TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/30 W215 1434047-4

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Veröffentlicht am 30.11.2020
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Entscheidungsdatum

30.11.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch


1) W215 1434046-4/13E

2) W215 1434047-4/8E

3) W215 1434048-4/8E

4) W215 2007928-4/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerden von XXXX , alle Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2019, Zahlen 1) 623043110-180904362,
2) 623060209-180904451, 3) 623060307-180904435 und 4) 1002949104-180904346, nach Durchführung einer Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. der Bescheide werden gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, und § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG, § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, abgewiesen.

II. Die Beschwerden gegen den ersten Satz der Spruchpunkte III. der Bescheide werden gemäß § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, abgewiesen.

III. Den Beschwerden gegen den zweiten und dritten Satz der Spruchpunkte III. sowie die Spruchpunkten IV. bis VI. der Bescheide wird stattgegeben und die Erlassung von Rückkehrentscheidungen in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß
§ 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2018 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, auf Dauer für unzulässig erklärt. XXXX wird jeweils gemäß
§ 55 Abs. 1 Z 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, iVm mit § 55 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz,
BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin (P1) ist die Mutter der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer (P2 bis P4).

1. erste Asylverfahren

1. P1 reiste mit P2, P3 und ihrem damaligen Ehegatten (zugleich Vater von P2, P3 sowie später auch P4) illegal in das Bundesgebiet ein und alle stellten am 23.02.2013 die ersten Anträge auf internationalen Schutz.

Mit Bescheiden vom 07.03.2013 wies das Bundesasylamt diese Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG ab und wies P1 bis P3 sowie den Ehegatten von P1 gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus. Dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 26.06.2013, Zahlen 1) D9 434046-1/2013/2E, 2) D9 434047-1/2013/2E, 3) D9 434048-1/2013/2E sowie des Ehegatten von P1 D9 434045-1/2013/2E, gemäß
§ 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Z 1 und § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführer kamen ihren Ausreiseverpflichtungen aber nicht nach und blieben illegal im Bundesgebiet.

2. Während des illegalen Aufenthaltes von P1 bis P3 sowie des Ehegatten von P1 im Bundesgebiet wurde P4 geboren und für ihn am XXXX dessen erster Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen wurde. P4 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und § 55 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen P4 eine Rückkehrentscheidung gemäß
§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 FPG erlassen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.08.2014, Zahl W196 2007928-1/6E, wurde eine fristgerecht dagegen eingebrachte Beschwerde gemäß § 3 Abs 1, § 8 Abs 1, § 10 Abs 1 Z 3, § 55, § 57 AsylG, § 9 BFA-VG und § 52, § 55 FPG als unbegründet abgewiesen und eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Danach kamen P1 bis P4 und der Ehegatte von P1 ihren Ausreiseverpflichtungen jahrelang nicht nach und blieben illegal im Bundesgebiet.

Mit Urteil des XXXX , wurde P1 aus dem Alleinverschulden ihres Ehegatten von diesem geschieden.

2. weitere Verfahren

Am 09.04.2015 und 19.08.2015 wurden für P1 bis P4 Anträge auf Ausstellung von „Aufenthaltsberechtigungen besonderer Schutz“ gemäß § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG gestellt.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2015, Zahlen
1) 623043110-150355154, 2) 623060209-151123162, 3) 623060307-151123146 und
4) 1002949104-151123197, wurden diese gemäß § 57 AsylG abgewiesen. Gemäß
§ 10 Abs. 3 AsylG, 9 BFA-VG und § 52 Abs. 3 FPG wurden Rückkehrentscheidungen erlassen und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Abschiebungen von P1 bis P4 in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sind. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen festgelegt.

Nach dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerden wurde mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.06.2016, Zahlen 1) W189 1434046-2/13E,
2) W189 1434047-2/9E, 3) W189 1434048-2/9E und 4) W189 2007928-2/8E, nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung, den Beschwerden stattgegeben und P1 bis P4 jeweils der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß
§ 57 Abs. 1 Z 3 AsylG für die Dauer von 12 Monaten erteilt. Revisionen gegen die Erkenntnisse wurden gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Am 01.06.2017 brachte P1 für sich und P2 bis P4 Verlängerungsanträge „Besonderer Schutz“ gemäß § 59 AsylG beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

Mit Parteiengehör des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.07.2017 wurde P1 aufgefordert für sich sowie P2 bis P4 Dokumente oder Unterlagen vorzulegen und zwölf Fragen schriftlich zu beantworten.

Am 21.08.2017 langte neben Kopien von Unterlagen auch ein Schreiben von P1 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein, in welchem die Fragen beantwortete.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.10.2017, Zahlen 1) 623043110-150355154, 2) 623060209-151123162 und 3) 623060307-151123146 und 4) 1002949104-151123197, wurden in Spruchpunkt I. die Anträge auf Erteilung von „Aufenthaltsberechtigungen besonderer Schutz“ – Verlängerungsantrag vom 01.06.2017 gemäß § 57 AsylG iVm § 59 AsylG abgewiesen und gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen P1 bis P4 Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen. In Spruchpunkt II. wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG [in die] Russische Föderation zulässig ist. In Spruchpunkt III. wurde gemäß
§ 55 Abs. 1 bis 3 FPG ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Gegen diese Bescheide fristgerecht erhobene Beschwerden wurden mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.11.2017, Zahlen 1) W215 1434046-3/3E,
2) W215 1434047-3/3E, 3) W215 1434048-3/3E und 4) W215 2007928-3/3E, insofern stattgegeben, als die Bescheide behoben und die Angelegenheit jeweils gemäß
§ 28 Abs. 3 VwGVG, zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wurden. Revisionen wurden gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, für nicht zulässig erklärt.

Gegen diese Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl außerordentliche Amtsrevisionen an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Der Ex-Ehegatte von P1 bzw. Vater von P2 bis P4 wurde am XXXX in die Russische Föderation abgeschoben.

3. gegenständliche zweite (Folge-)Asylverfahren

P1 stellt für sich und P2 bis P4 am 24.09.2018 die zweiten Anträge auf internationalen Schutz und noch am selben Tag erfolgte die Erstbefragung von P1, in der diese zusammengefasst angab seit ihrer illegalen Einreise im Jahr 2013 nur ein paar Wochen illegal in die Schweiz gereist, aber nicht mehr in die Russische Föderation zurückgekehrt, zu sein. P1 befürchte im Fall ihrer Rückkehr in die Russische Föderation ihre Kinder zu verlieren. Ihr Ex-Ehegatte und Vater der Kinder sei wieder in der Heimat und P1 habe Angst vor ihm. Diese neuen Asylgründe kenne P1 bereits seit zwei Monaten. P2 bis P4 hätten keine eigenen Asylgründe.

P1 wurde am 06.09.2019 niederschriftlich befragt und gab im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zusammengefasst an, dass sie von ihrem Ex-Ehegatten und Vater von P2 bis P4 bis XXXX immer wieder vergewaltigt worden sei. Ab XXXX sei P1 von Ihrem Ehegatten nicht mehr vergewaltigt worden, obwohl P1 mit diesem noch bis XXXX in Österreich im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Die Ehe wurden mit Urteil des XXXX , aus dem Alleinverschulden des Ehegatten geschieden und dieser am XXXX in die Russische Föderation abgeschoben. P1 sei im Juni 2018 von ihrem Ex-Ehegatten angerufen und bedroht worden. Ende 2018 sei P1 ein weiters Mal von ihm angerufen worden; danach habe sie sich danach eine neue Handynummer zugelegt und sei nicht mehr vom Ex-Ehegatten kontaktiert worden.

Am 15.10.2019 wurde P1 ein weiteres Mal niederschriftlich befragt und ihr zu einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Auftrag gegebenen Rechercheergebnis im Herkunftsstaat bezüglich der Aufenthaltsortes ihres Ex-Ehegatten Parteiengehör gewährt.

Die zweiten Anträge auf internationalen Schutz wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2019, Zahlen 1) 623043110-180904362,
2) 623060209-180904451, 3) 623060307-180904435 und 4) 1002949104-180904346, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkte I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkte II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkte III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß
§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation gemäß
§ 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkte V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß
§ 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen festgesetzt (Spruchpunkte VI.).

Gegen diese Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, zugestellt am 22.10.2019, erhob P1 für sich und P2 bis P4 fristgerecht am 14.11.2019 die gegenständlichen Beschwerden. Darin werden zusammengefasst Auszüge aus dem bisherigen Vorbringen wiederholt und beantragt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben; allenfalls zur Ergänzung der Verfahren an die 1. Instanz zurückzuverweisen, den Beschwerdeführern Asyl zu gewähren; allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren; allenfalls Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen; festzustellen, dass die Abschiebung in die Russische Föderation unzulässig ist; keine Rückkehrentscheidungen zu treffen, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

Die Beschwerdevorlagen vom 02.12.2019 langte am 05.12.2019 im Bundesverwaltungsgericht ein.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 27.04.2020 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt, welche aber wegen COVID-19 („lock down“) zunächst nicht bzw. erst am 17.07.2020 stattfinden konnte. Es erschienen P1 und ihr Vertreter. Ein Rechtsberater war nicht erschienen und wurde, entsprechend wiederholt nachgefragt, ausdrücklich auf dessen Anwesenheit in der Verhandlung verzichtet. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Alle Anwesenden verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine zweiwöchige Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.

Am 29.07.2020 langten schriftliche Stellungnahmen von P1 im Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:

1. Feststellungen:

a) Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer:

Die Identität von P1 steht fest, die Identitäten von P2 bis P4 nicht. Alle Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russische Föderation, gehören der Volksgruppe der Tschetschenen an und sind moslemischem Glaubens.

b) Zu den bisherigen Verfahren der Beschwerdeführer in Österreich:

P1 bis P3 reisten problemlos legal mit ihren russischen Auslandsreispässen aus dem Herkunftsstaat aus, zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und P1 und ihr Ehegatten stellten für sich und P2 sowie P3 am 23.02.2013 die ersten Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 07.03.2013 wurden die ersten Anträge auf internationalen Schutz von P1 bis P3 vom 23.02.2013 gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs.1 AsylG abgewiesen und die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 26.06.2013, Zahlen
1) D9 434046-1/2013/2E, 2) D9 434047-1/2013/2E und 3) D9 434048-1/2013/2E, gemäß
§ 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Z 1 und § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG als unbegründet abgewiesen. Im Verfahren des Ehegatten von P1 bzw. Vaters von P2 und P3 wurde zeit- und inhaltsgleich entschieden.

Der Ehegatten von P1 sowie P1 bis P3 kamen danach ihren Ausreiseverpflichtungen nicht nach und blieben illegal im Bundesgebiet. Nach der - während des illegalen Aufenthaltes - erfolgten Geburt von P4 wurde für ihn am XXXX dessen erster Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der mit erstinstanzlichem Bescheid gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen wurde. P4 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß
§ 57 und § 55 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen P4 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 FPG erlassen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.08.2014, Zahl W196 2007928-1/6E, wurde eine fristgerecht dagegen eingebrachte Beschwerde gemäß § 3 Abs 1, § 8 Abs 1, § 10 Abs 1 Z 3,
§ 55, § 57 AsylG, § 9 BFA-VG und § 52, § 55 FPG als unbegründet abgewiesen sowie einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Auch danach weigerten sich P1 bis P4 weiterhin beharrlich ihren Ausreiseverpflichtungen nachzukommen und blieben illegal im Bundesgebiet. Mit Urteil des XXXX , wurde P1 aus dem Alleinverschulden des Ehegatten von diesem geschieden.

P1 stellte am 09.04.2015 sowie am 19.08.2015 für sich und P2 bis P4 Anträge auf Ausstellung von „Aufenthaltsberechtigungen besonderer Schutz“ gemäß § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2015, Zahlen
1) 623043110-150355154, 2) 623060209-151123162, 3) 623060307-151123146 und
4) 1002949104-151123197, wurden diese Anträge gemäß § 57 AsylG abgewiesen. Gemäß
§ 10 Abs. 3 AsylG, 9 BFA-VG und § 52 Abs. 3 FPG wurden Rückkehrentscheidungen erlassen und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung von P1 bis P4 in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Nach dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerden wurde mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.06.2016, Zahlen 1) W189 1434046-2/13E,
2) W189 1434047-2/9E, 3) W189 1434048-2/9E und 4) W189 2007928-2/8E, nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung, den Beschwerden stattgegeben und P1 bis P4 jeweils der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß
§ 57 Abs. 1 Z 3 AsylG für die Dauer von 12 Monaten erteilt. Revisionen gegen diese Erkenntnisse wurden gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Am 01.06.2017 brachte P1 für sich und P2 bis P4 Verlängerungsanträge „Besonderer Schutz“ gemäß § 59 AsylG beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein, die mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.10.2017, Zahlen 1) 623043110-150355154, 2) 623060209-151123162 und 3) 623060307-151123146 und 4) 1002949104-151123197, wurden in Spruchpunkt I. die Anträge auf Erteilung von „Aufenthaltsberechtigungen besonderer Schutz“ – Verlängerungsantrag vom 01.06.2017 gemäß § 57 AsylG iVm § 59 AsylG abgewiesen und gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen P1 bis P4 Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen. In Spruchpunkt II. wurde gemäß
§ 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG [in die] Russische Föderation zulässig ist. In Spruchpunkt III. wurde gemäß
§ 55 Abs. 1 bis 3 FPG ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass P1 keinen Kontakt zu ihrem Ex-Ehegatten pflege, P2 und P4 würden aber mit ihrem Vater telefonischen Kontakt pflegen. Vom Ex-Ehegatten bzw. Vater der Kinder ginge kein Gefährdungspotential für P1 bis P4 aus und es sei daher nicht nötig die Beschwerdeführer vor Gewalt zu schützen. Gegen diese Bescheide fristgerecht erhobene Beschwerden wurden mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.11.2017, Zahlen
1) W215 1434046-3/3E, 2) W215 1434047-3/3E, 3) W215 1434048-3/3E und
4) W215 2007928-3/3E, insofern stattgegeben, als die Bescheide behoben und die Angelegenheit jeweils gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG, zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wurden. Revisionen wurden gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, für nicht zulässig erklärt. Gegen diese Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl außerordentliche Amtsrevisionen an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Der Ex-Ehegatte von P1 bzw. Vater von P2 bis P4 wurde am XXXX in die Russische Föderation abgeschoben.

P1 stellt für sich und P2 bis P4 am 24.09.2018 gegenständliche zweite Anträge auf internationalen Schutz, die mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2019, Zahlen 1) 623043110-180904362, 2) 623060209-180904451,
3) 623060307-180904435 und 4) 1002949104-180904346, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkte I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkte II.) abgewiesen wurden. Gemäß § 57 AsylG wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkte III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkte V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen festgesetzt (Spruchpunkte VI.). Gegen diese Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, zugestellt am 22.10.2019, erhob P1 für sich und P2 bis P4 fristgerecht am 14.11.2019 die gegenständlichen Beschwerden. Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 17.07.2020 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt, in der die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan wurden. Alle Anwesenden verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine zweiwöchige Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.

c) Zu den Asylgründen der Beschwerdeführer in den zweiten (Folge-)Asylverfahren:

1. Es wurde bereits in den rechtskräftigen Erkenntnissen des Asylgerichtshofes von P1 bis P3 vom 26.06.2013 Zahlen 1) D9 434046-1/2013/2E, 2) D9 434047-1/2013/2E und
3) D9 434048-1/2013/2E, festgestellt, dass die von P1 und ihrem Ehegatten behaupteten angeblichen Ausreisegründe nicht glaubhaft sind und P1 bis P3 in der Russischen Föderation nie verfolgt wurden und auch im Fall ihrer Rückkehr nicht verfolgt werden. Zudem wurde im rechtkräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts von P4 vom 08.08.2014, Zahl
W196 2007928-1/6E, festgestellt, dass P4 in der Russischen Föderation keinerlei Verfolgungen ausgesetzt sein wird. Diesbezüglich hat P1 in den gegenständlichen zweiten Asylverfahren kein neues Vorbringen erstattet.

2. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer vom Ex-Ehegatten von P1 bzw. Vater von P2 bis P4 in der Russischen Föderation verfolgt werden und dieser die Kinder P1 wegnehmen wird. Es kann nicht festgestellt werden, dass Kadyrow ein persönliches Interesse daran hat, dass P2 bis P4 bei ihrem XXXX , zwei Mal rechtskräftig im Herkunftsstaat wegen XXXX strafrechtlich verurteilen Vater, der untergetaucht bzw. dessen Aufenthaltsort nicht bekannt ist, aufwachsen.

d) Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in ihren Herkunftsstaat:

P1 hat bereits in ihrem ersten, rechtskräftig abgeschlossenen, Asylverfahren nicht glaubhaft machen können, dass sie auf Grund der unsicheren Lage im Herkunftsstaat bzw. in Tschetschenien mit P2 und P3 ausgereist ist. Es kann auf Grund der aktuellen Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass sich seither die Sicherheitslage verschlechtert hätte und P1 bis P4 in der Russischen Föderation bzw. in Tschetschenien ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit droht.

Es kann weder festgestellt werden, dass die gesunden P1 bis P3 in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen aufgewachsen sind oder an Hunger leiden mussten noch, dass P1 bis P4 in ihrem Herkunftsstaat Gefahr laufen, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten.

Die mittlerweile geschiedene P1 hat mehr als XXXX ihres Lebens in der Russischen Föderation verbracht, bevor sie mit ihrem damaligen Ehegatten sowie P2 und P3 nach Österreich reiste, wo sie und ihr Ehegatte in den ersten Asylverfahren eine erfundene Fluchtgeschichte präsentierten. P1 wurde in XXXX geboren, ist dort aufgewachsen und hat dort von XXXX die Schule besucht. Die Beschwerdeführerin wurde von ihrem späteren Ehegatten entführt und hat diesen am XXXX nach moslemischem Ritus und fünf Monate danach am XXXX standesamtlich geheiratet. XXXX hat P1 im Jahr XXXX ein Studium der XXXX an der XXXX begonnen. Parallel dazu ließ sich P1 von XXXX als XXXX ausbilden, arbeitete in diesem Beruf bzw. XXXX . Nach der Geburt ihres zweiten Kindes P3 brach P1 im Jahr XXXX ihr Studium ohne Abschluss ab. Ihr (mittlerweile) Ex-Ehegatte hat nie gearbeitet und ließ sich seinen Lebensunterhalt immer von seiner Mutter finanzieren, die als subsidiär Schutzberechtigte in Österreich, jedoch in einem anderen Bundesland als P1 bis P4, lebt.

Alle vier Beschwerdeführer sind gesund, P1 ist im erwerbsfähigen Alter und verfügen in der Russischen Föderation nach wie vor über zahlreiche familiäre und soziale Anknüpfungspunkte; wobei sämtlich in den folgenden Absätzen genannten Verwandten, ebenso wie P1 bis P4, der Volksgruppe der Tschetschenen angehören und molsemischen Glaubens sind.

Die Mutter von P1 war in erster Ehe mit dem Vater von P1 verheiratet, der sich von ihr scheiden ließ, eine andere Frau heiratete mit er XXXX Kinder hatte, bis er im Jahr XXXX verstarb. Die Mutter von P1 hat später ihren zweiten Ehegatten, der von XXXX lebte, geheiratet. Sie ließ sich von diesem jedoch, nachdem sie sich in ihren aktuellen Ehegatten verliebt hatte, scheiden und schloss ihre dritte Ehe. Der dritte Ehegatte war vor der Eheschließung mit der Mutter von P1 XXXX ; beiden leben in XXXX .

P1 hat im Herkunftsstaat XXXX die aus der zweiten Ehe ihres verstorbenen Vaters stammen und zu denen sie gute Kontakte pflegt XXXX , hat eine Tochter die XXXX und lebt mit ihrem XXXX von P1 und deren XXXX in XXXX von ihrem Einkommen als XXXX . Der bei ihr lebende XXXX von P1 ist ein XXXX von P1 ist XXXX , hat XXXX und ihr Ehegatte arbeitet als XXXX .

Zudem leben noch XXXX Tanten sowie zahlreichen Cousins und Cousinen väterlicherseits von P1 im Herkunftsstaat. XXXX

Weiters leben noch XXXX Onkel und XXXX Tanten mütterlicherseits von P1 im Herkunftsstaat. XXXX

Derzeit herrscht eine als COVID-19 bezeichnete Pandemie und es ist allgemein bekannt, dass auch in der letzten Woche Österreich und nicht etwa der Herkunftsstaat der Beschwerdeführer – in Relation zur Bevölkerungszahl – innerhalb Europas und sogar weltweit die meisten Neuinfektionen mit COVID-19 aufweist.

e) Zum Privatleben der Beschwerdeführer in Österreich:

Alle vier Beschwerdeführer leben im gemeinsamen Haushalt in Österreich. Es leben zwar eine Cousine mütterlicherseits von P1, sowie die Mutter und Schwester des Ex-Ehegatten von P1 bzw. Großmutter und Tante von P2 bis P4 in Österreich, allerdings nicht im gemeinsamen Haushalt, es bestehen keine Abhängigkeitsverhältnisse und P2 bis P4 haben zu dieser Großmutter und Tante in Österreich bereits seit einigen Jahren keinen Kontakt. Hingegen leben zahlreiche Verwandte der Beschwerdeführer nach wie vor in der Russischen Föderation (siehe Feststellungen d zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer ihren Herkunftsstaat). Die Beschwerdeführer sind von niemandem in Österreich abhängig. P1 ist bereits im XXXX illegal nach Österreich gereist, hat seither nur Deutschkurse A1 besucht, immer noch keine Deutschprüfung absolviert und sprach in der Beschwerdeverhandlung am 17.07.2020 nur gebrochen Deutsch.

f) Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer:

Politische Lage

Die Russische Föderation hat mehr als 141,7 Millionen Einwohner (Stand Juli 2020) und ist schätzungsweis ca. 1,8 Mal so groß wie die die U.S.A. (CIA Factbook 24.11.2020, abgefragt am 25.11.2020).

Wladimir Putin ist das Staatsoberhaupt, Michail Mischustin Regierungschef. Die dritte Präsidentschaft Putins zeichnete sich durch politische Kontinuität aus. Die Modernisierungsagenda von Medwedew wurde weiterverfolgt. Gleichzeitig hat Putin den Sozialstaat weiter ausgebaut und den Verteidigungssektor gestärkt. Im 2013 vom Kabinett beschlossenen Haushaltsplan für 2014 bis 2016 wurde dem Ziel, die Haushaltsdefizite durch Ausgabeneinsparungen eng zu begrenzen, jedoch weiterhin Priorität gegeben. Am 15.01.2020 hat Putin in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation eine Neuordnung des politischen Systems vorgeschlagen und eine Reihe von Verfassungsänderungen angekündigt. Der Ministerpräsident und die Kabinettsmitglieder bekommen per Verfassungsänderung künftig mehr Macht. Dmitri Medwedjew hat den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Sein Nachfolger ist der Leiter der russischen Steuerbehörde Michail Mischustin. In dem neuen Kabinett sind 15 von 31 Regierungsmitgliedern ausgewechselt worden. Die Verfassungsänderungen ermöglichen Wladimir Putin für zwei weitere Amtszeiten als Präsident zu kandidieren. Die für das 12.04.2020 geplante Abstimmung wurde wegen Ausbreitung der Atemwegserkrankung COVID-19 verschoben. Der Volksentscheid über eine umfassend geänderte Verfassung fand am 01.07.2020 statt. Bei einer Wahlbeteiligung von ca. 65 Prozent der Stimmberechtigten stimmten laut russischer Wahlkommission knapp 78 Prozent für und mehr als 21 Prozent gegen die Verfassungsänderungen. Neben der so genannten Nullsetzung der bisherigen Amtszeiten des Präsidenten, durch die der amtierende Präsident 2024 und theoretisch auch 2030 zwei weitere Male kandidieren darf, wird das staatliche Selbstverständnis der Russischen Föderation in vielen Bereichen neu definiert. Der neue Verfassungstext beinhaltet deutlich sozialere und konservativere Inhalte als die Ursprungsverfassung aus dem Jahre 1993. Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister und entlässt sie. Das Zweikammerparlament besteht aus Staatsduma und Föderationsrat. Der Föderationsrat ist als „obere Parlamentskammer“ das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus der Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für fünf Jahre gewählt. Es gibt eine Fünfprozentklausel (LIP Geschichte und Staat November 2020, abgefragt am 25.11.2020).

Die Russische Föderation ist der Staat mit der weltweit größten Fläche. Sie ist Atommacht und Ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Russland besteht aus 83 Föderationssubjekten. Die 2014 erfolgte Annexion der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol durch Russland ist international nicht anerkannt. Föderationssubjekte verfügen über eine eigene Legislative und Exekutive, sind aber weitgehend vom föderalen Zentrum abhängig. Die Föderationsversammlung besteht aus zwei Kammern. Im Föderationsrat sitzen je zwei Vertreter jedes Föderationssubjekts. Dazu kommen vom Staatspräsidenten ernannte Vertreter der Russischen Föderation, deren Anteil nicht mehr als zehn Prozent betragen darf. Die Staatsduma besteht aus 450 Abgeordneten, die in Wahlen bestimmt werden. OSZE-Wahlbeobachter bestätigten mehrfach Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung von Wahlen. Der in der Verfassung vorgesehenen Gewaltenteilung steht die de-facto alle Bereiche dominierende zentrale Rolle des Staatspräsidenten gegenüber. Er kann die Regierung entlassen und hat weitreichende Vollmachten in der Außen- und Sicherheitspolitik (AA Politisches Porträt Stand 21.10.2020, abgefragt am 25.11.2020).

In Russland hat eine deutliche Mehrheit für die von Präsident Wladimir Putin vorgeschlagene Verfassungsreform gestimmt. Wie die zentrale Wahlkommission mitteilte, stimmten laut vorläufigem Endergebnis 77,9 % für die umfangreichen Änderungen bei einer Wahlbeteiligung von 68 %. Sie sehen unter anderem erweiterte Vollmachten für den Präsidenten vor und ermöglichen es Putin, bei der nächsten Präsidentschaftswahl erneut zu kandidieren. Bislang sind dem Staatsoberhaupt nur zwei Amtszeiten in Folge erlaubt, womit Putin nach den bislang geltenden Regelungen 2024 aus dem Amt scheiden müsste. Mit Inkrafttreten der neuen Verfassung werden Putins bisherige Amtszeiten nicht mehr gezählt. Da die Amtszeiten jeweils sechs Jahre betragen, könnte er theoretisch bis 2036 im Amt bleiben. Der Kreml wertete das Ergebnis als Triumph für Putin. Die hohe Zustimmung für die neue Verfassung zeuge vom großen Vertrauen der Bevölkerung in den Präsidenten, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Demgegenüber äußerten Kremlkritiker Zweifel an den offiziellen Zahlen. Die unabhängige Wahlbeobachtungsgruppe Golos und Oppositionspolitiker berichteten von Hunderten Beschwerden über Verstöße gegen die Wahlfreiheit und bezeichneten die veröffentlichten Ergebnisse als „allgemein verdächtig“. Die eine Woche dauernde Abstimmung war rechtlich nicht nötig. Die Reform war bereits vom Parlament beschlossen, vom Verfassungsgericht bestätigt und von Putin unterzeichnet worden. Die landesweite Volksbefragung fußt auf dem Versprechen Putins, dass die gut 170 Änderungen nur mit Zustimmung des russischen Volkes in Kraft treten würden. Teil der Verfassungsänderungen sind auch weitreichende Sozialreformen, darunter Garantien für bessere Mindestlöhne und Renten. Zudem soll eine Reihe konservativer Werte verankert werden, darunter die Ehe ausschließlich als Bund zwischen Mann und Frau. Die Bürger werden die Neuerungen nicht sofort zu spüren bekommen, doch werden sie die Politik des Landes zukünftig prägen. Die Macht seines Amtes wird durch die Reform weiter gestärkt. Russisches Recht gilt nun vor internationalem Recht. Und die Unteilbarkeit des russischen Territoriums wird ebenfalls in der Verfassung verankert, wozu - aus Sicht des Kreml - auch die annektierte Halbinsel Krim gehört (BAMF 06.07.2020). Überschattet vom Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny und der Corona-Krise haben in Russland Regionalwahlen stattgefunden. Am Hauptwahltag des 13.09.2020 gaben Bürger in 41 Regionen des Landes ihre Stimme ab, in vier Nachwahlen wurde außerdem über die Vergabe von Sitzen im russischen Parlament abgestimmt. Insgesamt gab es mehr als 9.000 verschiedene Wahlen auf unterschiedlichen Ebenen. Die Abstimmung zog sich dabei seit 11.09.2020 teilweise über drei Tage hin. Nach den ersten Ergebnissen in der Nacht zum 14.09.2020 deutete sich an, dass die Partei von Präsident Putin, Einiges Russland, ihre Mehrheit erwartungsgemäß behauptet hat. In einigen Regionen wie in Tscheljabinsk am Ural zeichnete sich ab, dass künftig mehr Parteien in örtlichen Parlamenten sitzen könnten. Nach vorläufigen Angaben haben zwei Mitarbeiter des russischen Oppositionspolitikers Nawalny in der sibirischen Großstadt Tomsk zwei Stadtratsmandate errungen, während die Kremlpartei Einiges Russland in Tomsk Verluste hinnehmen musste und nur noch knapp 25 % der Stimmen erreichte. Beobachtern zufolge gab es in vielen Wahllokalen Unregelmäßigkeiten. Laut der unabhängigen Wahlbeobachtungsgruppe Golos seien bereits mehr als 1.000 Meldungen über mögliche Verstöße eingegangen. Wahlbeobachter hätten über Behinderungen ihrer Arbeit und Wahlfälschungen berichtet. Es sei dabei auch Gewalt angewendet worden und es gebe Berichte über Wahlzwang und Bestechung aus vielen Regionen (BAMF 14.09.2020).

Durch Präsidialdekret vom Juli 2000 wurden die zunächst sieben, ab Februar 2010 acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten) geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.03.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Parlament - Staatsduma und Föderationsrat - ist in seinem Einfluss stark beschränkt (LIP Geschichte und Staat November 2020, abgefragt am 25.11.2020).

(CIA, Central Intelligence Agency, The World Factbook, Russland, last update 24.11.2020, abgefragt am 25.11.2020, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 14.09.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2037644/briefingnotes-kw38-2020.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Russische Föderation, Politisches Porträt, Stand 21.10.2020, abgefragt am 25.11.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/politisches-portrait/201710

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 06.07.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2033953/briefingnotes-kw28-2020.pdf

LIP, Liportal, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Russland, Geschichte und Staat, letzte Aktualisierung November 2020, abgefragt am 25.11.2020, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat)

Tschetschenien

Die Einwohnerzahl Tschetscheniens liegt bei ca. 1,5 Millionen. Laut Aussagen des Republikoberhauptes Ramzan Kadyrow sollen rund 600.000 Tschetschenen außerhalb der Region leben – eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte von ihnen Tschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handelt es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens. Diese entstanden bereits vor über einem Jahrhundert, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum. Was die Anzahl von Tschetschenen in anderen russischen Landesteilen anbelangt, so ist es aufgrund der öffentlichen Datenlage schwierig, verlässliche Aussagen zu treffen (ÖB Moskau 12.2019).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 12.2019; AA 13.02.2019; FH 04.03.2020). Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen parallel zu den Wahlen zum Oberhaupt der Republik durchzuführen. Bei den russlandweiten Wahlen vom 18.9.2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Kadyrow wurde laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen. Auch im Vorfeld der Wahlen hatte Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber dem Kreml. Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen (ÖB Moskau 12.2019; AA 13.02.2019). Um die Kontrolle über die Republik zu behalten, wendet Kadyrow unterschiedliche Formen der Gewalt an, wie z.B. Entführungen, Folter und außergerichtliche Tötungen (FH 04.03.2020; AA 13.02.2019). Dies kann manchmal auch außerhalb Russlands stattfinden. Kadyrow wird verdächtigt, die Ermordung von unliebsamen Personen, die ins Ausland geflohen sind, angeordnet zu haben (FH 04.03.2020).

Während der mittlerweile über zehn Jahre dauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramzan Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny als Staatsikone auszustellen und sich als „Fußsoldat Putins“ zu präsentieren. Andererseits hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute „föderale Machtvertikale“ dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russländischen Vielvölker-Zusammenhalts, ist aber längst zum „inneren Ausland“ Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme sowie die Willkür des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 03.2018). Ein Abkommen von September 2018 über die Abtretung von umstrittenem Territorium von Inguschetien an Tschetschenien hatte politische Unruhen in Inguschetien zur Folge (ÖB Moskau 12.2019). Der Konflikt um die Grenzziehung flammt immer wieder auf. Im März 2019 wurden Proteste in Inguschetien gewaltsam aufgelöst, wobei manche Teilnehmer körperlich gegen die Polizei Widerstand leisteten. 33 Personen wurden festgenommen (HRW 14.01.2020). Die Proteste hatten außerdem den Rücktritt des inguschetischen Präsidenten Junusbek Jewkurow im Juni 2019 zur Folge (ÖB Moskau 12.2019). Jewkurows Nachfolger ist Machmud-Ali Kalimatow (NZZ 29.06.2019).

(FH, Freedom House, Freedom in the World 2020, Russland, 04.03.2020, https://freedomhouse.org/country/russia/freedom-world/2020

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Dezember 2018, 13.02.2019, https://www.ecoi.net

ÖB, Österreichische Botschaft Moskau, Asylländerbericht Dezember 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_ÖB_Bericht_2019_12.pdf

SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik, Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, März 2018, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf

NZZ, Neue Zürcher Zeitung, Die Nordkaukasus-Republik Inguschetien ist innerlich zerrissen, 29.06.2019, https://www.nzz.ch/international/nordkaukasus-inguschetien-nach-protesten-innerlich-zerrissen-ld.1492435

HRW, Human Rights Watch, World Report 2020, Russia, 14.01.2020, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/russia)

Sicherheitslage

Präsident Putin verkündete am 25.03.2020 die Verschiebung des für den 22.04.2020 geplanten Referendums über weitreichende Verfassungsänderungen. Um eine Gefährdung von Wählern durch das Coronavirus zu vermeiden, werde ein neuer Termin gemäß der Expertise von Gesundheitsexperten bestimmt werden. Stimmen bei dem Referendum mehr als die Hälfte der Wähler den Verfassungsänderungen zu, sollen diese in Kraft treten. Putin könnte dann 2024 erneut als Kandidat antreten und bei einer Wiederwahl bis 2036 im Präsidentenamt bleiben (BAMF 30.03.2020).

Bei der Einreise in die Russische Föderation besteht bis zur Stabilisierung der COVID-19 Situation ein Einreiseverbot für Ausländer mit wenigen Ausnahmen (ausländische Staatsangehörige, welche Maschinen und technisches Equipment in Russland warten; Ehepartner/Ehepartnerinnen von russischen Bürgerinnen/Bürgern; Diplomatinnen/Diplomaten [BMEIA Stand 25.11.2020]).

In Wladikawkas versammelten sich am 20.04.2020 ca. 2.000 Menschen bei einer Demonstration gegen Ausgangsbeschränkungen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus und forderten den Rücktritt des Gouverneurs der Teilrepublik Nordossetien-Alanien. Die Polizei trieb die Teilnehmer gewaltsam auseinander und nahm Dutzende von ihnen fest. Am 21.04.2020 befand ein Gericht der Stadt 13 Personen der Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration, des Widerstands gegen Polizisten sowie der Organisierung eines öffentlichen Ereignisses, das zur Störung der öffentlichen Ordnung geführt habe, für schuldig und verurteilte sie zu Gefängnisstrafen zwischen drei und 15 Tagen. Der Opernsänger Vadim Cheldiyev hatte im Internet zu der Kundgebung aufgerufen. Cheldiyev, der den Behördenleitern der Region eine Übertreibung der Virusgefahren zum Zweck der Selbstbereicherung vorgeworfen hatte, wurde am 21.04.2020 zu einer Geldstrafe von umgerechnet 928 Euro wegen der Verbreitung falscher Informationen über das Virus verurteilt (BAMF 27.04.2020).

Überschattet vom Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny und der Corona-Krise haben in Russland Regionalwahlen stattgefunden. Am Hauptwahltag des 13.09.2020 gaben Bürger in 41 Regionen des Landes ihre Stimme ab, in vier Nachwahlen wurde außerdem über die Vergabe von Sitzen im russischen Parlament abgestimmt. Laut der unabhängigen Wahlbeobachtungsgruppe Golos seien bereits mehr als 1.000 Meldungen über mögliche Verstöße eingegangen. Wahlbeobachter hätten über Behinderungen ihrer Arbeit und Wahlfälschungen berichtet. Es sei dabei auch Gewalt angewendet worden und es gebe Berichte über Wahlzwang und Bestechung aus vielen Regionen (BAMF 14.09.2020).

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf. Seien Sie weiterhin insbesondere an belebten Orten, bei Menschenansammlungen und bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel besonders aufmerksam (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 25.11.2020).

(BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 30.03.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027826/briefingnotes-kw14-2020.pdf

BMEIA, Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten, Reiseinformation Russische Föderation, unverändert gültig seit 26.08.2020, Stand 25.11.2020, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 27.04.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029418/briefingnotes-kw18-2020.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 14.09.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2037644/briefingnotes-kw38-2020.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Russische Föderation, Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 05.11.2020, Stand 25.11.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536)

Nordkaukasus

Von nicht erforderlichen Reisen nach Inguschetien, Tschetschenien und Dagestan wird abgeraten. Es besteht bei Reisen in den Föderalbezirk Nordkaukasus sowie angrenzende Regionen eine erhöhte Sicherheitsgefährdung durch mögliche Anschläge mit terroristischem Hintergrund, bewaffnete Auseinandersetzungen und Entführungen. Zudem gilt für bestimmte Streckenabschnitte einiger Verkehrsstraßen im Nordkaukasus nur beschränkter Zutritt für Ausländer (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 25.11.2020).

Weiterhin angespannt bleibt die Menschenrechtslage im Nordkaukasus, insbesondere in Tschetschenien unter dem Regime von Ramsan Kadyrow. Dagegen hat sich die Sicherheitslage insgesamt betrachtet wesentlich verbessert und stabilisiert. Seit 2013 ist die Zahl der Toten durch Anschläge und Kämpfe im Nordkaukasus stark rückläufig. So starben im Jahr 2017 bei Anschlägen und Kämpfen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen bzw. islamistischen Aufständischen nach offiziellen Angaben 134 Personen (2016: 202; 2015: 208; 2014: 341; 2013: 529; 2012: 700). Im Jahr 2018 fiel die Zahl der Todesopfer zum ersten Mal unter 100. 2018 starben nach Angaben der russischen Internetzeitung Caucasian Knot insgesamt 82 Personen im Nordkaukasus. Nach ersten vorliegenden Informationen derselben Quelle von Anfang Februar 2020 sank die Zahl der Todesopfer im Jahr 2019 auf insgesamt 31. Die Hauptursache für den im Vergleich zu dem Jahr 2012 erheblichen Rückgang der Zahl der getöteten Personen in den vergangenen Jahren dürfte sein, dass sich seit Ende 2014 vermehrt Kämpfer aus dem Nordkaukasus der Terrormiliz IS in Syrien und im Irak angeschlossen hatten und dort viele den Tod fanden (BAMF 10.02.2020).

Menschenrechtsorganisationen sehen übereinstimmend bestimmte Teile des Nordkaukasus als den regionalen Schwerpunkt der Menschenrechtsverletzungen in Russland. Hintergrund sind die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und islamistischen Extremisten in der Republik Dagestan, daneben auch in Tschetschenien, Inguschetien und Kabardino-Balkarien. Der westliche Nordkaukasus ist hiervon praktisch nicht mehr betroffen. Die Opfer der Gewalt sind ganz überwiegend „Aufständische“ und Sicherheitskräfte (AA 13.02.2019).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum sogenannten IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaya Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23.06.2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein „Wilajat Kavkaz“, eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem „Kalifen“ Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Dschihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren (SWP 10.2015). Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Innerhalb der extremistischen Gruppierungen verschoben sich etwa ab 2014 die Sympathien zur regionalen Zweigstelle des sog. IS, die mittlerweile das Kaukasus-Emirat praktisch vollständig verdrängt haben soll. Dabei sorgt nicht nur Propaganda und Rekrutierung des IS im Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti-Terrorismuskomitees dem IS zuzurechnen waren. Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak, haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist (ÖB Moskau 12.2019). 2018 erzielten die Strafverfolgungsbehörden maßgebliche Erfolge, die Anzahl terroristisch motivierter Verbrechen wurde mehr als halbiert. Sechs Terroranschläge wurden verhindert und insgesamt 50 Terroristen getötet. In der ersten Hälfte des Jahres 2019 nahm die Anzahl bewaffneter Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr weiter ab. Der größte Anteil an Gewalt im Nordkaukasus entfällt weiterhin auf Dagestan und Tschetschenien (ÖB Moskau 12.2019).

Die Nachrichten-Website Caucasian Knot berichtete, dass gewalttätige Konfrontationen mit Sicherheitskräften, in der ersten Hälfte des Jahres 2019, zu mindestens 31 Toten führten. die am stärksten betroffene Region war Kabardino-Balkarien mit 10 Todesfällen in der ersten Hälfte des Jahres 2019, gefolgt von Dagestan, wo neun Menschen getötet wurden. Das gewaltsame Verschwinden von Personen aus politischen oder finanziellen Gründen setzte sich im Nordkaukasus fort. Es gab immer wieder Berichte über Entführungen in Zusammenhang mit mutmaßlichen Antiterrormaßnahmen im Nordkaukasus (USDOS 11.03.2020).

Im vierten Quartal 2019 gab es sechs Konfliktopfer im Nordkaukasus, alle sechs waren in Inguschetien, vier davon wurden verwundet und sechs getötet (Caucasian Knot 11.03.2020; 20.03.2020).

Von 06.01. bis 01.03.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus (Caucasian Knot 13.01.2020; 20.01.2020; 27.01.2020; 03.02.2020; 10.02.2020; 17.02.2020; 03.03.2020). Zwischen 02. und 08.03.2020 wurde mindestens eine Person als Konfliktopfer im Nordkaukasus gemeldet, nachdem ein mutmaßlicher Kämpfer während einer Spezialoperation in Inguschetien getötet wurde (Caucasian Knot 09.03.2020). Von 09.03. bis 22.03.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus (Caucasian Knot 16.03.2020; 23.03.2020). Am 23.03.2020 wurde in der Republik Kabardino-Balkarien, nach Informationen bezüglich eines geplanten Terroraktes, zwei gebrauchsfertige Sprengsätze gefunden und beim Versuch der Festnahme drei Verdächtige während einer Schießerei von Sicherheitskräften getötet (Caucasian Knot 31.03.2020). Im Februar 2020 gab es keine Opfer des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus. Im März 2020 gab es vier Todesopfer des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus (Caucasian Knot Statistik Februar und März 2020 vom 09.07.2020).

Am 16.04.2020 wurde beim Versuch von Polizisten ein Auto in Dagestan anzuhalten, nachdem der Fahrer der Aufforderung nicht nachkam und das Feuer eröffneten, dieser erschossen; im Auto wurden Waffen und Sprengstoff gefunden (Caucasian Knot 21.04.2020). Von 27.04. bis 03.05.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus (Caucasian Knot 04.05.2020). Im April 2020 gab es zwei Opfer des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus, die getötet wurden. Im Mai 2020 gab es neun Opfer des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus, acht wurden getötet und eine Person verletzt (Caucasian Knot Statistik April und Mai 2020 vom 09.07.2020). Im Mai 2020 gab es neun Konfliktopfer im Nordkaukasus, davon sieben in Dagestan und zwei in Inguschetien (Caucasian Knot 27.10.2020). Im Juni 2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, (Caucasian Knot 27.10.2020). Für das zweite Quartal 2020 wurde elf Konfliktopfer, davon acht in Dagestan, zwei in Inguschetien, eines in Stawropol gemeldet, (Caucasian Knot 27.10.2020).

Im Juli 2020 gab es fünf Konfliktopfer im Nordkaukasus, eines in Inguschetien und vier in Kabardino-Balkarien (Caucasian Knot 27.10.2020). Von 24.08. bis 30.08.2020 gab es mindestens ein Konfliktopfer im Nordkaukasus; in Inguschetien wurde während eines Antiterroreinsatzes ein Mann getötet (Caucasian Knot 31.08.2020). Von 31.08. bis 06.09.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus (Caucasian Knot 07.09.2020). Im August 2020 gab es zehn Konfliktopfer im Nordkaukasus, alle in Inguschetien (Caucasian Knot 27.10.2020. Von 07.09. bis 13.09.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus (Caucasian Knot 14.09.2020). Von 14.09. bis 20.09.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus (Caucasian Knot 21.09.2020). Von 21.09. bis 27.09.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus (Caucasian Knot 28.09.2020).

Von 28.09. bis 04.10.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus (Caucasian Knot 05.10.2020). Von 05.10. bis 11.10.2020 wurde zwei Personen in Tschetschenien getötet (Caucasian Knot 12.10.2020). Von 12.10. bis 18.10.2020 wurde zehn Personen im Nordkaukasus getötet, davon einer in Dagestan, einer in Inguschetien und die anderen bei einem Terroreinsatz in Tschetschenien (Caucasian Knot 19.10.2020).

(BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 10.02.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025555/briefingnotes-kw07-2020.pdf

Caucasian Knot, von 07.09. bis 13.09.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 14.09.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/52124/

Caucasian Knot, von 31.08. bis 06.09.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 07.09.2020, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/52054/

Caucasian Knot, für das vierte Quartal 2019 wurde sechs Konfliktopfer im Nordkaukasus gemeldet, 20.03.2020, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50759/

Caucasian Knot, Statistik für das vierte Quartal 2019 im Nordkaukasus, 11.03.2020, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50267/

Caucasian Knot, von 06. bis 12.01.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 13.01.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49675/

Caucasian Knot, von 13. bis 19.01.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 20.01.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49743/

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Dezember 2018, 13.02.2019, https://www.ecoi.net

Caucasian Knot, von 20. bis 26.01.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 27.01.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49819/

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SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik, Reaktionen auf den Islamischen Staat (ISIS) in Russland und Nachbarländern, 10.2015, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A85_hlb.pdf

ÖB, Österreichische Botschaft Moskau, Asylländerbericht Dezember 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_ÖB_Bericht_2019_12.pdf

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Caucasian Knot, von 24.02. bis 01.03.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 03.03.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50174/

Caucasian Knot, von 02.03.2020 bis 08.03.2020 gab es mindestens ein Konfliktopfer im Nordkaukasus, 09.03.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50241/

USDOS, United States Department of State, Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, 11.03.2020, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/russia/

Caucasian Knot, von 09.03. bis 15.03.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 16.03.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50305/

Caucasian Knot, von 16.03. bis 22.03.2020 gab e

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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