TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/13 G302 2238442-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.01.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.01.2021

Norm

AVG §57 Abs1
BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2

Spruch


G302 2238442-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Manfred ENZI als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: China, zu
BFA-Zl. XXXX, zu Recht:

A)       Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde bzw. BFA) vom XXXX wurde über den chinesischen Staatsangehörigen XXXX, geb. XXXX (im Folgenden: BF), gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. l AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Am 08.01.2021 wurde der Akt von der belangten Behörde dem BVwG zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger Chinas, seine Muttersprach ist Mandarin. Bei ihm bestehen keine signifikanten gesundheitlichen Probleme; er ist uneingeschränkt haftfähig.

Der BF reiste im Jahr 2012 nicht rechtmäßig nach Österreich ein und hielt sich in weiterer Folge widerrechtlich im Bundesgebiet auf.

Am XXXX wies sich der BF im Zuge einer Personenkontrolle zum Beweis seiner Identität mit einem widerrechtlich erlangten Personalausweis aus. Der BF wurde am XXXX gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG festgenommen. Am selben Tag leitete das BFA, Regionaldirektion Oberösterreich, ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein und führte hierzu am selben Tag eine Einvernahme des BF durch. Im Zuge der Einvernahme brachte der BF vor, er sei 2012 aus der Slowakei kommend nach Österreich eingereist, bestreite in Linz seinen Unterhalt durch Schwarzarbeit und sei nicht versichert. Der BF stellte nach Beendigung der Einvernahme einen Antrag auf internationalen Schutz, aufgrund dessen seine Entlassung vom BFA angeordnet und das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingestellt wurde.

Der BF tauchte in weiterer Folge unter, entzog sich dem Zugriff der Behörde und wurde aus diesem Grund am XXXX das Verfahren auf internationalem Schutz gemäß § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt.


Der BF wurde am XXXX in einem Chinarestaurant in XXXX bei der Ausübung einer nicht gemeldeten Beschäftigung betreten und in weiterer Folge aufgrund nicht rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG festgenommen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX, Zl: XXXX, wurde über den BF die gegenständliche Schubhaft angeordnet. Der BF befindet sich seit XXXX in Schubhaft, die derzeit im AHZ Vordernberg vollzogen wird.

Am XXXX wurde der BF zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab, dass er in der Slowakei bis XXXX über einen Aufenthaltstitel verfügt habe, nachdem dieser jedoch nicht verlängert worden wäre, habe er sich entschieden nach Österreich einzureisen. Das slowakische Kontaktbüro teilte der belangten Behörde auf Anfrage mit, dass der BF in der Zeit von XXXX bis XXXX in der Slowakei einen gültigen Aufenthaltstitel hatte.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berucksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II) und wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Volksrepublik China zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 und 7 FPG wurde gegen ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.) und wurde einer allfälligen Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Da der BF gegen diesen Bescheid keine Beschwerde eingebracht hat, erwuchs dieser am XXXX in Rechtskraft. Die Rückkehrentscheidung mit dem Einreiseverbot ist somit rechtskräftig und damit faktisch durchsetzbar.

Der BF ist nicht gewillt, nach China auszureisen und besteht die Gefahr, dass er sich dem Verfahren entzieht, um eine Abschiebung zu verhindern. Insbesondere lebte der BF seit 2012 - abgesehen von einem Monat im Jänner 2015 - im Verborgenen, verfügt über keine Meldeadresse und hat sich dem Verfahren durch Untertauchen entzogen.

Der BF verfügt über kein Reisedokument, ist jedoch Staatsbürger der Volksrepublik China und kann das Bundesgebiet aus eigenem Entschluss nicht verlassen.

Der BF ist gesund, strafrechtlich unbescholten, ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und arbeitete „schwarz“.

Im Herkunftsstaat leben seine Ehefrau, sein Sohn sowie seine Mutter. Im Bundesgebiet leben laut eigenen Angaben des BF zwei Cousins. Der BF konnte jedoch keine genaueren Daten zu beiden Verwandten vorbringen. Er verfügt in Österreich über kein sonstiges soziales Netzwerk, keine finanziellen Mittel zur Existenzsicherung und keinen gesicherten Wohnsitz.

Der BF ist zur Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht bereit. Seinen nichtvorhandenen Rückkehrwillen brachte er durch entsprechende Angaben deutlich zum Ausdruck.

Das am 12.10.2020 bei der Botschaft der Volksrepublik China eingeleitete Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats (im Folgenden kurz: HRZ) wird von Seiten des BFA intensiv betrieben und zuletzt am 01.12.2020 und am 08.01.2021 urgiert, eine Antwort ist noch ausständig. Ungeachtet dessen weigert sich der BF beharrlich, bei der Beschaffung eines Ersatzreisedokuments mitzuwirken und seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen.

Von einer dauerhaften Unmöglichkeit der Rückführung des BF nach China kann nicht ausgegangen werden. Vielmehr ist es nach wie vor wahrscheinlich, dass eine zeitnahe Abschiebung nach China durchgeführt werden kann.

Sobald die Situation mit COVID-19 zu Ende ist, kann er nach Erhalt eines HRZ im Wege eines Charterfluges in seinen Heimatstaat abgeschoben werden, einer Abschiebung innerhalb der höchst zulässigen Schubhaftdauer steht aus aktueller Sicht somit kein Hindernis entgegen.

Aus der Sicht des erkennenden Gerichtes liegen die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft vor.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Risiko, der BF untertaucht, bevor ein Heimreisezertifikat ausgestellt und er anschließend abgeschoben wird, als schlüssig anzusehen und von massiver Fluchtgefahr auszugehen ist.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts.

Aufgrund der eigenen Angaben des BF sowie des Akteninhalts steht fest, dass er nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren möchte und nicht gewillt ist, sich der Rechtsordnung entsprechend zu verhalten. Er weigert sich nach der rechtskräftig abgeschlossenen Rückkehrentscheidung und dem fünfjährigem Einreiseverbot Österreich freiwillig zu verlassen


und in seinen Heimatstaat zurückzukehren. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass der BF am XXXX einen Antrag auf freiwillige Rückkehr stellte, diesen jedoch bereits am XXXX widerrief und angab, nicht freiwillig ausreisen zu wollen.

Dass der BF über keinen ordentlichen Wohnsitz verfügt, ist aus dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Auszuges aus dem Zentralen Fremdenregister (ZMR) ersichtlich.

Sein bisheriges Verhalten und seine Lebensweise lassen keine Zweifel daran, dass er in Österreich nicht integriert ist und dass er seine Freilassung nur dazu nützen wird, durch Untertauchen seiner Abschiebung zu entziehen.

Die Behörde ist zutreffend von einer hohen Fluchtgefahr des BF ausgegangen, was die Verhängung der Schubhaft und das Absehen eines gelinderen Mittels rechtfertigte. Der BF entzog sich seit seinem Antrag auf internationalem Schutz im Jänner 2015 über einen Zeitraum von mehreren Jahren dem weiteren Asylverfahren durch Untertauchen. Daraus ergab sich ebenso, dass dem im Jänner 2015 gestellten Antrag auf internationalen Schutz keine tatsächliche Schutzbedürftigkeit des BF zu Grunde lag, sondern dieser lediglich dazu diente, sich seiner Anhaltung und drohenden Außerlandesbringung zu entziehen.

Die Feststellungen zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats und zur mangelnden sozialen Verankerung in Österreich ergeben sich aus dem vorliegenden Behördenakt.

Die Anhaltung ist weiterhin verhältnismäßig, da der BF haftfähig ist und das Verfahren vom BFA effizient geführt wurde. Insbesondere besteht gegen den BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot. Die Ausstellung eines HRZ sowie die auch zeitnah durchführbare Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat nach Vorliegen des HRZ gelten weiterhin als sehr wahrscheinlich und auch tatsächlich möglich.

Es ist begründet zu erwarten, dass die Abschiebung jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Anhaltefrist erfolgen wird.

Zudem erweist sich, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des weiterhin rückkehrunwilligen BF durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des BF, insbesondere der mangelnden Vertrauenswürdigkeit, des wiederholten Untertauchens (ohne Bekanntgabe eines Wohnsitzes), der wiederholten Schwarzarbeit sowie einer mangelnden nachhaltigen sozialen Verankerung in Österreich nach wie vor als begründet. Der BF hat keine ernsthafte Bereitschaft gezeigt hat, trotz aufrechter Ausreiseverpflichtung von sich aus Österreich zu verlassen und in seinen Herkunftsstaat China zurückzukehren.

Ebenso ist die bloße Behauptung des BF in der Einvernahme vom XXXX, wonach er nach China zurückkehren möchte, weil er bereits seit über zehn Jahren von zu Hause weg sei, im Lichte der bereits angeführten Umstände nicht überzeugend, um die beabsichtigte Aufenthaltsbeendigung auch tatsächlich sichern zu können.

Die Feststellungen zu den aktuellen Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung der Corona-Pandemie basieren auf übereinstimmenden Medienberichten und den dazu erlassenen Vorschriften.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lauten:

„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(…)

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(…)

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(…)“

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom BVwG zu überprüfen. Mit der Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das BVwG hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Zur Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und verfügt über keine Berechtigung zur Einreise in das und zum Aufenthalt im Bundesgebiet.

Der BF verfügt über kein Reisedokument. An seiner chinesischen Staatsbürgerschaft bestehen keine Zweifel, sodass auch dahingehend mit keinem Hindernis zu rechnen ist.

Gegen den BF wurde am XXXX eine Rückkehrentscheidung samt fünfjährigem Einreiseverbot erlassen. Diese Entscheidung erwuchs am XXXX, da der BF kein Rechtsmittel ergriff, in erster Instanz in Rechtskraft.

Die Rückkehrentscheidung ist somit rechtlich wie faktisch durchsetzbar.

Da der BF in Österreich keine Familienangehörigen oder sonstige Bezugspersonen, keinen ordentlichen Wohnsitz bzw. niemanden hat, bei dem er längerfristig Unterkunft nehmen könnte, er ferner bis dato keiner legalen Beschäftigung nachging und auch über kein Barvermögen verfügt, mangelt es in seinem Fall an der gesicherten Existenz eines Wohnsitzes sowie der Sicherung seines Lebensunterhalts in Österreich. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft ist bei ihm zudem zu befürchten, dass er sich durch ein Absetzen ins Ausland dem Zugriff der österreichischen Fremdenbehörden entziehen wird. Dies ergibt insbesondere durch den am XXXX eingegangen Widerruf seines Antrages auf freiwillige Rückkehr in den Herkunftsstaat.

In Anbetracht dessen geht von ihm jedenfalls eine erhebliche Fluchtgefahr iSv § 76 Abs. 3 FPG aus, weshalb das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des BF überwiegt.

Die Annahme, wonach es sehr wahrscheinlich ist, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des weiterhin rückkehrunwilligen BF durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, erweist sich unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des BF, insbesondere der mangelnden Vertrauenswürdigkeit sowie seiner fehlenden sozialen Verankerung in Österreich nach wie vor als begründet. Der BF hat bislang keine Bereitschaft gezeigt hat, trotz aufrechter Ausreiseverpflichtung aus Österreich auszureisen und in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Voraussetzung für die Fortsetzung der Schubhaft ist, dass nach wie vor die Aussicht besteht, dass für ihn ein Heimreisezertifikat erlangt werden kann (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Zl. Ra 2016/21/0144).

Das Verfahren zur Abklärung der Identität des BF und zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) durch die zuständige Auslandsvertretungsbehörde, nämlich gegenständlich die Botschaft der Volksrepublik China, wird seitens des BFA effizient und nachhaltig geführt. Es haben sich keine Umstände ergeben, dass die Durchführbarkeit der Abschiebung innerhalb der gesetzlichen Schubhafthöchstdauer nicht möglich wäre, somit ist die Verhältnismäßigkeit der gegenständlichen Anhaltung zum Entscheidungszeitpunkt gegeben.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des Vorliegens von verstärkter Fluchtgefahr, nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (Durchführung der Abschiebung) zu erreichen.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt, dass das öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Die Schubhaft ist trotz der aktuellen Einschränkungen des internationalen Reiseverkehrs und der Aussetzung von Einzelrückführungen derzeit noch verhältnismäßig.

Der erkennende Richter geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand innerhalb der höchst zulässigen Schubhaftdauer auch erfolgen könnte.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Die andauernde Schubhaft kann daher – auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung – fortgesetzt werden, weshalb gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des


Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Ausreisewilligkeit Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft illegale Beschäftigung Mandatsbescheid Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Schwarzarbeit Sicherungsbedarf Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G302.2238442.1.00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten