Entscheidungsdatum
23.12.2020Norm
BFA-VG §18Spruch
G306 2237861-1/2Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dietmar MAURER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch RA Dr. Karl BERNHAUSER, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2020, Zl. XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht:
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (BF) hält sich laut ZMR Auszug zumindest seit dem 14.08.2007 im Bundesgebiet auf und ist seither mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Der BF ging in den Jahren 2005, 2006, 2008, 2009, 2014, 2015 immer wieder Erwerbstätigkeiten nach. Aktuell bezieht der BF Arbeitslosengeld.
Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX , Zl: XXXX vom XXXX .2015, seit XXXX .2016 (rk) wegen §§ 223 Abs. 2 StGB, §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB, 147 Abs. 3 StGB, § 148 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und 6 Monate, verurteilt. Als Datum der letzten Tat wurde der XXXX .2010 angeführt.
Der BF befand sich bis Mitte 2017 in unbedingter Strafhaft und im Anschluss im gelockerten Strafvollzug. Am XXXX .2019 wurde der BF bedingt aus der Haft entlassen und hält sich seither – in Freiheit – im Bundesgebiet auf.
Der BF weist mehrere schwerwiegende Erkrankungen auf und wurde als Risikopatient nach Covid 19 eingestuft.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erließ aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung gegen den BF gemäß das gegenständliche Aufenthaltsverbot, räumte dem BF keinen Durchsetzungsaufschub ein und erkannte die aufschiebende Wirkung ab.
Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 21.12.2020 die Beschwerde vom 15.12.2020 gegen den oben genannten Bescheid vor.
Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (im Spruch Spruchpunkt III.) im Wesentlichen mit seiner strafrechtlichen Verurteilung. Es geht jedoch mit keinem Wort darauf ein, dass sich der BF mittlerweile seit 1 Jahr wieder in Freiheit befindet – Haftentlassung war der XXXX .2019 – und bis dato die sofortige Ausreise des BF offensichtlich nicht gegeben war.
In der Beschwerde, die sich gegen sämtliche Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids richtet, bringt der BF unter anderem vor, dass er sehr wohl im Bundesgebiet über familiäre Beziehungen verfüge. Er seit 2005 im Bundesgebiet lebe und die strafrechtlichen Tat bereits über 10 Jahre zurückliege. Des Weiteren weist der BF auf seine schwere gesundheitliche Situation hin. Die belangte Behörde habe auch keine Feststellungen über die Gefährlichkeit des BF getroffen, sondern habe ihre Ausführungen lediglich auf die strafrechtliche Verurteilung gestützt
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG nunmehr auch ausdrücklich angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen (vgl VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014, 19.06.2017, Fr 2017/19/0023 und 0024, und 27.07.2017, Fr 2017/18/0022).
Zu Spruchteil B):
Die Beschwerde richtet sich (zumindest implizit) auch gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.
Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Betroffenen oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.
Die Aberkennung bedarf – insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen – einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot bzw. Aufenthaltsverbot erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise der BF geboten sei.
Da der BF in seiner Beschwerde explizit den Feststellungen im bekämpften Bescheid, was sein Privat- und Familienleben sowie seinen Gesundheitszustand anbelangt, widerspricht und angibt, dass sehr wohl im Bundesgebiet ein Familienleben stattfindet, ist eine Verletzung von Art 8 EMRK durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ohne eingehendere Prüfung nicht von der Hand zu weisen. Die belangte Behörde ist auch nicht darauf eingegangen, warum nunmehr – ein Jahr nach der Haftentlassung – die sofortige Ausreise notwendig sei. Sie ist auch mit keinem Wort auf den Gesundheitszustand des BF eingegangen. Es wird aufgrund dessen auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, an welcher der BF auch persönlich zu erscheinen hat. Es ist der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil eine Einzelfallentscheidung vorliegt und das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung Teilerkenntnis ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2237861.1.00Im RIS seit
02.02.2021Zuletzt aktualisiert am
02.02.2021