TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/13 96/19/0003

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Veröffentlicht am 13.06.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. November 1995, Zl. 111.370/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Kroatiens, stellte am 5. Juli 1994 bei der österreichischen Botschaft in Preßburg den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz durch Ankreuzen der Variante "Erstantrag" zum Zwecke der Familienzusammenführung/ Familiengemeinschaft mit ihrem Vater bzw. zu "privaten" Zwecken. Die Antragsfrage nach ihrem Wohnsitz im Zeitpunkt der Antragstellung beantwortete die Beschwerdeführerin mit "Jugoslawien".

Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 1. September 1994 gemäß § 1 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG "mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus" gemäß § 6 Abs. 2 AufG ab. Die erstinstanzliche Behörde führte begründend aus, daß der Antrag "offenbar von einer dritten Person von Bratislava aus der österreichischen Botschaft in Preßburg übermittelt worden sei, wobei das Kuvert in genau der gleichen Weise wie bei einer Mehrzahl von Anträgen ausgefüllt" worden sei. Auch im Akt scheine lediglich ein Wohnsitz in Wien auf. Mit dieser Vorgangsweise werde das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung "vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus" nicht erfüllt, zumal auch keinerlei Grund zur Annahme bestehe, daß sich die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden habe.

In der dagegen eingebrachten Berufung gab die Beschwerdeführerin im Rubrum eine Adresse in Kroatien an und brachte vor, daß sich der angefochtene Bescheid "lediglich auf Vermutungen, die keinen Beweischarakter" hätten, stütze. Die erstinstanzliche Behörde habe weder nachgewiesen, daß die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufhältig gewesen sei, noch habe sie den Versuch unternommen, zu beweisen bzw. zu erforschen, ob sie sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden habe oder ob sie den Antrag im Ausland gestellt habe. Im übrigen wäre auch eine Antragstellung durch eine dritte Person - was jedoch tatsachenwidrig angenommen worden sei - "legitim".

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. November 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes - FrG abgewiesen. Begründend heißt es in dem angefochtenen Bescheid: "Sie sind sichtvermerksfrei eingereist und wollte ihren damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern. Sie sind seit 18. August 1994 in Wien aufrecht gemeldet". Die belangte Behörde führte weiters aus, § 5 Abs. 1 AufG schließe zwingend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle. Ein Eingehen auf eventuelle private und familiäre Interessen erübrige sich, da das Vorliegen des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Grundrecht darstelle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend gemacht werden, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legt die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Die belangte Behörde hat erstmals den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG herangezogen. Ändert die Behörde gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund, so ist sie verpflichtet, dies dem Beschwerdeführer vorzuhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1985, Zl. 84/07/0221). Diese Verfahrensvorschrift hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall mißachtet.

Die Beschwerdeführerin, die schon in ihrem Bewilligungsantrag als Wohnsitz "Jugoslawien" und in ihrer Berufung eine Anschrift im Ausland angab, rügt daher zu Recht, daß ihr keine Möglichkeit gegeben worden sei, Beweismittel darüber vorzulegen bzw. beizubringen, daß sie sich nicht im Inland aufhalte und somit nicht versucht habe, einen sozusagen touristischen Aufenthalt mittels Antrages auf Aufenthaltsbewilligung zu verlängern.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin in tauglicher Weise die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels auf.

Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei einer Auseinandersetzung mit dem wiedergegebenen Vorbringen der Beschwerdeführerin zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichteshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996190003.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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