TE Bvwg Beschluss 2020/6/25 W273 2235097-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2020
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Entscheidungsdatum

25.06.2020

Norm

BVergG 2018 §12 Abs1
BVergG 2018 §2 Z15
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §344 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W273 2235097-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Isabel FUNK-LEISCH als Einzelrichterin über den Antrag der XXXX , vertreten durch Stolz & Weiglhofer-Russegger Rechtsanwälte GmbH, Schernbergstraße 19, 5550 Radstadt betreffend das Verfahren "2325 Himberg, Brauhausgasse 34, Medizinische Universität Wien, ALG Himberg, Neubau Laborgebäude mit Tierhaltung - MSR-Installationsarbeiten" der Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. Trabrennstraße 2c 1020 Wien1,

A)

I. Die Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, „dass das Vergabeverfahren 2325 Himberg, Brauhausgasse 34, medizinische Universität Wien, ALG Himberg, Neubau Laborgebäude mit Tierhaltung bzw. die Zuschlagserteilung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren bei sonstiger Exekution im Sinne einer Fortlaufshemmung ausgesetzt wird; bzw. bei Nichtstattgebung dieses Antrages, … dass der Lauf der Stillhaltefrist des Vergabeverfahrens 2325 Himberg, Brauhausgasse 34, medizinische Universität Wien, ALG Himberg, Neubau Laborgebäude mit Tierhaltung, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren bei sonstiger Exekution im Sinne einer Fortlaufshemmung ausgesetzt wird“ werden abgewiesen.

II. Dem Antrag „dass der Bundesimmobiliengesellschaft mbH bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren bei sonstiger Exekution untersagt wird, den Zuschlag zu erteilen“, wird stattgegeben.

Das Bundesverwaltungsgericht untersagt der Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H im Vergabeverfahren "2325 Himberg, Brauhausgasse 34, Medizinische Universität Wien, ALG Himberg, Neubau Laborgebäude mit Tierhaltung - MSR-Installationsarbeiten", für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, den Zuschlag zu erteilen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Vorbringen der Parteien

1. Mit Schriftsatz vom 16.09.2020 stellte die XXXX (im Folgenden „die Antragstellerin“) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 07.09.2020 im Vergabeverfahren „2325 Himberg, Brauhausgasse 34, Medizinische Universität Wien, ALG Himberg, Neubau Laborgebäude mit Tierhaltung" hinsichtlich Los „MSR-Installationsarbeiten“ (im Folgenden auch „das Vergabeverfahren“) der Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H., Trabrennstraße 2c, 1020 Wien (im Folgenden auch „die Auftraggeberin“). Die Antragstellerin beantragte, ihr Akteneinsicht zu gewähren, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und der Auftraggeberin den Ersatz der von der Antragstellerin entrichteten Pauschalgebühren aufzutragen.

2. Die Antragstellerin verband ihre Anträge mit dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens wie im Spruch ersichtlich.

3. Am 16.09.2020 verständigte das Bundesverwaltungsgericht die Auftraggeberin und die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin, XXXX (im Folgenden auch „die präsumptive Zuschlagsempfängerin“) von der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens.

3. Mit Schriftsatz vom 21.09.2020 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren und übermittelten dem Bundesverwaltungsgericht einen elektronischen Zugang zu den Unterlagen des Vergabeverfahrens. Die Auftraggeberin beantragte, Kalkulationsunterlagen und Leistungsverzeichnisse der Mitbewerber von der Akteneinsicht auszunehmen.

4. Mit Schriftsatz vom 25.09.2020 erstattete die Auftraggeberin ergänzendes Vorbringen zum gesamten Antragsvorbringen und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge sämtliche Anträge der Antragstellerin mit einem Begehren, das über das gerade noch gelindeste Mittel im Sinne des § 351 Abs 3 BVergG 2018 hinausgeht, abweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Mit Bekanntmachung vom 17.06.2019 schrieb die Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H als Auftraggeberin den Auftrag "2325 Himberg, Brauhausgasse 34, Medizinische Universität Wien, ALG Himberg, Neubau Laborgebäude mit Tierhaltung ", (ANKÖ Dokument ID: 75374) aus. Ausgeschrieben wurde das Los “ MSR-Installationsarbeiten“. Es handelt sich um einen Bauauftrag im Oberschwellenbereich. Das Vergabeverfahren wurde als offenes Verfahren geführt (Allgemeine Auskünfte der Auftraggeberin).

2. Am 30.07.2020 fand die elektronische Angebotsöffnung statt. Es wurden drei Angebote abgegeben (Vergabeakt, Allgemeine Auskünfte der Auftraggeberin). Die Antragstellerin gab ein Angebot ab.

3. Am 07.09.2020 wurde über die Plattform XXXX die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der XXXX an alle Bieter bekannt gegeben (Allgemeine Auskünfte der Auftraggeberin, Vergabakt).

4. Die Antragstellerin entrichtete Pauschalgebühren in Höhe von EUR 9.723,00 (Vergabeakt).

5. Die Auftraggeberin hat das Vergabeverfahren nicht widerrufen und den Zuschlag noch nicht erteilt (Allgemeine Auskünfte der Auftraggeberin).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich jeweils aus den in Klammer genannten Beweismitteln. Diese wurden von den Verfahrensparteien vorgelegt und von der jeweils anderen Seite weder bestritten noch angezweifelt. Sie sind daher als echt und richtig anzusehen. Widersprüche traten nicht auf.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zur Zulässigkeit des Antrages

3.1.1. Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 328 Abs 1 Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327 BVergG 2018, soweit es sich nicht um die um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über den oben wiedergegebenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.1.2. Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. Sie ist öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018. Nach den Angaben der Auftraggeberin liegt der geschätzte Auftragswert aller Lose über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 BVergG 2018, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt. Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 7 BVergG 2018 um einen Bauauftrag. Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Da das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

3.1.3. Das Bundesverwaltungsgericht geht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Die Zuschlagsentscheidung ist im offenen Verfahren eine gesondert anfechtbare Entscheidung des Auftraggebers gemäß § 2 Z 15 lit a sublit aa BVergG 2018. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Abschluss des Vertrages mit der Auftraggeberin durch Abgabe eines bindenden Angebots nachgewiesen. Die Antragstellerin brachte Kosten für die Teilnahme am Vergabeverfahren vor, die im Fall des rechtswidrigen Ausscheidens ihres Angebotes frustriert wären. Überdies würden der Antragstellerin durch den Verlust des Auftrages Umsatz- und Gewinneinbußen drohen.

Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde in entsprechender Höhe entrichtet (§ 340 Abs 1 Z 1, 3, 4 und 5 BVergG iVm §§ 1 und 2 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018).

3.2. Inhaltliche Beurteilung des Antrages

3.1. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ergeben sich aus § 351 BVergG 2018, der lautet:

„Erlassung der einstweiligen Verfügung

§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.“

3.2. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Erteilung des Zuschlags beabsichtigt ist.

Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin vorgebrachten Rechtswidrigkeiten in Bezug auf die die Zuschlagsentscheidung (Fehlen einer Unterschrift auf dem Angebot der Antragstellerin, Vorliegen eines Ausscheidensgrundes) zutreffen und sie daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihr auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Hinzu kommt, dass in diesem Fall die von der Antragstellerin für die Teilnahme am Vergabeverfahren bislang aufgewendeten Kosten frustriert wären.

Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens der frustrierten Aufwendungen für die Teilnahme am Vergabeverfahren und im Erhalt des Auftrags.

Die Auftraggeberin beantragte, bei der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die gelindeste noch zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen und sprach sich im Übrigen nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus.

Bei der Interessenabwägung ist auch auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208- 1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich, dass gemäß § 329 Abs 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).

3.3. Stellt man im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen der Auftraggeberin gegenüber, ergibt sich, dass vom Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags wäre die Auftraggeberin verpflichtet gewesen, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen.

Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht zu prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Richtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor.

Die von der Antragstellerin vorgebrachten Rechtsverletzungen sind jedenfalls inhaltlich zu prüfen, weil die Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung den Hauptgegenstand des Nachprüfungsverfahrens darstellt. Diese Fragen können angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließen geklärt werden (zB BVA 14. 11. 2012, N/0103- BVA/10/2012-EV12; 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8).

Die Interessenabwägung führt im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass die Interessen der Antragstellerin an der Beseitigung der geltend gemachten Rechtswidrigkeiten, der Abwendung des drohenden Schadens und der Beteiligung an einem rechtskonform geführten Vergabeverfahren gegenüber den Interessen der Auftraggeberin an der raschen Erteilung des Zuschlags überwiegen. Öffentliche Interessen, die eine sofortige Zuschlagserteilung erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich.

3.4. Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

Bei der bevorstehenden Zuschlagserteilung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 329 Abs 3 BVergG die vorläufige Untersagung derselben (zB BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E; 17. 11. 2017, W187 2175977-1/3E; 10. 4. 2018, W187 2190113-1/3E).

Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E; 27. 2. 2018, W187 2186439-1/2E).

Die übrigen Anträge der Antragstellerin waren wie im Spruch ersichtlich abzuweisen, weil die Aussetzung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber in unverhältnismäßiger Weise einschränken würde. Ein Aussetzen der gesetzlich angeordneten Stillhaltefrist scheidet zudem als Maßnahme von vornherein aus. Der Antrag auf Untersagung der Zuschlagserteilung an die präsumtive Zuschlagsempfängerin wurde für den Fall der Abweisung des Antrags auf Untersagung der Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren gestellt und war mit der Untersagung der Zuschlagserteilung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens nicht mehr verfahrensgegenständlich.

3.5. Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit und legt im Gegensatz zu den Vorgängerbestimmungen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).

Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.

3.2. Inhaltliche Beurteilung des Antrages

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der unter Punkt. 3 zu Spruchpunk A) zitierten bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aussetzung Bauauftrag Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Fortlaufshemmung gelindeste Maßnahme gelindestes Mittel Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen Provisorialverfahren Schaden Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren Zuschlagsverbot für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:2235097.1.00

Im RIS seit

01.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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