h., ich muss nur zwei Wochen schwanger gewesen sein, ich habe dazugerechnet. Die ganze Zeit bis nach Österreich, in Österreich war ich zweieinhalb Monate schwanger.

[…]

RI: Was genau befürchten Sie bei Ihrer Rückkehr nach Afghanistan?

BF: In Afghanistan besteht für mich als auch für meine Kinder die Todesgefahr, weil wir schon bereits damals bedroht worden sind.

RI: Das ist jetzt aber neu, bis jetzt haben Sie aber nur erzählt, dass Ihr Mann geschlagen wurde.

BF: Ich kann Ihre Frage so beantworten, wenn wir – d. h., meine Kinder und ich – nicht in Gefahr gewesen wären, hätten wir Afghanistan überhaupt nicht verlassen wollen und deshalb sind wir ja hier.

RI: Sie haben mir vorhin erzählt, dass Ihr Ehemann, der längere Zeit in XXXX bzw. dem XXXX gelebt hat, nach seiner Rückkehr nicht mehr das gemeinsame Morgengebet in der Moschee verrichtet hat, deswegen hätte man gedacht, er sei eine „Kaffir“, ein „Ungläubiger“ geworden und deswegen sei er dann gezielt von den Taliban misshandelt worden. Habe ich diese Geschichte so richtig verstanden?

BF: Ja, sie haben mich richtig verstanden.

RI: Und warum hat er nicht in der Moschee, das Morgengebet verrichtet? Er hat z. B. mit Ihnen zu Hause gebetet.

BF: Der Grund war dafür, dass zu diesem Zeitpunkt das frühere Gebet um drei Uhr früh gewesen ist und er konnte nicht immer am Gebet teilnehmen, weil, als Familie, gingen wir noch so früh schlafen, dass er jeden Tag am Frühgebet teilnehmen kann. Aber ich sage nicht, dass er nie mehr in die Moschee gegangen ist. Er hat immer versucht beim Freitagsgebet dabei zu sein. Sogar, wenn er Zeit gehabt hat, hat er sogar am Mittagsgebet in der Moschee teilgenommen.

RI: Und das hat die anderen Menschen nicht überzeugt?

BF: Es war grundsätzlich bei uns so und in Prinzip in allen Dörfern ist es so, dass die Leute täglich fünfmal das gemeinsame Gebet in der Moschee verrichten, zumindest die Männer. Als mein Mann aus XXXX zurück war, ist es ihm nicht gelungen, aus den gesagten Gründen.

RI: Mir fehlt jetzt wirklich das Verständnis, diese Situation zu verstehen: Ihr Mann kam von XXXX zurück. Er hatte jetzt Familie, hat am Feld gearbeitet, konnte nur manchmal, aber nicht immer an den Gebeten in der Moschee teilnehmen und deswegen erschien er den anderen Dorfbewohnern als „Kaffir“ und wurde von den Taliban misshandelt? Habe ich das so richtig verstanden? Wie lange ging das so, bis die Taliban ihn misshandelt haben?

BF: Ich verstehe Sie vollkommen richtig, weil in Europa denkt man offen, nicht eng und wenn jemand hier nicht jeden Tag am Gebet teilnimmt, ist das OK, aber dort ist es anders. Falls jemand nicht regelmäßig kommt, dann taucht – von der dortigen Ansicht gesehen – logischer Weise auf, der Gedanke auf, dass diese Person „ungläubig“ ist. Außerdem, nehmen die Taliban sich diese Zeit nicht, um zu recherchieren, aus welchen Grund jemand nicht kommen kann, ohne, dass er ein „Ungläubiger“ ist und so kommt es, dass die Taliban eine Person angreifen, leider ist das so.

RI: Aber die Taliban haben sich über dreieinhalb Zeit gelassen ihn anzugreifen, das ist es, was ich nicht verstehe.

BF: Ich kann Ihre Frau [gemeint: „Frage“] so ehrlich gesagt nicht beantworten, warum die Taliban früher meinen Mann nicht angegriffen haben, aber ich bin mir sicher, dass die Dorfleute über meinem Mann den Taliban was gesagt haben, sprich: „Diese Person ist, ungläubig,“. So ist das Ganze passiert, aber warum nicht früher, dass weiß ich nicht.

RI: Gibt es irgendwelche weitere Dinge, die Sie im Falle einer Rückkehr befürchten?

BF: Oja, es gibt einen anderen Grund auch. Wie man eine Frau hier sieht, sieht man in Afghanistan eine Frau nicht so. In Afghanistan muss man als Frau den ganzen Tag nur zu Hause bleiben und praktisch einfach dort sein und das ist auch etwas, dass ich selber – ehrlich gesagt – nicht hingehen würde, wenn es nach mir ginge. Und natürlich will ich, wie diese vergangene Zeit, wie ich hier gelebt habe, auch weiter in Freiheit hier leben können.

RI: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?

BF: Nein.

RI: Waren Sie persönlich sonst in irgendeiner Weise politisch aktiv??

BF: Nein, auch nicht. Normalerweise, in Afghanistan ist es praktisch nicht möglich, für ein Mädchen oder eine junge Frau, die außer den Familienmitgliedern mit anderen überhaupt Kontakt hat, geschweige denn, dass man politisch tätig ist.

RI: Wurden Sie in Afghanistan wegen Straftaten verurteilt?

BF: Nein.

RI: Wurden Sie in Österreich oder in einem anderen Staat wegen Straftaten verurteilt?

BF: Nein.

RI (auf Deutsch, nimmt kurz die MNS-Maske ab): Erzählen Sie mir doch bitte, wie ein normaler Tag in Österreich bei Ihnen ist:

BF (auf Deutsch): Normal zwei Kinder morgen um eins zu Kindergarten und erst eins Schule. Große Kinder in die Schule und kleine in den Kindergarten.

RI: Wie verbringen Sie in Österreich normalerweise den Tag?

BF: In der Früh wache ich auf, verrichte das Frühgebet und bereite ich die Kinder vor. Z. B., mache ich für die Kinder ein kleines Frühstück. Ich nehme beide mit, eines von ihnen lasse ich vor der Schule und das andere nehme ich mit bis zum Kindergarten. Wenn ich zurück bin, kümmere ich mich um die Wohnung, um zwölf gehe ich, um die Kinder wieder zurückzubringen. Leider hat dieses Kind von mir mehrere ärztliche Termine und ich nehme ihn nachmittags zum Arzt. Wenn ich zurückkomme, helfe ich meinen ältesten Sohn, soweit ich kann, aber ehrlich gesagt, er hilft mir eigentlich, denn er weiß mehr als ich, damit meine ich die Sprache. Dann kümmere ich mich um das Abendessen. Ich lasse spätestens bis 20 Uhr Zeit, damit wir nach dem Essen ein bisschen spielen können, aber da wir in der Früh früher aufwachen oder aufwachen müssen, deshalb gehen wir auch eher früher schlafen. Alle zweieinhalb Stunden mit einer Nadel oder Spritze nehme ich von seinem Nabel etwas raus, den Harn. So haben mir das die Mediziner gesagt.

RI: Sind Sie Mitglied in Vereinen?

BF: Dafür – ehrlich gesagt – habe ich keine Zeit. Ich kümmere mich um meine Kinder, besonders um dieses Kind, aber, wenn sie einiger Maßen größer sind, dann versuche ich irgendwie Mitglied zu werden oder mich bewegen, für Leben etwas zu tun.

RI: Nehmen Sie sonst an irgendwelchen Sport- oder Kulturaktivitäten teil?

BF: Bis jetzt nicht, ganz ehrlich.

RI an BFV: Haben Sie Fragen?

BFV: Ja.

BFV an BF: Seit wann kleiden Sie sich wie heute an, ich meine ohne Kopftuch?

BF: Mindestens seit neun Monaten.

BFV: Und warum?

BF: Ich kann keinen anderen Grund nennen. Ich will mich so bekleiden.

RI merkt an, dass die BF ihre rotbraunen, schulterlangen Haare offen zu einem Pferdeschwanz gebunden trägt. Sie trägt einen rosafarbenen Rollkragenpullover, darüber einen schwarzen Trenchcoat, ein hellbrauner dünner Schal ist über ihre Schulter gelegt. Sie trägt einen Ring am Ringfinger der rechten Hand, schwarze enge Hose und kurze schwarze Stiefletten mit hohen Absätzen und beiden Ohren mehrere „Ohrpiercings“. Sie ist leicht geschminkt.

RI: Dass Sie heute so bei mir erschienen, sind Sie immer so ähnlich gekleidet in der Öffentlichkeit?

BF: Ja.

RI: Gibt es dazu irgendwelche Beweismittel, Fotos?

BFV: Sie hat keine Fotos von ihr, nur von ihren Kindern. Sie hat übrigens ein neues Handy, das alte ist verloren gegangen.

RI: Kennen Sie einen Herrn XXXX ?

BF: XXXX , als meinen Cousin ms.

RI: Welche Staatsbürgerschaft hat Ihr Ehemann?

BF: Er ist XXXX Staatsbürger.

RI: Ist Ihr Cousin älter oder jünger als Ihr Ehemann?

BF: Ich weiß es nicht genau.

RI: Sind sie ungefähr gleich alt?

BF: Ich denke schon, ungefähr. Ich glaube mein Cousin ist eher jünger.

RI: War Ihr Cousin oder Ihr Ehemann schon einmal im Gefängnis in Österreich?

BF: Nein.

RI: Haben Sie ein eigenes Bankkonto?

BF: Ja.

RI: Wer ist aller darauf verfügungsberechtigt?

BF: Nur ich kann das benutzen.

RI: Haben Sie eine Bankomatkarte?

BF: Ja.

RI: Können Sie mir die kurz zeigen?

BF sieht in ihrer Handtasche bzw. Brieftasche nach und legt diese vor.

RI: BF zeigt vor eine VP-Karte der XXXX , lautend auf ihren Namen mit einer österreichischen Kontonummer, gültig bis XXXX .

RI: Haben Sie irgendwelche Berufsvorstellungen für die Zukunft?

BF: Ich weiß, dass ist es ein bisschen aus der Luft gegriffen, aber ich würde gerne Ärztin werden.

RI: Erhalten Sie monatlich Geld von Ihrem Ehegatten?

BF: Nein. Finanziell gesehen, er ist auf seinen eigenen Beinen und ich auf meinen eigenen Beinen.

RI: Wovon leben Sie?

BF: Ja, ich bekomme Hilfe von der „Sozial“ und von der Caritas.

RI: Was macht Ihr Mann beruflich?

BF: Bis jetzt leider kann er nicht arbeiten, wegen dieser Schläge, die er damals auf seinen Kopf bekommen hat und deshalb kann er bis jetzt nicht arbeiten, aber ich hoffe sehr, dass er seine Gesundheit findet bzw. bekommt, damit er arbeiten kann.

RI: Warum ist er in XXXX ?

BF: Weil man hat ihm für XXXX Dokumente gegeben und so ist er dortgeblieben.

RI an BFV: Haben Sie noch weitere Fragen?

BFV an BF: Nach welcher Tradition oder Werte erziehen Sie Ihre Kinder, österreichische oder afghanische?

BF: Ehrlich gesagt, mit beiden Kulturen, weil ich versuche meinen Kindern islamische Werte beizubringen und gleichzeitig österreichische und europäische Werte auch.

RI: Woran kann ich das erkennen?

BF: Man kann bei meinen Kindern sehr gut merken, weil sie mögen lieben die Schule und den Kindergarten hier und somit nehmen sie österreichische Werte auch auf, aber ich versuche positive islamische Werte ihnen auch beizubringen, also beide Kulturen.

RI: Aber woran kann ich das merken?

BF: Meiner Meinung nach hat das mit der Erziehung der Mutter zu tun, weil die sind noch klein und von beiden Seiten noch nicht so viel aufgenommen haben, daher kann man es nicht erkennen.

BFV: Wenn Ihre Tochter erwachsen wird, darf sie sich für eine Jungen entscheiden oder würden Sie das arrangieren?

BF: Ich werde sie niemals unter Druck setzen, das ist ihre eigene Entscheidung, aber ich muss dazusagen, die Freiheit, die ich meiner Tochter schenke, die gleiche Freiheit schenke ich auch meinem Sohn.

BFV: Wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten, werden Sie sich wieder wie früher, mit Kopftuch und afghanischer Kleidung, anziehen?

BF: Genau das ist der Punkt, dass ich selber nicht zurückgehen würde, wenn es nach mir ginge. Weil diese lange Kleidung, fühle ich mich wie eine Gefangene drinnen.

BFV: Keine weiteren Fragen an die BF.

RI: Möchten Sie mir noch etwas sagen?

BF: Ich habe nichts mehr zu erzählen oder nichts zu sagen, außer einer Bitte, dass man diese Möglichkeit, besonders diesem Kind die Möglichkeit gibt, um hier weiterleben zu können und besonders, er weiterbehandelt werden zu können. Natürlich liebe ich die Freiheit, die ich hier genieße.

BF an BFV: Möchten Sie noch irgendwelche Beweise vorlegen oder eine Stellungnahme abgeben?

BFV: Nein, ich verweise auf das bisherige Vorbringen.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Anträge auf internationalen Schutz, der Einvernahme der BF1 durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des BFA, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person der BF und ihrem Leben in Österreich

Die BF sind afghanische Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Paschtunen an und bekennen sich zum muslimischen-sunnitischen Glauben. Die Identität der BF1 bis BF3 steht nicht fest. Soweit im Erkenntnis und Verfahren Namen und Geburtsdaten genannt werden, dient dies nur zur Individualisierung und stellt eine Verfahrensidentität dar. Die Identität der BF4 und BF5 steht fest.

Die BF1, BF2, BF4 und BF5 sind gesund; sie leiden jedenfalls an keinen schweren Erkrankungen. Der BF3 leidet an Blasenekstrophie.

Die BF1 ist verheiratet und Mutter der BF2 bis BF5, diese sind alle unmündige Minderjährige.

Die BF1 wurde in Afghanistan in der Provinz XXXX geboren und lebte nach ihrer Heirat von 2013 bis 2016 gemeinsam mit ihrem Ehemann in der Provinz XXXX .

Die BF1 reiste mit den BF2 und BF3 2016 legal und mit dem Flugzeug aus Afghanistan in den Iran aus und gelangte in weiterer Folge illegal in das Bundesgebiet ein. Die BF1 mit den BF 2 und BF3 hält sich zumindest seit dem XXXX 12.2016 durchgehend im Bundesgebiet auf; alle BF verfügen in Österreich über subsidiären Schutz bezüglich des Heimatlandes Afghanistan.

Die BF1 hat das Obsorgerecht für ihre Kinder, die BF2 bis BF5 für die sie als dessen gesetzliche Vertreterin Anträge auf internationalen Schutz im Familienverfahren gestellt hat.

Die BF ging bislang keiner Erwerbstätigkeit nach. Die BF verfügt nur über geringe Deutschkenntnisse, offiziell hat die Antragstellerin keinerlei Kurse und keine Sprachprüfung absolviert. Die BF1 erhält von ihrem Ehemann keine finanzielle Unterstützung, sie bestreitet ihren Lebensunterhalt ausschließlich von Leistungen der Grundversorgung und anderen Sozialleistungen.

Die BF hat keine selbstbestimmte westliche Lebensweise in Österreich angenommen.

Zum Entscheidungszeitpunkt erweisen sich die BF als unbescholten.

Im österreichischen Bundesgebiet verfügen die BF an Kernfamilienmitgliedern nur über sich selbst. Der Ehemann der BF1, zugleich Vater der BF2 bis BF5, lebt in XXXX .

Ihre Zeit in Österreich verbringt die BF1 vorwiegend mit Haushaltsführung, Einkäufen und Betreuung der Kinder. Der BF2 geht zur Schule, der BF3 in den Kindergarten. Allfällige soziale Kontakte der BF1 zur heimischen Bevölkerung sind im Verfahren nicht behauptet oder dargetan worden.

1.2. Zu den Fluchtgründen der BF

Die BF hat hinsichtlich ihrer Fluchtgründe keine individuelle Verfolgung behauptet, sondern auf die angegebene Verfolgung und Misshandlung ihres Ehegatten durch die Taliban verwiesen, da man ihn im Heimatort aufgrund seiner Auslandsaufenthalte und Gebetspraktiken für einen „Kafir“ also Ungläubigen gehalten habe. Dass sie auch „in Gefahr“ sei hat sie zwar behauptet aber nicht näher dargelegt. Die BF2 bis BF5 haben keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Ausdrücklich wird festgestellt, dass den BF keine Gefahr einer Verfolgung in Afghanistan droht.

Bei der BF1 handelt es sich nicht um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Sie spricht sehr wenig Deutsch und kümmert sich in Österreich primär um den Haushalt und die Kinder, was sie auch in Afghanistan getan hat. Das westlich gekleidete Auftreten vor Gericht vermochte sie weder aktuell durch Beweismittel zu untermauern, noch bot sie dazu welche an. Der Umstand, dass sie alleine den Haushalt führt und von ihrem Mann keine Alimentationszahlungen erhält, noch eingefordert hat, sondern alleine von Sozialleistungen lebt, vermag auch keine westliche Lebensweise zu untermauern.

Der Genannten droht nicht alleine wegen ihrer Zugehörigkeit zur dominierenden Volksgruppe der PASCHTUNEN oder zur sunnitischen Religion konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Ebenso wenig ist jeder Angehörige der Volksgruppe der PASCHTUNEN oder der sunnitischen Religion in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass es der BF1 und ihren Kindern, den BF2 bis BF5 unmöglich oder unzumutbar wäre, sich in das afghanische Gesellschaftssystem zu integrieren, und dass der Beschwerdeführerin auf Grund ihres Geschlechts als verheiratete Frau in Afghanistan physische und/oder psychische Gewalt droht und sie deswegen einer asylrelevanten Verfol

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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