TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/21 L529 2227019-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.08.2020
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Entscheidungsdatum

21.08.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z7
VwGVG §28 Abs2

Spruch


L529 2227019-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. Gerhard-Josef SEIDL, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass er in seinem Spruchpunkt I. zu lauten hat:

„Gemäß § 52 Abs. 1 FPG iVm § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung erlassen.“

II. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als das gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Einreiseverbot auf die Dauer von einem Jahr herabgesetzt wird.

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe :

I. Verfahrenshergang

I.1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend auch „BF“) ist türkischer Staatsbürger und bei einer Möbelbaufirma in der Türkei beschäftigt. Er wurde am 18.11.2019 im Bundesgebiet als Mitfahrer in einem PKW von Organen der LPD NÖ angehalten; im Fahrzeug befanden sich weitere drei Angehörige dieser türkischen Firma. Den Aussagen gemäß befanden sie sich auf dem Rückweg (zum Flughafen München) und – zumindest zwei der vier Pkw-Insassen – verfügten über ein Flugticket, um den Rückflug in die Türkei anzutreten.

Von Organen der beigezogenen Finanzpolizei wurde erhoben, dass der BF und die drei weiteren Firmenangehörigen an den beiden Vortagen in einem Einkaufszentrum in Wien eine Salattheke (Kühlvitrine) aufgestellt hatten.

Alle Angehaltenen waren im Besitz von gültigen deutschen Schengenvisa mit dem Zusatz „Besuchs-/Geschäftsvisum, Erwerbstätigkeit nicht gestattet“, jenes für den BF gültig von 09.09.2019 bis 08.09.2023.

I.2. Der BF und die drei anderen Angehaltenen wurden mit Festnahmeauftrag des BFA vom 18.11.2019 festgenommen und anschließend am 19.11.2019 über sie die Schubhaft verhängt und eine Strafverfügung wegen Verletzung des § 120 Abs. 1a FPG iVm §§ 31 Abs. 1a, 31 Abs. 1 Z 3 FPG erlassen.

I.3. Mit Bescheid des BFA vom 19.11.2019 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und einer Beschwerde gegen diese Rückehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

I.4. Mit Vollmachtsbekanntgabe vom 21.11.2019 erhob der BF Einwendungen gegen das geplante Aufenthalts- und Einreiseverbot und mit Schreiben vom 17.12.2019 fristgerecht Beschwerde gegen den genannten Bescheid.

I.5. Die Abschiebung des BF in die Türkei erfolgte am 22.11.2019.

I.6. Der Verwaltungsakt langte am 02.01.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung in der Außenstelle Linz ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde Beweis erhoben.

II. 1. Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des BF steht fest. Der am XXXX in XXXX geborene BF ist türkischer Staatsangehöriger und stammt aus XXXX . Der BF ist verheiratet und hat drei Kinder, die Ehefrau und die Kinder leben – wie auch der BF – in der Türkei. Der BF ist in der Türkei bei einer Firma für industriellen Möbelbau beschäftigt.

Der BF ist gesund. Er stellte in Österreich weder einen Antrag auf internationalen Schutz noch beantragte er die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz. Er verfügt weder über familiäre Anknüpfungspunkte noch über soziale Kontakte im Bundesgebiet.

Der BF ist im Besitz eines deutschen Schengenvisums mit dem Zusatz „Besuchs-/Geschäftsvisum, Erwerbstätigkeit nicht gestattet“, gültig von 09.09.2019 bis 08.09.2023.

Der BF wurde am 18.11.2019, 09:25 Uhr, in XXXX auf dem Weg vom Ort der Nächtigung ( XXXX ) in Richtung Flughafen München von Organen der LPD Niederösterreich in einem Pkw als einer von insgesamt 4 Insassen angehalten. Zwei der vier Insassen hatten Rückflugtickets für diesen Tag in die Türkei. Den Ausführungen in der Stellungnahme vom 21.11.2019 zufolge habe eines der Rückflugtickets für den BF gegolten.

Der BF arbeitete am 16.11.2019 (ca. 18:30 bis ca. 01:00 Uhr [17.11.2019]) und am 17.11.2019 (10:00 bis 18:00 Uhr) im Restaurantbereich eines Einkaufszentrums in Wien beim Aufbau/Montage einer aus der Türkei gelieferten Salattheke (Kühlvitrine) mit.

Über den BF wurde mit Strafverfügung vom 19.11.2019 eine Geldstrafe in Höhe von € 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen und 10 Stunden) gemäß § 120 Abs. 1 a FPG verhängt, weil er am 18.11.2010, 11:15 Uhr in XXXX , sich als Fremder (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG) nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, da er Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Visums sei und einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, obwohl Fremde sich nur dann rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Visums sind bis zu dessen Ablauf, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen. Es sei festgestellt worden, dass der BF eine unerlaubte Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Der BF habe daher § 120 Abs. 1a FPG iVm. §§ 31 Abs. 1a, 31 Abs. 1 Z. 3 FPG verletzt.

Die Rechtskraft dieser Strafverfügung trat mit 04.12.2019 ein.

Der BF verfügt über eine Bankomatkarte und 5.100,-- Euro. Er ist nicht mittellos.

Der BF und die anderen 3 Fahrzeuginsassen wurden mit Festnahmeauftrag des BFA vom 18.11.2019 festgenommen und es wurde über sie am 19.11.2019 die Schubhaft verhängt. Die Abschiebung in die Türkei erfolgte am 22.11.2019 auf dem Luftweg.

II.1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur aktuellen Lage in der Türkei wird auf die länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid verwiesen, die auch der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt werden, insbesondere zu nachfolgenden Themen:

Sicherheitslage

Die innenpolitischen Spannungen und die bewaffneten Konflikte in den Nachbarländern Syrien und Irak haben Auswirkungen auf die Sicherheitslage. In den größeren Städten und in den Grenzregionen zu Syrien kann es zu Demonstrationen und Ausschreitungen kommen. Im Südosten des Landes sind die Spannungen besonders groß, und es kommt immer wieder zu Ausschreitungen und bewaffneten Zusammenstößen. Der nach dem Putschversuch vom 15.7.2016 ausgerufene Notstand wurde am 18.7.2018 aufgehoben. Allerdings wurden Teile der Terrorismusabwehr, welche Einschränkungen gewisser Grundrechte vorsehen, ins ordentliche Gesetz überführt. Die Sicherheitskräfte verfügen weiterhin über die Möglichkeit, die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken sowie kurzfristig lokale Ausgangssperren zu verhängen. Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht das Risiko von Terroranschlägen jederzeit im ganzen Land. Im Südosten und Osten des Landes, aber auch in Ankara und Istanbul haben Attentate wiederholt zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert, darunter Sicherheitskräfte, Bus-Passagiere, Demonstranten und Touristen (EDA 19.9.2018).

Im Juli 2015 flammte der Konflikt zwischen Sicherheitskräften und PKK wieder militärisch auf, der Lösungsprozess kam zum Erliegen. Die Intensität des Konflikts innerhalb des türkischen Staatsgebiets hat aber seit Spätsommer 2016 nachgelassen (AA 3.8.2018).

Mehr als 80% der Provinzen im Südosten des Landes waren zwischen 2015 und 2016 von Attentaten der PKK, der TAK und des sogenannten IS, sowie Vergeltungsoperationen der Regierung und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften betroffen (SFH 25.8.2016). Ein hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3 des BMEIA) gilt in den Provinzen Agri, Batman, Bingöl, Bitlis, Diyarbakir, Gaziantep, Hakkari, Kilis, Mardin, Sanliurfa, Siirt, Sirnak, Tunceli und Van – ausgenommen in den Grenzregionen zu Syrien und dem Irak. Gebiete in den Provinzen Diyarbakir, Elazig, Hakkari, Siirt und Sirnak können von den türkischen Behörden und Sicherheitskräften befristet zu Sicherheitszonen erklärt werden. Ein erhöhtes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 2) gilt im Rest des Landes (BMEIA 9.10.2018).

1,6 Millionen Menschen in den städtischen Zentren waren während der Kämpfe 2015-2016 von Ausgangssperren betroffen. Die türkischen Sicherheitskräfte haben in manchen Fällen schwere Waffen eingesetzt. Mehre Städte in den südöstlichen Landesteilen wurden zum Teil schwer zerstört (CoE-CommDH 2.12.2016). Im Jänner 2018 veröffentlichte Schätzungen für die Zahl der seit Dezember 2015 aufgrund von Sicherheitsoperationen im überwiegend kurdischen Südosten der Türkei Vertriebenen, liegen zwischen 355.000 und 500.000 (MMP 1.2018).

Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften. Sie war dabei einer dreifachen Bedrohung durch Terroranschläge der PKK bzw. ihrer Ableger, des sogenannten Islamischen Staates sowie - in sehr viel geringerem Ausmaß - auch linksextremistischer Gruppierungen wie der Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) ausgesetzt (AA 3.8.2018).

Neben Anschlägen der PKK und ihrer Splittergruppe TAK wurden mehrere schwere Anschläge dem sog. Islamischen Staat zugeordnet. Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Touristengruppe im Zentrum Istanbuls wurden im Jänner 2016 zwölf Deutsche getötet. Die Regierung gab dem IS die Schuld für den Anschlag (Zeit 17.1.2017). Am 28. Juni 2016 kamen bei einem Terroranschlag auf den Istanbuler Flughafen Atatürk über 40 Menschen ums Leben. Die Behörden gingen von einer Täterschaft des sog. Islamischen Staates (IS) aus (Standard 30.6.2016). Am 20.8.2016 riss ein Selbstmordanschlag des sog. IS auf eine kurdische Hochzeit in Gaziantep mehr als 50 Menschen in den Tod (Standard 22.8.2016). Mahmut To?rul, lokaler Parlamentarier der HDP, sagte, dass die Hochzeitsgäste größtenteils Unterstützer der HDP gewesen seien, weshalb der Anschlag nicht zufällig, sondern als Racheakt an den Kurden zu betrachten sei (Guardian 22.8.2016). In einer Erklärung warf die HDP der Regierung vor, sie habe Warnungen vor Terroranschlägen durch den sog. IS ignoriert. Vielmehr habe die Regierungspartei AKP tatenlos zugesehen, wie sich die Terrormiliz IS gerade in der grenznahen Stadt Gaziantep ausgebreitet hat (tagesschau.de 21.8.2016). Ein weiterer schwerer Terroranschlag des sog. IS erfolgte in der Silvesternacht 2016/17. Während eines Anschlags auf den Istanbuler Nachtclub Reina wurden 39 Menschen getötet, darunter 16 Ausländer (Zeit 17.1.2017).

Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Mitgliedern bewaffneter Gruppen wurden weiterhin im gesamten Südosten gemeldet. Nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums wurden vom 2. bis 3. Juli 2015 und 11. Juni 2017 im Rahmen von Sicherheitsoperationen 10.657 Terroristen „neutralisiert" (OHCHR 3.2018). Die Sicherheitslage im Südosten ist weiterhin angespannt, wobei 2017 weniger die urbanen denn die ländlichen Gebiete betroffen waren (EC 17.4.2018). In den Jahren 2017 und 2018 wurden außerdem keine großflächigen Ausgangssperren im Südosten der Türkei mehr verhängt, die Untersuchung anhaltender Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen während der 24-stündigen Ausgangssperren im Südosten der Türkei in den Jahren 2015 und 2016 kam jedoch ebenfalls nicht voran (AI 22.02.2018).

Es ist weiterhin von einem erhöhten Festnahmerisiko auszugehen. Behörden berufen sich bei Festnahmen auf die Mitgliedschaft in Organisationen, die auch in der EU als terroristische Vereinigung eingestuft sind (IS, PKK), aber auch auf Mitgliedschaft in der so genannten „Gülen-Bewegung“, die nur in der Türkei unter der Bezeichnung „FETÖ“ als terroristische Vereinigung eingestuft ist. Auch geringfügige, den Betroffenen unter Umständen gar nicht bewusste oder lediglich von Dritten behauptete Berührungspunkte mit dieser Bewegung oder mit ihr verbundenen Personen oder Unternehmen können für eine Festnahme ausreichen. Öffentliche Äußerungen gegen den türkischen Staat, Sympathiebekundungen mit von der Türkei als terroristisch eingestuften Organisationen und auch die Beleidigung oder Verunglimpfung von staatlichen Institutionen und hochrangigen Persönlichkeiten sind verboten, worunter auch regierungskritische Äußerungen im Internet und in den sozialen Medien fallen (AA 10.10.2018a).

Grundversorgung/Wirtschaft

Für die Türkei werden Marktturbulenzen, starke Währungsabwertungen und erhöhte Unsicherheiten erwartet. die Investitionen und die Konsumnachfrage belasten und eine deutliche negative Korrektur der Wachstumsaussichten rechtfertigen. In der Türkei führten die Besorgnis über die zugrunde liegenden Fundamentaldaten und die politischen Spannungen mit den Vereinigten Staaten zu einer starken Abwertung der Währung (27% zwischen Februar und Mitte September 2018) und sinkenden Vermögenswerten. Das Wachstum in der Türkei war 2017 und Anfang 2018 sehr stark, dürfte sich aber deutlich abschwächen. Das reale BIP-Wachstum wird für 2018 mit 3.5% prognostiziert, soll aber entgegen den positiven ursprünglichen Prognosen 2019 auf 0.4% sinken. Die türkische Wirtschaft ist nach wie vor sehr anfällig für plötzliche Veränderungen der Kapitalströme und geopolitischen Risiken (IMF 8.10.2018).

Die Arbeitslosigkeit bleibt ein gravierendes Problem und verharrt trotz leichter Erholung bei knapp 11% (September 2017). Aus der jungen Bevölkerung drängen jährlich mehr als eine halbe Million Arbeitssuchende auf den Arbeitsmarkt, können dort aber nicht vollständig absorbiert werden. Die bereits hohe Jugendarbeitslosigkeit stieg 2017 gegenüber dem Vorjahr weiterhin an. Hinzu kommt das starke wirtschaftliche Gefälle zwischen strukturschwachen ländlichen Gebieten (etwa im Osten und Südosten) und den wirtschaftlich prosperierenden Metropolen. Auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingungen wandert die ländliche Bevölkerung daher weiterhin in die Städte und industriellen Zentren ab. Herausforderungen für den Arbeitsmarkt bleiben der weiterhin hohe Anteil der Schwarzarbeit und die niedrige Erwerbsquote von Frauen. Dabei bezieht der überwiegende Teil der in Industrie. Landwirtschaft und Handwerk erwerbstätigen Arbeiter und Arbeiterinnen weiterhin den offiziellen Mindestlohn. Er wurde für das Jahr 2017 auf 1.777.50 Lira brutto festgesetzt. Die Entwicklung der Realeinkommen hält mit der Wirtschaftsentwicklung nicht Schritt. so dass insbesondere die einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten empfindlich am Rande des Existenzminimums leben (AA 10.2017c).

Das türkische Arbeitsrecht muss noch an die EU-Standards angepasst werden. Obwohl die nicht registrierte Beschäftigung auf 27.8% zurückgegangen ist. bestehen weiterhin große Unterschiede in Bezug auf Sektor. Beschäftigungsstatus und Geschlecht (BS 2018).

Eine Wohnung kann entweder durch Zeitungsannoncen, Immobilienfirmen oder Bekannte gefun-den werden. Immobilienfirmen sind hierbei am effizientesten. Eine Mietwohnung kostete im Mai 2017 in Istanbul TL 21 pro m², in Ankara TL 9 pro m², in Izmir TL 12 pro m² sowie in Antalya und in Bursa ebenfalls TL

Behandlung nach Rückkehr

Seit dem versuchten Militärputsch im Juni 2016 werden Personen, die mit dem Gülen- Netzwerk in Verbindung sind, als Terroristen gesehen. Auf die sog. Mitglieder der „FETÖ“ (Fetullah-Gülenistische Terrororganisation), die im Ausland leben, werden von der Türkei Einreiseverbote verhängt. Hierbei handelt es sich meistens um nicht-türkische Staatsbürger mit türkischem Ursprung (ÖB 10.2017).

Generell werden abgeschobene türkische Staatsangehörige von der Türkei rückübernommen (ÖB 7.2014). Rückkehrprobleme im Falle einer Asylantragstellung im Ausland sind keine bekannt. Nach Artikel 23 der türkischen Verfassung bzw. Paragraph 3 des türkischen Passgesetzes ist die Türkei zur Rückübernahme türkischer Staatsangehöriger verpflichtet, wenn zweifelsfrei der Nachweis der türkischen Staatsangehörigkeit vorliegt (ÖB 10.2017).

Bei der Einreise in die Türkei hat sich jeder einer Personenkontrolle zu unterziehen. Türkische Staatsangehörige, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument besitzen, können die Grenzkontrolle grundsätzlich ungehindert passieren. Wenn bei der Einreisekontrolle festgestellt wird, dass für die Person ein Eintrag im Fahndungsregister besteht oder ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Im sich anschließenden Verhör durch einen Staatsanwalt oder durch einen von ihm bestimmten Polizeibeamten, wird der Festgenommene mit den schriftlich vorliegenden Anschuldigungen konfrontiert, ein Anwalt in der Regel hinzugezogen. Der Staatsanwalt verfügt entweder die Freilassung oder überstellt den Betroffenen dem zuständigen Richter mit dem Antrag auf Erlass eines Haftbefehls. Bei der Befragung durch den Richter ist der Anwalt ebenfalls anwesend. Wenn auf Grund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Strafverfahren anhängig ist, wird die Person bei der Einreise festgenommen und der Staatsanwaltschaft überstellt. Ein Anwalt wird hinzugezogen und eine ärztliche Untersuchung vorgenommen. Der Staatsanwalt überprüft von Amts wegen, ob der Betroffene von den Amnestiebestimmungen des 1991 in Kraft getretenen Antiterrorgesetzes Nr. 3713 oder des im Dezember 2000 in Kraft getretenen Gesetzes Nr. 4616 (Gesetz über die bedingte Entlassung, Verfahrenseinstellung und Strafaussetzung zur Bewährung bei Straftaten, die vor dem 23. April 1999 begangen worden sind) profitieren kann oder ob gemäß Art. 102 StGB a. F. (jetzt Art. 66 StGB n. F.) Verjährung eingetreten ist. Sollte das Verfahren aufgrund der vorgenannten Bestimmungen ausgesetzt oder eingestellt sein, wird der Festgenommene freigelassen. Andernfalls fordert der Staatsanwalt von dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, einen Haftbefehl an. Der Verhaftete wird verhört und mit einem Haftbefehl – der durch den örtlich zuständigen Richter erlassen wird – dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, überstellt. Während der Verhöre – sowohl im Ermittlungs- als auch im Strafverfahren – sind grundsätzlich Kameras eingeschaltet (AA 03.08.2018). Es ist in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden, indem ein in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten - dies gilt auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen - gefoltert oder misshandelt worden ist (AA 3.8.2018).

Türkischen Staatsangehörigen im Ausland, die von den türkischen Behörden der Beteiligung an der Gülen-Bewegung verdächtigt werden, werden ihre Pässe für ungültig erklärt und durch einen Ein-Tages-Pass ersetzt, mit dem sie in die Türkei zurückkehren, um vor Gericht gestellt zu werden, wo sie ihre Unschuld zu beweisen haben. Lehrer und Militärangehörige scheinen besonders betroffen zu sein, aber auch Kurden und Journalisten (UKHO 2.2018).

Es gibt Vereine, welche von türkischen Rückkehrern gegründet wurden. Hier werden spezielle Programme angeboten, welche die Rückkehrer in Fragen wie Wohnungssuche, Versorgung etc. unterstützen und zugleich eine Netzwerkplattform zur Verfügung stellen. Im Folgenden eine Auswahl:

•        Rückkehrer Stammtisch Istanbul, LinkTurkey, E-Mail: info@link- turkey.com

•        Die Brücke, E-Mail: info@bruecke-istanbul.org , http://bruecke- istanbul.com/

•        TAKID, Deutsch-Türkischer Verein für kulturelle Zusammenarbeit, QUKUROVA/ADANA, E-Mail:  almankulturadana@yahoo.de , www.takid.org (ÖB 10.2017).

II. 2. Beweiswürdigung

II.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität des BF steht aufgrund des vorgelegten Reisedokumentes fest. Die sonstigen Feststellungen zu seiner Person, zu seinen privaten und familiären Verhältnissen sowie zu seinem Gesundheitszustand ergeben sich aus seinen Orts- und Sprachkenntnissen und seinen diesbezüglichen glaubhaften Angaben.

Die Feststellungen zum Visum ergeben sich aus dem vorgelegten Reisedokument.

Die Feststellung zu den in Österreich durchgeführten Arbeiten ergibt sich aus der niederschriftlichen Aussage des XXXX am 18.11.2019 vor Organen der Finanzpolizei (vgl. AS 19 - 22) und der korrespondierenden Aussage des BF selbst im Verfahren (so z.B.: “Wir haben einen Kühlschrank geliefert und aufgestellt und montiert.“ – vgl. AS 33).

Soweit in der Beschwerde diesbezüglich behauptet wird, der BF habe (mit den anderen drei mitgereisten Firmenangehörigen) in Wien die Lieferung und Aufstellung einer ordnungsgemäß von einer österreichischen Firma bei einer türkischen Firma, bei der der Beschwerdeführer beschäftigt ist, bestellten und verzollten Salattheke überwacht, so ist die insoweit angegebene Tätigkeit „Überwachen“ angesichts der vorigen Ausführungen unglaubwürdig; sie widerstreitet den Angaben des BF und des XXXX . Aber auch das bloße „Überwachen“ für eine Firma gegen Entgelt wäre als bewilligungspflichtige Beschäftigung anzusehen. Soweit in der Beschwerde ausgeführt wird, dass der BF und seine Kollegen nicht bei der Ausübung einer Arbeitstätigkeit „betreten“ worden seien, ist darauf zu verweisen, dass dies nicht von Entscheidungsrelevanz ist, zumal die Ausübung einer Arbeitstätigkeit von den betroffenen Arbeitnehmern bestätigt wurde und das dem BF für Deutschland erteilte Visum ihn nicht zu einer Erwerbstätigkeit – und schon gar nicht in Österreich - berechtigte. Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, dass im gegenständlichen Fall unstrittig Beamte der Finanzpolizei einschritten und im Zuge ihrer Überprüfung eine nach dem AuslBG nicht zulässige Beschäftigung feststellten, weshalb von einer Betretung des BF iSd § 53 Abs. 2 Z 7 FPG auszugehen ist. Dass der BF nicht unmittelbar bei der von ihm durchgeführten manuellen Verrichtung aufgegriffen wurde, sondern sich bereits am Rückweg der beschäftigungsbezogenen Wegstrecke befand, ist dabei nicht von Belang.

Die Feststellung zur angeführten Strafverfügung ergibt sich aus der insoweit vorliegenden Kopie der Strafverfügung; dass diese seit 04.12.2019 rechtskräftig ist, ergibt sich aus der Mitteilung der LPD Niederösterreich vom 02.01.2020 (OZ 6).

Die Feststellung, dass der BF nicht mittellos ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben (vgl. AS 33, 47).

Die Feststellungen zur Anhaltung am 18.11.2019, zu Festnahmeauftrag, Schubhaft und Abschiebung ergeben sich aus dem AV der LPD NÖ vom 18.11.2019 (AS 23 – 25), den vorliegenden Niederschriften und den jeweiligen bezüglichen Aktenstücken.

Soweit im angefochtenen Bescheid unter „Feststellungen“ angeführt ist, dass der BF am 18.11.2019 von Beamten der LPD NÖ, „kurz vor oder nach“ Ausübung einer Beschäftigung ohne erforderlicher arbeitsmarktrechtlicher Bewilligung (Hilfsarbeiten) in verschmutzter Arbeitskleidung angetroffen worden sei, so ist das in mehrfacher Hinsicht unpräzise. Aus den vorliegenden Verwaltungsakten geht nicht hervor, dass der BF „kurz vor“ Ausübung einer solchen Beschäftigung angetroffen worden sei. Auch die Feststellung des Antreffens durch Organe der LPD NÖ „kurz nach“ ist nicht exakt, geht doch aus den vorliegenden Akten hervor, dass erst die Erhebungen der einschreitenden Finanzpolizei Arbeiten durch den BF an den beiden Vortagen ergeben hatten. Dass der BF „in verschmutzter Arbeitskleidung“ angetroffen worden sei, findet sich ansonsten an keiner Stelle der vorliegenden Verwaltungsakten – die Feststellung ist daher aktenwidrig.

Unrichtig ist die Behauptung in der Beweiswürdigung, dass der BF am 19.11.2019 kurz vor bzw. nach Ausübung einer nicht genehmigten Tätigkeit (Hilfsarbeiten) angetroffen wurde (AS 109; Bescheid Seite 59). Bei der Datumsbezeichnung „19.11.2019“ handelt es sich offenbar aber um einen Schreibfehler – 19.11.2019 ist das Datum der Bescheiderstellung. Ansonsten ist diese Aussage aber – wie oben angeführt – unpräzise, weil der BF jedenfalls nicht „kurz vor“ einer nicht genehmigten Arbeit angetroffen wurde.

Dass der BF nicht über genügend Barmittel verfüge, um selbständig aus Österreich auszureisen, ist mit seinen Angaben unvereinbar. Zwei der vier Firmenangehörige hatten Rückflugtickets für 18.11.2019 in die Türkei, der Stellungnahme zufolge galt eines davon für den BF. Diese beiden (der insgesamt vier Firmenangehörigen, einer davon der BF) wollten jedenfalls an diesem Tag (18.11.2019) die Heimreise auf dem Luftweg antreten. Angesichts dessen ist die Aussage in der Beweiswürdigung „Lediglich Ihre Festnahme konnte verhindern, dass Sie weiterhin einer nicht genehmigten Tätigkeit nachgehen und konnte ein weiterer wirtschaftlicher Schaden durch die beabsichtigten Tätigkeiten abgewendet werden“ und auch „….ist zwingend anzunehmen, dass Sie weiterhin im Bundesgebiet nicht legale Tätigkeiten zur Existenzsicherung ausüben werden.“ – jedenfalls hinsichtlich des BF – nicht gesichert, sondern im Gegenteil eher unwahrscheinlich.

Soweit in der Beschwerde darauf verwiesen wird, dass die Behörde zu Unrecht ausgeführt habe, dass der BF über einen mazedonischen Reisepass verfüge (AS 156), so ist ihr diesbezüglich zwar beizupflichten, ist aber verfahrensgegegenständlich nicht entscheidungsrelevant, zumal an anderer Stelle die türkische Staatsangehörigkeit des BF zutreffend festgestellt wurde. Das BVwG geht daher diesbezüglich von einem redaktionellen Versehen des BFA aus.

II.2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Angaben des BF enthalten keine Hinweise darauf, dass die Abschiebung des BF in die Türkei unzulässig wäre; auch aus den vom BFA getroffenen Länderfeststellungen ergeben sich keine diesbezüglichen Anhaltspunkte.

II.3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung:

II.3.1.1. Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab der Ausreise eingeleitet wurde.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten Fremde sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1.       wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2.       wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3.       wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4.       solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;

5.       bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;

6.       wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedstaates sind, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, und § 18 Abs. 13 AuslBG erfüllen, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 180 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 90 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;

7.       wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Forscher“ eines anderen Mitgliedstaates sind und eine Tätigkeit für eine Forschungseinrichtung ausüben, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. h AuslBG vom sachlichen Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, oder als deren Familienangehörige Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates sind, solange jeweils ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 360 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 180 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;

8.       wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Student“ eines anderen Mitgliedstaates sind und an einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen oder für sie eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen besteht, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet nicht insgesamt die Dauer von 360 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind, oder

9.       soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

Auf Grund des Umstandes, dass der BF gemäß der rechtskräftigen Strafverfügung am 18.11.2019 in Österreich während des grundsätzlich durch das erteilte Visum – allerdings mit dem einschränkenden Vermerk „Erwerbstätigkeit nicht gestattet“ – zunächst erlaubten Aufenthaltes eine unerlaubte Beschäftigung ausgeübt hat, war der Aufenthalt des BF jedenfalls spätestens ab diesem Tag nicht rechtmäßig. Gemäß § 31 Abs. 1 Z 3 FPG halten Fremde sich nämlich nur dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie – wie der BF – Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen. Da der BF einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachging, war sein Aufenthalt nicht rechtmäßig.

II.3.1.2. Die Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG ist die Reaktion auf den unrechtmäßigen Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen, welche nach Neufassung dieser Bestimmung nicht mehr zwingend an einen aktuellen inländischen Aufenthalt des betreffenden Drittstaatsangehörigen anknüpft. Eine Rückkehrentscheidung ist nämlich gemäß § 52 Abs. 1 Z. 2 FPG seither auch dann anzuordnen, wenn sich der Drittstaatsangehörige bereits außerhalb des Bundesgebietes befindet, sofern er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

Die in § 52 Abs. 8 erster Satz FPG umschriebene normative Wirkung einer Rückkehrentscheidung (Verpflichtung des Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise) steht dazu nur scheinbar in einem Spannungsverhältnis. Gemäß § 12a Abs. 6 AsylG 2005 bleiben Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG nämlich 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht (zum Verständnis dieser Anordnung im Detail siehe VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0131), sodass die angesprochene Wirkung auch bei bereits erfolgter Ausreise – im Falle einer neuerlichen Einreise des Fremden nach Österreich – nicht von vornherein ins Leere geht (vgl. VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234; in der genannten Entscheidung folgerte der VwGH weiters, dass § 21 Abs. 5 BFA-VG im Sinne einer einschränkenden Interpretation dieser Bestimmung in Beschwerdeverfahren über Rückkehrentscheidungen keine Anwendung finde und das BVwG entsprechend allgemeinen Grundsätzen in der Sache selbst, auf Grundlage der im Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sach- und Rechtslage, über die gegen die Rückkehrentscheidung erhobene Beschwerde zu erkennen hat.).

Seit der erfolgten Ausreise (Abschiebung) des BF findet die gegenständliche Rückkehrentscheidung in § 52 Abs. 1 Z 2 FPG ihre weitere Rechtsgrundlage, zumal das Rückkehrentscheidungsverfahren ohnehin schon vor der Ausreise und daher jedenfalls vor Ablauf der in § 52 Abs. 1 Z 2 FPG vorgesehenen Frist (binnen sechs Wochen ab Ausreise) eingeleitet wurde.

II.3.1.3. Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der im angefochtenen Bescheid getroffene Ausspruch in Bezug auf § 57 AsylG hatte seine Grundlage in § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG, wonach das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen hat, wenn sich ein Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des sechsten Hauptstückes des FPG fällt. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung des BVwG über die gegen den Bescheid des BFA erhobene Beschwerde befindet sich der BF nicht mehr im Bundesgebiet, weshalb die Voraussetzung für die amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG weggefallen ist. Die in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG war daher ersatzlos zu beheben (vgl. VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234, Rz 23).

II.3.1.4. Das Bundesamt hat gemäß § 52 Abs. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z2).

Auf Grund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer gemäß rechtswirksamer Strafverfügung vom 19.11.2019 am vorangehenden 18.11.2019 bei der Ausübung einer unrechtmäßigen Erwerbstätigkeit während des grundsätzlich erlaubten Aufenthaltes – allerdings mit dem einschränkenden Vermerk „Erwerbstätigkeit nicht gestattet“ – betreten wurde, war der Aufenthalt des Beschwerdeführers jedenfalls spätestens ab diesem Tag nicht rechtmäßig. Gemäß § 31 Abs. 1 Z 3 FPG halten Fremde sich nämlich nur dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie – wie der Beschwerdeführer – Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen. Da der Beschwerdeführer einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachging, war sein Aufenthalt nicht rechtmäßig.

Der Vollständigkeit halber ist auf Folgendes hinzuweisen:

Unter einem Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ist das dienstliche Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Dienstnehmers im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG zum Dienstgeber im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG zu verstehen (VwGH 19.02.2016, Zl. 2013/08/0287). Es erfordert einen übereinstimmenden Willen, dass (abhängige) Dienste entgeltlich geleistet und entgegengenommen werden (vgl. VwGH 20.9.2006, 2004/08/0110; 7.9.2017, Ro 2014/08/0046).

Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers – in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte – das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG – und damit eine nach dem AuslBG bewilligungspflichtige unselbständige Beschäftigung – ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (VwGH 23.05.2019, Ra 2019/08/0088 mwN; 24.07.2018, Ra 2017/08/0045).

Den Feststellungen zufolge montierte der Beschwerdeführer in einem Einkaufszentrum in Wien eine aus der Türkei gelieferte Geschäftsausstattung. Die gelieferte Geschäftsausstattung wurde vor Ort vom Beschwerdeführer und den weiteren Dienstnehmern und dem Geschäftsleiter der betreffenden Firma aufgebaut, was zugleich der Zweck des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war.

Da der Beschwerdeführer unzweifelhaft einfache manuellen Tätigkeiten verrichtete, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum erlaubten, er diese Tätigkeiten auf Veranlassung seines Arbeitgebers hin im Rahmen des bestehenden Dienstverhältnisses erbrachte und das Vorliegen eines Werkvertrages (zwischen dem Beschwerdeführer und einem Dritten) nicht einmal behauptet wurde, liegt unzweifelhaft eine Leistungserbringung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses vor. Dieses Arbeitsverhältnis unterlag somit gemäß §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 2 Abs. 2 lit. a AuslBG den Bestimmungen dieses Gesetzes, zumal keine Ausnahme vom Anwendungsbereich zutrifft. Dass die Voraussetzungen für die Beschäftigung gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG in Ansehung des Beschwerdeführers nicht vorlagen und für diesen insbesondere keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde, steht in Anbetracht des Sachverhaltes unzweifelhaft fest. Damit waren auch die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt nicht mehr gegeben.

II.3.1.5. Ausgehend davon war die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer nicht rechtswidrig und stellt sich die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet dar, wobei Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides aufgrund des Entfalls des Abspruches über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen wie im Spruch abzuändern ist.

II.3.1.6. Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

Für die Beurteilung, ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt, sind nach der höchstgerichtlichen Judikatur insbesondere nachfolgende Umstände beachtlich:

Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Rückkehrentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Bei der Schutzwürdigkeit des Privatlebens manifestiert sich der Grad der Integration des Fremden insbesondere an intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124).

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00); etwa bei Zutreffen anderer Faktoren aus denen sich ergibt, dass eine Beziehung genügend Konstanz aufweist, um de facto familiäre Bindungen zu erzeugen: z. B. Natur und Dauer der Beziehung der Eltern und insbesondere, ob sie geplant haben ein gemeinsames Kind zu haben; ob der Vater das Kind als eigenes anerkannt hat; ob Unterhaltszahlungen für die Pflege und Erziehung des Kindes geleistet wurden; und die Intensität und Regelmäßigkeit des Umgangs (EGMR v. 8.1.2009, Zl 10606/07, Fall Grant gg. Vereinigtes Königreich).

Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Rückkehrentscheidung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.). Die Schaffung eines Ordnungssystems mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt wird, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.9.2007, B 328/07, VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251 uva.).

Die öffentliche Ordnung, hier va. die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen des österreichischen Arbeitsmarktes, erfordert es daher, dass Fremde, die in Österreich eine Erwerbstätigkeit ausüben wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird zB. schwerwiegend beeinträchtigt, wenn arbeitswillige Fremde, ohne die dafür erforderlichen Voraussetzungen zu erfüllen, unerlaubt in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgehen und damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen stellen. Die Rückkehrentscheidung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.2.1996, 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz grds. gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. (VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007).

Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Rückkehrentscheidung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

Der rechtswidrige Aufenthalt und die unerlaubte Ausübung einer Beschäftigung im Bundesgebiet stellen eine Verwaltungsübertretung dar. Im darin enthaltenen Strafrahmen des FPG lässt der Gesetzgeber das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung bzw. Bekämpfung des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes und der unerlaubten Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet erkennen, zumal die Zuwiderhandlung erhebliche Auswirkungen sowohl für den geordneten Arbeitsmarkt als auch für das Sozial- und Gesundheitssystem hat. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung stellt daher ein Instrument zur Verhinderung eines derartigen unter Strafe gestellten Verhaltens bzw. Unterlassens dar.

Bei dieser Interessensabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06,; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylGesetz 2005, 282ff).

II.3.1.7. Im Einzelnen ergibt sich daraus Folgendes:

-

Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Der BF verfügt über ein von 09.09.2019 bis 08.09.2023 gültiges Besuchs-/Geschäftsvisum für den Schengenraum, demzufolge ihm eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet war. Er hielt sich zumindest ab dem 18.11.2019 aufgrund der Ausübung einer nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bewilligungspflichtigen Tätigkeit im Bundesgebiet auf, ohne in Besitz einer entsprechenden Bewilligung gewesen zu sein. Sein Aufenthalt war zumindest ab dem 18.11.2019 unrechtmäßig. Bereits am 22.11.2019 wurde er im Luftweg in die Türkei abgeschoben.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 24.01.2019, Ra 2018/21/0191, davon aus, dass bei einem Inlandsaufenthalt von eineinhalb Jahren von einer ins Gewicht fallenden Aufenthaltsdauer im Sinn des § 9 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG 2014 keine Rede sein kann und ein mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung verbundener Eingriff in das Privatleben nur unter außergewöhnlichen Umständen die Unzulässigkeit dieser Maßnahme bewirkt (vgl. dazu auch VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0143 bis 0147). Entsprechendes muss bei einem Inlandsaufenthalt von weniger als zwei Wochen gelten.

-

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte und auch über keine sozialen Kontakte im Bundesgebiet und reiste in das Bundesgebiet lediglich aufgrund einer Anweisung seines Arbeitgebers zum Zweck der Lieferung und des Aufbaus einer Geschäftsausstattung ein. Von einer gesellschaftlichen Integration ist somit nicht auszugehen.

-

Grad der Integration

Der BF hat in Österreich keine belegten Anknüpfungspunkte in Form einer legalen Erwerbstätigkeit oder anderwertiger maßgeblicher wirtschaftlicher Interessen. Sein Lebensmittelpunkt liegt in der Türkei, nicht in Österreich.

Der BF ist in der Türkei geboren und wurde dort sozialisiert. Seine Familie – Ehefrau und drei Kinder – leben in der Türkei und er verfügt dort über eine feste Anstellung.

-        Strafrechtliche Unbescholtenheit
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

 

- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-. Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Gegen den BF wurde wegen der Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung eine Strafverfügung wegen Verletzung des § 120 Abs. 1a FPG iVm §§ 31 Abs. 1a, 31 Abs. 1 Z 3 FPG erlassen.

-

Mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer

Ein derartiges Verschulden ist aufgrund der äußerst kurzen Verfahrensdauer nicht erkennbar.

II.3.1.8. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass nach Maßgabe einer Interessensabwägung iSd § 9 BFA-VG das BFA zu Recht davon ausgegangen ist, dass im vorliegenden Fall mangels schützenswerter familiärer oder privater Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet jedenfalls überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.

Die Interessen der Republik Österreich an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und eines geregelten Arbeitsmarktes als Teil der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung und des wirtschaftlichen Wohls des Landes wiegen im gegenständlichen Fall insgesamt höher als die persönlichen Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet.

Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden, die im gegenständlichen Fall den Ausspruch, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, rechtfertigen würde.

Es erfolgte daher zu Recht die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 FPG.

II.3.2. Zulässigkeit der Abschiebung

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat Türkei ist gem. § 46 FPG gegeben, da im Rahmen des Ermittlungsverfahrens keine Gründe festgestellt werden konnten, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würden.

Fallgegenständlich ist festzuhalten, dass der BF während des gegenständlichen Verfahrens zu keinem Zeitpunkt Rückkehrbefürchtungen in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Türkei geäußert hat. In der Türkei besteht angesichts der vorliegenden Länderberichte in Zusammenschau mit laufender Medienbeobachtung keine dermaßen prekäre Sicherheits- oder Versorgungslage, welche eine Abschiebung per se als Verletzung von Art. 3 EMRK

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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