TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/3 W205 2177920-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.11.2020
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Entscheidungsdatum

03.11.2020

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W205 2177920-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Nairobi vom 11.10.2017, ÖB Nairobi Zl. KONS/0719/2017, aufgrund des Vorlageantrages von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Nairobi vom 04.07.2017, GZ Nairobi-ÖB/KONS/0356/2017, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Nairobi vom 11.10.2017, ÖB Nairobi Zl. KONS/0719/2017, wird nach § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 14 Abs. 1 VwGVG iVm § 27 VwGVG wegen Unzuständigkeit der Behörde ersatzlos behoben.

II. In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Österreichische Botschaft Nairobi zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1.    Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Somalia und stellte am 21.10.2014 unter Anschluss diverser Unterlagen bei der Österreichischen Botschaft Nairobi (im Folgenden: ÖB Nairobi) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG. Begründend führte sie aus, ihr namentlich genannter Ehemann sei seit 15.10.2012 in Österreich subsidiär schutzberechtigt. Die befristete Aufenthaltsberechtigung sei seither jährlich verlängert worden.

1.2.    Im dazu durchgeführten ersten Rechtsgang des Verwaltungsverfahrens wurde die Beschwerdeführerin von der Behörde mit Schreiben vom 14.11.2014 zur Stellungnahme aufgefordert, da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Die Angaben der Antragstellerin zur Angehörigeneigenschaft widersprächen in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben.

1.3.    In der Stellungnahme vom 01.12.2014 führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihr Ehemann sie sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt namentlich erwähnt habe. Ihm sei keine Möglichkeit gegeben worden, zu den möglichen Widersprüchen im Einreiseverfahren seiner Frau Stellung zu nehmen. Somit sei der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann stünden fast täglich in Kontakt und er unterstütze sie finanziell. Es sei ebenso wenig darauf Bezug genommen worden, ob es im Lichte des Art. 8 EMRK geboten sei, die Einreise zu genehmigen, um das Familienleben fortsetzen zu können. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren entspräche nicht den Anforderungen der Familienzusammenführungsrichtlinie und der gängigen Judikatur des EuGH.

Diese Stellungnahme wurde am 02.12.2014 an das BFA weitergeleitet, welches am 12.12.2014 mitteilte, dass sich aus der übermittelten Stellungnahme keine Anhaltspunkte ergeben würden, die an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose zweifeln ließen.

1.4.    Mit dem im ersten Rechtsgang ergangenen Bescheid vom 02.01.2015 verweigerte die ÖB Nairobi die Erteilung des Einreisetitels mit der Begründung, die Gewährung desselben Schutzes wie die in Österreich aufhältige Bezugsperson sei nicht wahrscheinlich. Die Angaben der Antragstellerin zur Angehörigeneigenschaft widersprächen in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben.

1.5.    Gegen diesen Bescheid des ersten Rechtsganges richtete sich die Beschwerde vom 28.01.2015. Darin wurde zunächst die Aussage der Bezugsperson in der Einvernahme im Rahmen des Asylverfahrens widergegeben. Der Ehemann der Beschwerdeführerin habe angegeben, dass er das genaue Geburtsdatum seiner Frau nicht kenne. Sie sei beim Kennenlernen ein Jahr vor der Hochzeit 18 Jahre alt gewesen. Seine Frau sei nach der Hochzeit zu ihm in eine Mietwohnung gezogen. Er habe am Tag seiner Ausreise aus Somalia, am 20.12.2012, zum letzten Mal Kontakt zu seiner Frau gehabt.

Aus dem Bescheid sei nicht ersichtlich, ob das Bundesamt bezweifle, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann überhaupt verheiratet seien, dass sie bereits vor der Einreise des Ehemannes verheiratet gewesen seien oder dass die Ehe in Somalia bestanden habe. Nach IPR genüge es, die Formvorschriften des Ortes der Eheschließung einzuhalten. Die Ehe entspreche den Formvorschriften Somalias.

Aus den Angaben des Ehemannes in der Einvernahme zum Alter seiner Ehefrau könne höchstens geschlossen werden, dass dieser eine mögliche Rechenschwäche habe. Der Ehemann sei im Einreiseverfahren seiner Frau nicht einvernommen worden. Darüber hinaus müssten nach § 11 Abs. 4 FPG ablehnende Entscheidungen schriftlich in einer Weise ausgefertigt sein, dass der Betroffene den Inhalt und die Wirkung nachvollziehen könne. Im Bescheid sei aber lediglich eine verallgemeinernde Begründung angeführt worden. Weiters sei nicht darauf Bezug genommen worden, ob es unter Umständen nach Art. 8 EMRK geboten gewesen wäre, die Einreise zu genehmigen, um das Familienleben in Österreich fortzusetzen. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren entspräche nicht den Anforderungen der Familienzusammenführungsrichtlinie und der gängigen Judikatur des EuGH.

1.6.    Mit der im ersten Rechtsgang ergangenen Beschwerdevorentscheidung vom 27.02.2015 wies die ÖB Nairobi die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab. Darin wurde zunächst die nähere Begründung der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA angeführt:

„A) Lt übereinstimmender Angaben der Antragstellerin und der Bezugsperson (BP) erfolgte die Eheschließung in der gemeinsamen Heimatstadt XXXX . In der vorgelegten Heiratsurkunde wird aber als Ort der Eheschließung der Magistrat von MOGADISCHU angegeben. Nur der Name des Mullahs und das Eheschließungsdatum wurden gleichlautend angegeben.

B) Lt VP erfolgt die Ausreise des Ehemanns etwa acht Monate nach der behaupteten Eheschließung am 17.04.2011, demnach folglich um den 17.12.2011, die Bezugsperson gab jedoch in seiner Einvernahme an, am 20.05.2012 direkt aus XXXX ausgereist zu sein.

C) Grund für die Ausreise lt VP war ein Messerattentat und die daraus resultierenden Bauchverletzungen der Bezugsperson. Lt Angabe der Bezugsperson reiste dieser aber unmittelbar nach seiner Flucht aus der zweiten Verhaftung durch Al Shabaab im Mai 2012 aus. Weder die Verletzung noch das Attentat gab er jemals zu Protokoll.

D) Das Alter der Ehefrau gab die Bezugsperson mit ca. 18 Jahren zum Zeitpunkt des Kennenlernens – etwa ein Jahr vor der angeblichen Eheschließung am 17.04.2011 – an. Somit wäre sie zum Zeitpunkt der Ehe bereits 19 Jahre alt gewesen, müsste somit im Jahre XXXX geboren sein und nicht wie angegeben XXXX . Auffallend ist auch, dass die Bezugsperson zwar das genaue Datum der Eheschließung wusste, sich jedoch beim Geburtsdatum der behaupteten Ehefrau um drei Jahre irrte.

E) Im Schreiben der ÖB wird auch vermutet, dass vieles an der Geschichte der behaupteten Ehefrau nicht stimmig sei. Aufgrund der angeführten Widersprüche und mangels vorgelegter, relevanter und unbedenklicher Beweismittel, ist keineswegs vom Nachweis im Sinn eines vollen Beweises des Familienverhältnisses auszugehen.“
Weiters wurde ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung des VwGH österreichische Vertretungsbehörden im Ausland bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Prognose einer Gewährung des Status eines Asyl- bzw. subsidiär Schutzberechtigten gebunden seien. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes komme daher nicht in Betracht. Auch die Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit habe daran nichts geändert. Darüber hinaus sei eine Verletzung von Art. 8 EMRK nicht erkennbar, da die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehepartner nie in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe, daher stelle sich die Frage eines Eingriffs in ein Familienleben nach Art. 8 EMRK nicht.

1.7.    Am 12.03.2015 langte bei der ÖB Nairobi ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG ein. Darin wurde betont, dass die in der Beschwerdevorentscheidung geschilderten Widersprüche der Beschwerdeführerin hier zum ersten Mal entgegengehalten worden seien. Damit sei das Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Weiters wurde zu den einzelnen Widersprüchen Stellung genommen:

Zu A) Die Eheschließung habe in XXXX stattgefunden, dies sei auch auf der Heiratsurkunde so vermerkt. Der Scheich, der die Ehe geschlossen habe, werde als „Magistrate of Mogadischu“ bezeichnet, der Ort der Eheschließung sei aber nicht Mogadischu gewesen.

Zu B) Die unterschiedlichen Zeitangaben zur Ausreise der Bezugsperson aus Somalia seien von der Beschwerdeführerin falsch angegeben worden. Der Unterscheid von fünf Monaten bei Ereignissen, die drei Jahre zurückliegen, könne von der Behörde nicht schwerwiegend gewertet werden.

Zu C) Die Bezugsperson habe in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt seine Narben am Bauch gezeigt, welche von der Al Shabaab durch glühende Metallstäbe zugefügt worden waren. Da auch Messer aus Metall bestehen, sei es zur ungenauen Beschreibung des Gegenstandes durch die Beschwerdeführerin gekommen.

Zu D) Der Ehemann habe schon in der Einvernahme angegeben, das Alter seiner Ehefrau nur ungefähr zu kennen.

Zu E) Das angeführte Schreiben der Botschaft stehe der Beschwerdeführerin nicht zur Verfügung. Es sei weder ersichtlich welcher Inhalt in dem Schreiben kommuniziert worden sei, noch wie die ÖB zu ihren Vermutungen gelangt sei. Es werde daher um die Möglichkeit ersucht dieses Schreiben einzusehen und dazu Stellung nehmen zu dürfen.

1.8.    Mit Schreiben des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres wurde dem Bundesverwaltungsgericht im ersten Rechtsgang der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt am 31.03.2015 übermittelt.

1.9.    Im ersten Rechtsgang wurde der Bescheid vom 02.01.2015 mit Beschluss des BVwG vom 30.06.2016, W205 2104743-1/2E, gem. § 11 Abs. 1 letzter Satz FPG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die ÖB Nairobi zurückverwiesen. Der belangten Behörde wurde aufgetragen, der Beschwerdeführerin vor Bescheiderlassung, sofern die Entscheidung ihrem Standpunkt nicht vollinhaltlich Rechnung tragen sollte, Gelegenheit zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme zu allen entscheidungsrelevanten Fragen einzuräumen.

2.1.    Im zweiten Rechtsgang teilte das BFA der ÖB mit dem mit 02.08.2017 datierten Schreiben [Anm. BVwG: gemeint: 2016] gemäß § 35 Abs. 4 AsylG mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Angaben der Beschwerdeführerin zur Angehörigeneigenschaft gem. § 35 AsylG in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden.

In der angeschlossenen Stellungnahme wird vom BFA hierzu näher ausgeführt, dass aufgrund gravierender Widersprüche und mangels vorgelegter, relevanter und unbedenklicher Beweismittel, keineswegs vom Nachweis im Sinn eines vollen Beweises des Familienverhältnisses auszugehen sei.

2.2.    Die ÖB räumte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11.10.2016, zugestellt am XXXX 2016, die Möglichkeit zur Stellungnahme zur Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA ein.

2.3.    Mit Stellungnahme vom 18.10.2016 wurde auf die Stellungnahme im Rahmen ihres Vorlageantrags aus dem ersten Rechtsgang vom 12.03.2015 verwiesen und ausgeführt, dass das zu E) angeführte Schreiben der Beschwerdeführerin immer noch nicht vorliege. Auch sei auffällig, dass die Begründung A)-E) der nun vorliegenden Stellungnahme des BFA vom 18.10.2016 sich mit keinem Wort von der Begründung A)-E) der Stellungnahme des BFA vom 29.10.2014 – zwei Jahre zuvor- unterscheide. Es sei daher unklar, inwieweit die im Einreiseverfahren eingebrachten Stellungnahmen und Anträge für eine Einvernahme der Bezugsperson überhaupt miteinbezogen worden sei. Es werde ersucht, dem Ehepaar das gemeinsame Familienleben in Österreich endlich zu ermöglichen.

2.4.    Am 21.02.2017 wurde die Bezugsperson vor dem BFA einvernommen, am 28.03.2017 wurde ein Fragenkatalog an die ÖB übermittelt, der nach Beantwortung durch die Beschwerdeführerin am 05.04.2017 vor der ÖB am 05.04.2017 an das BFA rückübersendet wurde.

2.5. Mit Schreiben vom 08.05.2017 teilte das BFA der ÖB gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass eine Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, weil die Angaben der Antragstellerin zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG 2005 in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprächen. In der angeschlossenen mit „02.08.2017“ datierten Stellungnahme wurde folgendes hierzu ausgeführt:

„A) Lt. übereinstimmender Angaben der Antragstellerin (Ast) und der Bezugsperson (BP) erfolgte die Eheschließung in der gemeinsamen Heimatstadt XXXX . Die vorgelegte Heiratsurkunde wird von der Bezugsperson als Fälschung bezeichnet. „F: Können sie eine Heiratsurkunde bzw. eine Bestätigung über die Eheschließung in Vorlage bringen? A: Wie sie selbst wissen, gibt es in Somalia keine Heiratsurkunden.“

B) Lt. ASt erfolgte die Ausreise des Ehemanns etwa acht Monate nach der behaupteten Eheschließung am 17.04.2011, demnach folglich um den 17.12.2011, die Bezugsperson gab jedoch in seiner Einvernahme an, am 20.05.2012 direkt aus XXXX ausgereist zu sein.

C) Das Alter der Ehefrau gab die Bezugsperson mit ca. 18 Jahren zum Zeitpunkt des Kennenlernens – etwa ein Jahr vor der angeblichen Eheschließung am 17.04.2011 – an. Somit wäre sie zum Zeitpunkt der Ehe bereits 19 Jahre alt gewesen, müsste somit im Jahre XXXX geboren sein und nicht wie angegeben XXXX . Auffallend ist auch, dass die Bezugsperson zwar das genaue Datum der Eheschließung wusste, sich jedoch beim Geburtsdatum der behaupteten Ehefrau um drei Jahre irrte. Eine derartige Abweichung sollte auch bei wenig gebildeten erwachsenen Menschen nicht vorliegen.

D) In der Zeugeneinvernahme vom 21.02.2017 gab die BP als Ort der Eheschließung sein eigenes Wohnhaus an, wobei unter anderem auch sein Vater sowie weitere 20 bis 30 Personen anwesend gewesen sein sollten, sowie den Tag der Eheschließung als ein Samstag nach dem Maghreb (= Abendgebet ca. 19.00) an. In der Anfragebeantwortung wird von der ASt vom ihren Elternhaus gesprochen, der „Schwiegervater“ wäre - weil damals bereits verstorben - nicht anwesend gewesen sowie wird als Eheschließungstag ein Freitag gegen 13:00 Uhr angegeben und es wären ca. 30 bis 40 Personen anwesend gewesen.

E) Die beiden Eheleute hätten sich nach den Angaben der BP in einem Lebensmittelgeschäft in XXXX kennengelernt, die ASt spricht aber vom Kennenlernen im eigenen Geschäft der BP.

F) Den Aufenthaltsort des Bruders der ASt konnte die BP als in Jilib-etwa 200 km entfernt-angeben, die ASt hingehen konnte keinerlei Angaben machen.

G) Der Name des Bruders der ASt wurde von der BP als „ XXXX “ angegeben, die ASt nennt Ihren Bruder allerdings „ XXXX “.

2.5.    Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.07.2017, zugestellt am 04.07.2017, verweigerte die ÖB der Beschwerdeführerin neuerlich die Einreise.

2.6.    Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 31.07.2017, in dieser wurde –neben einer Stellungnahme zu den einzelnen Widersprüchen - ua. vorgebracht, dass der letzte persönliche Kontakt der Bezugsperson zu der Beschwerdeführerin im Oktober 2015 in Uganda gewesen sei und die Eheleute nun auch einen gemeinsamen Sohn hätten, der vor etwa elf Monaten geboren worden sei. Der Beschwerde beigelegt waren ein Konvolut an Unterlagen.

Der Beschwerde beigelegt waren folgende Unterlagen:

-        Reisepasskopie der Bezugsperson

-        Bescheid der Bezugsperson

-        Fotos

-        Heiratsurkunde (deutsch, englisch, somalisch)

-        Erstbefragung der Bezugsperson

-        Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin (englisch, deutsch), Ausstellungsdatum: 19.06.2014

-        Personalausweis der Beschwerdeführerin

-        Vollmacht

2.7.    Mit Beschwerdevorentscheidung vom 11.10.2017, zugestellt am 11.10.2017, wies die ÖB die Beschwerde gem. §°14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des BFA hinsichtlich der Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht.

Unabhängig von der Bindungswirkung sei die Beweiswürdigung des BFA nicht zu beanstanden. Die belangte Behörde teile die bereits dargelegte Auffassung des BFA, dass die Familieneigenschaft nicht vorliege.

Auch durch den Umstand, dass das BFA in zwei Stellungnahmen ausführlich auf die offensichtlichen Widersprüche und Ungereimtheiten hinsichtlich der angeblichen Eheschließung eingegangen sei, sei die Beweiswürdigung des BFA nicht zu beanstanden. Mangels unbedenklicher Urkunden, die geeignet seien, den behaupteten Eheschluss und somit das rechtsgültige Bestehen der Ehe bereits im Herkunftsstaat zweifelsfrei zu beweisen, könne die Beschwerdeführerin somit zu Recht nicht als Ehegattin der angegebenen Bezugsperson betrachtet werden. Im gegenständlichen Verfahren sei die für eine positive Beurteilung des Antrages gem. § 35 AsylG erforderliche Eigenschaft der Beschwerdeführerin als Familienangehörige der angegebenen Bezugsperson nicht gegeben.

2.8.    Am 25.10.2017 wurde bei der ÖB ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.

2.9.    Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 22.11.2017, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 27.11.2017, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

2.10.   Am 23.01.2018 wurde eine Kopie des Reisepasses und der Geburtsurkunde des nachgeborenen Kindes vorgelegt. Bei der Geburtsurkunde ist die Bezugsperson als Vater vermerkt.

2.11.   Mit Schreiben an das BVwG vom 02.04.2019, eingelangt am 03.04.3019, wurde vom BFA ein DNA-Gutachten vorgelegt. Diesem lässt sich entnehmen, dass die Mutterschaft der Beschwerdeführerin und die Vaterschaft der Bezugsperson zum nachgeborenen Sohn als „praktisch erwiesen“ gilt. Das BFA teilte in diesem Schreiben zudem mit, dass es beabsichtige, das Einreiseverfahren des minderjährigen Kindes positiv zu erledigen.

2.12.   Am 26.07.2019 langte beim BVwG eine Anfrage der Volksanwaltschaft bezüglich der Verfahrensdauer ein.

2.13.   Mit Stellungnahme und Beweisvorlage vom 08.08.2019, eingelangt am 09.08.2019, wurde ausgeführt, dass im August 2016 der gemeinsame Sohn der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson geboren worden sei. Für ihn sei ebenfalls ein Einreiseantrag gem. § 35 AsylG bei der ÖB eingebracht worden. Diesem sei am 03.06.2019 stattgegeben worden, nachdem seine Familienangehörigeneigenschaft durch ein DNA-Gutachten zweifelsfrei erwiesen worden sei. Die Bezugsperson und die Beschwerdeführerin hätten im Sinne des Kindeswohls einvernehmlich entschieden, dass das Kleinkind zunächst bei seiner Mutter verbleiben solle, bis über ihren Einreiseantrag rechtskräftig abgesprochen werde. Im Lichte des Art. 8 EMRK sei, selbst wenn die Eheschließung der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson im Herkunftsland angezweifelte werden würde, dem Antrag der Beschwerdeführerin stattzugeben. Dies insbesondere aufgrund des Alters des gemeinsamen Kindes, welches eine vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls erfordere und eine Trennung von der Kindesmutter aus grundrechtlicher Sicht unzumutbar erscheinen lasse.

2.14.   Mit Schreiben vom 24.10.2019 und 14.01.2020 wurde um Auskunft des Verfahrensstandes gebeten, am 13.02.2020 langte ein Schreiben beim BVwG ein, in dem einerseits eine Vollmacht bekanntgegeben und andererseits um eine positive Entscheidung ersucht wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die am XXXX geborene Beschwerdeführerin, eine somalische Staatsangehörige, stellte am 21.10.2014 bei der ÖB Nairobi einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG. Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, genannt. Die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson haben am 17.04.2011 in Somalia unter Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung aus freiem Willen und ohne Bedingungen geheiratet (Erwägungen zur Gültigkeit der Ehe s. unten in der Rechtlichen Beurteilung zu A II).

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin lebte bis zu seiner Ausreise aus Somalia gemeinsam mit seiner Mutter, seinen fünf Geschwistern und seiner Ehefrau, der Beschwerdeführerin, in einer Mietwohnung in XXXX . Am 23.05.2012 stellte er unmittelbar nach seiner Einreise im österreichischen Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 15.10.2012, Zl. 12 06.404-BAE, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zu (Spruchpunkt II.) und erteilte eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 15.10.2013. (Spruchpunkt III.). Diese Aufenthaltsberechtigung wurde vom BFA mehrmals bescheidmäßig verlängert, zuletzt bis zum 15.10.2022.

Mit hg. Erkenntnis vom 15.05.2017, Zl. W 144 1430234-2/12E, wurde die Beschwerde der Bezugsperson gegen den abweislichen Asylausspruch (Spruchpunkt I des BAA-Bescheides vom 15.10.2012) als unbegründet abgewiesen.

Am XXXX 2016 wurde das gemeinsame Kind der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson geboren; dem Einreiseantrag des Kindes wurde am 03.06.2019 von der ÖB Nairobi gem. § 35 AsylG stattgegeben.

Der den Einreiseantrag abweisende angefochtene Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 04.07.2017 zugestellt, die dagegen eingebrachte Beschwerde vom 31.07.2017 wurde am 31.07.2017 eingebracht, die mit 11.10.2017 datierte Beschwerdevorentscheidung wurde am selben Tag zugestellt, der mit 25.10.2017 datierte Vorlageantrag der Beschwerdeführerin wurde am selben Tag bei der belangten Behörde eingebracht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Eheschließung von Beschwerdeführerin und Bezugsperson in Somalia und zu deren gemeinsamen Familienleben in Somalia vor Einreise der Bezugsperson in Österreich stützen sich auf folgende Erwägungen:

Die Bezugsperson hat bereits seit der ersten Einvernahme im eigenen Asylverfahren durchgehend angegeben, verheiratet zu sein, sie hat von Anfang an die Beschwerdeführerin namentlich als Ehegattin genannt. Ein bereits in Somalia bestanden habendes Familienleben (ua) zwischen Bezugsperson und Ehegattin wurde zudem im -rechtskräftig gewordenen- Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts 15.05.2017, Zl. W144 1430234-2/12E, ausdrücklich festgestellt, wobei vor dem Hintergrund der gleichbleibenden Aussagen der Bezugsperson in ihrem Asylverfahren nicht der geringste Anhaltspunkt dafür entstand, dass es sich bei der dort erwähnten Ehegattin nicht um die Beschwerdeführerin, sondern um eine andere Person handeln könnte. Das in der Zwischenzeit geborene gemeinsame Kind, dessen Abstammung von beiden in Rede stehenden Elternteilen durch DNA-Nachweis (Gutachten vom 19.03.2019 eines Forensischen DNA-Zentrallabors) belegt ist, ist als weiteres Indiz dafür zu werten, dass die Ehe der beiden bereits in Somalia geschlossen wurde, auch wenn das Kind erst bei einem späteren Zusammentreffen der Eheleute gezeugt wurde. Dass die Ehe aus freien Stücken erfolgt ist, lässt sich aus der Schilderung der Beschwerdeführerin über das Kennenlernens und die Entscheidung zur Eheschließung ableiten.

Demgegenüber überzeugen die vom BFA gegen die Glaubwürdigkeit des Vorbringens zur Eheschließung in Somalia im Jahr 2011 ins Treffen geführten Argumente nicht, auch wenn einzuräumen ist, dass Widersprüche aufgetreten sind:

Mit der Aussage der Bezugsperson, es gebe in Somalia keine Heiratsurkunden, wird keineswegs vorgebracht, dass die vorgelegte Heiratsurkunde eine Fälschung wäre. Vielmehr ist nach verständiger Interpretation der Aussage davon auszugehen, dass sie mit dieser Aussage einräumt, dass die Beweiskraft somalischer Dokumente nicht europäischen Standards entspricht.

Der vorgelegten Heiratsurkunde ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson am 17.04.2011 vor dem Sheikh XXXX nach Shariarecht geheiratet haben. Sie wurde von drei Zeugen bezeugt. Aus der vorgelegten englischen Urkunde lässt sich erkennen, dass die Heiratsurkunde am 17.04.2011, somit am Tag der Hochzeit ausgestellt wurde. Dieses Datum fehlt der deutschen Übersetzung. Hier ist nur vermerkt „Rest nicht übersetzt“. Zudem findet sich auf der englischen und der deutschen Übersetzung jeweils „ XXXX “ als Ort der Eheschließung was im Einklang mit den Angaben der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson steht. Es liegt zudem auch kein Schreiben eines Dokumentenberaters vor, wonach von einer ge- bzw. verfälschten Heiratsurkunde auszugehen ist.

Was das Alter der Beschwerdeführerin betrifft, so hat die Bezugsperson von Anfang an angegeben, dieses nicht genau zu kennen. Aus allfälligen Rechenfehlern in diesem Zusammenhang kann daher nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht auf die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der Bezugsperson geschlossen werden.

Die vom BFA monierten unterschiedlichen Zeitangaben zur Ausreise der Bezugsperson aus Somalia erklärt die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde damit, dass sie sich geirrt habe. Im Hinblick auf die Jahre zurückliegenden Umstände, scheint diese Aussage nicht unplausibel.

Die vom BFA georteten Widersprüche bei Schilderung der näheren Umstände des Hochzeitsfestes sind eben so wenig geeignet, die Glaubwürdigkeit der Betroffenen in Zweifel zu ziehen: In der Beschwerde wird plausibel dargelegt, dass sich die traditionelle Eheschließung vor dem Scheich und die Feierlichkeiten im Familien- und Freundeskreis über zwei Tage erstreckten. Weder die als Widerspruch gewerteten Angaben zum Ort des Kennenlernens der Eheleute (in einem Lebensmittelgeschäft, wobei der Frage, ob die Bezugsperson nun Eigentümer des Geschäfts war oder dort nur als Angestellter gearbeitet hat, nicht wesentlich ist) noch die zum genauen Namen bzw. Aufenthaltsort des Bruders der Beschwerdeführerin fallen derart schwer ins Gewicht, dass sie geeignet wären, die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin zur Frage der Eheschließung mit der Bezugsperson am 17.04.2011 in Somalia nach den dort geltenden Formvorschriften in Abrede zu stellen.

Die Feststellungen zum Verfahren der Bezugsperson ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt, dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.05.2017, Zl. W144 1430234-2/12E, sowie einem aktuellen Auszug aus dem IZR.

Die Feststellung zur Geburt des gemeinsamen Kindes und zu dessen Einreiseerlaubnis ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen iZm der Auskunft des BFA.

Zustell- und Einbringungsdaten von Beschwerde, Bescheid und Beschwerdevorentscheidung sind aktenkundig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) I. Ersatzlose Behebung der Beschwerdevorentscheidung

Der mit „Beschwerdevorentscheidung“ übertitelte § 14 VwGVG lautet:

„§ 14. (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

(3) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.“

§ 27 VwGVG regelt den Prüfungsumfang und normiert folgendes: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.

die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht

selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis

verbunden ist.

Vor dem Hintergrund dieser Regelungen stand es der belangten Behörde daher frei, den angefochtenen Bescheid in Form einer Beschwerdevorentscheidung innerhalb von zwei Monaten nach Einbringung der Beschwerde aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen, dies unter sinngemäßer Beachtung des § 27 VwGVG. Die zweimonatige Frist beginnt mit dem Einlangen der Beschwerde bei der Behörde zu laufen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Rz 7 zu § 14, ebenso Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 14 VwGVG, K 6).

Im Beschwerdefall langte die - rechtzeitig erhobene - Beschwerde bei der belangten Behörde am 31.07.2017 ein. Mit diesem Tag begann daher die Frist für eine allfällige Beschwerdevorentscheidung durch die belangte Behörde zu laufen und endete dementsprechend mit Ablauf des 30.09.2017 (abweichende Wochenend- bzw. Feiertagsregelungen im Empfangsstaat iSd § 11 Abs. 1 FPG liegen in diesem Zeitraum nicht vor).

Die Beschwerdevorentscheidung vom 11.10.2017 wurde der Beschwerdeführerin jedoch erst nach Ablauf der Frist zugestellt und erweist sich somit als verspätet.

Die Beschwerdevorentscheidung tritt durch den Vorlageantrag mangels einer gesetzlichen Regelung nicht außer Kraft, was vom Gesetzgeber offenbar beabsichtigt war (vgl. RV 2009, BlgNR 24 GP 5), sondern derogiert dem Ausgangsbescheid endgültig und wird zum Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (dazu ausführlich VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).

Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Frage der Zuständigkeit der erlassenden Behörde von Amts wegen aufzugreifen. Die zu spät erlassene Beschwerdevorentscheidung ist daher aufgrund des rechtzeitigen Vorlageantrages wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde nach § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 14 Abs. 1 VwGVG iVm § 27 VwGVG ersatzlos zu beheben (vgl in diesem Sinne: Eder/Martschin/Schmid, das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 14 VwGVG K 7.) und der angefochtene Bescheid in der Folge im Rahmen der Beschwerde vom 31.07.2017 zu prüfen.

Zu A) II. Behebung des angefochtenen Bescheides:

1. Rechtslage:

Zunächst ist zu den maßgeblichen Bestimmungen für die Entscheidung über den gegenständlichen Einreiseantrag festzuhalten, dass gemäß § 75 Abs. 24 (dritter bis fünfter Satz) AsylG 2005 die §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden sind. Auf Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde.

Im gegenständlichen Fall stellte die Beschwerdeführerin ihren Einreiseantrag nach § 35 AsylG 2005 am 21.10.2014. Das Verfahren über diesen Antrag war somit bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig, sodass im Beschwerdefall § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 anzuwenden ist.

Mit dem FrÄG 2017 (BGBl. I Nr. 145/2017) entfiel vor dem Hintergrund der Bestimmungen der Richtlinie 2011/95/EU - „StatusRL“ (vgl. EBzRV 1523 der Beilagen XXV. GP) mit Inkrafttretensdatum 01.11.2017 ohne Übergangsbestimmung (vgl. § 73 Abs. 18 AsylG 2005) unter anderem in § 34 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG 2005 jeweils die Z. 2, in § 35 Abs. 5 leg.cit. wurden die Wendungen „im Herkunftsstaat“ jeweils durch die Wortfolge „vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten“ ersetzt, mit dem FrÄG 2018 (BGBl. I Nr. 56/2018) erfolgte ua mit Inkrafttretensdatum 01.09.2018 ohne Übergangsbestimmungen (vgl. § 73 Abs. 20 AsylG 2005) eine Neufassung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 und Adaptierung in § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Bei verständiger Interpretation der genannten Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen sind im Beschwerdefall daher § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 in der durch das FrÄG 2018 modifizierten Fassung, die übrigen Bestimmungen in der nach dem FrÄG 2018 geltenden Fassung anzuwenden.

(An der Anwendung der Bestimmungen in den zitierten Fassungen ändert auch das jüngst ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26.06.2020, GZ G298/2019 ua, nichts: Mit diesem Erkenntnis wurden nämlich die ursprünglich von Amts wegen in Prüfung gezogenen § 34 Abs. 1, 2, 4 und 5 AsylG 2005 idF BGBl I Nr 145/2017 nicht als verfassungswidrig aufgehoben, die unter einem erfolgte Aufhebung des § 2 Abs 1 Z 22 AsylG 2005, BGBl I Nr 100 idF BGBl I Nr 56/2018, als verfassungswidrig tritt erst mit Ablauf des 30. Juni 2021 in Kraft).

2. Der mit „Begriffsbestimmungen“ übertitelte § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 idaF lautet:

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

 

[….]

22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;“

Der mit „Familienverfahren im Inland“ übertitelte § 34 AsylG 2005 idgF lautet:

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

 

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

 

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

 

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

 

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

 

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

 

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

 

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

 

auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der

2. Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

 

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

§ 35 AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung lautet:

„Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.

(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1.

gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und

2.

das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.“

§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:

„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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