Entscheidungsdatum
22.01.2021Index
32/01 Finanzverfahren, allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §6Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Stöbich auf Grund des Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 06.10.2020 über die Beschwerde des Herrn AA, **** Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y vom 30.06.2020, Zl ***, mit dem eine Freizeitwohnsitzabgabe nach dem Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetz (TFWAG) vorgeschrieben wurde,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde der Gemeinde Y vom 30.06.2020, Zl ***, behoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Entscheidungswesentlicher Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y vom 30.06.2020, Zl ***, wurde gegenüber Herrn AA für das Objekt auf GP **1, KG Y, welches sich im „Eigentum/Miete von AA und BB befindet“ und eine Wohnfläche von 60,4 m² aufweist, die Freizeitwohnsitzabgabe (für den nicht ausdrücklich angeführten Abgabenzeitraum Kalenderjahr 2020) mit einem Betrag von Euro 500,00 festgesetzt. Eine Bescheiderlassung gegenüber Frau BB erfolgte nicht.
In der Begründung des Abgabenfestsetzungsbescheides wurde ausgeführt, dass das angeführte Objekt im Freizeitwohnsitzverzeichnis der Gemeinde Y aufscheine und auch tatsächlich als Freizeitwohnsitz verwendet würde. Der Freizeitwohnsitz sei mit Bescheid vom 25.07.1996 genehmigt worden. Der Abgabenpflichtige sei bereits zweimal darauf hingewiesen worden, dass es sich bei der Freizeitwohnsitzabgabe um eine sogenannte Selbstberechnungsabgabe handle. Die Abgabe sei jedoch nicht entrichtet worden und hätte daher ein Festsetzungsbescheid erlassen werden müssen.
Mit Schriftsatz vom 03.08.2020 erhoben Herr AA und Frau BB Beschwerde gegen diesen Abgabenfestsetzungsbescheid. Seitens der Beschwerdeführer wurde der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs 1 lit c Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetz geltend gemacht. Beim gegenständlichen Objekt handle es sich um eine Wohnung mit acht Betten. Das Objekt sei in den 1950er Jahren errichtet worden und werde von den Beschwerdeführern während des Jahres jeweils kurzzeitig an wechselnde Personen vermietet. Dies sei der belangten Behörde bekannt. Die Beschwerdeführer seien auch Mitglied beim TVB X und würden sämtliche Ortstaxen beim Tourismusverband ordnungsgemäß abgeführt.
Aus einem im Abgabenakt befindlichen Schreiben des Tourismusverbandes X vom 01.04.2020 an den Bürgermeister der Gemeinde Y ergibt sich, dass das Objekt von Frau BB und Herrn AA über das ganze Jahr regelmäßig touristisch vermieten würden und auch die Ortstaxe an den TVB X abgeführt werde.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 06.10.2020, welche an Herrn AA und an Frau BB adressiert war, wies der Bürgermeister der Gemeinde Y die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass das angeführte Objekt mit Bescheid vom 25.07.1996 als Freizeitwohnsitz genehmigt worden sei. Aus den Ausführungen der Beschwerdeführer gehe auch hervor, dass das Gebäude als Freizeitwohnsitz genutzt werde. Das Objekt scheine auch im Freizeitwohnsitzverzeichnis der Gemeinde auf. Das Gebäude in Adresse 1 werde auch von den Eigentümern als Freizeitwohnsitz genutzt und nicht ausschließlich zur Vermietung verwendet. Es sei als Widerspruch anzusehen, wenn einerseits mit der beantragten Aufnahme in das Freizeitwohnsitzverzeichnis Vorteile genutzt würden und andererseits eine Ausnahme verlangt würde, sobald Kosten anfielen. Es sei auch als Umgehungshandlung anzusehen, wenn jemand eine gewisse Anzahl an Gästebetten melde, diese kurzzeitig vermiete und damit von der Freizeitwohnsitzabgabe befreit sei. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes könnten Zweitwohnsitz- und Fremdverkehrsabgaben grundsätzlich auch nebeneinander erhoben werden und stelle daher die Entrichtung der Fremdverkehrsabgabe an den Tourismusverband X keinen Befreiungstatbestand dar. Eine Ausnahme im Zusammenhang mit der Vermietung könne lediglich dann vorliegen, wenn ausschließlich eine Vermietung stattfände und keine eigene Benützung durch die Eigentümer erfolge.
Mit Schreiben vom 27.10.2020 wurde von Herrn AA sowie von Frau BB innerhalb offener Frist ein Vorlageantrag gestellt. In diesem wurde darauf hingewiesen, dass die Aufnahme in das Freizeitwohnsitzverzeichnis von den Vorbesitzern und nicht von den Beschwerdeführern begehrt worden sei. Aufgrund der vorhandenen Bausubstanz und der vorhandenen Infrastruktur sei eine ganzjährige Bewohnung des Gebäudes nicht möglich, sodass nur eine Widmung als Freizeitwohnsitz möglich sei. Diese Rechtsmeinung der Beschwerdeführer sei der belangten Behörde bereits mit E-Mail vom 21.04.2020 mitgeteilt worden. Die belangte Behörde habe entsprechend dem Legalitätsprinzip das Gesetz umzusetzen und betreffe dies auch die in § 2 normierten Ausnahmen. Der Gesetzgeber hätte in § 2 Abs 1 lit c Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetz auch das Wort „ausschließlich“ einfügen können, womit die Rechtslage klar zu Gunsten der belangten Behörde wäre. Es läge jedenfalls eine Ausnahme im Sinn des § 2 Abs 1 lit c leg cit. vor. Im Gesetzestext finde sich weder das Wort „ausschließlich“ noch das Wort „überwiegend“ oder sonst eine Formulierung, wonach der Eigentümer sein Objekt nicht auch einmal selbst benutzen dürfe bzw eine gewisse Mindestanzahl an Vermietungen stattfinden müsse.
Mit Schreiben vom 18.11.2020 wurde der Abgabenakt mit dem Ersuchen um Bearbeitung der Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorgelegt. Dieses richtete nachfolgendes Schreiben vom 10.12.2020 an den Bürgermeister der Gemeinde Y:
„Mit Schreiben vom 18.11.2020 wurde von Ihnen unter Bezugnahme auf eine Beschwerde von Herrn AA und Frau BB im Zusammenhang mit der Vorschreibung einer Freizeitwohnsitzabgabe (Bescheid vom 30.06.2020, Zl ***) der Abgabenakt mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.
Dem Abgabenakt ist zu entnehmen, dass der Festsetzungsbescheid vom 30.06.2020 (lediglich) an Herrn AA gerichtet war.
Mit Schriftsatz vom 03.08.2020 wurde von Herrn AA und von Frau BB Beschwerde erhoben. In dieser wird der Befreiungstatbestand des
§ 2 Abs 1 lit c Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetz (Befreiungsbestimmung für Ferien-wohnungen) geltend gemacht.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 06.10.2020, welche an beide Beschwerdeführer gerichtet ist, wurde die Beschwerde somit als unbegründet abgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 27.10.2020 wurde von den Beschwerdeführern ein Vorlageantrag gestellt. Darin wurde im Wesentlichen nochmals vorgebracht, dass die Befreiungsbestimmung auch dann anzuwenden sei, wenn der Eigentümer das Objekt, welches an Dritte vermiete, auch einmal selbst benutze.
Der gegenständliche Sachverhalt erweist sich dennoch klärungsbedürftig. Es wird daher ersucht, innerhalb einer Frist von 10 Tagen zu nachfolgenden Fragen schriftlich Stellung zu nehmen:
1. Aus dem Akt bw einem vom Landesverwaltungsgericht eingeholten Grundbuchsauzug geht hervor, dass Herr AA und Frau BB Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Objektes Gst Nr **1, auf dem sich der Freizeitwohnsitz befindet, sind. Gemäß § 3 Abs 1 zweiter Satz Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetz schulden Miteigentümer die Abgabe zu ungeteilten Hand. Es wird nunmehr um Mitteilung gebeten, weshalb der Abgabenfestsetzungsbescheid vom 30.06.2020 nur an Herrn AA gerichtet war.
2. Aufklärungsbedürftig ist auch die konkrete Nutzung des gegenständlichen Objekts. Laut einem E-Mail des Tourismusverbandes X an die Gemeinde Y vom 01.04.2020 wurde das Objekt über das ganze Jahr regelmäßig touristisch vermietet und wurde auch die Ortstaxe an den TVB entrichtet. Es wird nunmehr um Mitteilung ersucht, in welchem Ausmaß (an welchen Tagen/Wochen) das Objekt im Jahr 2020 (bzw auch im Jahr 2019) vermietet war bzw zu welchen Zeiten es nicht vermietet war (und den Eigentümern grundsätzlich zur eigenen Nutzung zur Verfügung gestanden ist) bzw zu welchen Zeiten das Haus regelmäßig gar nicht genützt wird. (Laut Vorlageantrag sei auf Grund der Bausubstanz und der vorhandenen Infrastruktur eine ganzjährige Nutzung gar nicht möglich.)“
Mit Antwortschreiben vom 21.12.2020 wurde vom Bürgermeister der Gemeinde Y Bezug nehmend auf dieses Schreiben mitgeteilt, dass sämtliche bisher an die Grundbesitzer gerichteten Schreiben an Herrn A ergangen seien, was bis dato nie zu Problemen geführt habe. Die Grundbesitzverhältnisse seien vor Bescheiderstellung nicht geprüft worden.
Weiters wurde auch eine Bestätigung des Tourismusverbandes X über die Nächtigungszahlen von „A/B“ für die Jahre 2019 und 2020 übermittelt. Die Abgabenbehörde führte dazu aus, dass es sich dabei „nur“ um Monatssummen handle. Eine genaue Auflistung der Vermietungstage hätte nicht ausgestellt werden können, da dies mit dem in Verwendung stehenden Computerprogramm anscheinend nicht möglich sei. Die restliche Zeit des Jahres sei das Haus den Eigentümern zur Eigenbenützung zur Verfügung gestanden. Aufzeichnungen, zu welchen Zeiten eine regelmäßige Nutzung stattgefunden hätte, könnten keine gemacht werden. Es sei auch nicht bekannt, zu welchen Zeiten eine Nutzung nicht möglich gewesen sein soll.
In der angeschlossenen „Bettenauslastung“ scheinen für den Zeitraum 01.01.2019 bis 31.12.2019 insgesamt 249 Nächtigungen und für den Zeitraum 01.01.2020 bis 15.12.2020 insgesamt 262 Nächtigungen auf. Hinsichtlich des Jahres 2019 wurden 85 Ankünfte ausgewiesen, hinsichtlich des Jahres 2020 35 Ankünfte. Die Nächtigungen des Jahres 2020 erfolgten im Juni (46), im Juli (110) und im August (106). Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer ist im Jahr 2020 mit 7,5 Tagen ausgewiesen.
II. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde übermittelten Abgabenakt sowie in den Schriftverkehr mit der Abgabenbehörde.
III. Rechtslage:
Gegenständlich sind insbesondere folgende Rechtsvorschriften entscheidungsrelevant:
Freizeitwohnsitzabgabegesetz – TFWAG, LGBl 79/2019 idF 46/2020:
§ 3Abgabenschuldner(1) Abgabenschuldner ist der Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der Freizeitwohnsitz befindet. Miteigentümer schulden die Abgabe zur ungeteilten Hand; dies gilt nicht im Fall von Wohnungseigentum.
(2) Abweichend vom Abs. 1 ist bei Freizeitwohnsitzen auf fremdem Grund der Eigentümer des Freizeitwohnsitzes, im Fall eines Baurechtes der Bauberechtigte Abgabenschuldner.
(3) Wird ein Freizeitwohnsitz unbefristet oder für einen längeren Zeitraum als einem Jahr an ein und dieselbe Person vermietet, verpachtet oder sonst überlassen, so ist der Inhaber des Freizeitwohnsitzes Abgabenschuldner. Der Eigentümer bzw. Bauberechtigte haftet neben dem Inhaber des Freizeitwohnsitzes als Gesamtschuldner.
(4) Änderungen in Bezug auf die Person des Abgabenschuldners sind von diesem der Gemeinde binnen eines Monats ab dem Eintritt der Änderung zu melden.
§ 2Ausnahmen(1) Nicht als Freizeitwohnsitze im Sinn des Gesetzes gelten:
(…)
c)
Gebäude mit höchstens drei Wohnungen mit insgesamt höchstens zwölf Betten, die während des Jahres jeweils kurzzeitig an wechselnde Personen vermietet werden (Ferienwohnungen); entsprechende Neubauten, für die die Baubewilligung erst nach dem 1. Februar 1996 rechtskräftig erteilt worden ist, gelten jedoch nur dann nicht als Freizeitwohnsitze, wenn der Vermieter der Ferienwohnungen im betreffenden Gebäude seinen Hauptwohnsitz hat; Ferienwohnungen in Gebäuden, die in einem räumlichen Naheverhältnis stehen und eine einheitliche Gesamtplanung aufweisen, sind zusammenzuzählen,
Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl Nr 194/1961:
§ 6
(1) Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, sind Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB.).
(2) Personen, die gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind, sind ebenfalls Gesamtschuldner; dies gilt insbesondere auch für die Gesellschafter (Mitglieder) einer nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähigen Personenvereinigung (Personengemeinschaft) hinsichtlich jener Abgaben, für die diese Personenvereinigung (Personengemeinschaft) als solche abgabepflichtig ist.
§ 20
Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.“
§ 93
(1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.
(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
(3) Der Bescheid hat ferner zu enthalten
a) eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;
(…)
IV. Erwägungen:
Gemäß § 5 Abs 1 TFWAG entsteht der Abgabenanspruch hinsichtlich der Freizeitwohnsitzabgabe abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen jeweils mit Beginn des Kalenderjahres.
Nach § 3 Abs 1 TFWAG ist Abgabenschuldner der Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der Freizeitwohnsitz befindet. Miteigentümer schulden die Abgabe zur ungeteilten Hand; dies gilt nicht im Fall von Wohnungseigentum.
Das verfahrensgegenständliche Baugrundstück Gst **1, KG Y, steht im gemeinsamen Eigentum des Herrn AA und Frau BB (jeweils Hälfteeigentümer). Damit sind grundsätzlich beide Abgabenschuldner der Freizeitwohnsitzabgabe.
Im Falle eines Gesamtschuldverhältnisses, bei dem – wie auch gegenständlich gegeben - zwei Schuldner ein und dieselbe Leistung schulden, liegt die Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern im Auswahlermessen der Abgabenbehörde (vgl VwGH 17.11.1993, 93/17/0084; uva). Es liegt daher im Ermessen der Behörde, ob sie die Abgabenfestsetzung und Vorschreibung nur an einen der Gesamtschuldner, und an welchen konkreten Gesamtschuldner richten will, oder an mehrere Gesamtschuldner oder überhaupt an alle Gesamtschuldner (vgl VwGH 17.10.2002, 2000/17/0099; ua).
Anders als nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, wonach die Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern im Belieben des Gläubigers liegt, liegt es im Abgabenrecht sohin im Ermessen der Behörde, ob sie das Leistungsgebot nur an einen, an mehrere oder an alle Gesamtschuldner richten will (VwGH 17.10.2002, 2000/17/0009; VwGH 30.01.2007, 2004/17/0096, vgl Ritz, BAO5, § 6, Rz 6).
Die Behörde muss daher, wenn sie bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses nicht alle Gesamtschuldner in Anspruch nehmen will, eine Ermessensentscheidung treffen (vgl VwGH 28.11.2011, 2008/13/0180; VwGH 23.05.2012, 2008/17/0115).
Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (sog. Ermessensentscheidungen), müssen sich gemäß § 20 BAO in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (VwGH 26.06.2003, 2002/16/0301). Bei der Auslegung des § 20 BAO ist dabei dem Gesetzesbegriff „Billigkeit“ die Bedeutung von Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei sowie dem Begriff „Zweckmäßigkeit“ das öffentliche Interesse insbesondere an der Einbringung der Abgaben beizumessen. Bei der Ermessensübung sind das Wesen und der Zweck von Gesamtschuldverhältnissen zu beachten. Auch wenn durch vertragliche Vereinbarungen zwischen Gesamtschuldnern die Abgabenpflicht eines Gesamtschuldners nicht ausschließbar ist, wäre doch ein allenfalls gegebenes Innenverhältnis für die Ermessensübung von Bedeutung (vgl Ritz, BAO6,
§ 6, Rz 8 ff).
Wird bei einem Gesamtschuldverhältnis nur einer von mehreren Gesamtschuldnern von der Abgabenbehörde in Anspruch genommen, so ist eine diesbezüglich erfolgte Ermessensentscheidung von der Abgabenbehörde entsprechend zu begründen (vgl VwGH 24.10.2012, 2011/17/0245). Dabei hat eine solche zwingend gebotene Begründung die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen so weit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (VwGH 21.02.2007, 2002/17/0355; Ritz, BAO6, § 20, Rz 13 und § 21 BAO).
Im gegenständlich bekämpften Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y wird nicht begründet, warum die Freizeitwohnsitzabgabe nur gegenüber Herrn AA vorgeschrieben wurde.
In der Beschwerdevorentscheidung werden Herr AA und Frau BB – offenbar auf Grund der Erhebung der Beschwerde durch beide Grundeigentümer – als Bescheidadressaten angeführt.
Auf Vorhalt des Landesverwaltungsgerichtes teilte der Bürgermeister der Gemeinde Y mit, dass man an die Grundbesitzer gerichtete Schreiben bislang stets an Herrn A gerichtet und dies nie zu Problemen geführt habe. Deshalb sei der Ausgangsbescheid nur an ihn ergangen. Damit trat zutage, dass seitens der belangten Behörde in Bezug auf die Inanspruchnahme der Gesamtschuldner wohl gar keine Ermessenentscheidung erfolgt ist. Dieser Umstand belastet den bekämpften Bescheid mit Rechtswidrigkeit. Es war daher bereits aus diesem Grund der angefochtene Bescheid aufzuheben.
Ergänzend ist in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungsbefugnis im Rechtsmittelverfahren – wie der VwGH in ständiger Judikatur ausführt - auf die „Sache“, die den Inhalt des Spruches des bekämpften Bescheides gebildet hat, beschränkt ist. Die Einbeziehung von Frau BB als Abgabenschuldnerin im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung stellt eine nicht zulässige Erweiterung des Abgabenschuldverhältnisses dar (vgl VwGH 17.11.1988, 87/16/0147; 30.07.1992, 90/17/0333). Insofern ist keine Sanierung des aufgezeigten Verfahrensmangels erfolgt. Im fortgesetzten Verfahren erscheint daher die Inanspruchnahme beider Grundeigentümer als Abgabenschuldner im Ausgangsbescheid zielführend.
In Bezug auf die von den Beschwerdeführern geltend gemachte Ausnahmebestimmung
(§ 3 Abs 1 lit c TVWAG) sei festgehalten, dass sich die Abgabenbehörde (nochmals) mit der konkreten Nutzung des Objektes auseinandersetzen wird müssen. Dem von der Abgabenbehörde angeführten Bescheid vom 25.07.1996 (über die Genehmigung eines Freizeitwohnsitzes nach § 15 Abs 1 Tiroler Raumordnungsgesetz) kommt in diesem Zusammenhang lediglich Indizcharakter zu. Die Ausnahmeregelung des § 2 Abs 1 lit c leg cit stellt auf Gebäude mit höchstens drei Wohnungen und insgesamt 12 Betten ab, die während des Jahres jeweils kurzzeitig an wechselnde Personen vermietet werden (Ferienwohnungen). Soweit die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf verweisen, dass diese Ausnahme auf sie jedenfalls zutreffe, sei festgehalten, dass Ausnahmeregelungen grundsätzlich restriktiv auszulegen sind, sodass eine Eigennutzung der Ferienwohnung (zu Erholungszwecken), sofern sie nicht nur völlig untergeordnet ist, ungeachtet einer von den Beschwerdeführern geforderten näheren legistischen Determinierung nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes der Inanspruchnahme der Befreiungsbestimmung gem § 3 Abs 1 lit c TVWAG entgegensteht.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Dazu wird insbesondere auf die in dieser Entscheidung angeführte höchstgerichtliche Rechtsprechung verwiesen.
Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Belehrung und Hinweise
Den Parteien des Beschwerdeverfahrens steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Landesverwaltungsgericht Tirol dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer abzufassen und einzubringen.
Beschwerdeführenden Parteien und den im Beschwerdeverfahren Beigetretenen steht weiters das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, entfällt die Eingabengebühr und es wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bestellt, die oder der den Schriftsatz verfasst.
Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.
Die für eine allfällige Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabengebühr beträgt gemäß § 17a Verfassungsgerichtshofgesetz und § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz
Euro 240,00.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Stöbich
(Richter)
Schlagworte
Gesamtschuldner;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2020.20.2551.2Zuletzt aktualisiert am
01.02.2021