TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/2 W250 2237272-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.12.2020
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Entscheidungsdatum

02.12.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W250 2237272-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.11.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 18.05.2015 nach schlepperunterstützter und unrechtmäßiger Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 28.02.2018 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.10.2019 als unbegründet abgewiesen.

2. Noch während das Beschwerdeverfahren anhängig war, wurde der BF straffällig und von 17.07.2018 bis 16.11.2020 in gerichtlicher Untersuchungs- bzw. Strafhaft angehalten.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.01.2020 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt. Gleichzeitig wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Der BF erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Mit Teilerkenntnis vom 25.02.2020 erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zu. Im Übrigen ist das Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

4. Am 12.11.2020 wurde der BF unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Farsi vom Bundesamt zur Klärung des Sicherungsbedarfes einvernommen. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, dass es ihm gut gehe und er keine psychischen oder physischen Probleme habe. Er leide an keinen Krankheiten und nehme abgesehen von Schlaf- und Beruhigungstabletten keine Medikamente ein. An Verwandten verfüge er im Bundesgebiet über seine Schwester und einen Cousin. Mit seiner Schwester habe er in einer Wohnung zusammengelebt, bei seinem Cousin habe er noch nie gewohnt. Zwei weitere Cousins seien legal in der Schweiz aufhältig. In Österreich habe er viele Freunde, während seiner Haft habe er jedoch nur zu seiner Schwester, seinem Cousin und seiner Mutter telefonisch Kontakt. Er werde außerdem von seiner Ex-Freundin in der Haft besucht. Deutsch spreche er nicht besonders gut, er könne sich aber im Alltag ein wenig verständigen. Eine legale Beschäftigung habe er in Österreich bisher nicht ausgeübt, er sei auch nicht Mitglied in einem Verein. Er wolle aber wegen seiner Schwester in Österreich bleiben, er könne sie nicht alleine lassen. Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft werde seine Betreuerin eine Wohnmöglichkeit für ihn organisieren, er könne auch bei seiner Schwester und seinem Cousin wohnen. Eine konkrete Unterkunft habe er noch nicht in Aussicht, er werde zuerst in die Unterkunft seiner Schwester ziehen. Auf Vorhalt, dass seine Schwester in einer Asylunterkunft lebe und weder der BF noch seine Schwester entscheiden können, ob er dort wohnen dürfe, gab der BF an, dass er bei seinem Cousin leben werde. Falls er nicht bei seiner Schwester wohnen könne, werde er in ein Asylheim ziehen. Er besitze weder Vermögen noch habe er Ersparnisse. Auf Grund seiner Geldstrafe müsse er noch EUR 2.000,-- bezahlen, außerdem habe er bei einem Rechtsanwalt Schulden in der Höhe von ca. EUR 3.000,--. Diese Schulden wolle er begleichen, indem er Arbeit finde oder von seiner Schwester oder seinem Cousin Geld borge. Freiwillig werde er nicht nach Afghanistan ausreisen, er könne dort nicht hin. Auf Vorhalt dass er bei seiner Einvernahme am 07.11.2019 angegeben habe, eigentlich nicht in Österreich bleiben zu wollen, gab der BF an, dass er sich ja darum kümmern müsse, in ein anderes Land zu kommen, wenn Österreich ihn nicht haben wolle und er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne. Darüber, in welches Land er konkret ausreisen werde, habe er sich noch keine Gedanken gemacht, jedoch werde auch seine Schwester Österreich verlassen, wenn er Österreich verlasse. Falls seine Schwester einen Aufenthaltstitel bekäme müsse er alleine in ein anderes Land reisen. Außerdem wolle seine Schwester nicht in Österreich bleiben, selbst wenn sie einen Aufenthaltstitel erhalten würde. Dies sei nicht nur seine Ansicht, sondern auch die Ansicht seiner Schwester. Auf den Vorhalt, dass er ohne Reisedokumente nicht legal reisen könne, gab der BF an, dass er ja auch ohne Reisepass über zehn andere Länder nach Österreich gelangt sei. Selbst wenn das im gesamten Schengenraum gültige Einreiseverbot in Rechtskraft erwachse, werde er ein Land finden, in dem er sich aufhalten könne. In seiner Heimat habe er niemanden. Er sei zwar wegen Vergewaltigung verurteilt worden, doch gebe es dazu keine Zeugen. Weil er damals Drohungen ausgesprochen habe und auch eine Körperverletzung begangen habe, habe ihm niemand geglaubt. Er wisse, dass er die Taten nicht begangen habe. In der Vergangenheit habe er Opium, Extasy und Methamphetamine konsumiert. Bereits im Iran habe er Opium konsumiert, seit er sich in Österreich befinde nehme er Methamphetamine und Cannabis.

5. Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 12.11.2020 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG über den BF Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung unter der aufschiebenden Bedingung der Entlassung des BF aus der Strafhaft angeordnet. Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG Fluchtgefahr vorliege. Der BF sei unter Umgehung der Grenzbestimmungen illegal in Europa gereist und habe einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Gegen den BF sei eine Rückkehrentscheidung erlassen worden, er sei nicht ausreisewillig und sich des Umstandes, dass er zur Ausreise verhalten werden solle und seine Abschiebung unmittelbar bevorstehe, durchaus bewusst. Dadurch werde der Sicherungsbedarf erheblich erhöht. Dies insbesondere deshalb, da der BF bereits in der niederschriftlichen Einvernahme vor der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot angegeben habe, gar nicht in Österreich bleiben zu wollen und nicht nach Afghanistan abgeschoben werden zu wollen. Diese Angaben habe er bei der Befragung zur Abklärung des Sicherungsbedarfes aufrechterhalten. Es sei daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der BF seiner Abschiebung entziehen und auf freiem Fuß untertauchen werde. In Österreich halte sich zwar die volljährige Schwester des BF sowie ein volljähriger Cousin auf, doch werde das Bestehen familiärer Anknüpfungspunkte dadurch relativiert, dass der BF auch durch seine Familienangehörigen nicht zu rechtskonformem Verhalten bewegt habe werden können. Das Risiko des Untertauchens werde durch diese Anknüpfungspunkte auch nicht verringert, da der BF selbst angeführt habe, dass auch seine Schwester das Land verlassen werde, sollte der BF Österreich verlassen müssen.

Die Anordnung der Schubhaft sei unter Berücksichtigung der strafrechtlichen Verurteilungen des BF auch verhältnismäßig und könne mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden, da der BF durch sein strafrechtlich relevantes Verhalten deutlich gemacht habe, dass er der österreichischen Rechtsordnung negativ gegenübertrete und überdies dezidiert angegeben habe, dass er Österreich in Richtung EU-Ausland verlassen wolle, sollte er nicht in Österreich bleiben können.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 13.11.2020 durch persönliche Übernahme zugestellt.

6. Am 16.11.2020 wurde der BF bedingt aus der Strafhaft entlassen und in Schubhaft überstellt.

7. Am 26.11.2020 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 12.11.2020 und brachte im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung vor allem damit begründet habe, dass der BF straffällig geworden sei und eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass er untertauche. Der BF sei jedoch der Meinung, dass in seinem Fall keine Fluchtgefahr gegeben sei. Er könne bei seinem Cousin, welcher ein Bleiberecht im Bundesgebiet habe, bleiben. Von diesem könne er auch finanziell unterstützt werden. Hinsichtlich der begangenen Straftaten habe der BF in seinen Einvernahmen vor dem Bundesamt wiederholt angegeben, dass er diese Fehler nicht mehr wiederholen werde. Es seien daher insgesamt die Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft nicht gegeben.

Der BF beantragte den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei, in eventu beantragte der BF die Anordnung eines gelinderen Mittels.

8. Das Bundesamt legte am 26.11.2020 den Verwaltungsakt vor und gab am 27.11.2020 eine Stellungnahme ab, in der neben der ausführlichen Darlegung jener Gründe, die zur Annahme der Fluchtgefahr geführt haben, insbesondere ausgeführt wurde, dass für den BF ein unbefristet gültiges Heimreisezertifikat vorliege und seine Abschiebung nach Afghanistan mit einer Charterrückführung noch im Jahr 2020 vorgesehen sei. Dazu wurde dem BF Parteiengehör gewährt, von der Möglichkeit dazu eine Stellungnahme abzugeben, machte er keinen Gebrauch.

Das Bundesamt beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und den BF zum Ersatz des Vorlage- sowie des Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde zu verpflichten.

9. Mit Schriftsatz vom 27.11.2020 legte der BF eine Bestätigung der Tiroler Soziale Dienste GmbH vom 26.11.2019 über seinen Aufenthalt in einer Einrichtigung für AsylwerberInnen sowie ein Empfehlungsschreiben vom 26.11.2019 über die Mitarbeit des BF in jener Gemeinde, in der er von 2016 bis 2018 gewohnt hat, vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.9. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger. Er ist volljährig, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF ist gesund und haftfähig.

2.3. Der BF wird seit 16.11.2020 in Schubhaft angehalten.

2.4. Für den BF wurde am XXXX von der afghanischen Vertretungsbehörde ein unbefristet gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt. Die Abschiebung des BF ist für Dezember 2020 vorgesehen.

2.5. Der BF weist in Österreich folgende strafrechtliche Verurteilungen auf:

2.5.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 13.12.2018, rechtskräftig am 10.12.2019, wurde der BF wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 Strafgesetzbuch – StGB, wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB, wegen des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB, wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB und wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.

Dieser Verurteilung liegen Taten zu Grunde, die der BF im April 2018, am 30.05.2018, zu einem unerhobenen Zeitpunkt zwischen April und Juli 2018 sowie in der Nacht auf den 17.07.2018 begangen hat.

2.5.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 16.06.2020, rechtskräftig seit 25.08.2020, wurde der BF wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 120 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Die dieser Verurteilung zu Grunde liegende Tat hat der BF während seiner Anhaltung in Strafhaft am 01.07.2019 begangen.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Gegen den BF wurde zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.01.2020 eine Rückkehrentscheidung erlassen, diese ist durchsetzbar.

3.2. In Österreich befinden sich die volljährige Schwester sowie ein volljähriger Cousin des BF. Die Schwester des BF ist Asylwerberin und lebt in einem Grundversorgungsquartier. Der Cousin des BF verfügt über ein Aufenthaltsrecht in Österreich, der BF könnte bei ihm wohnen und von ihm finanziell unterstützt werden. Der BF hat bisher noch nicht mit seinem Cousin zusammengewohnt.

3.3. Der BF verfügt in Österreich über soziale Kontakte. Der BF verfügt nur über geringe Deutschkenntnisse, er kann sich im Alltag verständlich machen.

3.4. Der BF verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er ging bisher in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, er besitzt weder Vermögen noch existenzsichernde finanzielle Mittel.

3.5. Der BF ist nicht rückkehrwillig. Er beabsichtigt Österreich ohne Reisedokument zu verlassen, sollte er sich nicht mehr in Österreich aufhalten dürfen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren sowie das fremdenrechtliche Verfahren des BF betreffend, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes und aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren sowie das fremdenrechtliche Verfahren des BF betreffend. Diesen Feststellungen wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Aus dem Zentralen Fremdenregister ergibt sich, dass von der afghanischen Vertretungsbehörde ein Heimreisezertifikat für den BF ausgestellt wurde. Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass es sich beim BF um einen afghanischen Staatsangehörigen handelt. Zweifel an seiner Volljährigkeit bestehen nicht, insbesondere wurde vom BF auch nicht behauptet, dass er minderjährig sei. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, finden sich im Verwaltungsakt ebensowenig wie dafür, dass er Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, insbesondere wurde der vom BF in Österreich gestellte Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen.

2.2. Im Verwaltungsakt finden sich keine Hinweise auf gesundheitliche Beschwerden des BF, insbesondere gab er bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 12.11.2020 an, dass es ihm gut gehe. Er nehme Schlaftabletten und Beruhigungstabletten ein. Auch in der Anhaltedatei finden sich keine Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen des BF und wurden solche auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.

2.3. Dass der BF seit 16.11.2020 in Schubhaft angehalten wird ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.

2.4. Dass für den BF ein Heimreisezertifikat vorliegt ergibt sich aus dem zentralen Melderegister, dass seine Abschiebung im Wege eines Charterfluges noch im Jahr 2020 vorgesehen ist, steht auf Grund der Stellungnahme des Bundesamtes vom 27.11.2020 fest.

2.5. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf dem Strafregister sowie den in den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren sowie das fremdenrechtliche Verfahren des BF betreffend einliegenden Urteilsausfertigungen.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.01.2020 erlassenen Rückkehrentscheidung beruhen auf der im Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen diesen Bescheid betreffend einliegenden Bescheidausfertigung. Da dieser Beschwerde mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.02.2020 die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wurde, konnte die Feststellung getroffen werden, dass die Rückkehrentscheidung durchsetzbar ist.

3.2. Die Feststellungen zu den in Österreich aufhältigen Familienangehörigen des BF beruhen auf seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vom 12.11.2020. Dass der BF bei seinem Cousin wohnen und von diesem finanziell unterstützt werden könnte ergibt sich aus seinen Angaben in der Beschwerde.

3.3. Die Feststellungen zu den sozialen Kontakten und den Deutschkenntnissen des BF beruhen auf den Angaben des BF in der niederschriftlichen Einvernahme vom 12.11.2020.

3.4. Dass der BF über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vom 12.11.2020. Ebenso gab er in dieser Einvernahme an, dass er bisher bis auf geringfügige Tätigkeiten für eine Gemeinde noch nicht legal in Österreich gearbeitet habe und weder über Vermögen noch über finanzielle Mittel verfüge. Vielmehr habe er Schulden in der Höhe von insgesamt ca. EUR 5.000,--.

3.5. Dass der BF nicht rückkehrwillig ist und beabsichtigt Österreich auch ohne Reisedokument zu verlassen um in einen anderen Staat zu reisen, sollte er sich nicht mehr in Österreich aufhalten dürfen, ergibt sich insbesondere aus seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt am 12.11.2020. So beantwortete er die Frage ob er freiwillig nach Afghanistan ausreisen werde damit, dass er dort nicht hinkönne. Weiter gab er in dieser Einvernahme an, dass er dann, wenn Österreich ihn nicht hierhaben wolle und er nicht nach Afghanistan könne, er sich darum kümmern müsse, in ein anderes Land zu gelangen. Ein konkretes Land könne er noch nicht nennen, jedoch werde auch seine Schwester Österreich verlassen, sollte er nicht in Österreich bleiben können. Selbst auf Vorhalt, dass er über kein Reisedokument verfüge, gab der BF an, dass er auch ohne Reisepass über zehn Länder nach Österreich gekommen sei. Er werde selbst dann, wenn das für den gesamten Schengenraum gültige Einreiseverbot in Rechtskraft erwachse, ein Land finden, da er in der Heimat niemanden habe.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit einer Abschiebung des BF ist insofern zu rechnen, als eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und von der afghanischen Vertretungsbehörde für den BF ein unbefristet gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt wurde. Die Abschiebung des BF ist mittels Charterflug noch im Dezember 2020 vorgesehen.

3.1.5. Das Bundesamt geht auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Im vorliegenden Fall hat der BF bisher an sämtlichen Verfahren mitgewirkt und auch keine konkreten Handlungen gesetzt, um seine Rückkehr oder Abschiebung zu umgehen oder zu behindern. Der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG ist daher nicht erfüllt.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. In Österreich halten sich die Schwester des BF sowie einer seiner Cousins auf. Dass auf Grund dieser familiären Bindungen die Fluchtgefahr des BF auch nur vermindert wird ist nicht anzunehmen, da der BF in seiner Einvernahme am 12.11.2020 wiederholt angegeben hat, dass er Österreich verlassen werde, falls er sich nicht mehr in Österreich aufhalten dürfe. Er unterstrich diese Angaben noch dadurch, dass er auch ohne Reisedokument und damit unrechtmäßig in andere Staaten reisen werde, um seiner Abschiebung zu entgehen. Dass er durch seine familiären Bindungen in Österreich an einer Weiterreise in einen anderen Staat nicht gehindert werden kann bekräftigte des BF in seiner Einvernahme am 12.11.2020 noch dadurch, dass er angab, dass auch seine Schwester mit ihm Österreich verlassen werde. Da der BF darüber hinaus weder über einen eigenen gesicherten Wohnsitz noch über berufliche Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt und mittellos ist, liegen insgesamt keinerlei Umstände vor, die die Fluchtgefahr auch nur geringfügig vermindern könnten. Unter Berücksichtigung der in § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG genannten Kriterien liegt daher Fluchtgefahr vor.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Da im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG von Fluchtgefahr auszugehen ist und bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt, ist unter Berücksichtigung der mehrmals vom BF bekräftigten Ankündigung, er werde Österreich verlassen, wenn er sich nicht weiter in Österreich aufhalten dürfe, um nicht nach Afghanistan ausreisen zu müssen, auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.

Das Bundesamt ist daher insgesamt zu Recht vom Vorliegen einer Fluchtgefahr sowie eines Sicherungsbedarfes ausgegangen.

Dem diesbezüglichen Vorbringen in der Beschwerde, dass die belangte Behörde die Fluchtgefahr vor allem auf die Straffälligkeit des BF stütze und keine Fluchtgefahr vorliege, war insofern nicht zu folgen, als im angefochtenen Bescheid jene Umstände, die zur Annahme der Fluchtgefahr führen, ausführlich und nachvollziehbar angeführt wurden und bereits aus den vom BF selbst im Rahmen seiner Einvernahme am 12.11.2020 gemachten Angaben auf einen erheblichen Sicherungsbedarf zu schließen war.

3.1.6. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF verfügt in Österreich zwar über seine Schwester und seinen Cousin sowie über soziale Kontakte, beruflich ist er in Österreich jedoch nicht verankert. Über eigene Mittel zur Existenzsicherung verfügt er ebensowenig wie über einen eigenen gesicherten Wohnsitz. Der BF ist unrechtmäßig nach Österreich eingereist und hat hier einen letztlich unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Das Asylverfahren seiner Schwester ist noch nicht abgeschlossen und gab der BF selbst an, dass auch seine Schwester aus Österreich ausreisen werde, sollte sich der BF nicht weiter hier aufhalten dürfen. Bei seinem Cousin könnte der BF zwar wohnen, doch ist die Beziehung zwischen dem BF und seinem Cousin nicht so intensiv, dass der BF dadurch zu einem Verbleib in Österreich bis zu seiner Abschiebung bewegt werden kann. Insbesondere nannte der BF die Möglichkeit, bei seinem Cousin wohnen zu können, erst nach intensiver Befragung zu seiner zuerst angegebenen Absicht, im Grundversorgungsquartier seiner Schwester Unterkunft nehmen zu wollen. Die sozialen Kontakte des BF in Österreich sind insbesondere dadurch relativiert, als er sich seit 17.07.2018 in Haft befindet.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der BF weist Vorstrafen wegen Vergewaltigung, Nötigung, Körperverletzung, Freiheitsentziehung und gefährlicher Drohung auf. Die dieser Verurteilung zu Grunde liegenden acht Taten hat er in einem Zeitraum von April 2018 bis 17.07.2018 begangen. Auf Grund der Anzahl der vom BF begangenen Taten und der Tatsache, dass er noch in seiner Einvernahme am 12.11.2020 die Begehung eines Teiles dieser Taten abgestritten hat, ist davon auszugehen, dass er wieder strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit und gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung begehen wird. Dies umso mehr, als er trotz der strafgerichtlichen Verurteilung und seiner Anhaltung in Strafhaft am 01.07.2019 das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt begangen hat und diese Tat gegen Personen gerichtet war, gegenüber denen eine erhöhte Hemmschwelle vorliegen müsste. Insgesamt ergibt sich daher aus dem Verhalten des BF dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit in außerordentlichem Maß gefährdet und ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF besteht.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Auch der Gesundheitszustand des BF lässt die Anordnung der Schubhaft nicht unverhältnismäßig erscheinen, da im Verfahren keine Hinweise auf entsprechende gesundheitliche Beschwerden des BF hervorgekommen sind.

Das Bundesamt ist seiner Verpflichtung auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken insofern nachgekommen, als bereits am XXXX ein Heimreisezertifikat für den BF erlangt werden konnte und seine Abschiebung zum nächstmöglichen Termin nach seiner Haftentlassung vorbereitet wurde.

Die angeordnete Schubhaft erfüllt daher auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

3.1.7. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam. Der BF hat bereits durch die wiederholte Begehung von Straftaten gezeigt, dass er nicht bereit ist, sich an gesetzliche Bestimmungen zu halten. Verstärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass er sogar während seiner Anhaltung in Strafhaft das Delikt des Widerstandes gegen die Staatsgewalt begangen hat. Gänzlich ausgeschlossen ist die Anwendung eines gelinderen Mittels jedoch insbesondere durch den Umstand, dass der BF in seiner Einvernahme am 12.11.2020 mehrfach angegeben hat, dass er nicht nach Afghanistan zurückkehren wolle und Österreich verlassen werde, um in ein anderes Land zu gelangen. Diese Aussage bekräftigte er dadurch, dass er auch ohne Reisedokument in ein anderes Land gelangen werde, so wie er dies bereits bei seiner unrechtmäßigen Einreise nach Österreich gemacht habe. Seine Schwester werde Österreich mit ihm verlassen. Da bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeende Maßnahme vorliegt, ein gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt wurde und die Abschiebung des BF im Wege eines Charterfluges konkret vorbereitet ist, liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF einem gelinderen Mittel tatsächlich nachkommen und sich seiner Abschiebung stellen wird.

Das Bundesamt ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden kann.

3.1.8. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt eine „ultima ratio“ dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt II. – Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der BF befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG ausgesprochen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat. Diese Prüfung hat unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen und „ermächtigt“ das Bundesverwaltungsgericht, auf Basis der aktuellen Sach- und Rechtslage „in der Sache“ zu entscheiden und damit gegebenenfalls einen neuen Schubhafttitel zu schaffen (vgl. VwGH vom 14.11.2017, Ra 2017/21/0143).

3.2.2. Im Verfahren haben sich keine Umstände ergeben, die gegen die rechtliche und faktische Durchführbarkeit einer Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer sprechen. Unter Berücksichtigung der Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Schubhaft besteht aus Sicht des erkennenden Gerichtes kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall nach wie vor auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 3 und 9 FPG Fluchtgefahr vorliegt sowie ein besonders hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung der Abschiebung des BF – somit ein erheblicher Sicherungsbedarf – besteht.

Aus den oben dargelegten Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Damit liegt die geforderte „Ultima-ratio-Situation“ für die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin vor und erweist sich diese auch als verhältnismäßig.

3.2.3. Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben da diese vom BF nicht beantragt wurde, der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.4. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt III. – Kostenersatz

3.4.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

3.4.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Das Bundesamt beantragte den Ausspruch, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen. Das Bundesamt hat einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt, der BF hat keinen Kostenersatz beantragt.

3.4.3. Die belangte Behörde ist auf Grund der Abweisung der Beschwerde sowie der Feststellung, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen, obsiegende Partei, weshalb sie Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang hat.

3.5. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Außerlandesbringung Ausreisewilligkeit Einreiseverbot Fluchtgefahr Kostenersatz Mittellosigkeit Obsiegen öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sexualdelikt Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W250.2237272.1.00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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