TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/16 W108 2221915-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2020
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Entscheidungsdatum

16.11.2020

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W108 2221915-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2019, Zl. 1225407602-190359329/BMI-BFA_SBG_AST_01, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Vorbringen:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte mit dem gegenständlichen Antrag vom 08.04.2019 das Begehren, ihm internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 (AsylG) zu gewähren (in der Folge auch Asylantrag).

Im verwaltungsbehördlichen Verfahren wurde der Beschwerdeführer in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor der belangten Behörde niederschriftlich befragt.

Der Beschwerdeführer sagte in der Erstbefragung, zu der ein Dolmetscher für Arabisch hinzugezogen wurde, im Wesentlichen Folgendes aus: Er sei syrischer Staatsangehöriger, Kurde, sunnitischer Moslem und am XXXX in XXXX ( XXXX ; Arabisch bzw. XXXX Kurdisch) in Syrien geboren sowie mit einer im Jahr XXXX geborenen Frau verheiratet. Im Jahr 2018 habe er Syrien illegal verlassen und über den Irak sowie die Türkei Europa erreicht. Er habe vorgehabt, vor drei Jahren auszureisen, aber es sei ihm nicht gelungen, das Leben in Syrien sei sehr schwer, man wisse nicht, was passiere. Er sei nach Österreich bekommen, um einen Beruf zu erlernen, zu arbeiten und in Sicherheit zu leben.

Im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch gab der Beschwerdeführer an: Er sei zuvor staatenlos gewesen, bis er im Jahr 2011 die syrische Staatsbürgerschaft erhalten habe. Er sei Kurde und moslemisch/sunnitischen Glaubens, aber nicht religiös. Am XXXX sei er im kleinen Dorf XXXX (Arabisch) bzw. XXXX (Kurdisch), welches zur Stadt XXXX gehöre, geboren worden. Er sei seit XXXX verheiratet und habe keine Kinder. Er habe 12 Jahre lang die Schule besucht und diese mit Matura abgeschlossen. Anschließend sei er nach XXXX gezogen, wo er sich im Zeitraum vom 2007 bis 2011 aufgehalten, ein Jahr lang XXXX an der Universität studiert und XXXX gearbeitet habe. In weiterer Folge sei er in sein Heimatdorf zurückgekehrt und habe sich bis zu seiner Ausreise dort aufgehalten. Er habe in der Landwirtschaft seines ältesten Bruders gearbeitet. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter, Geschwister sowie seine Ehefrau würden derzeit in seinem Heimatdorf leben, mit denen er auch in Kontakt stehe. Zudem befinde sich ein Bruder in Deutschland, ein Bruder lebe im Irak. Er sei voll arbeitsfähig und arbeitswillig. In Syrien gebe es keine Sicherheit und Freiheit. Sein Heimatdorf werde von der PYD regiert und er habe Angst gehabt, von der PYD zwangsrekrutiert zu werden. Er habe sich nicht mehr frei bewegen können. In Syrien gebe es Zwangsrekrutierungen, er wolle aber nicht kämpfen. Die PYD sei nicht bei ihm gewesen und habe ihn nicht konkret gesucht, um ihn zu rekrutieren. Er habe im Dorf gelebt, dort seien aber zu wenige Anhänger der PYD anwesend gewesen. Seine Brüder seien auch nicht von der PYD rekrutiert worden. Er glaube, dass er rekrutiert werden würde, da es in Syrien noch immer Krieg gebe. Als er Syrien verlassen habe, habe es Krieg in der Nähe von Deir ez zor und in Gebieten von Al Hasaka gegeben. Er habe schon viel früher nach Europa reisen wollen, er habe jedoch nicht die Möglichkeit dazu gehabt. Drei Jahre lang habe er versucht, nach Europa zu gelangen. Sein Bruder lebe in Deutschland, er habe mit ihm mitreisen wollen, habe aber aus finanziellen Gründen das Land nicht verlassen können. Die letzten drei Jahre seien sehr anstrengend gewesen und er habe Angst gehabt. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor einem erneuten Kriegsausbruch. Es gebe keine Sicherheit.

2. Die belangte Behörde wies mit dem nunmehr vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und gab dem Antrag des Beschwerdeführers dahingehend Folge, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten (rechtskräftig) zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde (Spruchpunkte II. und III.).

Die belangte Behörde erachtete die Angaben des Beschwerdeführers im Wesentlichen als tatsachenwidrig. Sie ging nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer in Syrien einer individuellen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und er eine solche Verfolgung zukünftig zu befürchten habe. Er habe unterschiedliche Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates angegeben und sein Fluchtvorbringen gesteigert, denn in der Erstbefragung habe er von einer möglichen Zwangsrekrutierung seitens der kurdischen PYD keine Angaben gemacht. Zudem habe er jegliche Verfolgung von Seiten syrischer Behörden verneint. Der Beschwerdeführer sowie seine Brüder seien nie von irgendwelchen Kriegsparteien rekrutiert bzw. zu Kampfhandlungen gezwungen worden. Darüber hinaus stehe fest, dass er bis Ende 2018 durchgehend in Syrien gelebt habe und in dieser Zeit nie zwangsrekrutiert oder in irgendeiner Form zum Kriegsdienst herangezogen worden sei. Eine mögliche Zwangsrekrutierung seitens der YPG oder der syrischen Behörden sei nach derzeitigem Verlauf der Lebensgeschichte des Beschwerdeführers als unwahrscheinlich zu bewerten, weil dies offensichtlich auch während der letzten acht Jahre, wo der Krieg wesentlich massiver und vor allem auf das gesamte Gebiet Syriens ausgedehnt gewesen sei, nie stattgefunden habe. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsort erachtete die belangte Behörde ebenso als unglaubwürdig wie seine Angaben zur PYD. Der militärische Arm der PYD sei nicht wie vom Beschwerdeführer angegeben „Qasad“, sondern „YPG“.

Mit Schreiben vom 18.06.2019 legte der Beschwerdeführer der belangten Behörde sein Maturazeugnis, seinen Studentenausweis, Kopien seines Wehrdienstbuches sowie seine Heiratsurkunde samt Übersetzungen vor.

3. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides (Versagung des Asylstatus) richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG.

Die belangte Behörde habe die Ermittlungspflicht verletzt, weil sie den Beschwerdeführer mangelhaft befragt habe, was in weiterer Folge zu fehlenden Feststellungen geführt habe. Weiters seien die Länderfeststellungen sowie die Beweiswürdigung mangelhaft und die rechtliche Beurteilung unrichtig. Der Beschwerdeführer sei Kurde und in wehrfähigem Alter, der sich bis zu seiner Flucht dem Wehrdienst und auch der Pflicht, für die PYD zu kämpfen, entzogen habe. In seiner Heimatregion sei er einer Rekrutierung durch die PYD ausgesetzt, in einem anderen Teil Syriens hingegen würde er vom Militär der syrischen Regierung einen Einrückungsbefehl erhalten. In Bezug auf den Zeitpunkt der Ausreise habe die belangte Behörde keine weiteren Ermittlungen angestellt, warum der Beschwerdeführer geflohen sei. Hätte die belangte Behörde näher nachgefragt, hätte der Beschwerdeführer erklären können, dass sich die für Kurden die Situation seit 2016 verschärft habe. In der Region des Beschwerdeführers seien junge Männer an Kontrollpunkten aufgegriffen und gezwungen worden, für die PYD zu kämpfen. Der Beschwerdeführer habe seinen Ort nicht mehr verlassen und sich bemüht, Kontrollpunkte zu vermeiden. Somit habe er bis zu seiner Flucht eine Rekrutierung durch die PYD verhindern können. Zudem würden die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen einerseits nicht ausreichend gewürdigt, andererseits seien auch die bereits getroffenen Länderfeststellungen unvollständig. Der Abgleich mit den in der Beschwerde angeführten Länderberichten unterstütze die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers. Aus diesen Länderberichten gehe eindeutig hervor, dass eine Rückkehr nach Syrien dem Beschwerdeführer nicht zumutbar sei, weil ihm aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung eine Verletzung in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK drohe. Überdies liege keine Steigerung des Vorbringens vor. Die belangte Behörde werfe dem Beschwerdeführer vor, sein Vorbringen gesteigert zu haben, weil er während der Erstbefragung nicht von einer Zwangsrekrutierung gesprochen habe. Einerseits würden Asylwerber während der Erstbefragung meist dazu angehalten, sich kurz zu fassen und Details während der Einvernahme zu erklären, andererseits sei es eine allgemein bekannte Tatsache, dass in Syrien Wehrpflicht gelte und dass Angehörige der kurdischen Volksgruppe gezwungen werden können, für die PYD zu kämpfen. In Bezug auf den Geburtsort des Beschwerdeführers lägen keinerlei Widersprüche vor, weil es bei den angegebenen Namen einerseits um den arabischen und den kurdischen Namen und andererseits um den Namen der Region, in der sich der Geburtsort des Beschwerdeführers befinde, handeln würde. Weiters werde dem Beschwerdeführer vorgehalten, den Namen des militärischen Arms der PYD nicht zu kennen, weil er selbst auch auf Qasad verwiesen habe. Hierbei habe die belangte Behörde allerdings nicht die notwendigen Ermittlungen angestellt, um den Begriff zu verstehen. Schließlich habe die Behörde im angefochtenen Bescheid Länderfeststellungen zur Situation in Syrien getroffen, die sie in der Beweiswürdigung und in der rechtlichen Beurteilung nicht ausreichend berücksichtigt habe. Hätte die Behörde die eigenen Länderfeststellungen in der Beweiswürdigung berücksichtigt, so hätte sie feststellen müssen, dass die Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung jedenfalls wohlbegründet und plausibel erscheine. Hier sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer, der im wehrfähigen Alter sei, den Wehrdienst nicht abgeleistet habe und aus Syrien geflohen sei. Dem aktuellen Länderinformationsblatt sei zu entnehmen, dass Wehrdienstverweigerer in Kriegszeiten mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft werden würden. Berichte zufolge könnte Wehrdienstverweigerern auch Folter und der Tod drohen.

4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich der Beschwerdeführer persönlich beteiligte und Beweis erhoben wurde ua. durch Einvernahme des Beschwerdeführers und Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel und in die Länderberichte zur Situation in Syrien. Der Beschwerdeführer sagte im Wesentlichen aus:

Er sei in XXXX (Kurdisch) bzw. XXXX (Arabisch) geboren, jedoch würden die syrischen Behörden, vor allem Kurden betreffend, immer etwas anderes im Familienbuch eintragen. Dort habe er außer in den Jahren 2007 bis 2011, die er in XXXX verbracht habe, bis zu seiner Ausreise gelebt. Seine Mutter, sein älterer Bruder (geb. im Jahr XXXX ), ein jüngerer Bruder (geb. im Jahr XXXX ) sowie seine Frau seien in seinem Heimatdorf aufhältig. Seine Heimatregion stehe unter der Kontrolle der kurdischen Volksverteidigungseinheit YPG, weswegen er Angst habe, von dieser rekrutiert zu werden. Eine Gefahr der Zwangsrekrutierung seitens der syrischen Regierung sei nicht gegeben, weil er vom Wehrdienst befreit sei. Zwei oder drei Jahre vor seiner Ausreise hätten die kurdischen Einheiten Leute zwangsrekrutiert und angefangen, Leute für den Krieg einzuziehen. Aus Angst vor einer solchen Einziehung habe er Syrien verlassen. Sein älterer Bruder sei aufgrund seines Alters, sein jüngerer Bruder aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes nicht eingezogen worden. Dass die kurdischen Einheiten Personen, die seitens der syrischen Regierung vom Militärdienst befreit seien, ebenfalls nicht einziehen würden, stimme nicht, weil sie ihre eigenen Gesetze hätten. Im Jahr 2012 seien die syrischen Einheiten abgezogen und kurdische Einheiten an die Macht gekommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Es wird von den Darlegungen oben unter Punkt I. zum Verfahrensgang und Vorbringen des Beschwerdeführers ausgegangen. Damit steht insbesondere fest:

Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Syriens, im Entscheidungszeitpunkt 29 Jahre alt, gesund, arbeitsfähig und strafrechtlich unbescholten. Er ist Kurde und – nicht religiöser - sunnitischer Moslem.

Der Beschwerdeführer war in Syrien zunächst ein registrierter staatenloser Ausländer. Er hat als registrierter staatenloser Ausländer keinen Militärdienst in Syrien geleistet. Im Jahr 2011 bzw. im Alter von ca. 20 Jahren wurde der Beschwerdeführer von der syrischen Regierung eingebürgert. Der Beschwerdeführer ist (gemäß dem Bescheid des Generalkommandos der Armee und Streitkräfte Nr. 149 vom 24.12.2011) vom Militär- und Reservedienst der syrischen Regierung befreit, aber als „wehrdienstfähig“ eingestuft.

Der Beschwerdeführer wurde im mehrheitlich von Kurden bewohnten Dorf XXXX (Arabisch) bzw. XXXX (Kurdisch), XXXX (Arabisch) bzw. XXXX (Kurdisch), in Nordsyrien geboren und wuchs dort auf. In den Jahren 2007 bis 2011 war er in XXXX aufhältig, bis er in sein Heimatdorf zurückkehrte und sich dort bis zu seiner Ausreise bei seiner Familie aufhielt und in der Landwirtschaft seines Bruders mitarbeitete.

In dem an der Grenze zum Irak gelegenen Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers üben die kurdischen Partei PYD, ihr bewaffneter Flügel YPG und ihr Militärbündnis SDF die Macht aus. Die syrische Regierung/Armee ist in den Gebieten der PYD/YPG/SDF präsent.

Als Einheiten der PYD/YPG/SDF im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers begannen, Militärdienstrekrutierungen auch zwangsweise vorzunehmen und die Rekrutierten für den Kriegseinsatz einzuziehen, entschloss sich der Beschwerdeführer, da er befürchtete, in Syrien von diesen Einheiten ebenfalls zwangsrekrutiert zu werden, zur Flucht, hatte dazu aber zunächst nicht die Gelegenheit. Aus Angst vor Rekrutierung verblieb der Beschwerdeführer im Dorf bzw. im landwirtschaftlichen Betrieb der Familie, wo die Rekrutierungsgefahr nicht so stark war wie etwa in den Städten. Schließlich gelang es dem Beschwerdeführer, Syrien im November 2018 unerlaubt zu verlassen.

Der Beschwerdeführer hat vier Brüder, von denen sich zwei außerhalb Syriens befinden und die zwei weiteren, ein älterer Bruder (geb. im Jahr XXXX ) und ein jüngerer Bruder (geb. im Jahr XXXX ), mit der Mutter und der Ehefrau des Beschwerdeführers noch Heimatdorf des Beschwerdeführers in Syrien leben. Der ältere Bruder des Beschwerdeführers ist zu alt für den Militärdienst, der jüngere Bruder des Beschwerdeführers, der in Syrien lebt, ist krank und militärdienstuntauglich.

Der Beschwerdeführer ist kein Anhänger von PYD/YPG/SDF und lehnt eine Unterstützung von PYD/YPG/SDF, insbesondere auch durch das Nachkommen seiner Militärdienstpflicht und durch seine Teilnahme im bewaffneten Konflikt, ab.

Der Beschwerdeführer ist aktuell gefährdet, in Syrien asylrelevant in das Blickfeld der Machthaber in seinem Herkunftsgebiet, der SDF/PYD/YPG, zu geraten, als politischer Gegner wahrgenommen und deshalb Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen zu werden. Dem Beschwerdeführer droht von Seiten der SDF/PYD/YPG insbesondere die (zwangsweise) Rekrutierung sowie der Einsatz im bewaffneten Konflikt in Syrien.

1.2. Hinsichtlich der Lage in Syrien:

1.2.1. Politische Lage/Sicherheitslage

Mit russischer und iranischer Unterstützung hat die syrische Regierung mittlerweile wieder große Landesteile von bewaffneten oppositionellen Gruppierungen zurückerobert. Trotz der großen Gebietsgewinne durch das Regime besteht die Fragmentierung des Landes in Gebiete, in denen die territoriale Kontrolle von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt wird, weiter fort.

Die Provinz Idlib im Norden Syriens an der Grenze zur Türkei wird derzeit noch von diversen Rebellengruppierungen kontrolliert. Im Norden bzw. Nordosten Syriens gibt es Gebiete, welche unter kurdischer Kontrolle stehen. Die Partei der Demokratischen Union (PYD) ist die politisch und militärisch stärkste Kraft der syrischen Kurden. Sie gilt als syrischer Ableger der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). 2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der PKK, deren Mitglieder die PYD gründeten, gekommen sein. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine „zweite Front” in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Baath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrin, Ain al-Arab (Kobane) und die Jazira von PYD und YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre. Im März 2016 wurde in dem Gebiet, das zuvor unter dem Namen „Rojava“ bekannt war, die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte. Afrin im Nordwesten Syriens ist territorial nicht mit den beiden anderen Kantonen Jazira und Kobane verbunden und steht seit März 2018 unter türkischer Besatzung.

Die syrischen Kurden unter Führung der PYD beanspruchen in den Selbstverwaltungskantonen ein Gesellschaftsprojekt aufzubauen, das nicht von islamistischen, sondern von basisdemokratischen Ideen, von Geschlechtergerechtigkeit, Ökologie und Inklusion von Minderheiten geleitet ist. Während Befürworter das syrisch-kurdische Gesellschaftsprojekt als Chance für eine künftige demokratische Struktur Syriens sehen, betrachten Kritiker es als realitätsfremd und autoritär. Das Ziel der PYD ist nicht die Gründung eines kurdischen Staates in Syrien, sondern die Autonomie der kurdischen Kantone als Bestandteil eines neuen, demokratischen und dezentralen Syrien. Die PYD hat sich in den kurdisch kontrollierten Gebieten als die mächtigste politische Partei im sogenannten Kurdischen Nationalrat etabliert, ähnlich der hegemonialen Rolle der Baath-Partei in der Nationalen Front. Ihr militärischer Arm, die YPG sind zudem die dominierende Kraft innerhalb des von den USA unterstützten Militärbündnisses Syrian Democratic Forces (SDF). Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Flüchtlingswelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Diese schwierige Situation führt auch dazu, dass die Kurden wieder vermehrt das Gespräch mit der syrischen Zentralregierung suchen.

Die syrische Regierung erkennt die kurdische Enklave oder Wahlen, die in diesem Gebiet durchgeführt werden, nicht an. Die zwischen der Kurdischen Selbstverwaltung (dominiert von der PYD) und Vertretern der syrischen Regierung im Sommer 2018 und Anfang 2019 geführten Gespräche brachten auf Grund unvereinbarer Positionen betreffend die Einräumung einer (verfassungsgemäß festzuschreibenden) Autonomie, insbesondere für die kurdisch kontrollierten Gebiete sowie hinsichtlich der Eingliederung/Kontrolle der SDF, keine Ergebnisse. Im Zuge einer türkischen Militäroffensive, die im Oktober 2019 gestartet wurde, kam es jedoch zu einer Einigung zwischen beiden Seiten, da die kurdischen Sicherheitskräfte die syrische Zentralregierung um Unterstützung in der Verteidigung der kurdisch kontrollierten Gebiete baten. Die syrische Regierung ist daraufhin in mehrere Grenzstädte eingerückt.

Gebiete unter kurdischer Kontrolle/von den SDF besetzte Gebiete in Nordostsyrien

Die kurdischen Behörden setzen in den von ihnen kontrollierten Gebieten einen Rechtskodex, basierend auf einer „Sozialcharta“, durch. In Berichten wird diese „Sozialcharta“ beschrieben als eine Mischung aus syrischem Straf- und Zivilrecht mit Gesetzen, die sich in Bezug auf Scheidung, Eheschließung, Waffenbesitz und Steuerhinterziehung an europäischem Recht orientieren. Allerdings fehlen gewisse europäische Standards für faire Verfahren, wie das Verbot willkürlicher Festnahmen, das Recht auf gerichtliche Überprüfung und das Recht auf einen Anwalt. Das Justizsystem in den kurdisch kontrollierten Gebieten besteht aus Gerichten, Rechtskomitees und Ermittlungsbehörden. Es wurde eine von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) geführte Verwaltung geschaffen, die neben diesen Rechtsinstitutionen auch eine eigene Polizei, Gefängnisse und Ministerien umfasst. Der Rechtskodex, „Verfassung von Rojava“ genannt, betont zwar seine demokratische Struktur, in der Praxis zeigt die Vorherrschaft der PYD und deren Missachtung und Unterdrückung anderer kurdischer Akteure jedoch ein anderes Bild.

Die kurdischen Behörden haben den sogenannten „Defense of the People Court“ eingerichtet, der über ehemalige IS-Mitglieder in kurdischer Gefangenschaft urteilen soll. Das Gericht wird jedoch weder von den syrischen Behörden noch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt. Die Höchststrafe, die dieses Gericht verhängt, ist eine „lebenslange Freiheitsstrafe“, wobei es sich um eine zwanzigjährige Haftstrafe handelt. Gerichtsurteile werden bei guter Führung oder, wenn sich der Angeklagte selbst den kurdischen Behörden gestellt hat, gemildert. Diese „mildere Vorgehensweise“ hat zum einen den Zweck der arabischen Mehrheitsbevölkerung Ost-Syriens, die den kurdischen Machthabern misstraut, guten Willen zu zeigen, zum anderen soll dadurch die Regierungskompetenz hervorgehoben und internationale Legitimation gewonnen werden. Das System weist jedoch auch gravierende Mängel auf, so haben die Angeklagten keinen Zugang zu einem Verteidiger und es gibt keine Möglichkeit Berufung einzulegen. Die kurdischen Behörden gaben an, die Einrichtung einer Berufungsmöglichkeit zu planen.

Nachdem die SDF Ende März 2019 ISIS aus deren letzter Bastion in Syrien vertrieben hatten, haben die Kämpfe weitgehend nachgelassen. Berichten zufolge hat sich ISIS jedoch zu einem geheimen Netzwerk entwickelt und es kommt immer häufiger zu Kleinwaffenbeschuss, Selbstmord- und Autobombenanschlägen, die gegen Zivilpersonen und Sicherheitskräfte gerichtet sind sowie Ermordungen von SDF-Kämpfern/Befehlshabern und Personen, denen eine Kollaboration mit den SDF vorgeworfen wird. Militärische Operationen und Verhaftungswellen gegen Personen, die verdächtigt werden, Kontakte zu ISIS zu haben, werden weiterhin aus dem Nordosten Syriens gemeldet.

In nicht-kurdischen Gebieten, die von den SDF kontrolliert werden, protestierten Teile der lokalen arabischen Bevölkerung gegen Zwangsrekrutierung, Unterversorgung und willkürliche Verhaftungen von Personen, die verdächtigt wurden, mit ISIS in Verbindung zu stehen. Berichten zufolge wurden einige Proteste gewaltsam unterdrückt, u. a. mit scharfer Munition.

Die Komplexität und Unberechenbarkeit der Sicherheitslage und der politischen Entwicklung in Nordostsyrien haben sich durch die laufenden militärischen Offensiven der Türkei und der mit Unterstützung der Türkei operierenden Truppen, den fast vollständigen Rückzug der US-Armee aus Syrien und den ständigen Einsatz von Regierungstruppen in ehemals SDF-kontrollierten Gebieten erhöht.

Viele Städte, die zuvor von ISIS kontrolliert wurden, sind im Rahmen von Militäroffensiven gegen ISIS großflächig zerstört worden und noch immer stark mit Blindgängern kontaminiert.

1.2.2. Wehrdienst/Rekrutierung

Kurdische Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ)

Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) sind die bewaffneten Einheiten der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD). Bis 2014 war der Militärdienst bei der YPG freiwillig. Seit 2014 gibt es jedoch in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst für Männer von 18 bis 30 Jahren. Der Wehrdienst sollte sechs Monate dauern, dauerte in den letzten Monaten jedoch 12 Monate. Jene, die den Wehrdienst verweigern, müssen zur Strafe 15 Monate Wehrdienst leisten.

Mehrfach ist es zu Fällen gekommen, in denen Männer von der YPG rekrutiert werden, die älter als 30 Jahre waren. Dabei handelte es sich um Personen, die PYD-kritisch politisch aktiv waren, und die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Rekrutierung abgestraft werden sollten.

Frauen können freiwilligen Militärdienst in den kurdischen Einheiten leisten, wobei es gleichzeitig Berichte von Zwangsrekrutierungen von Frauen gibt. Quellen zufolge gibt es keine Beweise für Zwangsrekrutierungen von Frauen durch die kurdischen Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), jedoch kann es einzelne Fälle der Zwangsrekrutierung von Frauen in kleineren lokalen kurdischen Milizen geben, die gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) kämpfen. Dem widersprechen andere Quellen, denen zufolge es in mehreren Fällen zur Rekrutierung bzw. Zwangsrekrutierung minderjähriger Mädchen gekommen ist. Darüber hinaus sind Fälle bekannt, in denen kurdische Frauen, die der YPG zunächst freiwillig beitraten, daran gehindert wurden, diese wieder zu verlassen.

1.2.3. Opposition/Zuschreibung einer oppositionellen Gesinnung

Bestimmte Personen werden aufgrund ihrer politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen oder ihnen wird auf andere Weise Schaden zugefügt. Aber die Konfliktparteien wenden Berichten zufolge breitere Auslegungen an, wen sie als der gegnerischen Seite zugehörig betrachten. Diese basieren z.B. auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in einem bestimmten Gebiet, das als „regierungsfreundlich“ oder „regierungsfeindlich“ gilt.

Eine sich verstärkende Besonderheit des Konflikts in Syrien ist der Umstand, dass – auch - die syrische Regierung als Konfliktpartei oftmals größeren Personengruppen, einschließlich Familien, Stämmen, religiösen bzw. ethnischen Gruppen sowie ganzen Städten, Dörfern und Wohngebieten, eine politische Meinung unterstellt. Die Annahme, dass eine Person eine bestimmte politische Meinung hat, oder eine bestimmte Konfliktpartei unterstützt, basiert oft nur auf wenig mehr als der physischen Anwesenheit dieser Person in einem bestimmten Gebiet oder ihrer Abstammung aus diesem Gebiet oder auf ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund oder ihrer Stammeszugehörigkeit.

1.2.4. Verletzungen der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts

Noch immer trägt die Zivilbevölkerung die Hauptlast des Konflikts. Berichten ist zu entnehmen, dass die Konfliktparteien Kriegsverbrechen und andere schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht sowie die Menschenrechte begehen, einschließlich Handlungen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen; Straflosigkeit ist weitverbreitet.

Syrian Democratic Forces (SDF) / Volksschutzeinheiten (YPG) und Institutionen der Autonomieregion

Auch die oppositionellen bewaffneten Gruppen der Syrian Democratic Forces (SDF) werden für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, darunter die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG). Es gibt Berichte über Verschwindenlassen von Gegnern der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und deren Familien, unrechtmäßige Verhaftungen, Folter von politischen Gegnern, sowie vereinzelte Berichte über Festnahmen von Journalisten, Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien und Personen, die sich weigerten mit den kurdischen Gruppen zu kooperieren. Familienmitglieder von gesuchten Aktivisten, darunter auch Verwandte von Mitgliedern des IS, sollen von den SDF in den von ihnen kontrollierten Gebieten gefangen genommen worden sein, um Informationen zu erhalten oder um Druck auszuüben. Weiters gibt es Berichte über vermehrte Verhaftungen von Männern für versuchte Wehrdienstverweigerung und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in den befreiten Gebieten.

Berichten zufolge kam es 2017 auch zur Vertreibung von arabischen Bewohnern aus Gegenden, die durch kurdische Einheiten vom IS befreit worden waren.

Die YPG gehört seit 2014 zu den vom VN-Generalsekretär gelisteten Konfliktparteien, die Kindersoldaten einsetzen und Kinderrechte verletzen. Nach Berichten zu Rekrutierungen von Kindern, auch unter Zwang, durch die SDF, verabschiedeten diese ein Verbot der Rekrutierung und Verwendung von Personen unter 18 Jahren zum Kampf. Verboten sind, unter Androhung von Strafen für die Befehlshaber, auch Hilfsdienste wie Ausspähen, Wach- und Versorgungsdienste. Die kurdischen Gruppen erklärten ihre volle Unterstützung der Anordnung. Im Dezember 2018 wurden 56 unter-18-Jährige ihren Eltern übergeben.

Die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten stellt sich insgesamt deutlich weniger gravierend dar, als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer bis jihadistischer Gruppen befinden.

Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als „regierungsfreundlich“ oder „regierungsfeindlich“ gilt.

Wie Berichten zu entnehmen ist, haben die SDF als Teil der von den USA angeführten Anti-ISIS-Koalition nicht alle praktisch möglichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um Leid der Zivilbevölkerung während der Militärkampagnen 2018 und 2019 zu verhindern.

Berichte schreiben den SDF/YPG Menschenrechtsverletzungen gegenüber tatsächlichen und vermeintlichen Gegnern zu, einschließlich Mitgliedern kurdischer Oppositionsparteien, Journalisten und Bürgerjournalisten aus der Zivilbevölkerung, Mitarbeitern humanitärer Hilfsorganisationen sowie politischer Aktivisten und Protestierenden. Personen mit diesen Profilen werden gezielt entführt, ihrer Freiheit beraubt und in einigen Fällen gefoltert und in sonstiger Form misshandelt. Personen, die verdächtigt werden, mit ISIS in Verbindung zu stehen, einschließlich Jungen, die erst neun Jahre alt sind, werden in völlig überfüllten informellen Hafteinrichtungen in ganz Nordostsyrien in Isolationshaft gehalten, entweder in verlängerter Untersuchungshaft oder im Anschluss an rechtsfehlerhafte Prozesse vor nicht legitimierten Gerichten. Tausende von Frauen, die für ISIS-Mitglieder oder Familienangehörige von ISIS-Kämpfern gehalten werden, wurden samt Kindern ihrer Freiheit beraubt und werden unter erbärmlichen Bedingungen in Vertriebenenlagern ohne Sicherstellung ihrer grundlegenden Bedürfnisse festgehalten.

SDF/YPG und der interne Sicherheitsdienst Asayish nehmen weiterhin Zwangsrekrutierungen (sogenannte „Pflicht zur Selbstverteidigung“) in Gebieten vor, die unter ihrer de facto Kontrolle stehen, einschließlich in Lagern für Binnenvertriebene. Die Weigerung, sich den YPG anzuschließen, kann schwere Folgen haben, einschließlich Freiheitsentzug und Misshandlung in Gefangenschaft. Es wird immer wieder gemeldet, dass Jungen und Mädchen, die erst zwölf Jahre alt sind, von den YPG, den Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), Asayish und den SDF rekrutiert werden, einschließlich für Kampfeinsätze, obwohl die genannten Akteure wiederholt zugesichert haben, die Rekrutierung von Kindern zu unterbinden.

In Gebieten, die der de facto Kontrolle der Türkei und der von ihr unterstützten bewaffneten oppositionellen Gruppen unterliegen, werden von den YPG und ihren Verbündeten Berichten zufolge gezielte Entführungen und außergerichtliche Hinrichtungen von tatsächlichen und vermeintlichen Kollaborateuren der Türkei und ihrer Verbündeten vorgenommen.

1.2.5. Ethnische/religiöse Minderheiten

Kurden

Auch (bzw. gerade auch) Kurden zählen zu den [auch exilpolitisch tätigen] Regimegegnern.

Im Jahr 2011, kurz vor Beginn des syrischen Bürgerkriegs, lebten in Syrien zwischen zwei und drei Millionen Kurden. Damit stellten sie etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Die Lebensumstände waren für die Kurden in Syrien lange Zeit noch kritischer als in der Türkei und im Iran. Ein Grund dafür war die brutale Repression aller oppositionellen Bestrebungen durch das Regime. Das Ergebnis waren sehr weitgehende Diskriminierungen. Im Nachgang einer Volkszählung im Jahr 1962 wurde rund 120.000 Kurden die syrische Staatsangehörigkeit aberkannt. Sie und ihre Nachfahren galten den syrischen Behörden seither als geduldete Staatenlose. Die Zahl dieser Ausgebürgerten, die wiederum in registrierte (ajanib) und unregistrierte (maktumin) Staatenlose unterteilt wurden, dürfte 2011 bei über 300.000 gelegen haben. Als im März 2004 im kurdischen Nordosten Unruhen ausbrachen, deren Wellen bis in kurdischen Viertel von Damaskus reichten, wurden sie brutal niedergeschlagen. Die schweren Diskriminierungen, die alle Kurden im Nordosten trafen, blieben bis 2012 bestehen. So durfte in den Schulen und Universitäten nicht in kurdischer Sprache gelehrt werden und kurdische Publikationen waren verboten. Die fehlende Präsenz der syrischen Regierung in den kurdischen Gebieten in den Anfangsjahren des Konfliktes verlieh den Kurden mehr Freiheiten, wodurch zum Beispiel die kurdische Sprache an Schulen unterrichtet werden konnte. Die syrische Regierung erkennt die Legitimation der föderalen kurdischen Gebiete jedoch nicht an.

1.2.6. Risikoprofile

Laut UNHCR bestehen nachstehende Risikoprofile, die gegebenenfalls auch für Familienangehörige und sonstige Personen gelten, die Menschen mit diesen Risikoprofilen nahestehen:

?        Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, insbesondere, jedoch nicht ausschließlich Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Demonstranten, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; hochrangige Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Zivilpersonen, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Bezirken, Dörfern und Gemeinden leben.

?        Wehrdienstentzieher und Deserteure der Streitkräfte.

?        Personen, die tatsächlich oder vermeintlich die Regierung unterstützen, insbesondere, jedoch nicht ausschließlich Regierungsbeamte und Mitglieder von Parteien, die der Regierung verbunden sind; tatsächliche und vermeintliche Mitglieder von Streitkräften der Regierung und Zivilbürger, von denen angenommen wird, dass sie mit Streitkräften der Regierung zusammenarbeiten; Zivilpersonen, die in vermeintlich regierungsnahen städtischen Bezirken, Dörfern und Gemeinden leben.

?        Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von ISIS sind und sich in Gebieten aufhalten, die de facto unter der Kontrolle oder dem Einfluss von ISIS stehen.

?        Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner bewaffneter oppositioneller Gruppen sind und sich in Gebieten aufhalten, die de facto unter der Kontrolle oder dem Einfluss dieser Gruppen stehen.

?        Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von PYD/YPG sind und sich in Gebieten aufhalten, in denen PYD/YPG de facto die Kontrolle ausüben.

?        Bestimmte Berufsgruppen, insbesondere Journalisten und andere in der Medienbranche tätige Personen sowie Bürgerjournalisten; Dozenten und Lehrer; Ärzte und andere im Gesundheitswesen tätige Personen; Menschenrechtsaktivisten; Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen; Künstler.

?        Mitglieder religiöser und ethnischer Minderheiten.

?        Personen, denen Verstöße gegen die Scharia vorgeworfen werden und die in Gebieten leben, die unter der Kontrolle oder dem Einfluss extremistisch-islamistischer bewaffneter Gruppen stehen.

?        Frauen und Mädchen mit bestimmten Profilen oder in besonderen Situationen, insbesondere Frauen ohne männlichen Schutz; Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt, Kinder- und Zwangsheirat, häuslicher Gewalt, Verbrechen zur Verteidigung der Familienehre („Ehrendelikt“) und Menschenhandel wurden oder bei denen ein entsprechendes Risiko besteht.

?        Kinder mit bestimmten Profilen oder in besonderen Situationen, insbesondere Kinder, die Zwangsrekrutierung als Kindersoldaten, sexueller und häuslicher Gewalt, Kinderarbeit, Menschenhandel und systematischer Verweigerung des Zugangs zu Bildungsangeboten zum Opfer fielen oder bei denen ein entsprechendes Risiko besteht.

?        Personen mit sexueller Orientierung und/oder geschlechtlicher Identität, die nicht den traditionellen Vorstellungen entsprechen.

?        Palästinensische Flüchtlinge.

2. Beweiswürdigung:

2.1.1. Das Verwaltungsgeschehen und die Feststellungen (zum Beschwerdeführer, zu seinen Familienangehörigen, zu seinem Fluchtgrund und zu seiner Situation/Gefährdung im Falle einer Rückkehr) ergeben sich aus dem Inhalt der Akten der Verwaltungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere aus dem glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers, den dazu vorgelegten Urkunden sowie auf den beigeschafften Strafregisterauszügen, gestützt vom glaubwürdigen persönlichen Eindruck, der im Zuge der durchgeführten Beschwerdeverhandlung vom Beschwerdeführer gewonnen werden konnte.

2.1.2. Der Beschwerdeführer erstattete ein im wesentlichen Kern gleichbleibendes, substantiiertes, in sich stimmiges Vorbringen, das mit den Verhältnissen in Syrien im Einklang steht. Der Beschwerdeführer legte insbesondere seine persönlichen/familiären Verhältnisse und die ihm im Falle der Rückkehr drohenden Gefahren sowie die Situation in seinem Herkunftsort, etwa in der Beschwerdeverhandlung, anschaulich und schlüssig dar und war in seinen Schilderungen glaubwürdig und authentisch. Für das Bundesverwaltungsgericht sind keine stichhaltigen Umstände erkennbar, warum das Vorbringen des Beschwerdeführers, im Umfang der Feststellungen, nicht den Tatsachen entsprechen sollte.

Dass der Beschwerde Kurde und Sunnite ist und aus dem zur Stadt XXXX (Arabisch) bzw. XXXX (Kurdisch) gehörenden Dorf XXXX (Arabisch) bzw. XXXX (Kurdisch) in Nordsyrien stammt, ist aufgrund der Angaben und Erklärungen des Beschwerdeführers und der vorgelegten Urkunden glaubwürdig. Das Bundesverwaltungsgericht kann entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht finden, dass der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben zu seinem Herkunftsort gemacht hätte. Zu den Machtverhältnissen in seinem Herkunftsort bzw. in seiner Herkunftsregion, dass die Kontrolle dort von PYD/YPG/SDF ausgeübt wird, hat der Beschwerdeführers in Übereinstimmung mit den Länderberichten dargelegt. Ebenfalls dem eigenen glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers entspringen die Feststellungen zu seinem Lebenslauf bzw. zu seinen Wohnorten in Syrien sowie zu seinen Angehörigen.

2.1.3. Aus den glaubwürdigen Ausführungen des Beschwerdeführers und den vorgelegten Kopien seines Wehrdienstbuches ergibt sich weiters, dass er zunächst ein registrierter staatenloser Ausländer war, dem im Jahr 2011 die syrische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, und dass er vom Militär- und Reservedienst der syrischen Regierung befreit ist. Der Beschwerdeführer legte dar, dass ihm im Zuge der Einbürgerung syrische Dokumente ausgestellt wurden, so auch ein Wehrdienstbuch, in dem er als „wehrdienstfähig“, aber als „wehrdienstbefreit“ eingetragen ist. Gemäß dem Bescheid des Generalkommandos der Armee und Streitkräfte Nr. 149 vom 24.12.2011 wurde der Beschwerdeführer vom Militär- und Reservedienst der syrischen Regierung amnestiert.

2.1.4. Auch, dass der Beschwerdeführer wegen der Befürchtung, in Syrien durch die Einheiten der PYD/YPG/SDF gegen seinen Willen rekrutiert und im Krieg eingesetzt zu werden, im Jahr 2018 illegal aus Syrien ausgereist ist, und dass die Rekrutierungsgefahr für den Beschwerdeführer aktuell gegeben ist, erachtet das Bundesverwaltungsgericht als glaubwürdig. Der Beschwerdeführer hat substantiiert sowie in Übereinstimmung mit den Länderberichten (zur Rekrutierungssituation) dargestellt, dass die Gefahr, in seinem Herkunftsgebiet, insbesondere in Städten, von Einheiten der PYD/YPG/SDF zwangsrekrutiert zu werden, in den letzten zwei bis drei Jahren vor seiner Ausreise gestiegen ist, sodass er sich zur Flucht entschlossen hat und bis zum Gelingen der Flucht das Verlassen des Dorfes bzw. der Landwirtschaft der Familie vermieden hat, um nicht rekrutiert zu werden. Da der Beschwerdeführer im rekrutierungsfähigen Alter und wehrdienstfähig war und ist, musste und muss er zu Recht befürchten, von den Einheiten der PYD/YPG/SDF, insbesondere bei einem Aufenthalt außerhalb seines Dorfes bzw. bei einem Kontakt mit der PYD/YPG/SDF, rekrutiert zu werden. Denn nach den Länderberichten, auch nach den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, gibt es seit 2014 in den Gebieten unter der Kontrolle von PYD/YPG/SDF einen verpflichtenden Wehrdienst und ist jede Familie dazu verpflichtet, ein Familienmitglied im Alter von 18 bis 30 Jahren als „Freiwilligen“ aufzubieten. Wird dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, kommt es zu Zwangsrekrutierungen, sowohl von Erwachsenen als auch von Minderjährigen, oder zu rechtlichen Konsequenzen. Aus der Berichtslage betreffend das Jahr 2019 ergibt sich weiters, dass aufgrund der angespannten personellen Kapazitäten der Streitkräfte die Rekrutierungsgefahr in Syrien sehr groß ist und – auch vor dem Hintergrund der (drohenden) Kämpfe der PYD/YPG/SDF gegen die Türkei – Männer in einer Kundmachung der öffentlichen Verwaltung aufgefordert wurden, ihren Wehrdienst für PYD/YPG/SDF zu leisten, und von Einheiten der PYD/YPG/SDF zum Zwecke der Rekrutierung unter anderem bei Hausdurchsuchungen festgenommen wurden (vgl. die unten angeführte Anfragebeantwortung von ACCORD vom 09.08.2019). Es ist daher evident, dass (kurdische) Männer im wehrfähigen Alter in Syrien in Gebieten unter Kontrolle der PYD/YPG/SDF bzw. bei einem Kontakt mit PYD/YPG/SDF, etwa bei einer Kontrolle oder Hausdurchsuchung, in objektiver Weise Grund zur Furcht haben, zwangsweise von Einheiten der PYD/YPG/SDF rekrutiert zu werden.

Der Beschwerdeführer ist noch nicht 30 Jahre alt und wehrdienstfähig, darüber hinaus leistet offenbar kein Mitglied seiner Familie den Militärdienst für die PYD/YPG/SDF (zwei seiner Brüder befinden sich außerhalb Syriens; der ältere Bruder des Beschwerdeführers ist weit über dem militärdienstpflichtigen Alter, der jüngere Bruder des Beschwerdeführers in Syrien ist krank und untauglich). Vor diesem Hintergrund ist der Beschwerdeführer nach seinem persönlichen/familiären Profil hinsichtlich der Rekrutierungsgefahr ganz eindeutig als besonders gefährdet einzustufen.

Die Argumentation der belangten Behörde zur mangelnden Wahrscheinlichkeit der Rekrutierung ist nicht zu teilen. Zum einen kommt es in einem Fall wie dem vorliegenden nicht darauf an, ob bereits ein konkreter Rekrutierungsversuch erfolgt ist, vielmehr ist auf eine (hier zu bejahende) drohende Einberufung/Einziehung in den Militärdienst abzustellen (vgl. etwa VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0203; 19.06.2019, Ra 2018/18/0548 u.a.). Zum anderen vermochte der Beschwerdeführer seine vor seiner Ausreise nicht erfolgte (versuchte) Rekrutierung in der Beschwerdeverhandlung schlüssig mit der Vermeidung der Präsenz an Orten (etwa in Städten) mit hoher Rekrutierungswahrscheinlichkeit und mit seiner Abschottung zu erklären. Der Beschwerdeführer legte überzeugend dar, dass in Dörfern nicht so stark kontrolliert und rekrutiert worden sei (wie in etwa in Städten) und dass er sich aus Angst vor einer Rekrutierung nicht getraut habe, den Bauernhof seiner Familie zu verlassen. Im Einklang damit hat der Beschwerdeführer bereits bei der Einvernahme vor der belangten Behörde darauf verwiesen, dass „zu wenige der PYD“ in seinem Dorf gewesen seien. Auch der Umstand, dass die in Syrien lebenden Brüder des Beschwerdeführers wegen ihres Alters bzw. wegen Untauglichkeit nicht rekrutiert wurden bzw. werden, lässt nicht darauf schließen, dass dem Beschwerdeführer die Rekrutierung nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, zumal dieser – im Gegensatz zu seinen Brüdern - im wehrfähigen Alter und tauglich ist.

Es gibt auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die die syrische Armee der Regierung betreffende Militärdienstbefreiung des Beschwerdeführers, die nicht aus gesundheitlichen Gründen gewährt wurde, von PYD/YPG/SDF beachtet würde. Vielmehr ist hier die Einschätzung des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung zu teilen, dass die PYD/YPG/SDF ihre eigenen Gesetze haben und vollziehen. Nach diesen Gesetzen besteht aber eine allgemeine Wehrdienstplicht für Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren in Gebieten unter der Kontrolle der PYD/YPG/SDF und ist hierbei eine Berücksichtigung von Befreiungen und Amnestien der syrischen Regierung nicht vorgesehen; es ist auch nicht ersichtlich, dass derartige Befreiungen und Amnestien in der Praxis von der PYD/YPG/SDF akzeptiert würden.

Die spezifischen, in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Umstände und die Lage in Syrien (in Bezug auf Rekrutierungen) sind in einer Gesamtschau dahingehend zu würdigen, dass von einer erheblichen Rekrutierungsgefahr durch PYD/YPG/SDF für den Beschwerdeführer auszugehen ist. Die Gefahr der Rekrutierung und der Bestrafung des Beschwerdeführers durch PYD/YPG/SDF (etwa bei Rekrutierungsverweigerung bzw. Befehlsverweigerung) ist nicht als bloße Möglichkeit, sondern als reale Gegebenheit zu qualifizieren. Im Übrigen geht auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon aus, dass eine Rekrutierung des Beschwerdeführers in Zukunft erfolgen könnte und der Beschwerdeführer dem syrischen Gesetz zufolge verpflichtet ist, den Wehrdienst abzuleisten.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer die ihm drohende Zwangsrekrutierung in der Erstbefragung nicht angesprochen hat, spricht – entgegen der Ansicht der belangten Behörde - im speziellen Fall nicht gegen die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers und die erhebliche Rekrutierungsgefahr. Denn die Erstbefragung bezieht sich schon im Allgemeinen bzw. von Gesetzes wegen nicht auf die näheren Fluchtgründe, sodass schon vor diesem Hintergrund im Fehlen von in der Folge in den weiteren Einvernahmen (substantiiert) vorgebrachten Sachverhaltselementen in der Erstbefragung keine zuverlässige Aussage hinsichtlich der Unglaubwürdigkeit abgeleitet werden kann. Die Niederschrift über die Erstbefragung des Beschwerdeführers liest sich so, dass er in dieser Befragung bloß sehr allgemein seine Angst „vor allem“ in Syrien angeführt hat, sodass aus der Unvollständigkeit der Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung im konkreten Fall nicht schlüssig auf die Unglaubwürdigkeit des später – substantiiert und stimmig - erstatteten Vorbringens geschlossen werden kann.

Dass der Beschwerdeführer kein Anhänger der PYD/YPG/SDF ist und eine Unterstützung dieser ablehnt, sich der Beschwerdeführer insbesondere weigert, im bewaffneten Konflikt an der Seite von PYD/YPG/SDF teilzunehmen und seiner Militärdienstpflicht für die PYD/YPG/SDF nachzukommen, ist anhand des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verfahren und des von ihm gewonnenen persönlichen Eindrucks glaubwürdig; Gegenteiliges wurde auch von der belangten Behörde nicht festgestellt.

Aufgrund der beschriebenen ablehnenden Haltung und des verweigernden Verhaltens des Beschwerdeführers gegenüber PYD/YPG/SDF liegt es auf der Hand, dass er für die PYD/YPG/SDF als illoyal und als Gegner gilt, weshalb die zwangsweise Rekrutierung des Beschwerdeführers durch die PYD/YPG/SDF und sein Kriegseinsatz (auch als Bestrafungsmaßnahme) sowie (andere) Sanktionen gegen den Beschwerdeführer wegen der ihm zugeschriebenen oppositionellen Gesinnung sehr wahrscheinlich sind. Darüber hinaus wird dem Beschwerdeführer von den Einheiten der PYD/YPG/SDF auch bei seiner Weigerung, sich diesen anzuschließen und ihre Befehle auszuführen, eine gegnerische Haltung zugeschrieben werden. Aus den Länderberichten ergibt sich, dass Personen, die den PYD/YPG/SDF nicht (mehr) folgen, mit Einschüchterung, Entführung, Misshandlung und in einigen Fällen sogar mit dem Tod bestraft werden, und Kurden, die sich gegen PYD/YPG/SDF stellen, als Ehrenlose und Verräter gelten.

Der Beschwerdeführer hat somit bei einer Rückkehr nach Syrien mit erheblicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, von den PYD/YPG/SDF als Gegner angesehen, zwangsweise rekrutiert und zur Teilnahme an völkerrechtswidrigen Handlungen gezwungen zu werden, sodass er entweder (im Fall der Verweigerung) zum Opfer oder (im Fall erzwungener Rekrutierung) zum Täter/Unterstützer von gravierenden Menschenrechtsverletzungen/völkerrechtswidrigen Handlungen werden wird. Es besteht die erhebliche Gefahr, dass der Beschwerdeführer wegen der ihm zugeschriebenen Gegnerschaft (insbesondere wegen seiner Weigerung, sich den PYD/YPG/SDF anzuschließen und deren Befehle auszuführen) unmenschlicher Behandlung und Bestrafung durch PYD/YPG/SDF ausgesetzt sein wird.

2.1. Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, das bereits von der belangten Behörde zur Sachverhaltsfeststellung herangezogen wurde, sowie auf der Position des UNHCR „Erwägungen zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (Aktualisierung V)“ vom November 2017, die laut dem InterimsIeitfaden zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Aufrechterhaltung der UNHCR-Position aus dem Jahr 2017, vom Februar 2020, weiterhin gültig ist, auf dem genannten UNHCR- InterimsIeitfaden, der Information des UNHCR „illegale Ausreise“ aus Syrien und verwandte Themen“ vom Februar 2017 (deutsche Version April 2017), auf der Herkunftsländerinformationen des UK Home Office „Operational Guidance Note Syria; Country Information and Guidance“, auf dem Bericht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl „Fact Finding Mission Report Syrien“, auf dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe „Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentzug, Desertion“, auf dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: Mai 2020), auf dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe: Syrien: Rekrutierung von staatenlosen Kurden in die syrische Armee, 21.01.2019, der Anfragebeantwortung von ACCORD vom 14.08.2019: Gebiete unter kurdischer Selbstverwaltung: Wehrdienst bei den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel, YPG; People’s Protection Units): Verpflichtung, Konsequenzen bei Weigerung [a-11060]; der Anfragebeantwortung von ACCORD vom 14.08.2019: Gebiete unter kurdischer Selbstverwaltung: Zugriff der Zentralregierung auf Wehrdienstverweigerer und auf Wehrpflichtige; Einsatz eines Wehrpflichtigen nach seiner Rekrutierung; Beteiligung an Kriegsverbrechen [a-11061], sowie der Anfragebeantwortung von ACCORD vom 09.08.2019: Rekrutierungspraxis der kurdischen Volksverteidigungseinheiten und der Frauenverteidigungseinheiten; Fälle von Rekrutierungen Minderjähriger beziehungsweise Entführungen mit dem Ziel der Rekrutierung [a-11047-4 (11050)]).

Es handelt sich um Berichte anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der entscheidungswesentlichen Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben bzw. der Situationsdarstellung, zu zweifeln. Auch bei Bedachtnahme auf die instabilen und sich rasch ändernden Verhältnisse in Syrien bestehen keine Anhaltspunkte, dass die herangezogenen Berichte bzw. die Situationsdarstellung ihre Aktualität bereits verloren haben bzw. hat.

Zu A)

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-VG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Die Beschwerde wurde fristwahrend erhoben und es liegen auch die anderen Prozessvoraussetzungen vor.

3.3. In der Sache:

3.3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die „begründete Furcht vor Verfolgung“. Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Eine „Verfolgungsgefahr“ im Sinne der GFK ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011).

3.3.2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist es im Beschwerdefall (gemäß § 3 Abs. 1 AsylG) glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat Syrien Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK droht.

3.3.2.1. Wie sich aus den Feststellungen und der Beweiswürdigung ergibt, läuft der Beschwerdeführer Gefahr, von den sein Herkunftsgebiet kontrollierenden PYD/YPG/SDF als (vermeintlich) in Opposition zu diesen stehend angesehen und verfolgt zu werden. Da (politische) Gegner von den genannten Machthabern mit allen Mitteln unterdrückt und bekämpft werden, hat der Beschwerdeführer, da ihm maßgeblich wahrscheinlich eine Gegnerschaft zu diesen zugeschrieben wird, in Syrien eine unverhältnismäßige „Behandlung“ durch diese Machthaber zu gewärtigen. Auch eine unverhältnismäßige Bestrafung wegen aus Sicht dieser Machthaber rechtswidriger und/oder illoyaler Verhaltensweisen des Beschwerdeführers stellt im konkreten Fall eine Verfolgung im Sinn der GFK dar, die in Zusammenhang mit der tatsächlichen oder unterstellten politischen Gesinnung des Beschwerdeführers steht. Es liegt daher eine Verfolgung jedenfalls wesentlich wegen der dem Beschwerdeführer zugeschriebenen oppositionellen Einstellung und damit anknüpfend an den Konventionsgrund der politischen Gesinnung vor.

Bei der festgestellten Rekrutierungsgefahr durch die PYD/YPG/SDF ist die Asylrelevanz gegeben, da der Beschwerdeführer dadurch einer Verfolgung ausgesetzt wäre, die an die tatsächliche oder nur unterstellte politische Gesinnung des Beschwerdeführers anknüpft, die in seiner Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird (vgl. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0079). Der Beschwerdeführer würde bei einer Weigerung, sich den PYD/YPG/SDF anzuschließen oder andere Befehle auszuführen, als oppositionell (als Gegner) angesehen und verfolgt werden. Derartige Verweigerungen werden - wie tatsächliche und vermeintliche Gegnerschaft - mit schwerer (psychischer und physischer) Misshandlung und auch mit dem Tod bestraft. Aus diesen Konsequenzen können gewichtige Anhaltspunkte dafür gesehen werden, dass die Rekrutierung- und Befehlsverweigerung als Ausdruck der Opposition zu PYD/YPG/SDF interpretiert und sohin als gegen PYD/YPG/SDF gerichtete politische oppositionelle Gesinnung betrachtet wird (in diesem Sinn die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, November 2017). Derartigen Sanktionen für Rekrutierung- und Befehlsverweigerung fehlt jede Verhältnismäßigkeit und es ist davon auszugehen, dass sie auf der generellen Unterstellung einer oppositionellen (gegen die PYD/YPG/SDF gerichteten) Gesinnung beruhen, womit unabhängig von einer der Weigerung im konkreten Fall wirklich zugrundeliegenden politischen Überzeugung der erforderliche Zusammenhang mit einem Konventionsgrund, nämlich mit de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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