Entscheidungsdatum
03.12.2020Norm
BDG 1979 §112 Abs3Spruch
W170 2236676-2/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Thomas REISCH, gegen die als „Bescheid betreffend Suspendierung gemäß § 112 Abs 3 BDG 1979“ bezeichnete Erledigung der „Disziplinarkommission für Justiz, Senat 2“ vom 30.09.2020, Zl. 102 Ds 5/20x, beschlossen:
A) Die sich gegen einen Nichtbescheid richtende Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG, Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Zulässigkeit der rechtzeitigen Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
Mit als „Bescheid betreffend Suspendierung gemäß § 112 Abs 3 BDG 1979“ bezeichneter Erledigung vom 30.09.2020, gezeichnet von XXXX als „Senatsvorsitzende“ der Disziplinarkommission für Justiz, Senat 2, Zl. 102 Ds 5/20x, wurde gegen XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) wegen im Spruch nicht näher bezeichneter Dienstpflichtverletzungen eine Suspendierung vom Dienst gemäß § 112 Abs. 3 BDG 1979 ausgesprochen. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass diese Suspendierung auf Grund einer Vielzahl von Fällen erfolgte, bei denen der Beschwerdeführer über die Teilnahme an Räumungsexekutionen berichtet und Vollzugsgebühren sowie Fahrtkosten verzeichnet habe, obwohl er zuvor von der jeweils betreibenden Partei vom Verzicht auf den Vollzug der bewilligten Exekutionen überhaupt oder für eine einstweilen noch nicht abgelaufene Frist oder von der Abstandnahme von der Fortsetzung des Exekutionsverfahrens telefonisch in Kenntnis gesetzt worden war. Dem Bescheid ist eine Vielzahl von Verfahren zu entnehmen, hinsichtlich derer der Beschwerdeführer „in der weitaus überwiegenden Anzahl“ das beschriebene Verhalten gesetzt habe.
Die gegenständliche Erledigung wurde am 02.10.2020 dem Beschwerdeführer zugestellt, eine Zustellung an den Disziplinaranwalt ist nicht erfolgt bzw. nicht nachweisbar.
Mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien vom 14.09.2020, Jv 8253/20f-11b, war gegen den Beschwerdeführer schon eine vorläufige Suspendierung verhängt worden.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage, hinsichtlich des Zustellungszeitpunkts an den Beschwerdeführer aus dessen Angaben und dem von der Bundesdisziplinarbehörde vorgelegten Zustellnachweis. Dass eine Zustellung an den Disziplinaranwalt nicht erfolgt ist bzw. nicht nachweisbar ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Bundesdisziplinarbehörde weder das Datum der Zustellung nennen konnte noch dem Disziplinaranwalt – laut seinem Schreiben vom 16.11.2020 – die Zustellung bekannt geworden ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Der Verwaltungsgerichtshof hat ausdrücklich ausgesprochen, dass Änderungen von Zuständigkeitsvorschriften – soweit es anders lautender Anordnungen im Übergangsrecht ermangelt – stets, also auch während der Anhängigkeit eines Verfahrens, zu berücksichtigen, sind (VwGH 27.09.1995, 95/21/0590; VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0014).
Ein Bescheid ist dann erlassen, wenn er verkündet oder formgerecht zugestellt wurde; im Mehrparteienverfahren ist ein Bescheid als erlassen anzusehen, wenn er einer Partei zugestellt wurde (VwGH 26.04.1993, 91/10/0252; VwGH 09.06.2017, Ra 2017/02/00601).
Die gegenständliche, als Bescheid bezeichnete Erledigung, wurde laut der Aktenlage und den Ermittlungen des Bundesverwaltungsgerichtes am 02.10.2020 dem Beschwerdeführer zugestellt, der Bescheid wurde aber von XXXX als „Senatsvorsitzende“ der Disziplinarkommission für Justiz, Senat 2, gezeichnet. Dem Disziplinaranwalt wurde die Erledigung bislang nicht nachweislich zugestellt.
Gemäß § 96 BDG sind Disziplinarbehörden (1.) die Dienstbehörden und (2.) die Bundesdisziplinarbehörde. Gemäß § 97 BDG sind zuständig (1.) die Dienstbehörde zur vorläufigen Suspendierung und zur Erlassung von Disziplinarverfügungen hinsichtlich der Beamtinnen und Beamten ihres Zuständigkeitsbereiches und (2.) die Bundesdisziplinarbehörde zur Erlassung von Disziplinarerkenntnissen und zur Entscheidung über Suspendierungen hinsichtlich aller Beamtinnen und Beamten des Bundes. Gemäß § 112 Abs. 2 BDG ist jede vorläufige Suspendierung unverzüglich der Bundesdisziplinarbehörde mitzuteilen, die über die Suspendierung innerhalb eines Monats zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit rechtskräftiger Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde oder des Bundesverwaltungsgerichts über die Suspendierung. Ab dem Einlangen der Disziplinaranzeige bei der Bundesdisziplinarbehörde hat diese bei Vorliegen der in Abs. 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.
Gemäß § 243 Abs. 1 BDG sind die bei den Disziplinarkommissionen bis 30.09.2020 anhängig gemachten Disziplinarverfahren nach den bisherigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2019 fortzuführen. Ab 1. Oktober 2020 geht die Zuständigkeit zur Durchführung von Disziplinarverfahren auf die Bundesdisziplinarbehörde in der Fassung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58/2019, oder – hinsichtlich der Beamtinnen und Beamten der Parlamentsdirektion, des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft – auf die Disziplinarkommission gemäß Art. 30b B-VG in der Fassung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58/2019, über. § 125 BDG – der nur regelt, wann eine vertagte oder unterbrochene mündliche Verhandlung zu wiederholen ist – ist anzuwenden. Weiteres Übergangsrecht findet sich nicht. Die Erläuternden Bemerkungen (ErläutRV 625 BlgNR 26. GP 5, zu Art. 1 Z 42) präzisieren, dass hinsichtlich bereits bei den Disziplinarkommissionen anhängiger Verfahren jene diese während einer Übergangszeit, währenddessen die Bundesdisziplinarbehörde errichtet wird, fortsetzen, bis die Bundesdisziplinarbehörde die Verfahren übernimmt und weiterführt. Dass die Disziplinarkommissionen in bereits anhängigen Disziplinarverfahren über den 30.09.2020 hinaus für die Erlassung von Bescheiden zuständig wären, geht jedoch nicht hervor.
Dies hat jedoch zur Folge, dass ab 01.10.2020 nicht nur bloß die Zuständigkeit von den Disziplinarkommissionen auf die Bundesdisziplinarbehörde übergegangen ist – und die Disziplinarkommissionen unzuständig wurden – sondern vielmehr, dass die Disziplinarkommissionen als Verwaltungsbehörden aufhörten zu existieren, da die Bundesdisziplinarbehörde an ihre Stelle trat. Demnach können jedoch ab dem 01.10.2020 vor diesem Zeitpunkt noch existierende Disziplinarkommissionen nicht mehr als taugliche Urheberinnen von Bescheiden auftreten.
Das bedeutet im Wesentlichen, dass einerseits am 02.10.2020 – zum Zeitpunkt der Erlassung der verfahrensgegenständlichen, als Bescheid bezeichneten Erledigung – die Zuständigkeit für die Suspendierung des Beschwerdeführers bei der Bundesdisziplinarbehörde gelegen ist und andererseits mit Ablauf des 30.09.2020 die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz nicht mehr bestanden hat.
Daher wurde die verfahrensgegenständliche, als Bescheid bezeichnete Erledigung am 02.10.2020 von einer nicht mehr existierenden Behörde erlassen und liegt daher kein Bescheid vor. Daher richtet sich die gegenständliche Beschwerde gegen einen Nichtbescheid und ist als solche unzulässig und somit zurückzuweisen.
Anzumerken ist, dass sich daher die von der (zuständigen) Dienstbehörde erlassene vorläufige Suspendierung – bis zur Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde über die Suspendierung oder einer allfälligen Aufhebung der vorläufigen Suspendierung durch das Bundesverwaltungsgericht – noch im Rechtsbestand befindet.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht hat unter A) die relevante Rechtsprechung zitiert, es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.
Schlagworte
Nichtbescheid Suspendierung unzuständige Behörde Unzuständigkeit Zurückweisung ZuständigkeitsübergangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2236676.2.00Im RIS seit
02.02.2021Zuletzt aktualisiert am
02.02.2021