TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/13 96/19/3376

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Veröffentlicht am 13.06.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs1;
ZustG §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerden 1.) der YK, 2.) des CK,

3.) der SK und 4.) der GK, alle in W, die erst- bis drittbeschwerdeführende Partei vertreten durch die Mutter ÜK, diese vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 30. September 1996, zu 1.) Zl. 104.156/3-III/11/94, zu

2.) Zl. 104.156/4-III/11/94, zu 3.) Zl. 104.156/5-III/11/94 und zu 4.) Zl. 104.156/2-III/11/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. einer Aufenthaltsbewilligung und gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 30. September 1996, zu 1.) Zl. 104.156/11-III/11/95, zu

2.) Zl. 104.156/10-III/11/95, zu 3.) Zl. 104.156/12-III/11/95, und zu 4.) Zl. 104.156/9-III/11/95, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.A. einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die angefochtenen Bescheide, Zlen. 104.156/3-III/11/94, 104.156/4-III/11/94, 104.156/5-III/11/94 und 104.156/2-III/11/94, werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt

S 6.490,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. In Ansehung der Bescheide Zlen. 104.156/11-III/11/95, 104.156/10-III/11/95, 104.156/12-III/11/95 und 104.156/9-III/11/95, werden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres jeweils vom 30. September 1996 wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien jeweils vom 24. Mai 1994 - der erstinstanzliche Bescheid betreffend die Beschwerdeführerin SK datiert vom 2. Juni 1994 - als verspätet zurückgewiesen.

Die Begründung der belangten Behörde lautet hinsichtlich dieser Bescheide in allen Beschwerdesachen:

"Berufungen sind gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 10.6.1994 erfolgte und ihre Berufung erst am 14.7.1994 und daher verspätet eingebracht wurde, war spruchgemäß zu entscheiden."

Weiters wurden mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres jeweils vom 30. September 1996 die Berufungen der Beschwerdeführer gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien jeweils vom 5. Mai 1995, womit ihre Anträge auf Wiedereinsetzung abgewiesen worden waren, abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete diese Abweisungen in allen Beschwerdefällen im wesentlichen damit, die von den Beschwerdeführern für die Fristversäumnis vorgebrachten Gründe, nämlich Renovierungsarbeiten in ihrer Wohnung, seien nicht geeignet, um von einem "unvorhergesehenen oder unabwendbaren" Ereignis zu sprechen.

Die Beschwerdeführer bekämpfen diese Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

1. Laut den in den Verwaltungsakten erliegenden Rückscheinen wurden die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien jeweils mit Rsb-Brief zugestellt. Beim Zustellversuch am 9. Juni 1994 wurden (gleichlautende) Verständigungen über die Hinterlegung beim Postamt 1050 Wien mit Beginn der Abholfrist 10. Juni 1994 an der Abgabestelle (Hausbrieffach) zurückgelassen.

Die Beschwerdeführer haben in ihren Berufungen (gleichlautend) vorgebracht, ihre Wohnung in 1050 Wien "im Monat Juni 1994 nicht benutzt" zu haben, "weil darin Renovierungsarbeiten duchgeführt wurden". Die belangte Behörde unterließ es, auf dieses Berufungsvorbringen (Ortsabwesenheit im Zeitpunkt der Hinterlegung der angefochtenen Bescheide, Qualifikation dieser Wohnung als Abgabestelle) in den Bescheiden, mit denen die Berufungen als verspätet zurückgewiesen wurden, auch nur mit einem Wort einzugehen. Es fällt ihr daher ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 67 AVG zur Last, weshalb ihre Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben waren.

2. § 71 Abs. 1 AVG lautet:

"Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. ..."

Die Abweisung der Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist kann nicht als rechtswidrig erkannt werden:

Unter der Annahme einer Rechtsunwirksamkeit der Zustellung durch Hinterlegung konnte der Fristenlauf zur Erhebung der Berufungen nicht in Gang gesetzt werden, sodaß eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist schon rein begrifflich ausscheidet.

Unter der Annahme der rechtswirksamen Zustellung durch Hinterlegung gilt, daß die lapidare Behauptung der Durchführung von Renovierungsarbeiten, auch aufgrund eines Wasserrohrbruches, ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die jedoch weder im Wiedereinsetzungsantrag noch in der Beschwerde dargetan wurden, ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG nicht zu begründen vermag. Die Durchführung der genannten Arbeiten hätte - bei vernünftiger Zeiteinteilung unter Anlegung eines zumutbaren Sorgfaltsmaßstabes - die Partei nicht gehindet, die Berufungsfrist (durch Beachtung der Hinterlegungsanzeigen, Abholung der hinterlegten Sendungen und fristgerechte Erhebung der Berufung) einzuhalten.

Die Beschwerden waren infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich jeweils auf die §§ 47 ff, insbesondere § 52 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Beschwerdeführer haben insgesamt S 12.980,-- für Schriftsatzaufwand und Stempelgebührenersatz verzeichnet, die belangte Behörde hat Kostenersatz lediglich in der Höhe von S 565,-- für den Vorlageaufwand verzeichnet.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über die Anträge, den Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996193376.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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