TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/30 W208 2216649-2

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Veröffentlicht am 30.10.2020
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Entscheidungsdatum

30.10.2020

Norm

AsylG 2005 §8
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §5
FPG §88 Abs2a
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W208 2216649-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst – ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 31.10.2019, Zl.1185912906 – VZ 190777899, zu Recht:

A)

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 88 Abs. 2a FPG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B) Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 31.07.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mittels Formularvordruck einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 88 Abs. 2a FPG. Den er nicht näher begründete (AS 1)

2. Mit Parteiengehör vom 09.10.2019 wurde dem BF mitgeteilt, dass bei der Prüfung seines Antrages festgestellt worden sei, dass er Originaldokumente, nämlich einen syrischen Personalausweis (Nr.17821795 ausgestellt am 19.12.2013), besitzen würde und dass der Fremdenpass subsidiär Schutzberechtigten nur dann ausgestellt werden könne, wenn diese nicht in der Lage seien ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen. Der BF sei im Besitz eines Personalausweises und mit diesem könne er laut einer Auskunft der syrischen Botschaft persönlich einen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses stellen. Es sei der Antrag daher abzuweisen sofern nicht eine innerhalb von zwei Wochen einzubringende Stellungnahme anderes erfordere (AS 25).

3. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA, zugestellt am 05.11.2019, wurde der Antrag der BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG abgewiesen (AS 33).

Als tragende Begründung wurde angeführt, dass der BF im Besitz eines syrischen Personalausweises sei.

4. Mit Verfahrensanordnung vom 31.10.2019 (AS 40) wurde der BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberaterin für das Beschwerdeverfahren vor dem BVwG zur Seite gestellt.

5. Gegen diesen Bescheides wurde mit Schriftsatz vom 26.11.2019 (übermittelt per E-Mail am 02.12.2019) Beschwerde (AS 46) erhoben.

6. Die Beschwerde und die Verwaltungsakten wurden vom BFA – ohne die Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung in Anspruch zu nehmen – vorgelegt und sind am 02.12.2019 beim BVwG eingelangt (ON 1).

7. Mit Schreiben vom 21.02.2020 teilte das BFA mit, dass mit Bescheid vom selben Tag der Status des BF als subsidiär Schutzberechtigter bis 13.03.2022 verlängert worden sei (ON 4).

8. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 30.04.2020 wurde das Beschwerdeverfahren, aufgrund Überlastung des ursprünglich zuständigen Richters, neu zugewiesen (ON 5).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1.       Feststellungen zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt

Die BF ist Staatsangehöriger von Syrien. Seine Identität wurde im Rahmen seines Asylverfahrens durch die Vorlage insbesondere seines syrischen Personalausweises festgestellt.

Der BF hat am 27.03.2018 einen Asylantrag in Österreich gestellt, ist dann aber zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal in die Schweiz zu seinem Bruder ausgereist. Dort wurde er im Mai 2018 aufgegriffen und am 18.10.2018 nach Österreich zurücküberstellt.

Dem BF wurde mit Bescheid des BFA vom 13.03.2019 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und zuletzt mit Bescheid vom 21.02.2020 die Aufenthaltsberechtigung bis 13.03.2022 verlängert.

Die Nichtzuerkennung des Status eine Asylberechtigten wurde vom BF beim BVwG bekämpft. Der diesbezüglichen Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom 20.12.2019, W122 2216649-1/11E nicht stattgegeben, weil es das BVwG aufgrund der festgestellten Tatsache, dass er auf einem Auge erblindet ist, nicht für glaubhaft hielt, dass der BF zum Wehrdienst tauglich sei und eingezogen werden könnte bzw die erst später vorgelegten Einberufungsbefehle als Fälschungen klassifizierte.

Gegen dieses Erkenntnis brachte der BF eine außerordentlichen Revision ein, die derzeit beim VwGH unter der Aktenzahl Ra 2020/18/0049 anhängig ist. Einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hat der VwGH mit Beschluss vom 24.06.2020, Ra 2020/18/0049-6 nicht stattgegeben, da der BF ohnehin über subsidiären Schutz verfügt.

Laut der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23.11.2017, „SYRIEN, Ausstellung eines syrischen Reisepasses an der syrischen Botschaft Wien“ (AS 20) muss zur Erlangung eines Reisepasses in der syrischen Botschaft ein in der Botschaft erhältliches Formular persönlich ausgefüllt und unterzeichnet werden sowie sind 6 Passfotos, eine Kopie des alten Reisepasses oder ein Personalausweis oder ein beglaubigter Zivilregisterauszug, der nicht älter als 3 Monate ist und über ein Foto verfügt, das den offiziellen Stempel trägt, versehen ist, vorzulegen.

Der BF ist zwar im Besitz eines syrischen Personalausweises, somit von einem Dokument seines Heimatstaats, welche grundsätzlich geeignet sind seine Identität und Staatsangehörigkeit nachzuweisen, jedoch kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass bei solchen Kontaktaufnahmen auch Informationen durch Botschaftsmitglieder an Personen in Syrien weitergegeben werden. Dadurch könnten seine in der Heimat verbliebenen Familienangehörigen (Mutter, zwei Brüder und eine Schwester) in den Fokus des syrischen Regimes geraten und wegen seines Auslandsaufenthalts während eines staatlichen Ausnahmezustandes Schwierigkeiten bekommen. Außerdem ist es bei Männern im wehrpflichtigen Alter notwendig, bei der Beantragung des Reisedokuments ihren Einberufungsstatus anzugeben (vgl Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23.11.2017).

Da sich der BF mit seinen 23 Jahren (trotz der Erblindung auf einem Auge, welche für einen Außenstehenden nicht erkennbar ist [vgl. dazu die Passbilder beim Antrag]) - immer noch im wehrfähigen Alter befindet, ist aufgrund der in Syrien herrschenden Willkür und Korruption im Staatsapparat nicht vollkommen auszuschließen, dass er durch seine Vorsprache bei der syrischen Botschaft in Wien, die syrischen Behörden (wieder) auf sich und seine noch in der Heimat befindlichen Angehörigen aufmerksam machen und diese dadurch möglicherweise einer Verfolgung aussetzen könnte. Solange der VwGH nicht über seine Revision entschieden hat, kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass dem BF nicht doch eine asylrelevante Verfolgung im Heimatstaat droht, sodass seine in der Beschwerde vorgebrachte Furcht, sich an die syrische Botschaft zu wenden, nachvollziehbar ist.

Dem BF ist es vor diesem Hintergrund daher nicht zumutbar ein nationales Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen.

Davon abgesehen wurde dem nicht rechtskundigen BF mit dem Parteiengehör nicht verständlich erklärt, dass er zu begründen habe, warum er nicht in der Lage sei, trotz des Vorhandenseins eines syrischen Personalausweises, einen Reisepass bei der syrischen Botschaft zu beantragen.

Es stehen keine zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung gegen die Ausstellung eines Fremdenpasses. Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2.       Beweiswürdigung:

Die Beweiswürdigung basiert auf den vorliegenden Akteninhalten, deren Fundstellen mit Aktenseiten (AS) bzw der Ordnungsnummer (ON) gekennzeichnet sind. Zudem hat der erkennende Richter in den Beschwerdeakt des BVwG zu W122 2216649-1 Einsicht genommen. Ein aktueller Strafregisterauszug wurde vom BVwG eingeholt und bescheinigt dem BF Unbescholtenheit.

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die gegenständliche Antragstellung beruht auf dem diesbezüglich unbestrittenen Akteninhalt.

Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie die aktuelle Verlängerung des befristeten Aufenthaltsrechts beruhen auf dem Datenbestand des Zentralen Fremdenregisters, sowie einer Ausfertigung des oben zitierten Bescheides des BFA.

Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet, seine kurzfristige Ausreise in die Schweiz und seine Rücküberstellung nach Österreich ergibt sich aus dem Datenbestand des Zentralen Melderegisters und den Angaben im Bescheid vom 13.03.2019. In diesem Bescheid sind auch seine Aussagen in der Ersteinvernahme vom 28.03.2018 und der Einvernahme beim BFA am 17.12.2018 wiedergegeben.

Der BF konnte in der Beschwerde (es besteht kein Neuerungsverbot) Umstände glaubhaft machen, welche die Annahme rechtfertigen, dass ihm eine Kontaktaufnahme mit Mitarbeitern der syrischen Botschaft in Wien und die Bekanntgabe seiner Personalien tatsächlich nicht zumutbar sind, um einen syrischen Reisepass zu erhalten.

Durch eine Kontaktaufnahme könnten Informationen durch Botschaftsangehörige an Personen in Syrien weitergegeben werden und durch die Bekanntgabe seiner Personalien auch seine noch in Syrien lebenden Familienangehörigen in das Blickfeld der syrischen Behörden geraten wodurch diesen Schwierigkeiten oder Verfolgungshandlungen drohen könnten (vgl. VfGH vom 11.06.2019, E 67-68/2019: „Aus der dem verwaltungsgerichtlichen Akt beiliegenden Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23. November 2017 zur ‚Ausstellung eines syrischen Reisepasses an der syrischen Botschaft in Wien‘ geht hervor, dass ein syrischer Staatsbürger mit einem Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses den syrischen Staat vom eigenen Aufenthalt in Österreich in Kenntnis bringen würde, was ‚unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen kann und somit nicht für jeden in Österreich aufhältigen Syrer eine Option darstellt‘. Hierbei könnten zahlreiche Faktoren eine Rolle spielen. […] Zudem geht das Bundesverwaltungsgericht nicht auf die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23. November 2017 (vgl. 3.2.) ein, wonach es nicht jedem Syrer zumutbar sei, die Ausstellung eines Reisedokumentes in der syrischen Botschaft in Wien zu beantragen.“).

Unabhängig von der (noch) gegebenen Rechtskraftwirkung des Erkenntnisses des BVwG, mit dem sein Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Gewährung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen wurde und somit nach Asylantragstellung bzw nach der (illegalen) Ausreise die Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung als nicht gegeben festgestellt wurde, kann vor dem Hintergrund, dass das Erkenntnis in Revision gezogen wurde und sich die Lage in Syrien verschärft hat, nicht ausgeschlossen werden, dass die syrischen Behörden durch eine aktuelle Kontaktaufnahme auf den BF aufmerksam werden und dass damit auch seine Familienangehörigen in Schwierigkeiten geraten könnten. Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit willkürlich angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als „regierungsfreundlich“ oder „regierungsfeindlich“ gilt (UNHCR 11.2015). Es sind zahllose Fälle bekannt, bei denen Personen für als regierungsfeindlich angesehene Tätigkeiten ihrer Verwandten inhaftiert und gefoltert werden, darunter sollen auch Fälle sein, bei denen die gesuchten Personen ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018). Jedenfalls ist den Länderfeststellungen der Staatendokumentation (wiedergegeben im oa. Erkenntnis des BVwG vom 20.12.2019) zufolge die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als „oppositionell“ betrachtet zu werden, aufgrund der besonderen Situation in Syrien relativ niedrig und werden vor allem Personen einer oppositionellen Gesinnung bzw. einer Regimegegnerschaft verdächtigt, die während des staatlichen Ausnahmezustandes ihre Heimat verlassen und im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Die Annahme, dass eine Person eine bestimmte politische Meinung hat, oder eine bestimmte Konfliktpartei unterstützt, basiert oft nur auf wenig mehr als der physischen Anwesenheit dieser Person in einem bestimmten Gebiet oder ihrer Abstammung aus diesem Gebiet oder auf ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund oder ihrer Stammeszugehörigkeit. Meist reicht also ein ethnischer oder religiöser Hintergrund, um einer Person eine bestimmte politische Meinung bzw. die Unterstützung einer bestimmten Konfliktpartei zu unterstellen und den Verdacht des Regimes auf sich zu ziehen und sind gerade Angehörige von Menschen mit tatsächlicher oder unterstellter oppositioneller Einstellung der Verfolgung durch das syrische Regime ausgesetzt. Willkür und Korruption sind allgegenwärtig.

Es ist damit plausibel und nachvollziehbar, dass es ihm unzumutbar ist, sich an die syrische Botschaft zu wenden und seine Personalien bekannt zu geben, um die Ausstellung eines Reisedokumentes zu beantragen.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Stattgabe der Beschwerde

Gemäß § 88 Abs. 2a FPG sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, Fremdenpässe auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.

§ 88 Abs. 2a FPG regelt die Ausstellung von Fremdenpässen an subsidiär Schutzberechtigte in Umsetzung von Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie, welche vor dem Hintergrund einer Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten unter bestimmten Umständen einen (ansonsten nicht bestehenden) Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses vorsieht (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] § 88 FPG K7).

Die Statusrichtlinie sieht die Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, ua in Bezug auf den Anspruch auf Ausstellung von Reisedokumenten durch den schutzgewährenden Mitgliedsstaat vor. Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie legt diesbezüglich fest, dass für subsidiär Schutzberechtigten, die keine Reisedokumente ihres Herkunftsstaates erhalten können, durch den schutzgewährenden Mitgliedsstaat Reisedokumente auszustellen sind, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Diese Richtlinienbestimmung wurde durch § 88 Abs. 2a FPG umgesetzt, in dem subsidiär Schutzberechtigten unter bestimmten Voraussetzungen nunmehr ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses eingeräumt wird, der nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung beschränkt werden kann. Humanitäre Gründe für die Anwesenheit in einem anderen Staat sind nicht mehr erforderlich (Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl. 2013/68).

Erfüllt der Antragsteller eine der nötigen Voraussetzung nicht, so ist der Antrag abzuweisen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] § 88 FPG K11).

Das in § 88 Abs. 2a FPG normierte Erfordernis, dass der Fremde nicht in der Lage ist, sich Reisedokumente seines Herkunftsstaates zu beschaffen, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Ausstellung eines Fremdenpasses einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechte des Herkunftsstaats bedeutet, weshalb dem Gesetz die Prämisse zu Grunde liegt, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung hinsichtlich der Ausstellung eines Reisedokuments wenden müssen.

Dem Fremden muss es konkret (tatsächlich) möglich sein, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen. Dies ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn dem Antragsteller die Ausstellung eines Reisedokuments seitens der Vertretungsbehörde tatsächlich verweigert wird (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] §°88 FPG K8 f).

Die bloß abstrakte Möglichkeit im Falle der Vorlage geeigneter Dokumente grundsätzlich willens zu sein, dem Beschwerdeführer ein Reisedokument auszustellen, reicht für die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses nicht aus, vielmehr muss für den Antragsteller die konkrete Möglichkeit bestehen, sich Reisedokumente seines Heimatstaates zu beschaffen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 88 FPG E7).

Da die Ausstellung eines Reisedokumentes durch einen anderen Staat einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechte des Herkunftsstaates bedeutet, ist für die Ausstellung eines Fremdenpasses ein restriktiver Maßstab anzulegen und geht das FPG von der Prämisse aus, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung für ein Reisedokument wenden müssen. Erst wenn der Fremde keine Reisedokumente erhält, ist bei Erfüllen der sonstigen Voraussetzungen ein Fremdenpass auszustellen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 88 FPG E7).

Mit der Ausstellung eines Fremdenpasses an den Betroffenen übernimmt Österreich die völkerrechtliche Rücknahmeverpflichtung. Die "zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung" müssen sich auf die den Betroffenen mit dem Fremdenpass eröffnete Reisefreiheit beziehen (Schrefler-König/Szymanski [Hrsg], Fremdenpolizei und Asylrecht zu § 88 FPG Anm 2).

Konkret wurde dem BF gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter, zuletzt bis zum 13.03.2022 erteilt.

Nachdem sich die Lage in Syrien gegenüber Regimegegnern verschärft und sich die Situation hinsichtlich Wehrdienstverweigerung und Schwierigkeiten beim Nachschub junger Rekruten sowie der Einstellung des syrischen Regimes gegenüber solchen Personen als dramatisch darstellt, ist zu befürchten, dass seine in der Heimat verbliebenen Angehörigen in den Blickpunkt der syrischen Behörden geraten und ihnen dadurch Schwierigkeiten oder Repressionen drohen könnten, weil durch eine aktuelle Bekanntgabe seiner Personalien in der syrischen Botschaft auch deren Identitäten aufscheinen. Er ist daher objektiv nachvollziehbar, dass er aus Angst vor einem willkürlichen Vorgehen der Behörden nicht in der Lage ist, sich in die syrische Botschaft zu begeben.

Außerdem wurden von der belangten Behörde zum Entscheidungszeitpunkt keine zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung festgestellt, die gegen die Ausstellung eines Reisedokumentes sprechen würden. Solche sind auch im Verfahren vor dem BVwG nicht hervorgekommen. Im aktuell eingeholten Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des BF auf.

Aus den dargelegten Gründen ist daher spruchgemäß zu entscheiden, weshalb dem BF ein Fremdenpass auszustellen ist.

Gemäß § 5 Abs. 1a Z 3 FPG obliegt die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde dem BFA.

3.2.    Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich, dass aus den Akteninhalten der Verwaltungsakte in Verbindung mit der Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt als geklärt anzusehen ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH - die oben wiedergegeben wurde -bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Fremdenpass Kassation Nachvollziehbarkeit öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Reisedokument Sippenhaftung subsidiärer Schutz Unzumutbarkeit Voraussetzungen zwingendes öffentliches Interesse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W208.2216649.2.00

Im RIS seit

01.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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