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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §3 Abs1 Z2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/0315Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerden
1.) des mj. IP in W, sowie 2.) des mj. FP in W, beide vertreten durch den Vater JP, dieser vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 5. September 1994, Zlen. 101.182/4-III/11/94 (betreffend den Erstbeschwerdeführer) sowie Zl. 101.182/3-III/11/94 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer) zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von je S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen, gleichlautenden Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 5. September 1994 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß den §§ 2 Abs. 1 und 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in der Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde jeweils aus, gemäß § 9 Abs. 3 AufG sei die Erteilung weiterer Bewilligungen ausgeschlossen, wenn die im § 2 Abs. 1 AufG und der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien anhängige Anträge, die sich nicht auf den im § 3 AufG verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen festgesetzt. Diese sei nunmehr erreicht. Aus dem Gesamtvorbringen der Beschwerdeführer habe ein Rechtsanspruch für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht abgeleitet werden können.
Gegen diese Bescheide richten sich die nach ihrer Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerden mit dem Begehren, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "nach den Bestimmungen des AuslBG und FrG verletzt, wenn die positiven Voraussetzungen für die Antragstattgebung gegeben sind."
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung der angefochtenen Bescheide am 15. September 1994 hatte die belangte Behörde die Rechtslage vor Inkrafttreten der AufG-Novelle BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden.
Gemäß § 9 Abs. 3 AufG in dieser Fassung durften, sobald die gemäß § 2 Abs. 1 AufG und der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht war, keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über anhängige Anträge gemäß § 3 war auf das folgende Jahr zu verschieben; andere anhängige Anträge waren abzuweisen.
In den Beschwerden bleibt unbestritten, daß die maßgebliche Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen "nunmehr", also im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde, erreicht gewesen ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in den vorliegenden Beschwerdeverfahren keinen Anlaß, gegen diese Feststellung Bedenken zu hegen.
1. Zur Beschwerde des Erstbeschwerdeführers:
Der Erstbeschwerdeführer stützt seine Beschwerde ausschließlich darauf, daß bei ihm ein Fall des § 3 Abs. 3 "FrG" (gemeint wohl: Aufenthaltsgesetz) vorliege und ihm deshalb eine Bewilligung erteilt hätte werden müssen.
§ 3 AufG in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung vor der Novelle 1995 lautete:
"(1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
1.
von österreichischen Staatsbürgern oder
2.
von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren
ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben, ist eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
(2) .....
(3) Die Fristen des Abs. 1 Z. 2 und des Abs. 2 können verkürzt werden, wenn der Ehegatte bzw. die Kinder im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und auf Dauer ihr Lebensunterhalt und ihre Unterkünfte ausreichend gesichert sind. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen und unter denselben Voraussetzungen kann, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten ist, eine Bewilligung auch volljährigen Kindern und Eltern der in Abs. 1 genannten Personen erteilt werden, wenn sie von diesen wirtschaftlich abhängig sind."
Der Erstbeschwerdeführer bringt vor, es sei aktenkundig, daß er mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt lebe.
Die Behörde 1. Instanz hat implizit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 AufG verneint. Der Erstbeschwerdeführer ist diesem Umstand in seiner Berufung - sachverhaltsbezogen hinsichtlich des auf eine Bewilligung gegründeten Aufenthaltes eines Elternteiles seit mehr als zwei Jahren - nicht entgegengetreten. Aus dem Akt ist nur zu entnehmen, daß der Großvater des Beschwerdeführers einen unbefristeten Wiedereinreise-Sichtvermerk vom 29. Jänner 1993 sowie einen Befreiungsschein besitzt. Unter "minderjährigen Kindern von Fremden" im Sinn des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG sind aber Enkelkinder nicht zu verstehen; diese Bestimmung kennt kein von den Großeltern abgeleitetes Aufenthaltsrecht (vgl. hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, 95/19/1399). Für diese Auslegung spricht auch, daß sich § 3 auf "eheliche und außereheliche" Kinder bezieht, womit nur die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, nicht aber zwischen Großeltern und Enkelkindern gemeint sein können. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher nicht erkennen, daß der Erstbeschwerdeführer in den Anwendungsbereich des § 3 AufG fällt. Es kann der belangten Behörde daher auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie § 3 leg. cit. auf den Erstbeschwerdeführer nicht anwandte.
Das Beschwerdevorbringen erweist sich somit als nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2. Zur Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers:
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt der Zweitbeschwerdeführer vor, auf Grund seines Alters müsse sich der Mittelpunkt seiner Lebensführung bei dem Elternteil befinden, welcher "seine geistigen und körperlichen Bedürfnisse" zu erfüllen in der Lage sei. Dies sei der leibliche Vater des Beschwerdeführers. Bereits auf Grund dieser "biologisch gegebenen Notwendigkeit" könne er sich nicht der Ansicht anschließen, daß für die sachliche Erledigung dieses Falles zulässige Höchstzahlen als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen seien. Weiters sei aktenkundig, daß der Bescheid der belangten Behörde am 5. September 1994 erlassen worden sei. In der Begründung dieses Bescheides werde auf die Erschöpfung der Höchstzahl für 1994 hingewiesen. Der negative Bescheid der Behörde erster Instanz sei am 7. Februar 1994 erlassen worden; daraus folge, daß "auf Grund der Verordnung" bereits bei Verordnungserlassung diese Höchstzahl zumindest erreicht, wenn nicht sogar bereits überschritten gewesen sei. Dies bedeute weiters, daß Sinn und Zweck dieser Verordnung jedoch bereits vor Verordnungserlassung und Kundmachung "erfüllt und erschöpft" gewesen sei. Die Republik Österreich habe "daher rechtlich ein Einreiseverbot zur Tatsache erhoben." Diese Absicht könne und wolle der Beschwerdeführer dem Aufenthaltsgesetz und Fremdengesetz nicht unterstellen.
Zu diesen Ausführungen ist zu bemerken, daß Gegenstand der Überprüfung des Verwaltungsgerichtshofes nicht der am 22. Februar 1994 erlassene erstinstanzliche Bescheid, sondern der am 15. September 1994 erlassene Bescheid der belangten Behörde ist. Abgesehen davon übersieht der Zweitbeschwerdeführer, daß die Behörde erster Instanz in ihrer Bescheidbegründung keineswegs vom Erreichen der Höchstzahl der Verordnung für das Jahr 1994 ausging, sondern gemäß § 4 Abs. 1 AufG in einer auf Ermessensübung gestützten Entscheidung den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abwies. Die Erschöpfung der Höchstzahl für 1994 als Bescheidbegründung findet sich erstmals im Bescheid der belangten Behörde.
Wenn der Zweitbeschwerdeführer auf die Notwendigkeit der Lebensführung mit seinen Eltern verweist und den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen - zumindest indirekt - der Vorwurf der mangelnden Berücksichtigung wesentlicher persönlicher und familiärer Interessen entnommen werden kann, ist auf § 3 AufG hinzuweisen, der eine Sonderregelung bezüglich der Erteilung von Bewilligungen zum Zweck der Familienzusammenführung vorsieht. Damit hat der Gesetzgeber bei der Schaffung der in Rede stehenden Bestimmung bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechte des Fremden auf Achtung seines Privat- und Familienlebens Bedacht genommen. Diese Bestimmung ist aber aus den gleichen Gründen, die zur Beschwerde des Erstbeschwerdeführers dargelegt wurden, auch auf den Zweitbeschwerdeführer nicht anzuwenden. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere.
Die Beschwerde rügt schließlich als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in den Bescheiden sei festgestellt worden, daß der Zweitbeschwerdeführer im Bundesgebiet geboren worden und diesen Personen eine bevorzugte Behandlung zu gewähren sei. Gleichzeitig sei jedoch hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers festgestellt worden, daß die Höchstzahl nunmehr erreicht sei, wobei für den Beschwerdeführer als im Bundesgebiet geborene Person die zusätzliche Höchstzahl von 4.200 maßgebend sei.
Dieses Vorbringen widerspricht der Aktenlage und stellt darüberhinaus eine gemäß § 41 VwGG unzulässige Neuerung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dar. Schon im Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung wurde als Geburtsort des Zweitbeschwerdeführers der Ort G in der sozialistischen Republik Bosnien und Herzegowina angegeben; diese Angabe wurde durch einen Auszug aus dem Geburtenbuch belegt. In keinem der Bescheide wird die vom Zweitbeschwerdeführer behauptete Feststellung getroffen. Der Zweitbeschwerdeführer als nicht im Bundesgebiet geborene Person konnte daher die zusätzliche Quote von 4.200 Bewilligungen für in Österreich geborene Kinder nicht ansprechen.
Auch die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996190314.X00Im RIS seit
07.06.2001