TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/24 W233 2229128-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.11.2020
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Entscheidungsdatum

24.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs1 Z3
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9

Spruch


W233 2229126-1/11E

W233 2229128-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige von Usbekistan und 2.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige von Usbekistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2020, Zl. 1246072305/190943934 (ad 1.) und 1246072610/190944019 (ad 2.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.10.2020 zu Recht:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.


B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 16.09.2019 für sich sowie für die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei für diese keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht wurden. Im Zuge ihrer Erstbefragung gab die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Reisebewegungen an, sie sei mit ihrer Tochter, der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin, am 12.08.2019 legal unter Verwendung eines ungarischen Visums mit dem Flugzeug über Istanbul nach Budapest gereist und habe von dort aus am selben Tag ihre Reise nach Österreich fortgesetzt.

Zu ihrem Fluchtgrund gab sie im Wesentlichen an, dass sie in ihrer Arbeit mit ihrem Chef Probleme gehabt hätte. Aus Angst wolle sie nicht darüber reden.

I.2. Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 29.01.2020 wurde die Erstbeschwerdeführerin zu ihrem gemeinsamen Leben mit der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin im Herkunftsstaat sowie in Österreich, zu ihren Familienangehörigen und zu ihren Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates befragt.

Die Erstbeschwerdeführerin konkretisierte ihre Fluchtgründe wie folgt:

Ende Februar 2019 habe sie in ihrer Funktion als Inspektorin beim Zoll drei aus Kasachstan kommende Lastkraftwagen (LKWs) angehalten. Die LKWs hätten nach den Dokumenten leer sein sollen, seien jedoch voll beladen gewesen. Beim Zoll sei Korruption üblich gewesen, jedoch habe sie immer korrekt gearbeitet. Kollegen hätten ihr gesagt, sie solle sich nicht einmischen. Sie habe sich aber nicht beirren lassen und habe ein Verfahren eingeleitet. Ihre Kollegen hätten die Ware erfasst. Der Akt bzw. das Verfahren sei dann aber verloren gegangen. Es sei offensichtlich gewesen, dass jemand die Zollgebühren nicht bezahlen habe wollen. Zudem sei die Hälfte der Waren aus dem Zollager verloren gegangen. Der Verlust der Ware sei ihr angelastet worden. Ferner habe ihr der Eigentümer der Waren, ein mächtiger Mann in ihrer Stadt, gedroht und habe ihr seine Leute geschickt. In der Folge sei es zu mehreren Verfolgungshandlungen durch die Leute dieses Mannes gekommen.

I.3. Mit den Bescheiden vom 30.01.2020 wurden die Anträge beider Beschwerdeführerinnen sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Usbekistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ihnen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Usbekistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde den Beschwerdeführerinnen eine Frist von 14 Tagen für ihre freiwillige Ausreise eingeräumt.

I.4. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführerinnen im Wege ihrer Vertretung fristgerecht am 26.02.2020 vollinhaltlich Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, mangelhafter Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

I.5. Am 02.03.2020 langten die Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakte beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.6. Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts fand am 28.10.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher die Beschwerdeführerinnen zu ihrem Privat- und Familienleben in Österreich, ihren persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und ihren Flucht- und Verfolgungsgründen befragt wurden. Ferner wurde der Zeuge XXXX , geboren am XXXX , zum in Österreich bestehenden Familienleben der Beschwerdeführerinnen einvernommen. Abschließend wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Usbekistan vom 23.11.2018 in das Verfahren eingeführt und eine Frist von zwei Wochen zur schriftlichen Stellungnahme erteilt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete mit Schreiben vom 01.09.2020 auf die Teilnahme an der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

I.7. Mit Schriftsätzen vom 19.10.2020 und vom 11.11.2020 erfolgte jeweils eine Urkundenvorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen

II.1.1.1. Zur Person der Beschwerdeführerinnen:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter und gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerinnen führen jeweils den im Spruch genannten Namen. Sie sind Staatsangehörige Usbekistans, gehören der Volksgruppe der Usbeken an und bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams. Neben ihrer Erstsprache Usbekisch beherrschen beide Beschwerdeführerinnen die russische Sprache.

Den Beschwerdeführerinnen ist von der ungarischen Vertretungsbehörde in Taschkent ein Schengen-Visum der Kategorie C mit Gültigkeit von 12.08.2019 bis 11.09.2019 zum Zweck „Tourismus“ ausgestellt worden. Am 12.08.2019 sind sie legal über die Türkei und Ungarn nach Österreich gereist und halten sich seither durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf. Am 16.09.2019 hat die Erstbeschwerdeführerin für sich und die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wobei für diese keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht wurden.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde am XXXX in der Region XXXX geboren. Von 1987 bis 1997 hat sie die dort die Schule besucht. Daraufhin hat sie in XXXX Rechtswissenschaften studiert. Nach Abschluss ihres Studiums im Jahr 2003 wurde die Zweitbeschwerdeführerin am XXXX geboren. Die Erstbeschwerdeführerin verfügt in Usbekistan über Berufserfahrung aufgrund einer rund 1-jährigen Beschäftigung bei einem Notar und ist in der Folge von November 2007 bis kurz vor ihrer Ausreise im August 2019 beim usbekischen staatlichen Zollkomitee für das Gebiet von XXXX beschäftigt gewesen. Die beiden Beschwerdeführerinnen haben bis zu Ihrer Ausreise im August 2019 in der Eigentumswohnung der Erstbeschwerdeführerin gelebt, die diese vor der endgültigen Ausreise verkauft hat.

Die minderjährige Zweitbeschwerdeführer wurde am XXXX in XXXX in Usbekistan geboren und hat dort bis zu ihrer Ausreise im August 2019 neun Jahre die Schule besucht. Dementsprechend hat die Zweitbeschwerdeführerin ihre wesentliche Sozialisierung in ihrem Herkunftsstaat Usbekistan erhalten.

Die Beschwerdeführerinnen leiden an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen und sind arbeitsfähig. Zudem befinden sich beide Beschwerdeführerinnen nicht in regelmäßiger medizinischer Behandlung und gehören auch nicht zur Risikogruppe, bei welchen ein schwerer Verlauf einer Corona-Infektion zu befürchten ist.

In Usbekistan leben noch die Eltern der Erstbeschwerdeführerin bzw. die Großeltern der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerinnen pflegen regelmäßigen Kontakt zu ihnen.

II.1.1.2. Zu den Flucht- und Verfolgungsgründen sowie zur Situation im Fall der Rückkehr

Die Erstbeschwerdeführerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie im Herkunftsstaat im Zuge ihrer Tätigkeit als Inspektorin beim staatlichen Zollkomitee für das Gebiet von XXXX Ende Februar 2019 einen einflussreichen Mann daran gehindert habe, seine Ware unter Umgehung der Zollvorschriften von Kasachstan nach Usbekistan bringen zu lassen. Daher ist auch ihr weiteres Vorbringen, dass sie, da ein Teil dieser Ware aus dem Zolllager verschwunden wäre, von diesem Mann sowie dessen Gehilfen bedroht worden wäre, nicht glaubhaft. Schließlich hat die Erstbeschwerdeführerin auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihr wegen der von ihr behaupteten Vorbringen, damit gedroht worden wäre, dass ihrer Tochter etwas passieren oder sie entführt werden könnte.

Somit waren die beiden Beschwerdeführerinnen vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat keinen unmittelbaren Bedrohungen oder konkreten Gefahren ihre körperliche Unversehrtheit betreffend ausgesetzt. In Usbekistan drohen ihnen keine physischen oder psychischen Gewalthandlungen durch staatliche Behörden oder nichtstaatliche Personen.

Es kann insgesamt nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerinnen im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder zu einer sozialen Gruppe von staatlicher Seite oder von privaten Dritten verfolgt werden.

Weiters steht nicht fest, dass die Beschwerdeführerinnen im Falle der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Usbekistan in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären.

Ebenso wenig steht fest, dass die Beschwerdeführerinnen im Fall einer Rückkehr nach Usbekistan Gefahr liefen, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

II.1.1.3. Zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerinnen in Österreich

Die Erstbeschwerdeführerin hat in Usbekistan Anfang der 2000er Jahre XXXX , ihren nunmehrigen Lebensgefährten, kennengelernt. XXXX , ein usbekischer Staatsangehöriger, ist im Jahr 2002 aus Usbekistan ausgewandert, lebt seit 2003 in Österreich und verfügt über eine Rot-Weiß-Rot Karte.

Im Jahr 2015 haben sich die Erstbeschwerdeführerin und XXXX in Usbekistan wiedergetroffen, sind in Kontakt geblieben und haben bereits vor der Ausreise der Erstbeschwerdeführerin aus Usbekistan beschlossen, in Österreich ein gemeinsames Familienleben zu führen. Seit der Einreise führen sie eine Lebensgemeinschaft und haben am 02.09.2019 in Österreich nach islamischem Ritus geheiratet, wobei allerdings festgestellt wird, dass XXXX zum Entscheidungszeitpunkt mit XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige der Ukraine, verheiratet ist. XXXX hat am 25.02.2020 vor dem Bezirksgericht XXXX gegen seine Ehefrau XXXX eine Ehescheidungsklage eingebracht. Ein Urteil, dass diese Ehe geschieden bzw. aufgelöst wurde, liegt zum Entscheidungszeitpunkt nicht vor.

Nach ihrer Einreise in Österreich haben die Beschwerdeführerinnen circa für die Dauer eines Monats beim Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin gewohnt. Nach Stellung des verfahrensgegenständlichen Antrags wurden die Beschwerdeführerinnen im Rahmen der Grundversorgung in einem Quartier in XXXX untergebracht. Seit März 2020 leben sie wieder mit dem Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin in einem gemeinsamen Haushalt.

Die beiden Beschwerdeführerinnen verfügen in Hinblick auf ihre Beziehung zu XXXX , einer in Österreich aufenthaltsberechtigten Person, nicht über schützenswerte familiäre Interessen, welche einen Eingriff in ihr durch Artikel 8 EMRK geschütztes Familienleben unzulässig machen würde.

Abgesehen vom Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin verfügen die Beschwerdeführerinnen über keine weiteren familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.

Während ihres Aufenthalts im österreichischen Bundesgebiet haben sich die Beschwerdeführerinnen eine Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut sowie einen Deutschkurs besucht. Die Erstbeschwerdeführerin hat ferner eine Integrationsprüfung (Sprachniveau A1 sowie Werte- und Orientierungswissen) des ÖIF absolviert.

Ihren Lebensunterhalt bestreiten die Beschwerdeführerinnen seit ihrer Einreise in Österreich aus den Mitteln der Grundversorgung. Einer rechtmäßigen Erwerbstätigkeit sind sie während ihres bisherigen Aufenthalts in Österreich nicht nachgegangen. Die Zweitbeschwerdeführerin hat die Zusage erhalten, ab Sommersemester 2021 eine Schule besuchen zu können. Bisher hat sie in Österreich jedoch keine Schulbildung erlangt oder an einer Ausbildung teilgenommen.

Die Beschwerdeführerinnen sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Die beiden Beschwerdeführerinnen verfügen somit auch nicht über schützenswerte private Interessen, welche einen Eingriff in ihr durch Artikel 8 EMRK geschütztes Privatleben unzulässig machen würde.

II.1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

II.1.2.1. Auszüge aus dem Länderinformationsblatt Usbekistan

Sicherheitslage

Es ist in Usbekistan von einer latenten Gefährdung durch radikale Gruppen auszugehen, die in Teilen Zentralasiens operieren (GIZ 8.2018b). Radikaler politischer Islamismus scheint sich vor allem im Ferganatal zu konzentrieren (GIZ 9.2018c). Landesweit herrscht die Gefahr von Terroranschlägen durch islamistische Gruppen (BMEIA 13.11.2018). Die seit den neunziger Jahren aktive „Islamische Bewegung Usbekistans“ (IBU) ist eine der aktivsten Extremisten-Gruppen in Zentralasien. Die IBU unterstützte lange die Taliban im Nachbarland Afghanistan und war auch in Pakistan aktiv. 2015 legte sie den Treueeid auf den Islamischen Staat (IS) ab (SD 8.4.2017).

Usbekistan und Kirgisistan haben sich 2017 darauf geeinigt, einen jahrzehntelangen Grenzstreit über Enklaven im Ferganatal lösen zu wollen, welcher in vorangegangenen Jahren zu Schusswechseln und anderen Formen der Gewalt geführt hat. Insbesondere in der 350 km² großen Enklave Sokh, in der über 50.000 Usbeken leben, sind mehrfach Konflikte zwischen Grenzschutzbeamten und Einheimischen aufgeflammt. Dies führt oft zu Grenz- und Straßensperren durch kirgisische Beamte, was einen Gütermangel zur Folge hatte, der wiederum oft zu neuerlichen Aufständen und Gewalt führte. Neben dem usbekischen Sokh geht es auch um die kirgisische Enklave Barak und die usbekischen Enklaven Shohimardan, Jani-Ayil und Chon Qora/Qalacha (RFE/RL 14.12.2017). Im August 2018 haben sich beide Länder im Fall der Enklave Barak auf einen Gebietstausch gegen Ländereien im Gebiet um das usbekische Grenzdorf Birleshken geeinigt, welcher bis zu zwei Jahre dauern könnte (RFE/RL 15.8.2018).

[…]

Rechtsschutz / Justizwesen

Obwohl die Verfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, gibt es einige Fälle in denen die Justiz nicht mit völliger Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gearbeitet hat (USDOS 20.4.2018).

Alle Richter werden vom Präsidenten für eine verlängerbare Amtszeit von fünf Jahren ernannt. Die Absetzung von Richtern des Obersten Gerichtshofs muss vom Parlament bestätigt werden, welches im Allgemeinen den Wünschen des Präsidenten nachkommt (USDOS 20.4.2018). Die Rechtsanwaltskammer, eine Aufsichtsbehörde mit Pflichtmitgliedschaft, dient als Instrument der staatlichen Kontrolle über den Rechtsberuf (FH 1.2018).

Die Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren sind nach wie vor äußerst schwach. Die Strafverfolgungsbehörden haben die Verhaftung von Personen, welche des religiösen Extremismus verdächtigt werden, routinemäßig gerechtfertigt, indem sie Konterbande platzierten, zweifelhafte Anklagen wegen finanzieller Verfehlungen erhoben oder Zeugenaussagen erfanden (FH 1.2018). Obwohl laut dem usbekischen Strafgesetzbuch die Unschuldsvermutung gilt, haben sich die Empfehlungen eines Staatsanwalts im Allgemeinen durchgesetzt. Beklagte haben das Recht, an Gerichtsverfahren teilzunehmen, Zeugen zu befragen und Beweise vorzulegen. Richter lehnten Anträge der Verteidigung jedoch ab, zusätzliche Zeugen vorzuladen oder Beweise, die den Beklagten unterstützen, in die Akte aufzunehmen. Angeklagte haben das Recht auf Vertretung durch einen Anwalt. Bei Bedarf wird ein Rechtsbeistand, und wenn nötig auch ein Dolmetscher, kostenlos zur Verfügung gestellt. Glaubwürdigen Berichten zufolge handelten staatlich bestellte Verteidiger jedoch routinemäßig im Interesse der Regierung und nicht ihrer Mandanten (USDOS 20.4.2018).

Die überwiegende Mehrheit der Strafverfahren endete mit einem Schulspruch. Mitglieder der Justiz sollen Entscheidungen auf Wunsch der Exekutive, der Generalstaatsanwaltschaft oder anderer Strafverfolgungsbehörden, gefällt haben. Gerichte stützen ihre Urteile oft ausschließlich auf Geständnissen oder Zeugenaussagen, die durch Misshandlung, Bedrohung von Familienangehörigen oder anderer Formen von Gewaltanwendung gewonnen wurden. Verteidiger haben Richter gelegentlich aufgefordert Geständnisse abzulehnen und Folterbehauptungen zu untersuchen. Solche Forderungen wurden häufig aber als unbegründet abgelehnt. Foltervorwürfe wurden nicht richtig untersucht und in Gerichtsurteilen wird oft festgehalten, dass Foltervorwürfe dazu dienen würden, sich der strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen. Es gibt ein Recht auf Berufung, wobei diese selten zu einer Aufhebung der Verurteilung führt, in einigen Fällen jedoch zu einer Verringerung oder Aussetzung von Strafen (USDOS 20.4.2018).

Bürger können bei Zivilgerichten wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen durch Beamte, mit Ausnahme von Ermittlern, Staatsanwälten und Richtern, Klage erheben. Es wird berichtet, dass Bestechungsgelder für Richter Entscheidungen von Zivilgerichten beeinflussen (USDOS 20.4.2018).

Im Februar 2017 verabschiedete Usbekistan eine Handlungsstrategie für die Jahre 2017 bis 2021, die Reformen im Justizbereich vorsieht. Dazu gehören neben der Verbesserung der Verwaltungs-, Straf-, Zivil- und Handelsgerichtsbarkeit auch präventive Maßnahmen zur Bekämpfung von Kriminalität und eine verbesserte juristische Ausbildung (AA 4.2018a).

Usbekistan hat die Kompetenz zum Ausstellen von Haftbefehlen von der Staatsanwaltschaft auf die Gerichte übertragen („Habeas-Corpus-Prinzip“). Die Umsetzung dieser Maßnahme ist aber nach wie vor nicht abgeschlossen (AA 4.2018a).

[…]

Sicherheitsbehörden

Die zivilen Behörden behielten im Allgemeinen eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte bei, jedoch sind die zivilen Strukturen von den Sicherheitsdiensten durchdrungen (USDOS 20.4.2018).

Usbekistan verfügt über drei Institutionen zur Bekämpfung krimineller Aktivitäten. Für Strafverfolgung, die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Untersuchung allgemeiner Verbrechen ist die dem Innenministerium unterstellte Polizei zuständig. Die Generalstaatsanwaltschaft untersucht Gewalttaten wie Mord, außerdem Korruption und Machtmissbrauch durch Beamte. Der Nationale Sicherheitsdienst (SNB), welches über seinen Vorsitzenden direkt dem Präsidenten unterstellt ist, befasst sich mit Fragen der nationalen Sicherheit und der Spionage, welche auch die Bereiche Terrorismus, Korruption, organisierte Kriminalität, Grenzkontrolle und Drogen umfassen (USDOS 20.4.2018).

Der Nationale Sicherheitsdienst (SNB) wird für die Verhaftung und Folterung von Hunderten von Bürgern sowie Aktivisten und religiösen Persönlichkeiten verantwortlich gemacht (IWPR 4.4.2018).

Es gibt mehrere Berichte, dass die Regierung oder deren Agenten, willkürliche oder rechtswidrige Tötungen - auch durch Folter - begangen haben. Straffreiheit ist ein allgegenwärtiges Problem. Offiziell wird das Innenministerium mit der Untersuchung und Disziplinierung von Beamten beauftragt, die wegen Menschenrechtsverletzungen angeklagt sind. Es gibt keine Fälle in denen es zur Bestrafung kam. Auch das dem Parlament angegliederte Büro des Bürgerbeauftragten für Menschenrechte hat - obwohl seine Entscheidungen nicht verbindlich sind - eine Befugnis zur Untersuchung von Fällen (USDOS 20.4.2018).

Ende März verabschiedete das usbekische Oberhaus das Gesetz „Über den Staatlichen Sicherheitsdienst“ und formuliert damit erstmals seit der Unabhängigkeit des Landes einen rechtlichen Rahmen für die Arbeit des Sicherheitsdienstes. Nach dem neuen Gesetz gehört zu den Aufgaben des Sicherheitsdienstes der Schutz der Verfassung, der Souveränität und der territorialen Integrität vor äußeren wie inneren Gefahren. Er ist direkt Präsident Mirziyoyev rechenschaftspflichtig (Novastan 9.4.2018). Am 1.4.2018 hat Präsident Mirziyoyev per Dekret eine umfassende Reorganisation des Nationale Sicherheitsdienstes (SNB) eingeleitet, mit der die bisherige, umfassende Autorität des SNB, beendet wird. Einige Aufgabenbereiche, wie die Sicherung staatlicher Institutionen werden dem Innenministerium unterstellt, andere, wie der Bau und die Instandhaltung von Sicherheitseinrichtungen wurden dem Verteidigungsministerium übertragen. Der SNB wurde im Zuge dessen in Staatssicherheitsdienst (GSB) umbenannt (IWPR 4.4.2018).

Der OSZE-Projektkoordinator in Usbekistan unterstützt die usbekische Polizeiakademie bei ihrem Aus- und Weiterbildungsprogramm durch internationale Austauschbesuche und das Einbringen von internationalem Fachwissen in den Ausbildungsplan. Für Mitarbeiter der Abteilung für Menschenrechte und Rechtsschutz des Innenministeriums werden auch Kurse zur Menschenrechtslehre, den Rechten von Jugendlichen und zu Korruption organisiert (OSZE 2018).

Im Oktober 2018 fand in Taschkent eine vom OSZE-Projektkoordinator organisierte Schulung für Polizeibeamte statt. Der Fokus der Schulung lag auf der Einhaltung der nationalen und internationalen Menschenrechtsstandards im Polizeidienst, wie die Wahrung der Unschuldsvermutung, das Verbot von Folter und repressiven Praktiken und den Schutz von Würde und Achtung von Zeugen und Verdächtigen in allen Phasen des Ermittlungsprozesses (OSZE 6.11.2018). Im Mai 2018 fand der erste Teil einer Reihe von Kursen zur Erkennung und Untersuchung von Fällen von Menschenhandel statt. Die Schulung ist Teil eines langjährigen Engagements des OSZE-Projektkoordinators in Usbekistan zur Unterstützung des Landes bei der Bekämpfung des Menschenhandels (OSZE 21.5.2018).

Geschätzt 12.000 Nachbarschaftskomitees (Mahalla) dienen als Informationsquelle über potenzielle „Extremisten“. Diese Ausschüsse bieten verschiedene soziale Unterstützungsfunktionen an, fungieren aber auch als Informanten in der lokalen Gesellschaft für die Regierung und Strafverfolgung. Mahallas in ländlichen Gebieten waren in der Regel einflussreicher als in Städten (USDOS 20.4.2018).

[….]

Korruption

Korruption ist allgegenwärtig. Bestechung, wie auch Bestechung unter Beamten niedriger und mittlerer Ebene sind üblich und manchmal sogar transparent. Die mediale Diskussion über korrupte Praktiken hat sich seit Präsident Karimovs Tod vorsichtig ausgeweitet, aber in einigen Fällen sind die beteiligten Journalisten und Kommentatoren - nicht die korrupten Beamten - unter Druck geraten (FH 1.2018).

Im Dezember 2016 wurde im Parlament ein neues Gesetz zur Korruptionsbekämpfung verabschiedet, welches die strafrechtlichen Sanktionen für Korruption von Beamten verschärft. Trotz einiger Verhaftungen auf hohen Ebenen, darunter einige Richter, bleibt Korruption endemisch. Strafrechtliche Verfolgung von Beamten durch die Regierung ist weiterhin selten, selektiv, aber oft öffentlich. Beamte sind häufig ungestraft an korrupten Praktiken beteiligt (USDOS 20.4.2018). Es gab eine Reihe von Fällen, in denen untergeordnete Amtsträger verhaftet und als „Opferlämmer“ wegen angeblicher Korruption verfolgt wurden. Diese Strafverfolgung ist jedoch weder systematisch und unparteiisch, noch spiegelt sie eine entschlossene Anti-Korruptionspolitik der usbekischen Regierung und der Strafverfolgungsbehörden wider (BTI 2018).

Auf dem weltweiten Korruptionsindex wird Usbekistan 2017 im Bezug auf Korruption im öffentlichen Sektor mit 22 von 100 möglichen Punkten bewertet und liegt damit auf Rang 157 von 180 indizierten Staaten, gleichauf mit den Staaten gleichauf mit Burundi, Haiti und Zimbabwe (TI 21.2.2018).

Frauen

Gesetze und Verordnungen verbieten die Diskriminierung in Bezug auf Beschäftigung und Beruf aufgrund von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion und Sprache (USDOS 20.4.2018; vgl. BTI 2018). Chancengleichheit wird weitgehend erreicht. Frauen und Angehörige ethnischer oder religiöser Gruppen haben nahezu gleichen Zugang zu Bildung, öffentlichem Amt und Beschäftigung (BTI 2018). Frauen genießen formal gleiche politische Rechte, sind aber nicht in der Lage, sich selbstständig zu organisieren, um ihre politischen Interessen zu vertreten. Frauen sind in Führungspositionen weiterhin unterrepräsentiert (FH 1.2018).

Obwohl Frauen rechtlich den Männern gleichgestellt sind, gibt es viele Branchen, die Männern vorbehalten sind (USDOS 20.4.2018). Bestimmte Berufszweige, besonders im Gesundheits- und Bildungswesen wurden hingegen „feminisiert“ und werden geringer entlohnt (GIZ 9.2018c).

Entsprechend den ideologischen Vorgaben wird die Teilhabe von Frauen an gesellschaftlichen Organisationen, lokaler Selbstverwaltung und Volksvertretungen gefördert. Geschlechtertrennung besteht jedoch nach wie vor in bestimmten Bereichen, wie bei Festen und religiösen Riten und im ländlichen Milieu. Ein kleines Kopftuch ist auf dem Lande und in konservativeren Schichten üblich (GIZ 9.2018c).

Vergewaltigung, einschließlich der Vergewaltigung eines „nahen Verwandten“, ist gesetzlich verboten, jedoch wird Vergewaltigung in der Ehe im Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich erwähnt. Die Gerichte haben keine Vergewaltigungsverfahren verhandelt. Kulturelle Normen hinderten Frauen und ihre Familien daran, offen über Vergewaltigung zu sprechen, und die Presse berichtet selten darüber. Auch häusliche Gewalt ist nicht ausdrücklich gesetzlich verboten und stellt weiterhin ein Problem dar. Polizei und Beamte weisen Täter häuslicher Gewalt selten aus ihren Häusern weg oder inhaftiert diese. Die Behörden betonten, dass die Versöhnung zwischen Mann und Frau Vorrang gegenüber einem Vorgehen gegen den Missbrauch habe (USDOS 20.4.2018).

Es gibt von der Regierung betriebene Unterkünfte für Opfer von häuslichem Missbrauch (USDOS 20.4.2018). Es existieren auch Krisenzentren, die von NGOs betrieben werden. Die NGO „Istiqbolli avlod“ bietet in der Stadt Taschkent soziale Rehabilitationsdienste für Opfer von Menschenhandel an. Die NGO „Oydin Nur“ in der Stadt Buchara stellt soziale Rehabilitationsdienste für Frauen, die Opfer von Familienkonflikten geworden sind, bereit. Die NGO „Rakhmdillik“ in Samarkant stellt soziale Rehabilitationsdienste für Frauen aus schwierigen Lebensumständen zur Verfügung. Die Qualität der Lebensmittel und die hygienischen Bedingungen in diesen Zentren sind nicht immer optimal (UNDP 2016).

Polygamie, obwohl gesetzlich verboten, wird in einigen Teilen des Landes praktiziert und mit bis zu drei Jahren Haft und einem Bußgeld bestraft. Die betroffenen Frauen werden nicht bestraft (USDOS 20.4.2018).

Es wird berichtet, dass Regierungsärzte Frauen unter Druck setzten, Geburtenkontrolle zu akzeptieren oder medizinische Maßnahmen, wie z.B. Sterilisation, anzuwenden, um die Geburtenrate zu kontrollieren und die Säuglings- und Muttersterblichkeit zu reduzieren. Es gibt Berichte, dass Sterilisationen ohne informierte Zustimmung stattfinden, wobei unklar ist, ob diese Praxis weit verbreitet ist, und ob hohe Regierungsbeamte damit zu tun haben (USDOS 20.4.2018; vgl. GIZ 9.2018c).

[…]

Kinder

Die Staatsbürgerschaft von Usbekistan wird durch Geburt auf dem Territorium des Landes oder auch von den Eltern abgeleitet. Geburten werden in der Regel sofort registriert (USDOS 20.4.2018).

Buben und Mädchen haben gleichberechtigten Zugang zur staatlichen, subventionierten Gesundheitsversorgung. Kinder ohne offizielle Adresse, wie Straßenkinder und Kinder von Wanderarbeitern, haben jedoch keinen regelmäßigen Zugang zu staatlichen Gesundheitseinrichtungen (USDOS 20.4.2018).

Männliche Nachkommen genießen in der usbekischen Gesellschaft einen viel höheren Stellenwert als die weibliche Nachkommenschaft. Dieser ungleiche Stellenwert hat auch spätere Implikationen. Beispielsweise wird für Mädchen eine Hochschulbildung für nicht so notwendig erachtet wie für einen Buben. Zudem lastet auf jungen Frauen ein weitaus höherer gesellschaftlicher Druck jung zu heiraten (GIZ 9.2018c). Das gesetzliche Mindestalter für die Ehe beträgt 17 Jahre für Frauen und 18 Jahre für Männer, wobei die Distrikte das Alter in Ausnahmefällen um ein Jahr herabsetzen können. In einigen ländlichen Gebieten werden Mädchen bereits im Alter von 15 Jahren bei religiösen, nicht offiziell vom Staat anerkannten Zeremonien verheiratet (USDOS 20.4.2018).

Die schwierige wirtschaftliche Lage und die zunehmende Islamisierung der Gesellschaft führen zu einem Rückgang des Anteils von Mädchen bei weiterführenden Schulen (GIZ 9.2018c).

Kinder sind in der Landwirtschaft, in Familienbetrieben wie Bäckereien und Lebensmittelgeschäften, sowie als Straßenverkäufer tätig. Das gesetzliche Mindestalter für die Erwerbstätigkeit liegt bei 16 Jahren. Das Gesetz erlaubt Teilzeitarbeit ab dem Alter von 15 Jahren, wobei Kinder, mit Erlaubnis ihrer Eltern in der schulfreien Zeit maximal 24 Stunden pro Woche arbeiten. Zwischen dem 16. und dem 18. Lebensjahr sind in der schulfreien Zeit 36 Arbeitsstunden pro Woche gestattet ist und 18 Arbeitsstunden pro Woche, während der Schulzeit. Die Beschäftigung in einigen gefährlichen Bereichen ist für Kinder und Jugendliche unter dem 18 Lebensjahr verboten. Dazu zählen Arbeit unter Tage, unter Wasser, in großen Höhen, bei der manuellen Baumwollernte und bei der Ernte, wenn gefährliche Gerätschaften zum Einsatz kommen (USDOS 20.4.2018). Der - früher systematische - Einsatz von Kinderarbeit bei der Baumwollernte in Usbekistan ist in den letzten Jahren ausgelaufen und es werden unter Präsident Mirziyoyev konkrete Maßnahmen zur vollständigen Beendigung der Zwangsarbeit ergriffen (ILO 12.12.2017). Es gibt noch vereinzelte Berichte von zehnjährigen Schülern, die bei der Baumwolleernte eingesetzt werden (USDOS 20.4.2018).

Alle Formen sexueller Ausbeutung von Kindern sind gesetzlich verboten. Kinderprostitution wird mit einem Bußgeld in der Höhe des 25 bis 50-fachen Monatsgehaltes und einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht. Die Produktion von Kinderpornografie (an der Personen unter 21 Jahren beteiligt sind) wird mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet. Das Mindestalter für einvernehmliches Geschlecht beträgt 16 Jahre. Die Strafe für Vergewaltigung beträgt 15 bis 20 Jahre Haft. Gewalt gegen Kinder wird gesellschaftlich als Familienangelegenheit angesehen, sodass es zu diesem Thema wenige offizielle Informationen gibt (USDOS 20.4.2018).

[…]

Grundversorgung und Wirtschaft

Auch im 27. Jahr seiner Unabhängigkeit befindet sich Usbekistan noch im Übergang von einer sowjetisch-zentralistischen Planwirtschaft zu einem marktwirtschaftlich orientierten System. Allerdings ist es das erklärte Ziel der Regierung, Wirtschaftsliberalisierung, Privatisierungen und Strukturreformen nun endlich voranzutreiben, um das Land attraktiver für ausländische Investitionen zu machen. Im September 2017 wurde daher u.a. eine Liberalisierung des bislang sehr restriktiven Devisenbewirtschaftungssystems eingeleitet. Außerdem wurden neue Sonderwirtschaftszonen ausgerufen, Zölle und Handelsbeschränkungen abgebaut. Bereits seit Längerem gibt es Förderprogramme für kleinere und mittlere Unternehmen (AA 4.2018b).

Das BIP wuchs 2017 um ca. 5,3 Prozent. Wichtigste Wirtschaftszweige Usbekistans sind die Industrie, der Bergbau und die Landwirtschaft. Der Industriesektor ist offiziellen Angaben zufolge 2017 um 1,5 Prozent gewachsen. Hauptindustriezweige sind die Brennstoffindustrie (Gasverarbeitung), Maschinenbau, Metallverarbeitung, und Elektrotechnik (in dieser Gruppe insbesondere die Auto-Industrie mit ihrem Aushängeschild, dem Werk „GM-Uzbekistan“ im Ferganatal), die Leichtindustrie (v.a. Textil) sowie das Hüttenwesen (Metallurgie). Usbekistan ist reich an Bodenschätzen wie Gold, Kupfer, Uran, Kohle und Erdgas. Gleichwohl gehört Usbekistan zu den ärmsten Ländern der GUS. Mit einem Bruttonationaleinkommen pro Kopf von 1.520,5 USDollar - das nominelle Bruttoinlandsprodukt betrug laut offizieller usbekischer Statistik im Jahr 2017 48,8 Mrd. US-Dollar - zählt Usbekistan zu den “lower middle income“ Ländern der WeltbankKlassifikation. Größter Handelspartner Usbekistans ist China mit einem Anteil von 18,5 Prozent am gesamten Außenhandel (AA 4.2018b). Wichtigster Wirtschaftszweig ist die Landwirtschaft mit ca. 60 Prozent der Beschäftigten und einem Anteil von ca. 30 Prozent am BIP (GIZ 8.2018a).

Erhebliche Teile der Bevölkerung sind nach wie vor von Armut bedroht. Die staatlichen Gehälter und Renten sind sehr niedrig. Viele Familien würden nicht überleben, wenn sie keine Überweisungen von ihren im Ausland tätigen Verwandten erhalten würden (BTI 2018). Der Lebensstandard der Bevölkerung ist niedrig, etwa 17 Prozent der Einwohner leben unterhalb der Armutsgrenze (Brockhaus 13.11.2018).

[…]

Sozialsystem

Usbekistan hat versucht trotz des Systemwechsels ein dichtes soziales Netz aufrechtzuerhalten. Zwischen 1991 und 1994 fand eine schrittweise Umgestaltung des sozialen Sicherungssystems statt, in deren Verlauf die Ausgaben den verminderten finanziellen Möglichkeiten des Staates angepasst wurden. Seit 1995 ist der Staat bemüht, die Zielgenauigkeit der Sozialleistungen zu verbessern, d.h. allgemeine staatliche Zuwendungen aufzugeben zugunsten von Hilfen für wirklich bedürftige Gruppen. Diese Ziele wurden v.a. durch vier sozialpolitische Komponenten verfolgt (GIZ 9.2018c).

1.       Das Mahalla-System

Die usbekische Regierung schuf das Mahalla-System zur dezentralisierten Unterstützung von bedürftigen Familien. Dabei handelt es sich um lokale Selbstverwaltungsorgane, die staatliche Gelder erhalten, um diese weiter zu verteilen (GIZ 9.2018c).

2.       Unterstützung für Mütter und Kinder

Für Familien mit Kindern, die nur über ein geringes Einkommen verfügen, gibt es weitere Möglichkeiten, öffentliche Unterstützung zu erhalten, wie Einmalzahlung zur Geburt eines jeden Kindes (zweifacher Mindestlohn), Kindergeld (für unter zweijährige in 1,5facher Höhe des Mindestlohnes), Extra-Leistungen und Steuerermäßigungen für Familien mit behinderten Kindern, Unterstützungszahlungen für Kinder unter 16 Jahren (50 Prozent des Mindestlohns für das erste Kind, 100 Prozent für das zweite Kind, 140 Prozent für das dritte Kind und 170 Prozent ab dem vierten Kind) und materielle Leistungen für bedürftige Familien, z.B. Winterkleidung für Kinder (GIZ 9.2018c). Im Falle einer Mutterschaft werden 100 Prozent des Einkommens 56 Tage vor und 56 Tage nach dem Geburtstermin bezahlt. Im Fall von Komplikationen oder Mehrfachgeburten kann der Unterstützungszeitraum auf 70 Tage ausgeweitet werden. Berufstätige Mütter, die unter zwei jährige Kinder betreuen erhalten 200 Prozent des monatlichen Mindestlohns, während Mütter für die Betreuung eines Kindes zwischen zwei und drei Jahren unbezahlten Urlaub nehmen müssen. Der monatliche Mindestlohn beträgt 149.775 Soms (Stand Oktober 2016) (SSA 3.2017).

3. Das Pensionssystem

Die arbeitende Bevölkerung kommt für den Unterhalt der Pensionsbezieher auf. Anspruch auf Pension haben Alte (Männer ab 60, Frauen ab 55 Jahren), Arbeitsunfähige und Familien, die den Ernährer verloren haben (GIZ 9.2018c). Die Rente wird einkommensabhängig ausgezahlt und beträgt 55 Prozent des durchschnittlichen Monatsverdienstes von fünf aufeinander folgenden Jahren in den letzten zehn Jahren, für Versicherte mit hohem und mittlerem Einkommen. Personen mit niedrigem Einkommen, erhalten die minimale monatliche Altersrente. Unter niedrigem Einkommen versteht man ein durchschnittliches Monatseinkommen unter der monatlichen Mindestrente. Mit Stand Oktober 2016 beträgt die minimale monatliche Rente 292.940 Soms. Die Leistungen werden an die Entwicklung der Lebenserhaltungskosten angepasst (SSA 3.2017). Die Pensionen sind zwar im Verhältnis zum vorherigen Einkommen großzügig bemessen, können aber angesichts sehr niedriger Gehälter und Löhne kein Existenzminimum sichern. Derzeit arbeitet die Regierung an einer umfassenden Rentenreform, die auch Möglichkeiten der privaten Altersvorsorge miteinbeziehen soll (GIZ 9.2018c).

Es gibt auch eine Invalidenrente, die nach drei Invaliditätskategorien ausbezahlt wird: Gruppe I (Vollinvalidität, Arbeitsunfähigkeit und ständige Anwesenheit), Gruppe II (Vollinvalidität, Arbeitsunfähigkeit und nicht ständige Anwesenheit) und Gruppe III (Teilinvalidität und Arbeitsunfähigkeit). Personen in den Invaliditätsgruppen I und II erhalten bei weniger als 25 Jahren Erwerbstätigkeit bei Männern und weniger als 20 Jahren Erwerbstätigkeit bei Frauen 55 Prozent des durchschnittlichen Monatslohns eines aufeinander folgenden Fünfjahreszeitraums in den letzten zehn Jahren. Bei mehr Erwerbsjahren sind es 100 Prozent. Personen in der Invaliditätsgruppe III erhalten 30 Prozent des durchschnittlichen Monatslohns eines aufeinander folgenden Fünfjahreszeitraums in den letzten zehn Jahren. Die monatliche Mindestrente für Personen der Invaliditätsgruppen I und II beträgt 100 Prozent der monatlichen Mindestrente von 292,940 Soms, für Personen in der Invaliditätsgruppe III sind es 50 Prozent (SSA 3.2017).

4. Arbeitslosenunterstützung

Schon kurz nach der Unabhängigkeit führte die usbekische Regierung einen Beschäftigungsfond ein, der aus den Beiträgen der Arbeitnehmer in Höhe von 2,5 Prozent des Lohnes finanziert wird. Die Unterstützung, die Arbeitslose aus diesem Fonds erhalten, ist so gering, dass nur ein kleiner Teil der Arbeitslosen die Auszahlung überhaupt beantragt (GIZ 9.2018c). Um sich für Arbeitslosenunterstützung zu qualifizieren, muss die Person in den letzten zwölf Monaten mindestens zwölf Wochen gearbeitet haben oder sich zum ersten Mal als Arbeitssuchender registrieren. Weitere Voraussetzungen sind Arbeitsfähigkeit und -willigkeit, und dass kein Einkommen aus einer Beschäftigung erarbeitet wird. Die Leistung kann gekürzt, ausgesetzt oder beendet werden, wenn der Versicherte wegen eines Verstoßes gegen die Arbeitsdisziplin entlassen wurde, das Dienstverhältnis ohne wichtigen Grund beendet hat, die Bedingungen für eine Arbeitsvermittlung oder Berufsausbildung verletzt wurde oder betrügerische Ansprüche geltend gemacht hat (SSA 3.2017).

Im Falle von Krankheit gibt es finanzielle Unterstützung für Bürger Usbekistans, die in Beschäftigungsverhältnis stehen, sich in der Aus- und Weiterbildung befinden oder registrierte Arbeitslose sind. Im Krankheitsfall beläuft sich die Unterstützung auf 60 Prozent des letzten Monatsgehalts bei weniger als acht Jahren ununterbrochener Beschäftigung und 80 Prozent bei über acht Jahren Beschäftigung (SSA 3.2017).

Der Anteil der Sozialausgaben am öffentlichen Haushalt ist im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten konstant geblieben. Berücksichtigt man allerdings das gesunkene BIP, ergibt sich absolut betrachtet eine Abnahme der öffentlichen Sozialleistungen. Der Staat fühlt sich also nach wie vor zur sozialen Fürsorge verpflichtet, kann der weitverbreiteten Bedürftigkeit aber aufgrund beschränkter Mittel und zu wenig zielgerichteter Verteilung nicht nachkommen. Die Zahlen zu unter- und fehlernährten Kindern sprechen hier eine deutliche Sprache (GIZ 9.2018c).

[…]

Medizinische Versorgung

Die Gesundheitsversorgung ist unterfinanziert. Das in der Sowjetunion relativ leistungsfähige, stark zentralisierte und subventionierte Gesundheitswesen ist kaum noch in der Lage eine ausreichende flächendeckende Gesundheitsversorgung aufrechtzuerhalten. Armutsbezogene Krankheiten, wie Tuberkulose, aber auch HIV/AIDS sind auf dem Vormarsch. Einige unabhängige Experten schlagen Alarm und weisen auf katastrophale Zustände im Gesundheitssystem des Landes hin (GIZ 9.2018c).

Das staatliche Gesundheitssystem besteht aus drei hierarchischen Ebenen: der nationalen (republikanischen) Ebene, der Viloyat- (regionalen) Ebene und der lokalen Ebene, die sich aus ländlichen Tumanen (Bezirken) oder Städten zusammensetzt. Daneben existiert ein relativ kleiner Privatsektor (BDA 22.9.2017).

Die Verfassung garantiert usbekischen Bürgern freien Zugang zur Gesundheitsversorgung. Öffentliche Primärgesundheitszentren gewährleisten eine flächendeckende Versorgung mit staatlich garantierter Heil- und Vorsorgepflege. Das von der Regierung garantierte Grundleistungspaket umfasst die Grundversorgung, die Notfallversorgung, die Versorgung unter sozial schwierigen und gefährlichen Bedingungen (insbesondere bei schweren, übertragbaren Krankheiten sowie bei einigen nicht übertragbaren Krankheiten, wie schlechte psychische Gesundheit und Krebs) sowie die spezielle (sekundäre und tertiäre) Versorgung von Bevölkerungsgruppen, die von der Regierung als gefährdet eingestuft werden. Medikamente, die während der stationären Versorgung verabreicht werden, sind im Basisleistungspaket enthalten und werden kostenlos abgegeben. Ambulant verschriebene Medikamente sind nur für von der Regierung deklarierte Bevölkerungsgruppen, wie Veteranen des Zweiten Weltkriegs, HIV/AIDSPatienten, Patienten mit Diabetes oder Krebs, sowie bei Hilfsorganisationen registrierte, alleinstehende Rentner, kostenlos (BDA 22.9.2017).

Da das vom Staat bereitgestellte Budget nicht ausreicht, um alle Kosten zu decken, wird erwartet, dass Patienten informelle Zahlungen in Form von Geschenken oder Bestechungsgeldern leisten. In sekundären und tertiären Pflegeeinrichtungen wird zunehmend auch der Ansatz von formellen Zahlungen gefördert (BDA 22.9.2017).

Aufgrund finanzieller Probleme ist der Standard des staatlichen Gesundheitswesens, besonders in den ländlichen Regionen, stark beeinträchtigt. 2014 kamen durchschnittlich auf 1.000 Einwohner 2,7 Ärzte und 4,4 Krankenhausbetten. (Brockhaus 13.11.2018).
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Bewegungsfreiheit

Die Verfassung garantiert Bewegungsfreiheit im In- und Ausland, jedoch wird diese in der Praxis eingeschränkt (USDOS 20.4.2018). Für den Umzug in eine neue Stadt ist eine Genehmigung erforderlich und häufig werden Bestechungsgelder gezahlt, um erforderliche Dokumente zu erhalten (FH 1.2018). Für den Umzug nach Taschkent ist beispielsweise eine behördliche Aufenthaltsgenehmigung oder der Erwerb einer Immobilie notwendig. Nicht registrierte Personen in Taschkent erhalten keine städtischen Dienstleistungen, können nicht legal arbeiten, ihre Kinder nicht zur Schule schicken und erhalten keine routinemäßige medizinische Versorgung (USDOS 20.4.2018).

Bürger Usbekistans sind verpflichtet für Reisen außerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) Ausreisevisa zu beantragen (USDOS 20.4.2018; vgl FH 1.2018). Generell gewährt die Regierung Bürgern und Ausländern mit Daueraufenthaltsberechtigung die erforderlichen Ausreisevisa, um außerhalb der GUS zu reisen oder um auszuwandern. Ein Visum kann jedoch auch verweigert werden, wobei die Bestimmungen dafür schlecht definiert sind und Bescheide nicht angefochten werden können. Der Verstoß gegen die Ein- und Ausreisebestimmungen wird mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis zehn Jahren bedroht (USDOS 20.4.2018). Präsident Mirziyoyev kündigte an, dass die Ausreisevisa bis Jänner 2019 abgeschafft werden sollen (FH 1.2018; vgl. AI 22.2.2018; HRW 18.1.2018).

Dennoch wurde die Reisefreiheit von neu entlassenen Häftlingen, welche aus politischen Gründen verurteilt worden waren eingeschränkt und einige ehemalige Häftlinge wurden daran gehindert, für eine dringende medizinische Behandlung ins Ausland zu reisen (AI 22.2.2018).

[…]

Rückkehr

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) ist in Usbekistan mit dem Assisted Voluntary Return and Reintegration Programm (AVRR) zur unterstützten freiwilligen Rückkehr und Reintegration aktiv. In den Jahren 2016 und 2017 haben jeweils weniger als 100 usbekische Staatsbürger Leistungen im Rahmen des AVRR-Programms in Anspruch genommen (IOM 2017; vgl IOM 2018).

Bis Ende 2014 gab es keine konkreten Beweise für Verhaftungen oder Verurteilungen von nach Usbekistan zurückgekehrten Asylbewerbern, ohne politischen oder religiösen Hintergrund. Im Dezember 2014 wurden sechs ehemalige Asylbewerber, die aus Norwegen nach Usbekistan zurückkehrten, wegen verfassungsfeindlicher Aktivitäten zu zwölf und 13 Jahren Haft verurteilt. Seit der Amtsübernahme von Präsident Mirziyoyev im Dezember 2016 wurden einige Veränderungen zum Besseren beobachtet (Landinfo 18.4.2018). Präsident Mirziyoyev hat sich auch an die große usbekische Diaspora gewandt und sie aufgefordert, zurückzukehren und die wirtschaftliche Liberalisierung des Landes zu unterstützen (Euromoney 4.10.2018).

Im Jahr 2015 kehrten 300.000 bis 350.000 Arbeitsmigranten aus Russland nach Usbekistan zurück. Da die Behörden wegen der Massenrückkehr von Bürgern, die keine Arbeit finden konnten ernste soziale Spannungen befürchteten, wurde einerseits ein Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen genehmigt, andererseits das Überwachungssystem für zurückkehrende Bürger verstärkt. Insbesondere die Mahalla-Kommitees berichteten über die Bürger. Dieses Klima hat dafür gesorgt, dass viele Arbeitsmigranten wieder nach Russland zurückkehrten (Regnum 14.8.2017).

Die usbekischen Behörden versuchen Arbeitsplätze für zurückkehrende Migranten zu schaffen.

Der stellvertretende Minister für Arbeit und Sozialschutz, Furkat Khalilov, erinnerte in einem Interview mit der RIA Novosti daran, dass 2015 für Wanderarbeiter, die in ihre Heimat zurückkehren wollten 409.500 Arbeitsplätze geschaffen wurden. Ein spezielles Regierungsprogramm liefert in sieben Regionen des Landes Arbeitsplätze für zurückkehrende Migranten. Gleichzeitig erhalten sie Unterstützung von der Regierung und Kleinkredite von Geschäftsbanken (Stan Radar 3.2.2017).

Der prominente usbekische Menschenrechtsaktivist und Kritiker des verstorbenen Präsidenten Islam Karimow ist am 26.9.2018, nach mehr als einem Jahrzehnt im Exil in Frankreich, nach Usbekistan zurückgekehrt. Beamte der usbekischen Botschaft in Paris haben ihn Mitte August kontaktierten, um ihm mitzuteilen, dass er mit einem Jahresvisum nach Usbekistan zurückkehren kann. Ihm wurde 2014 die usbekische Staatsbürgerschaft aberkannt (RFE/RL 27.9.2018).

Die Behörden haben weiterhin Rückführungen usbekischer Staatsangehöriger, welche als Bedrohung für die „verfassungsmäßige Ordnung“ oder die nationale Sicherheit angesehen werden, erzwungen. Einerseits durch Auslieferungsverfahren, andererseits durch Entführungen durch NSS Offiziere. Die Entführten oder anderweitig zurückgeholten Personen werden in Isolationshaft genommen, gefoltert oder anderweitig misshandelt, um Geständnisse oder die Belastung anderer zu erzwingen. In vielen Fällen drängten die Sicherheitskräfte die Angehörigen dazu, keine Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen zu suchen oder Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen einzureichen (AI 22.2.2018).

[…]

II.1.2.2. Zur Situation aufgrund der Covid-19-Pandemie

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Mit Stichtag vom 10.11.2020 werden von der World Health Organization (WHO) in Usbekistan 68.788 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei im Fall von 585 der infizierten Personen der Todesfall bestätigt worden ist. Ebenso zeigt eine von der „Johns Hopkins University“ veröffentlichte Statistik, dass mit Stichtag 10.11.2020 in Usbekistan 69.027 bestätigte COVID-19 Erkrankungen gezählt werden bzw. 588 Todesfälle in diesem Zusammenhang zu beklagen sind.


II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Zur Person der Beschwerdeführerinnen

Die Identität der Beschwerdeführerinnen, ihre Staatsangehörigkeit, ihre Volksgruppen- und Glaubenszugehörigkeit und ihre Sprachkenntnisse werden aufgrund ihrer Angaben getroffen, die in Bezug auf ihre Identität durch die in Kopie in ihren Akten einliegenden Reisedokumenten (usbekische Reisepässe) gestützt werden.

Die Feststellungen über ihre Einreise nach Österreich mit einem von Ungarn ausgestellten Schengen-Visum und das Datum ihrer Antragstellung ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Schulbildung, den Lebensumständen der Beschwerdeführerinnen im Herkunftsstaat sowie dem bestehenden Kontakt zu ihren Angehörigen in Usbekistan werden aufgrund ihrer eigenen Angaben getroffen, an denen das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel hegt. Ebenso gründen sich die Feststellungen zur universitären Ausbildung und zur Berufserfahrung der Erstbeschwerdeführerin auf ihre dahingehend konsistenten Angaben im gesamten Verfahren.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerinnen stützt sich auf ihre Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 28.10.2020. Hinsichtlich des Verweises der Erstbeschwerdeführerin in der Beschwerde, wonach sie unter Angstzuständen sowie einer Depression gelitten und Probleme mit der Schilddrüse sowie mit dem Herzen gehabt habe, ist festzuhalten, dass sie im gegenständlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht dargetan hat, auch aktuell an diesen Beschwerden zu leiden, führte sie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 28.10.2020 doch lediglich an, aufgrund der nervlichen Anspannung Magenprobleme zu haben, sich jedoch – ebenso wie die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin - aktuell nicht in ärztlicher Behandlung zu befinden. Insgesamt war daher festzustellen, dass die Beschwerdeführerinnen an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen leiden. Ebenso wenig haben sich im Verfahren Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerinnen ergeben.

II.2.2. Zu den Flucht- und Verfolgungsgründen

Die Erstbeschwerdeführerin gab für sich und die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin als Fluchtgrund zusammengefasst an, dass sie Ende Februar 2019 im Rahmen ihrer Tätigkeit als Inspektorin beim Zoll im Grenzgebiet zu Kasachstan drei LKWs angehalten habe. Nach den Dokumenten hätten diese LKWs leer sein sollen, dennoch seien sie voll beladen gewesen. Die Erstbeschwerdeführerin habe daraufhin ein Verfahren eingeleitet und ihren Kollegen angeordnet, die Ware zu erfassen. In der Folge sei nicht nur der Akt betreffend das Strafverfahren, sondern auch die Hälfte der Ware verschwunden. Daraufhin habe der Eigentümer der Ware seine Leute zur Erstbeschwerdeführerin geschickt, um sie zu bedrohen und sei es zu mehreren Verfolgungshandlungen gekommen.

Vorwegzunehmen ist, dass das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, wonach sie im Herkunftsstaat als Inspektorin beim staatlichen Zollkomitee für das Gebiet von XXXX tätig gewesen sei, als glaubhaft erachtet wird, zumal sie ihre diesbezüglichen Angaben durch die Vorlage ihres Dienstausweises bescheinigte. Ihr Fluchtvorbringen wird jedoch aufgrund des persönlichen Eindrucks, den sich der erkennende Richter im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung verschaffen konnte, als nicht glaubwürdig beurteilt und kann daher den Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden.

Zunächst ergibt sich ein Widerspruch aus einem Vergleich der Angaben der Erstbeschwerdeführerin in ihrer Erstbefragung und ihrem Vorbringen im weiteren Verfahren. Während sie vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes angab, sie habe in ihrer Arbeit Probleme mit ihrem Chef gehabt (Erstbefragung 16.09.2019, AS 22), so führte sie im weiteren Verfahren an, sie sei vom Eigentümer der Waren bedroht worden (Einvernahme 29.01.2020, AS 89). Auf Vorhalt dieses Widerspruchs gab sie an, der Dolmetscher habe das nicht richtig gesagt. Sie habe ihn zwar darauf hingewiesen, aber er habe ihr gesagt, dass sie noch eine große Einvernahme habe und es dort genauer sagen könne (Einvernahme 29.01.2020, AS 101). Dieses Vorbringen ist jedoch als Schutzbehauptung zu werten, da die Erstbeschwerdeführerin nachweislich nach Rückübersetzung mit ihrer Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben bestätigte und ihr überdies auch aufgrund der im Rahmen der Einvernahme nachweislich vorgenommenen Belehrung sowie aufgrund ihrer Ausbildung als Juristin die Konsequenzen einer fehlerhaften Protokollierung ihrer Angaben bewusst sein mussten.

Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zufolge, hegt dieser zwar Bedenken gegen eine unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl hat der Verwaltungsgerichtshof aber betont, dass es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. etwa VwGH 16.01.2020, Ra 2019/20/0606 mwN), und insbesondere dann nicht, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung auf zusätzlich für sich tragende Erwägungen stützt (vgl. etwa VwGH 25.06.2019, Ra 2018/19/0546 mwN), was - wie sogleich dargestellt - der Fall ist.

Denn auch die Angaben der Erstbeschwerdeführerin zum Ablauf der von ihr behaupteten Zollkontrolle Ende Februar 2019 beschränken sich auf eine vage Beschreibung der von ihr damals behaupteten Vorfälle. So berichtet die Erstbeschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung, davon, dass sich dieser Vorfall nachts ereignet hätte, da so große LKWs meistens in der Nacht fahren würden. Die kontrollierten LKWs wären mit Ersatzteilen für Computer udgl. als auch mit Brillanten beladen gewesen. Sie selbst hätte die LKWs nicht persönlich geöffnet, das hätten die Rangniederen gemacht. Als man die LKWs geöffnet hätte, hätte sie die Ware gesehen, die dann aber verschwunden wäre. Da diese Waren sehr viel wert gewesen wären und sie dem Besitzer der Ware somit Probleme gemacht hätte, wäre sie bedroht worden. Angaben dazu, wie die Zollkontrolle der LKWs im Detail abgelaufen sein soll, blieb die Erstbeschwerdeführerin allerdings schuldig. Aufgefordert diesen Vorfall genau zu schildern, berichtete die Erstbeschwerdeführerin, dass alle denken würden, dass man in Usbekistan wie in Österreich arbeiten würde. Dort gäbe es aber eigene interne Regeln. Es wäre so, dass die Leute nicht viel Zoll für Ware zahlen wollen. Deswegen würden Vereinbarung getroffen, so dass möglichst wenig Zoll bezahlt werde. Dann würden die Zollbeamten die Augen schließen und die Ware gehe durch (vgl. Verhandlung 28.10.2020, S. 10 und 12). Diese insgesamt vage und mit pauschalen Korruptionsvorwürfen ausgestaltete Schilderung einer Zollkontrolle, aufgrund welcher sie in Folge vom Besitzer dieser Ware bedroht worden wäre, ist weder genügend substantiiert, noch kohärent und plausibel. Dass im österreichischen Asylrecht lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt wird, tut dies keinen Abbruch, denn von der Erstbeschwerdeführerin als ehemals Angehörige einer Zollverwaltung ist zu erwarten, dass sie den Ablauf einer Zollkontrolle detailliert schildern kann.

Ebenso sind die Angaben der Erstbeschwerdeführerin zur Person des Eigentümers der Waren, welcher die gegen sie gerichteten Verfolgungshandlungen veranlasst habe, sind nicht nachvollziehbar. Vor dem Bundesamt erklärte sie lediglich, sein Name sei XXXX und er sei bei ihnen in der Stadt ein „mächtiger Mann“ (Einvernahme 29.01.2020, AS 89). In der Beschwerdeverhandlung nannte die Erstbeschwerdeführerin keinen Namen, sondern brachte vielmehr vor, sie wisse nicht genau, wer dieser Mann sei, man habe ihr aber zu verstehen gegeben, dass er sehr wichtig sei. Abweichend davon führte sie auf Nachfrage an, bei dem Eigentümer der Waren handle es sich um den Bürgermeister der Stadt, welcher viele Fabriken und Unternehmen habe (Verhandlung 28.10.2020, S. 13). Auch ihre in diesem Zusammenhang geäußerte Anmerkung, dass man ihr zwar gesagt habe, dass es seine Ware gewesen sei, sie jedoch nicht sicher sei, ist nicht nachvollziehbar, nannte sie doch vor dem Bundesamt explizit den Namen des Mannes ohne in irgendeiner Form Zweifel daran zu äußern, dass diese Person tatsächlich der Eigentümer der Ware sei.

Auch die Schilderung der Reaktionen ihrer Arbeitskollegen auf ihre Forderung, die Kontrolle der LKWs durchzuführen, erweist sich als vage. So führte sie sowohl vor dem Bundesamt als auch vor dem erkennenden Gericht im Wesentlichen an, ihre Kollegen hätten ihr abgeraten ein Verfahren einzuleiten, wovon sie sich aber nicht beirren lassen habe. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung brachte siedarüber hinaus erstmals vor, sie gehe davon aus, ihre Kollegen hätten bereits im Vorhinein eine Vereinbarung getroffen, dass die entsprechenden LKW’s nicht kontrolliert würden. Sie hätten gewusst, welche Ware es sei und hätten daher die Kontrolle verweigert (Verhandlung 28.10.2020, S. 10). Eine nähere Erklärung, aufgrund welcher Umstände sie zu dieser Annahme gelangt sei, blieb sie jedoch schuldig.

Befragt, ob sie sich aufgrund der Vorfälle an ihre Vorgesetzten gewandt habe, behauptete die Erstbeschwerdeführerin vor dem erkennenden Gericht pauschal, diese seien selbst involviert gewesen. Im Zuge der weiteren Befragung war sie jedoch nicht in der Lage konkret darzulegen, aufgrund welcher Hinweise sie zu diesem Schluss gekommen sei, sie führte lediglich aus, der Leiter habe ihr gesagt, dass sie das selbst zu verantworten habe bzw. selbst zur Verantwortung gezogen werde. Ergänzend merkte sie an, es sei sehr leicht, jemanden in den Hinterhalt zu locken und zur Verantwortung zu bringen (Verhandlung 28.10.2020, S. 12). Auch dieses Vorbringen stellt sich für den erkennenden Richter als insgesamt vage und mit pauschalen Vorwürfen ausgestattet dar und ist weder genügend substantiiert, noch kohärent oder plausibel.

Ferner konnte die Erstbeschwerdeführerin die zeitliche Abfolge der Ereignisse nicht konsistent wiedergeben. Vor dem Bundesamt gab sie zunächst an, es sei Ende Februar 2019 zur Kontrolle der LKWs, zur Inspizierung der Ware sowie zur Aufnahme eines Protokolls gekommen. Dann habe der Eigentümer der Waren begonnen, ihr zu drohen, indem er ihr seine Leute geschickt habe. An das Datum könne sie sich nicht erinnern. Ein paar Tage später sei auch der Akt für das Gericht weggewesen (Einvernahme 29.01.2020, AS 89). Im Zuge der weiteren Einvernahme gab sie demgegenüber an, der Akt sei bereits drei Tage nach Unterfertigung des Protokolls verschwunden. Daraufhin habe sie auch erfahren, dass die Hälfte der Waren verschwunden sei (Einvernahme 29.01.2020, AS 93). Als sie ihr Kollege über das Verschwinden der Waren informiert habe, habe er ihr auch gesagt, dass sie gesucht werde. Das Gespräch sei Anfang März 2019 gewesen. Erst danach sei ihr erstmalig von einem Unbekannten gedroht worden, dass sie für die fehlenden Waren bezahlen werde (Einvernahme 29.01.2020, AS 94f.).

Ferner war die Erstbeschwerdeführerin nicht in der Lage, die eigentlichen Verfolgu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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