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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des Tir TourismusG 1991 betreffend die Ausübung des Stimmrechtes bei Beschlußfassung in der Vollversammlung des Tourismusverbandes infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges durch Anfechtung der aufgrund der beschlossenen Promillesatzerhöhung erfolgten BeitragsvorschreibungSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG gestützten Antrag begehren die Antragsteller, §9 Abs3 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 25. Februar 1991 über die Wiederverlautbarung des Tiroler Tourismusgesetzes, LGBl. für Tirol 24/1991 - die Novellen LGBl. für Tirol 71/1992 und 111/1994 betreffen die bekämpfte Regelung nicht, sodaß sie hier außer Betracht zu bleiben haben - (im folgenden: TourismusG 1991), als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Gemäß §1 Abs1 TourismusG 1991 bilden die Unternehmer iS des §2 Abs1 leg.cit. einer Gemeinde einen Tourismusverband. Gemäß §4 Abs1 leg.cit. obliegen den Tourismusverbänden die Wahrung, Förderung und Vertretung der örtlichen Belange des Tourismus unter Bedachtnahme auf seine sozialen, kulturellen, ethischen und ökologischen Auswirkungen. Gemäß §30 Abs1 TourismusG 1991 haben die Pflichtmitglieder (§2 Abs1 leg.cit.) für jedes Haushaltsjahr des Tourismusverbandes an diesen Pflichtbeiträge nach Maßgabe der im Bemessungszeitraum unmittelbar oder mittelbar aus dem Tourismus erzielten Umsätze zu entrichten; die freiwilligen Mitglieder (§2 Abs4 leg.cit.) haben für jeden Vorschreibungszeitraum an den Tourismusverband den Mindestbeitrag gemäß §35 Abs4 leg.cit. zu entrichten (§30 Abs2 TourismusG 1991). Gemäß §35 Abs1 TourismusG 1991 ist der Beitrag des einzelnen Pflichtmitgliedes für den Vorschreibungszeitraum nach einem Promillesatz der Grundzahl zu berechnen. Die Beschlußfassung über die Höhe des Promillesatzes obliegt gemäß §11 litc leg.cit. der Vollversammlung des Tourismusverbandes, welche gemäß §8 Abs1 leg.cit. aus sämtlichen Mitgliedern des Tourismusverbandes besteht. §9 TourismusG 1991 regelt die Ausübung des Stimmrechtes in der Vollversammlung. Diese Bestimmung lautet (der angefochtene Abs3 ist hervorgehoben):
"§9
Ausübung des Stimmrechtes
(1) Eigenberechtigte natürliche Personen haben ihr Stimmrecht persönlich oder durch schriftlich Bevollmächtigte auszuüben. Eine Vollmacht darf nur Ehegatten, Verwandten und Verschwägerten bis zum zweiten Grad oder berufsmäßigen Parteienvertretern erteilt werden.
(2) Juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes und eingetragene Erwerbsgesellschaften haben ihr Stimmrecht durch vertretungsbefugte Organe auszuüben. Sind mehrere Personen vertretungsbefugt, so ist ein gemeinsamer Bevollmächtigter zu bestellen. Personengemeinschaften, die nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig sind, haben ihr Stimmrecht durch einen schriftlich Bevollmächtigten auszuüben.
(3) Ein Bevollmächtigter darf nur ein Mitglied vertreten."
3. Zur Antragslegitimation führen die Antragsteller aus, §9 Abs3 TourismusG 1991 greife ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides unmittelbar und aktuell in ihre Rechtssphäre ein. Der Erstantragsteller - er ist Rechtsanwalt und wie der Zweitantragsteller Mitglied des Tourismusverbandes Lienzer Dolomiten - habe in der außerordentlichen Vollversammlung des genannten Tourismusverbandes am 22. Juli 1993, auf dessen Tagesordnung u.a. die Beschlußfassung über Finanzierung und Promillesatzerhöhung ab 1. Jänner 1994 gestanden sei, lediglich einen der Mandanten, die ihm Vollmacht erteilt hätten, vertreten können, nicht aber den Zweitantragsteller. Umgekehrt habe sich der Zweitantragsteller vom Erstantragsteller nicht vertreten lassen können. Eine anderweitige Möglichkeit, Abhilfe zu schaffen - etwa im Wege der Erwirkung eines Bescheides - bestehe nicht. Der einzig denkbare Weg sei allenfalls, gegen die nächstfolgende, aufgrund der beschlossenen Promillesatzerhöhung ab 1. Jänner 1994 erfolgte Beitragsvorschreibung Berufung zu erheben und den Instanzenzug auszuschöpfen. Der sodann allenfalls offenstehende Weg zum Verfassungsgerichtshof sei aber deshalb nicht zielführend, "da in einem derartigen Verfahren die gerügte Verfassungswidrigkeit nicht geltend gemacht werden" könne, "weil in der außerordentlichen Vollversammlung vom 22.7.1993 die Promillesatzerhöhung ab 1.1.1994 mit ausreichender Mehrheit beschlossen" worden sei. "Die denkbare Argumentation, daß also die Promillesatzerhöhung unter Anwendung einer verfassungswidrigen Bestimmung, nämlich des Ausschlusses der vom Erstbeschwerdeführer vorgelegten Vollmachten, zustandegekommen sei, könnte aufgrund mangelnder Mehrheit nicht durchschlagen", heißt es zur Antragslegitimation abschließend.
Ihre Bedenken legen die Antragsteller in der Folge im einzelnen dar.
4. Die Tiroler Landesregierung verneint in ihrer auf Einladung des Verfassungsgerichtshofes abgegebenen Äußerung die Zulässigkeit des Individualantrages, da den Antragstellern ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrigkeit des §9 Abs3 TourismusG 1991 zur Verfügung stehe. Zur Zeit seien nämlich sowohl der Erstantragsteller als auch der Zweitantragsteller Parteien von bei der Berufungskommission nach §38 Abs2 TourismusG 1991 anhängigen Rechtsmittelverfahren, in denen die Rechtmäßigkeit der vom Amt der Tiroler Landesregierung für das Vorschreibungsjahr 1995 erlassenen Beitragsbescheide bekämpft werde. Bemerkenswert sei, daß die Antragsteller in ihren Berufungen gegen die Beitragsbescheide ausschließlich verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht hätten. Es sei den Antragstellern also ohne weiteres zumutbar, den Verwaltungsrechtsweg auszuschöpfen und gegen die letztinstanzlichen Bescheide Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben, in der die gegen die Gesetzmäßigkeit der Promillesatzverordnung des Tourismusverbandes Lienzer Dolomiten bzw. gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung stehenden Bestimmung sprechenden Gründe vorgetragen werden könnten. Der Verfassungsgerichtshof habe nämlich in seinem Erkenntnis VfSlg. 13463/1993 zum Burgenländischen Tourismusgesetz 1992 ausgesprochen, daß die Antragsteller in einem Abgabenverfahren die Verfassungswidrigkeit aller sie berührenden Bestimmungen behaupten und letztlich an den Verfassungsgerichtshof herantragen könnten, weil diese Bestimmungen präjudiziell wären. Durch die Beschreitung des Verwaltungsrechtsweges wären für die Antragsteller auch keine unzumutbaren Rechtsfolgen verbunden.
Das Vorbringen der Antragsteller, die Möglichkeit der Anfechtung der Bescheide über die Vorschreibung von Pflichtbeiträgen beim Verfassungsgerichtshof sei nicht zielführend, da in einem derartigen Verfahren die gerügte Verfassungswidrigkeit nicht geltend gemacht werden könne, "weil in der außerordentlichen Vollversammlung vom 22. Juli 1993 die Promillesatzerhöhung ab 1. Jänner 1994 mit ausreichender Mehrheit beschlossen" worden sei, geht nach Auffassung der Tiroler Landesregierung ins Leere. "Dies deshalb, weil der für das Jahr 1995 maßgebliche Promillesatz in der Vollversammlung des Tourismusverbandes 'Lienzer Dolomiten' am 1. Dezember 1994 ... beschlossen worden ist und der Erstantragsteller bei dieser Sitzung gar nicht anwesend war."
In der Sache selbst führt die Tiroler Landesregierung näher aus, weshalb ihrer Auffassung nach §9 Abs3 TourismusG 1991 nicht verfassungswidrig sei.
II. Der Antrag ist nicht zulässig.
1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).
2. Im vorliegenden Fall stand ein solcher zumutbarer Weg zur Verfügung:
2.1. Wie die Antragsteller selbst ausführen, stand es ihnen frei, gegen die Beitragsvorschreibung für das Jahr 1994, bei welcher die in der außerordentlichen Vollversammlung vom 22. Juli 1993 beschlossene Promillesatzerhöhung ab 1. Jänner 1994 zum Tragen kam, nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu erheben und auf diesem Wege die behauptete Verfassungswidrigkeit des §9 Abs3 TourismusG 1991 an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. (Gleiches gilt dem Grunde nach auch für die Beitragsvorschreibung für das Jahr 1995, mag auch - wie die Tiroler Landesregierung in ihrer Äußerung ausführt - für das Jahr 1995 ein neuer Promillesatz beschlossen worden sein.)
2.2. In diesem Beschwerdeverfahren wäre §9 Abs3 TourismusG 1991 präjudiziell iS des Art140 Abs1 B-VG:
Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 5811/1968 zum Tiroler Fremdenverkehrsgesetz, LGBl. für Tirol 8/1963, ausgeführt hat, hat der Gerichtshof zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beitragsvorschreibung auch den mit Beschluß der Vollversammlung festgesetzten, als Verordnung zu qualifizierenden (s. VfSlg. 5813/1968, 12010/1989) Promillesatz anzuwenden. §9 Abs3 TourismusG 1991 regelt die Ausübung des Stimmrechtes bei Beschlußfassung in der Vollversammlung des Tourismusverbandes. Wie der Verfassungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis weiter ausführte, wäre im Falle der Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung auch die Festsetzung des Promillesatzes in verfassungswidriger Weise erfolgt. §9 Abs3 TourismusG 1991 bildet daher im Verfahren über eine gegen die Beitragsvorschreibung erhobene Bescheidbeschwerde eine Voraussetzung für das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und wäre sohin präjudiziell iS des Art140 Abs1 B-VG (s. zur Präjudizialität von bei Verordnungserlassung anzuwendenden verfahrens- und organisationsrechtlichen Bestimmungen im gegebenen Zusammenhang insbesondere VfSlg. 12843/1991; weiters VfSlg. 8917/1980, 11506/1987; vgl. aber auch VfSlg. 12871/1991).
Dabei ist es entgegen dem Vorbringen der Antragsteller (und wohl auch entgegen der Auffassung der Tiroler Landesregierung) unerheblich, ob die Anwendung der behauptetermaßen verfassungswidrigen Bestimmung aufgrund der im konkreten Fall in der Vollversammlung des Tourismusverbandes gegebenen Mehrheitsverhältnisse auf die Beschlußfassung von Einfluß war oder nicht: Wie der Verfassungsgerichtshof nämlich in seinem Erkenntnis VfSlg. 12677/1991 ausgeführt hat, ist für die Präjudizialität ausschließlich maßgebend, ob eine generelle Norm von der Behörde bzw. dem Verfassungsgerichtshof im Zuge des verfassungsgerichtlichen Verfahrens anzuwenden ist. Nicht aber kommt es auf mögliche Auswirkungen einer allfälligen Rechtswidrigkeit der Norm an, zumal nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine präjudizielle Bestimmung vom Verfassungsgerichtshof in jeder Hinsicht (losgelöst von den Aspekten des Anlaßfalles) auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen ist (VfSlg. 9901/1983, 12416/1990, 13015/1992).
3. Der Antrag, §9 Abs3 TourismusG 1991 als verfassungswidrig aufzuheben, erweist sich somit als unzulässig.
Der Antrag war daher zurückzuweisen.
III. Dies konnte gemäß §19
Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Fremdenverkehr, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:G37.1995Dokumentnummer
JFT_10049075_95G00037_00