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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Oktober 1995, Zl. 109.894/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, stellte, nachdem ihr am 13. September 1993 bei der österreichischen Botschaft in Ankara gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 3. März 1994 abgewiesen worden war, im Wege der österreichischen Botschaft in Bratislava einen mit 4. September 1994 datierten und am 13. September 1994 beim Magistrat der Stadt Wien eingelangten neuerlichen Antrag. Dieser Antrag wurde durch den Ehegatten der Beschwerdeführerin eingebracht. Als Aufenthaltszweck gab die Beschwerdeführerin Familienzusammenführung mit ihrem Ehemann an.
Mit Bescheid vom 24. September 1994 wurde auch dieser Antrag vom Landeshauptmann von Wien abgewiesen, diesmal mit der Begründung, daß der Antrag entgegen § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) nicht vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt worden sei.
Die dagegen erhobene Berufung wies der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 23. Oktober 1995, zugestellt am 8. November 1995, gemäß § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) ab. Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin sei nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage mit einem Touristensichtvermerk eingereist und habe ihren damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wollen. Unbeschadet des Vorbringens der Beschwerdeführerin sei bei der Beurteilung ihres Antrages alleine maßgeblich, daß § 5 Abs. 1 AufG zwingend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle. Im Hinblick auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, B 338/93 und B 445/93, erübrige sich das Eingehen auf eventuelle private und familiäre Interessen, da das Vorliegen des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Grundrecht darstelle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Sie habe am 13. September 1994 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt, welcher von der Erstbehörde mit der Begründung abgewiesen worden sei, daß sie noch keinen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung hätte. Dies sei unrichtig, da sie bereits seit dem Jahr 1993 verheiratet sei. Ihrer dagegen erhobenen Berufung sei mit der Begründung nicht Folge gegeben worden, daß ein Sichtvermerksversagungsgrund vorliege, weil ihre Aufenthaltsbewilligung nicht zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen dürfe. Die belangte Behörde übersehe dabei jedoch, daß sie ihren Antrag zur Erteilung der Aufenthaltsbewilligung fünf Tage nach Ablauf der Gültigkeit ihres Touristensichtvermerks im Ausland gestellt habe, weshalb ihre Aufenthaltsbewilligung zeitlich nicht an den Touristensichtvermerk anschließen könne. Die ratio legis dieser Regelung sei zu verhindern, daß Personen mit Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet einreisen, hier einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung stellen und das Bundesgebiet somit nicht mehr verlassen. Eine andere Möglichkeit, welche durch die in Rede stehende Bestimmung unterbunden werden solle, sei jene, daß im Anschluß an das Touristenvisum ein Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung im Ausland gestellt wird und der Antragsteller anschließend wieder in das Bundesgebiet einreist. Die fremdenpolizeilichen Regelungen zielten darauf ab, daß ein Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung vor dem der genehmigten Einreise folgenden Aufenthalt im Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt werden muß. Da sich die Beschwerdeführerin seit ihrer Antragstellung im Ausland befinde, habe sie sich gesetzeskonform verhalten. Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG habe sie einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung, weil ihr Ehemann bereits seit fünf Jahren in Österreich aufhältig sei und sie nunmehr seit mehr als zwei Jahren mit ihm verheiratet sei. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG hätte hier sowohl die Erst- als auch die Zweitbehörde die Möglichkeit zur Stellungnahme über ihren Stand des Ermittlungsverfahrens geben müssen. Da dies nicht erfolgt sei, sei das Verfahren mangelhaft geblieben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.
§ 3 Abs. 1 und 2 sowie § 5 Abs. 1 AufG lauten in der Fassung dieser Novelle (auszugsweise):
"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
1.
von österreichischen Staatsbürgern oder
2.
von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
...
(2) Die Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs. 1 für Ehegatten setzt voraus, daß die Ehe zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits mindestens ein halbes Jahr besteht.
...
§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."
§ 10 Abs. 1 Z. 6 FrG lautet:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"
Im Verwaltungsverfahren blieb unbestritten, daß die Beschwerdeführerin am 13. August 1993 ihre Ehe geschlossen hatte und ihr Ehemann über einen Wiedereinreisesichtvermerk vom 26. April 1993, gültig bis 25. Februar 1996, verfügte. Ebenso unbestritten blieb, daß der Ehemann der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits seit mehr als zwei Jahren seinen Hauptwohnsitz in Österreich hatte. Der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG könnte demnach - vom Fall des § 9 Abs. 3 AufG abgesehen - nur das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG entgegenstehen.
Anders als die Behörde erster Instanz, die den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen hatte, stützte sich die belangte Behörde auf den Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG. Da die in § 6 AufG verankerte Pflicht der Antragstellerin, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund vorliegt, nicht so weit reicht, auch das Nichtvorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes im Sinne des § 10 Abs. 1 FrG darzutun, durfte die belangte Behörde den § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nur nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens heranziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1997, Zlen. 95/19/1311, 1312). Die Pflicht zur Einräumung von Parteiengehör bestand allerdings nicht hinsichtlich solcher Angaben, die die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren selbst gemacht hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zl. 85/18/0219).
Die Behörde erster Instanz bezog sich in ihrem Bescheid ausdrücklich darauf, daß sich die Beschwerdeführerin bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung, die durch ihren Ehemann erfolgte, im Inland aufhielt. Dieser Bescheidfeststellung trat die Beschwerdeführerin in ihrer von ihrem Ehemann eingebrachten Berufung nicht entgegen. Die Berufung (vgl. Seite 58 des Verwaltungsaktes) führt - wenn auch in gebrochenem Deutsch - ausdrücklich aus, daß die Beschwerdeführerin bei ihrem Ehemann - somit in Österreich - bleiben und ihr Kind in Österreich zur Welt bringen solle.
Im Hinblick auf diese Angaben hatte die Behörde hinreichende Indizien für ihre Annahme, daß sich die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides weiterhin in Österreich aufhielt. Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, daß sich die Beschwerdeführerin seit ihrer Antragstellung im Ausland befinde, so ist diesem Vorbringen entgegenzuhalten, das anläßlich der Zustellung des angefochtenen Bescheides auf dem Rückschein eine Übernahme des Schriftstückes durch den Empfänger, das ist die Beschwerdeführerin, beurkundet ist (vgl. den nach Seite 63 des Verwaltungsaktes erliegenden Rückschein). Das Beschwerdevorbringen, das konkrete Ausführungen, weshalb die erwähnte Beurkundung der Übernahme des angefochtenen Bescheides unrichtig sein sollte, nicht enthält, ist demnach nicht geeignet, einen Verfahrensfehler darzutun, bei dessen Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können.
War die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides aber in Österreich, so war der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG verwirklicht. Da § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG das Nichtvorliegen eines Ausschließungsgrundes voraussetzt, bestand auch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dieser Bestimmung.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm Art. I der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191719.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
05.08.2010