Entscheidungsdatum
13.07.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G313 2227171-8/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, zu Recht:
A) Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX reiste unbekannten Datums nach Österreich ein, wobei er am XXXX .2019 gemeinsam mit seinen drei Cousins nach Italien ausreisen wollte.
2. Am XXXX .09.2019 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) über den oben genannten betroffenen Fremden (im folgenden kurz BF) gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung mit XXXX .09.2019, XXXX Uhr verhängt, die derzeit im Anhaltezentrum in XXXX vollzogen wird.
3. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.01.2020, 12.02.2020, und 12.03.2020, und 09.04.2020, 30.04.2020, 25.05.2020 und zuletzt nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.06.2020 wurde nach Wiedervorlage gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG neuerlich festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei.
4. Am 13.07.2020 folgte nunmehr die verfahrensgegenständliche Aktenvorlage zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung des BF in Schubhaft.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Der BF reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal ins Bundesgebiet ein und wollte am XXXX .09.2019 mit dem internationalen Reisezug nach Italien ausreisen. Er wurde in weiterer Folge am Hauptbahnhof in XXXX im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle von Polizeibeamten festgenommen. Am XXXX .09.2019, um XXXX Uhr wurde die verfahrensgegenständliche Schubhaft verhängt, die derzeit im Anhaltezentrum in XXXX vollzogen wird.
Mit Bescheid des BFA vom XXXX .09.2019 wurde gegen den Schubhäftling eine Rückkehrentscheidung nach Pakistan erlassen, die Abschiebung für zulässig erklärt und ein 18- monatiges Einreiseverbot erlassen.
2. Am 13.11.2019 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, der in zweiter Instanz rechtskräftig negativ entschieden und die Ausweisung verfügt wurde.
3. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der Botschaft der Islamischen Republik Pakistan wurde eingeleitet und wird vom BFA regelmäßig betrieben. Am XXXX .2020 wurde ein HR Verfahren mit Pakistan gestartet und wurde am XXXX .2020 und zuletzt am XXXX .2020 urgiert.
4. Der BF hat keine Familienangehörigen im Bundesgebiet und war in Österreich nicht erwerbstätig. Er hat keine nennenswerten Anknüpfungspunkte zu Österreich und verfügte außer in polizeilichen Anhaltezentren über keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet. Er hat keine Barmittel und brachte weder im Asylverfahren noch später ein Dokument zum Nachweis seiner wahren Identität und Staatsangehörigkeit in Vorlage. Er befand sich beim Aufgriff auf dem Weg nach Italien. Bei der Festnahme gab XXXX an, gemeinsam mit seinen Cousins nach Italien reisen zu wollen, da er dort wohnen wolle. Er wisse überhaupt nicht warum er sich in Österreich befinde. Der BF ist nicht rückkehrwillig und ist auch nicht bereit an der Ausstellung eines Reisepasses mitzuwirken.
In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 19.06.2020 gab der BF auf die Frage, dass ein XXXX Flug nach Pakistan über XXXX geplant sei an, nicht nach Pakistan zurückkehren zu wollen. Auf die Frage sich ein Ersatzreisedokument ausstellen zu lassen antwortete der BF ebenfalls mit „ich will nicht nach Pakistan“. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung tätigte der BF auch widersprüchliche Aussagen über das Vorhandensein eines Reisepasses, zuerst gab er an einen Reisepass besessen zu haben , diesen einem Schlepper übergeben zu haben , dann gab er an den Reisepass bereits in Pakistan verloren zu haben, dann behauptete er in der Verhandlung auf die Frage der erkennenden Richterin dass er jetzt andere Angaben mache, dass es nicht stimme was er in der Verhandlung am XXXX .01.2020 darüber gesagt habe , nämlich dass er einen Reisepass besessen habe diesen jedoch verloren habe. Er habe niemals einen Reisepass besessen.
Auf die Frage, wer die Formblätter mit diesen Angaben ausgefüllt habe, gab er an dies nicht zu wissen. Auch nicht wer mit Fingerabdruck unterschrieben habe.
Es ist nach wie vor Fluchtgefahr gegeben.
5. Es sind keine Gründe hervorgekommen die die Haftfähigkeit zum Entscheidungszeitpunkt in Frage stellen würde. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft liegen zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung weiterhin vor.
Zur gegenwärtigen Corona Krise: Es liegen derzeit keine Hinweise vor, dass Abschiebungen in absehbarer Zeit nicht möglich wären. Auch wenn derzeit noch keine Flüge nach Pakistan zur Verfügung stehen ist davon auszugehen, dass im Laufe des XXXX 2020 der Flugbetrieb wiederaufgenommen wird. Auch besteht die Möglichkeit einer Charterrückführung im XXXX 2020. Eine Abschiebung ist daher nach Erlangung eines HRZ für Pakistan möglich. Mit der Botschaft von Pakistan steht die Behörde wieder in Kontakt und betreibt das HRZ Verfahren mit Nachdruck.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt den vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten unter Einbeziehung der verfahrensgegenständlichen Vorakten, durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Auf Grund des bisherigen Gesamtverhaltens tritt das erkennende Gericht im Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde bei, dass sich der BF bislang als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat, und auf Grund der Reisebewegungen des BF eine hohe Mobilität gegeben ist.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt A):
3.1. Zuständigkeit:
Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, idF BGBl. I Nr. 70/2015, lautet:
„§ 22a. (...)
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(...).“
Mit Vorlage des Verwaltungsaktes beim BVwG am 28.4.2020 gilt die gegenständliche Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen BF, wenn auch vor Ablauf der vierwöchigen Frist als eingebracht. Das BVwG hat nunmehr festzustellen, ob zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),
lautet:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),
lautet:
„Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
Ein Schubhaftverfahren erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).
3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:
Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Ebenso bei einer Überschreitung von weiteren vier Wochen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung als verhältnismäßig angesehen werden kann.
Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse so zeigt sich, dass er im Bundesgebiet weder über Familienangehörige, noch über sonstige Kontaktpersonen verfügt. Er ist zudem nach Österreich rechtswidrig eingereist und wollte nach Italien weiterreisen. Der BF war in Österreich weder legal erwerbstätig, noch sonst selbsterhaltungsfähig. Er hat letztendlich gar keine Anknüpfungspunkte zu Österreich und verfügt auch über keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet. Der BF hat kaum Barmittel (30 €) und brachte bisher auch keine identitätsbezeugenden Dokumente in Vorlage. Im Zuge der durchzuführenden Abwägung bleibt daher festzuhalten, dass keinerlei soziale Bindungen des BF zu Österreich entstanden sind und Selbsterhaltungsfähigkeit nicht gegeben war und ist.
Das Verfahren hat in keiner Weise ergeben, dass der BF durch die Inhaftierung einer unzumutbaren (unverhältnismäßigen) Belastung ausgesetzt sein könnte.
Aufgrund der dem Gericht vorgelegten Stellungnahme des BFA lässt sich aus derzeitiger Sicht auch erkennen, dass die Ausstellung eines HRZ durch die Behörde regelmäßig betrieben wird und diese keine Schuld an der Dauer der Beschaffung trifft. Das Gericht geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand innerhalb der höchst zulässigen Schubhaftdauer auch erfolgen könnte. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung auch die Voraussetzungen für eine nunmehr über die Vierwochenfrist hinausgehende Schubhaft weiter vorliegen.
Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel nicht zur Anwendung kommen kann. Eine Sicherheitsleistung kommt auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft und/oder eine Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens – die hohe Mobilität, sowie der gänzlich fehlenden Rückkehrbereitschaft – und seiner fehlenden Vertrauenswürdigkeit mit nach weislichen mehrfachen falschen Angaben, nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des BF weiterbestehen würde.
Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher nach Ansicht des Gerichtes weiterhin nicht in Betracht.
Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio" dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten. Aufgrund der vorliegenden Informationen im Gerichtsakt lässt sich aus derzeitiger Sicht erkennen, dass seitens der Behörde stets Bemühungen gesetzt wurden, die Dauer der laufenden Schubhaft zu verkürzen. Es ist jedoch dem langen Verfahren zur Identitätsfeststellung durch die pakistanischen Behörden geschuldet, dass auch die konkrete Schubhaft nun dennoch bereits seit September 2019 andauert. Eine wesentliche Verkürzung des Verfahrens wäre dann denkbar, wenn der BF seiner ihn treffenden Mitwirkungspflicht nachkommen würde und von sich aus etwa ein Identitätsdokument vorlegen bzw. beschaffen würde. Der BF trägt daher einen hohen Anteil daran, dass das laufende HRZ-Verfahren noch nicht abgeschlossen werden konnte, zu Mal er auch die Mitwirkung an der Ausstellung eines Reisepasses verweigerte. Dies wird auch durch seine falschen Angaben über das Vorhandensein eines Reisedokumentes untermauert und seiner mehrmaligen Beteuerungen nicht nach Pakistan rückkehren zu wollen und auch nicht an der Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes mitzuwirken.
Die in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG grundsätzlich vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft im Ausmaß von sechs Monaten wurde zum Entscheidungszeitpunkt überschritten. Allerdings liegt hier unzweifelhaft ein Sachverhalt im Sinne des § 80 Abs. 4 Z 1 FPG vor, weshalb die gegenständliche Schubhaft auch über die sechs Monate hinaus fortgesetzt werden kann. Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass derzeit noch Reisebeschränkungen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie vorliegen, sind aber nach derzeitigem Stand jedoch bereits Flüge nach Pakistan voraussichtlich im Laufe des XXXX 2020 wieder möglich. Auch ist ein XXXX im August 2020 geplant. Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die für ihre Fortsetzung maßgeblichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da im gegenständlichen Fall der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der von Amts wegen gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VF erhobenen Beschwerde eindeutig geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, zu Mal auch der BF zuletzt am 12.03.2020 im Zuge einer mündlichen Verhandlung gehört wurde. Zudem war derzeit auch auf Grund der gesetzten Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen.
3.4. Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ausreisewilligkeit Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Identität illegale Einreise Interessenabwägung Mitwirkungspflicht öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Selbsterhaltungsfähigkeit Sicherungsbedarf Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit VertrauenswürdigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2227171.8.00Im RIS seit
01.02.2021Zuletzt aktualisiert am
01.02.2021