TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/16 I415 2176868-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2020
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Entscheidungsdatum

16.11.2020

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2

Spruch

I415 2176868-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch RA Mag. Timo GERERSDORFER, Ettenreichgasse 9, 1100 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, XXXX , vom 28.10.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.11.2020, zu Recht erkannt:

A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist seit mindestens 11.04.2014 in Österreich aufhältig. Zuvor lebte der BF bei seiner Gattin in Ungarn. Aufgrund der Ehe mit der ungarischen Staatsangehörigen verfügte der BF im Bundesgebiet ab dem 08.07.2015 über eine Aufenthaltskarte – Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers, seit dem 08.07.2020 über eine Daueraufenthaltskarte – Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers.

2.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX als Schöffengericht zu XXXX vom 24.09.2015 wurde (unter anderem) der BF wegen des Verbrechens des versuchten Suchtgifthandels nach den §§ 15 StGB, 28a Abs 1 sechster Fall und Abs 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 30 Monaten, davon 20 Monate bedingt, verurteilt.

3.       Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde, BFA) vom 13.06.2017 wurde der BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme hinsichtlich der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot verständigt. Ihm wurde eine Frist von 10 Tagen zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt, der der BF auch nachkam.

4.       Mit dem Bescheid vom 28.10.2017, Zl XXXX , erließ die belangte Behörde gegen den BF ein für die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), wobei dem BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt wurde (Spruchpunkt II.).

5.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die durch den Rechtsvertreter des BF mit Schriftsatz vom 09.11.2017 eingebrachte Beschwerde, eingelangt bei der belangten Behörde am 13.11.2017, wobei Aktenwidrigkeit, unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung moniert wurden. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, der seit mehr als drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige BF verfüge über einen Stapler-Führerschein, habe einen A1-Deutschkurs besucht und sei seit Erlangung seines Aufenthaltstitels durchgehend in Österreich beschäftigt. Es liege eine einzige strafrechtliche Verurteilung vor, deren unbedingter Teil per Fußfessel vollzogen worden sei. Seitdem habe keine weitere Delinquenz mehr stattgefunden, womit eine positive Zukunftsprognose erwiesen sei. Eine „gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und/oder Sicherheit“ für die Zukunft sei zwar im angefochtenen Bescheid behauptet, jedoch nicht nachgewiesen worden. Es sei ausschließlich auf die strafrechtliche Verurteilung verwiesen worden, alle sonstigen Parameter, welche ausschließlich für eine positive Zukunftsprognose sprechen würden, seien unberücksichtigt geblieben. Auch sei der BF von einem „verdeckten Ermittler“ zudem zur Tat provoziert worden, was selbst im Gerichtsurteil mehrfach angeführt worden und folglich auf keinen Fall ein Grund für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegeben sei.

6.       Mit Schriftsatz vom 14.11.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 17.11.2017, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Stellungnahme und Verwaltungsakt vor.

7.       Mit E-Mail vom 19.09.2018 und 20.11.2018 erfolgte seitens des Rechtsvertreters des BF die Vorlage von Urkunden, mit E-Mail vom 04.11.2020 langte eine Stellungnahme des BF ein.

8.       Am 05.11.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des BF, dessen Rechtsvertreters, seiner ungarischen Ehegattin M.S., einer Dolmetscherin für englische Sprache sowie einer Dolmetscherin für ungarische Sprache abgehalten. Ein Vertreter der belangten Behörde blieb entschuldigt fern.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige BF, ein nigerianischer Staatsangehöriger, ist seit dem XXXX 2011 mit M.S, einer ungarischen Staatsangehörigen, verheiratet. Der Ehe entstammt die am XXXX 2017 geborene Tochter, welche ebenfalls die ungarische Staatsangehörigkeit aufweist. Die Identität des BF steht fest.

Seit 11.04.2014 ist der BF durchgehend in Österreich mit Haupt- und/oder Nebenwohnsitz an derselben Adresse wie seine Ehegattin melderechtlich erfasst. Lediglich im Zeitraum vom 24.02.2015 bis 12.03.2015 war der BF in der Justizanstalt XXXX aufhältig.

Aufgrund der Eheschließung mit einer ungarischen Staatsangehörigen verfügte der BF ab dem 08.07.2015 über eine Aufenthaltskarte – Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers, seit dem 08.07.2020 nunmehr über eine Daueraufenthaltskarte – Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers. Die Ehegattin des BF ging regelmäßig einer beruflichen Tätigkeit im Bundesgebiet nach, wobei sie gegenwärtig bei der XXXX angestellt ist und Krankengeld bezieht.

Der BF ist sowohl gesund als auch arbeitsfähig. In Nigeria absolvierte der BF die XXXX Secondary School . Im Anschluss machte der BF ohne Abschluss eine Berufsausbildung als XXXX . In den Zeiträumen vom 24.09.2015 bis 09.10.2015, 20.10.2015 bis 23.10.2015, 27.10.2015 bis 06.11.2015, 23.11.2015 bis 22.08.2016, 08.08.2016 bis 12.08.2016, 09.09.2016 bis 16.09.2016, am 10.09.2016, 01.10.2016 bis 05.05.2019, 20.05.2019 bis 20.09.2019, 14.10.2019 bis 15.11.2019, 02.06.2020 bis 09.10.2020 war der BF sozialversicherungsrechtlich vollversichert erwerbstätig. In den Zeiträumen vom 16.05.2019 bis 19.05.2019, 21.09.2019 bis 13.10.2019 und 18.11.2019 bis 18.05.2020 bezog der BF Arbeitslosengeld. In den Zeiträumen 23.09.2016 bis 31.10.2016, 13.12.2019 bis 31.05.2020 sowie seit dem 20.10.2020 war/ist der BF als geringfügig Beschäftigter tätig. Seitens der XXXX GmbH liegt eine Zusage vom 28.10.2020 hinsichtlich der Einstellung des BF als XXXX in Vollzeit vor.

Der BF hat einen Deutsch-A1-Kurs besucht, jedoch nicht mit einer Prüfung abgeschlossen. Zudem verfügt er über einen Staplerführerausweis, ausgestellt am 10.09.2015 und einen österreichischen Führerschein, ausgestellt mit 08.05.2018.

Im Bundesgebiet leben der BF, seine Ehefrau sowie die gemeinsame Tochter im gemeinsamen Haushalt. In Ungarn ist die Familie der Gattin des BF aufhältig.

Der Strafregisterauszug des BF weist eine Verurteilung auf:


01) LG XXXX vom 24.09.2015 RK 24.09.2015

§ 15 StGB §§ 28a (1) 6. Fall, 28a (4) Z 3 SMG

§ 28a (1) 5. Fall SMG § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 23.02.2015

Freiheitsstrafe 30 Monate, davon Freiheitsstrafe 20 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 02.04.2017

zu LG XXXX RK 24.09.2015

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 02.04.2017, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom 30.03.2017

zu LG XXXX RK 24.09.2015

Aufhebung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom 16.08.2018

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 24.09.2015, rechtskräftig seit 24.09.2015, wurde der BF wegen des Verbrechens des versuchten Suchtgifthandels nach den §§ 15 StGB, 28a Abs 1 sechster Fall und Abs 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 30 Monaten, wovon 20 Monate bedingt verhängt wurden, verurteilt. Der BF wurde für schuldig befunden, in XXXX vorschriftswidrig im Zeitraum vom 16.02.2015 bis 23.02.2015 versucht zu haben, einem verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamtes vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge zu verschaffen, indem er den am Kauf großer Mengen interessierten verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamtes mit B.S. zwecks Abwicklung eines Suchtgiftdeals zusammenbrachte, den Letztgenannten bei mehreren Treffen mit dem verdeckten Ermittler, bei denen der Verkauf von 10 Kilogramm Marihuana und 500 Gramm Kokain vereinbart wurde, begleitete und am 23.02.2015 vor der geplanten Übergabe von 10 Kilogramm Marihuana mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 17,01% THCA und 1,3% Delta-9-THC und 500 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 23,5% Cocain, durch den B.S. an den verdeckten Ermittler diesen im Stiegenhaus der Wohnung des B.S. in XXXX W-gasse empfing und ihn in die Wohnung des B.S. brachte. Mildernd wurde der bisher ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis, der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist, die Sicherstellung eines Teiles des Suchtgiftes sowie die Tatprovokation gewertet, erschwerend kein Umstand. Eine gänzlich bedingte Strafnachsicht war aus generalpräventiven Gründen nicht zulässig, obwohl die Milderungsgründe gewicht- und zahlenmäßig deutlich überwogen haben.

Infolge dieser Verurteilung befand sich der BF im Zeitraum vom 24.02.2015 bis 12.03.2015 in Strafhaft. Ab September 2016 wurde ihm der elektronisch überwachte Hausarrest bewilligt, aus welchem der BF am 31.03.2017 entlassen wurde.

Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 16.08.2018 zu XXXX wurde die im Rahmen der bedingten Entlassung vom 01.03.2017 angeordnete Bewährungshilfe aufgehoben.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1.    Zum Verfahrensgang

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2.    Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der schriftlichen Stellungnahme des BF und den niederschriftlichen Angaben des BF vor der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister sowie ein Sozialversicherungsdatenauszug wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Zudem wurde der BF am 05.11.2020 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht einvernommen, ebenso die Zeugin M.S.

2.3.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität sowie Staatsangehörigkeit des BF konnte aufgrund der Verifizierung im gerichtlichen Strafverfahren festgestellt werden. Die Feststellung, dass der BF die ungarische Staatsangehörige M.S. mit Datum XXXX 2011 geehelicht hat, ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde der Republik Ungarn (AS 46). Die ungarische Staatsangehörigkeit der Ehegattin geht aus der der belangten Behörde vorgelegten Reisepasskopie hervor (AS 45). Eine Geburtsurkunde, ausgestellt am XXXX 2017 vom Standesamt XXXX , dokumentiert die Geburt der am XXXX 2017 geborenen gemeinsamen Tochter. Aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister zur Person der Tochter geht die ungarische Staatsangehörigkeit derselben hervor, ebenso aus der vorgelegten Kopie des ungarischen Reisepasses derselben.

Hinsichtlich der melderechtlichen Erfassung des BF sowie dem Aufenthalt des BF in der Justizanstalt XXXX gilt es, auf einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister zur Person des BF zu verweisen. Die darin angeführte Adresse deckt sich mit jener, welche sich aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister zu M.S. ergibt.

Die Feststellung zur Aufenthaltskarte – Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers ab dem 08.07.2015 und der Daueraufenthaltskarte – Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers seit dem 08.07.2020 gründet auf einer Abfrage aus dem Zentralen Fremdenregister zur Person des BF. Die beruflichen Tätigkeiten samt gegenwärtiger Anstellung und Krankengeldbezug der Ehegattin sind in einem Sozialversicherungsdatenauszug zu ihrer Person ersichtlich.

Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der BF zu Protokoll, an keinen chronischen Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen zu leiden. Aus diesem Grund konnte die Feststellung hinsichtlich des Gesundheitszustandes des BF getroffen werden, zumal sich auch aus dem Verfahrensakt keine gegenteiligen Hinweise ergeben. Aufgrund des Gesundheitszustandes, des erwerbsfähigen Alters und der beruflichen Tätigkeiten im Bundesgebiet lässt sich auch auf die Arbeitsfähigkeit des BF schließen, was der BF ohnedies nie in Abrede stellte. Die Feststellungen zur Absolvierung der XXXX Secondary School und der Ausbildung zum XXXX gründet auf den glaubhaften Ausführungen des BF im Zuge seiner schriftlichen Stellungnahme vom 22.06.2017 (AS 39). Die Erwerbstätigkeiten des BF im Bundesgebiet sind durch den Sozialversicherungsdatenauszug zur Person des BF belegt, ebenso die Zeiten seines Arbeitslosengeldbezuges. Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde zudem eine Zusage vom 28.10.2020 seitens der XXXX GmbH hinsichtlich der Einstellung des BF als XXXX in Vollzeit vorgelegt.

Dass der BF einen Deutschkurs auf Niveau A1 besucht hat, ergibt sich aus den glaubhaften Ausführungen des BF im Zuge seiner schriftlichen Stellungnahme vom 22.06.2017 (AS 40). Zu dessen Bekräftigung konnte er auch die Kursanmeldung, datiert mit 16.11.2015, samt Rechnung vorlegen (AS 62 & 63). Hinsichtlich des Staplerausweises gilt es ebenso wie hinsichtlich des österreichischen Führerscheines, auf die vorgelegten Urkunden zu verweisen.

Aus den Auszügen aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich, dass der BF mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter im gemeinsamen Haushalt lebt, was sich auch mit den Ausführungen des BF und der Zeugin M.S. im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung deckt. Dass die Familie der Gattin in Ungarn aufhältig ist, ergibt sich aus den entsprechenden Ausführungen des BF vor dem erkennenden Richter.

Die strafrechtliche Verurteilung des BF wird durch eine Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich ersichtlich. Hinsichtlich der Gründe der Verurteilung wird auf das ausgefertigte Urteil des LG XXXX zu XXXX vom 24.09.2015 verwiesen, ebenso hinsichtlich der Milderungs- und Erschwerungsgründe samt generalpräventiven Erwägungen.

Die Zeiten der Strafhaft gründen – wie bereits ausgeführt – auf einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister zur Person des BF. Dass dem BF anschließend der elektronisch überwachte Hausarrest bewilligt wurde, ergibt sich aus einer Personeninformation zum BF vom 13.06.2017 (AS 31) sowie aus dem Sozialbericht des Vereins XXXX vom 22.06.2017, ebenso der Umstand, dass der BF Ende März 2017 aus dem elektronisch überwachten Hausarrest entlassen wurde (AS 38).

Der Umstand, dass die im Rahmen der bedingten Entlassung vom 01.03.2017 angeordnete Bewährungshilfe aufgehoben wurde, ergibt sich aus dem vorgelegten Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 16.08.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 2 Abs 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Gemäß § 2 Abs 4 Z 10 FPG gilt als Drittstaatsangehöriger ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist. Gemäß § 2 Abs 4 Z 11 FPG gilt als begünstigter Drittstaatsangehöriger der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

Der BF als nigerianischer Staatsangehöriger ist folglich Drittstaatsangehöriger iSd. soeben angeführten Bestimmungen. Zumal die Ehegattin des BF als ungarische Staatsangehörige von ihrem unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht im Sinne des § 2 Abs 4 Z 11 FPG Gebrauch gemacht hat, sind auf den BF die Bestimmungen hinsichtlich begünstigter Drittstaatsangehöriger anzuwenden.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

3.1.    Rechtslage

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF lautet:

§ 67 (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) […]

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Ab. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG idgF lautet wie folgt:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs 4 aufgehoben durch Art 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

Der mit "Daueraufenthaltskarten" betitelte § 54a NAG lautet wie folgt:

§ 54a (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, erwerben das Daueraufenthaltsrecht, wenn sie sich fünf Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben. § 53a Abs 2 ist bei der Berechnung der Fünfjahresfrist zu berücksichtigen.

[…]

Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet wie folgt:

§ 66 (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Die Bestimmungen der § 67 Abs 1 und 2 FPG und § 66 Abs 1 FPG sind vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/38/EG - Freizügigkeitsrichtlinie, deren Umsetzung sie dienen, zu verstehen. Demnach sind sie in ihrem Zusammenspiel dahingehend auszulegen, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in § 66 Abs 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Gefährdungsmaßstab, der jenem in Art 28 Abs 2 der genannten Richtlinie entspricht, heranzuziehen ist (vgl. VwGH 13.12.2012, 2012/21/0181; VwGH 12.03.2013, 2012/18/0228). Dieser Maßstab liegt im abgestuften System der Gefährdungsprognosen über dem Gefährdungsmaßstab nach dem ersten und zweiten Satz des § 67 Abs 1 FPG (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0205).

3.2.    Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Wie bereits unter Punkt II.1.1. festgestellt, weist der BF einen durchgehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet seit mehr als fünf Jahren iSd § 54a NAG auf und kommt daher der Prüfungsmaßstab des § 66 Abs 1 letzter Satzteil FPG (vgl. VwGH 22.01.2014, 2013/21/0135), nämlich, dass sein Aufenthalt eine „schwerwiegende“ Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen muss, zur Anwendung.

Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, erfordert eine Gefährdungsprognose. Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (vgl. VwGH 20.08.2020, Ra 2019/19/0522). Für eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose ist es nicht ausreichend, wenn lediglich das Gericht, die Urteilsdaten, die maßgeblichen Strafbestimmungen und die verhängte Strafe angeführt werden (vgl. VwGH 19.5.2015, Ra 2015/21/0001; 19.5.2015, Ra 2014/21/0057, mwN). Im Rahmen der zu treffenden Feststellungen kann es fallbezogen mitunter aber auch nicht ausreichend sein, die im Urteilstenor des Strafgerichts zum Ausdruck kommenden Tathandlungen wiederzugeben, sondern es sich als notwendig darstellen, darüber hinausgehende Feststellungen zu treffen, um die Gefährdungsprognose in einer dem Gesetz entsprechenden Weise vornehmen zu können (vgl. etwa VwGH 3.4.2009, 2008/22/0913; 24.11.2009, 2009/21/0267; 31.5.2011, 2008/22/0831; 5.7.2011, 2008/21/0131, jeweils mwN). Es ist auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014).

Unstrittig wurde der BF rechtskräftig mit Urteil des LG XXXX vom 24.09.2015 wegen des Verbrechens des versuchten Suchtgifthandels nach den §§ 15 StGB, 28a Abs 1 sechster Fall und Abs 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 30 Monaten, wovon 20 Monate bedingt verhängt wurden, verurteilt. Der BF wurde für schuldig befunden, in XXXX vorschriftswidrig im Zeitraum vom 16.02.2015 bis 23.02.2015 versucht zu haben, einem verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamtes vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge zu verschaffen, indem er den am Kauf großer Mengen interessierten verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamtes mit B.S. zwecks Abwicklung eines Suchtgiftdeals zusammenbrachte, den Letztgenannten bei mehreren Treffen mit dem verdeckten Ermittler, bei denen der Verkauf von 10 Kilogramm Marihuana und 500 Gramm Kokain vereinbart wurde, begleitete und am 23.02.2015 vor der geplanten Übergabe von 10 Kilogramm Marihuana mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 17,01% THCA und 1,3% Delta-9-THC und 500 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 23,5% Cocain, durch den B.S. an den verdeckten Ermittler diesen im Stiegenhaus der Wohnung des B.S. in XXXX W-gasse empfing und ihn in die Wohnung des B.S. brachte.

Gerade Suchtgiftdelinquenz stellt – auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben – ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014), zumal die Grundinteressen der Gesellschaft durch ein derartiges Verhalten gravierend beeinträchtigt werden und Suchtmitteldelinquenz eine Gefahr für die Gesundheit oder das Leben von Menschen darstellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass in jeglichen Fällen einer Suchtmitteldelinquenz eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gerechtfertigt wäre, vielmehr ist auch diesfalls die Beurteilung anhand der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014).

Grundsätzlich hat der BF mit seiner Tat ein strafrechtlich relevantes Verhalten gesetzt, welches an sich die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zu rechtfertigen vermag.

Es gilt jedoch, dabei die Tatumstände zu berücksichtigen. So ergibt sich bereits aus dem Gerichtsurteil, dass beim BF mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis, der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist, die Sicherstellung eines Teiles des Suchtgiftes sowie die Tatprovokation gewertet, erschwerend kein Umstand gewertet wurden. Zudem geht aus dem Strafurteil weiters hervor, dass die Milderungsgründe gewicht- und zahlenmäßig deutlich überwogen haben, eine gänzlich bedingte Strafnachsicht jedoch aus generalpräventiven Gründen nicht zulässig sei, was es gegenständlich auch mitzuberücksichtigen gilt.

Darüber hinaus legt der Gesetzeswortlaut des § 67 FPG weiters ausdrücklich fest, dass es einer Beurteilung des persönlichen Verhaltens des BF bedarf, welches eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darzustellen hat, um gegenständlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu rechtfertigen.

Dabei gilt es zulasten des BF zu berücksichtigen, dass dieser bereits kurze Zeit, nachdem er im Bundesgebiet aufhältig bzw. seit 11.04.2014 melderechtlich erfasst war, das strafrechtlich relevante Verhalten in Zusammenhang mit Suchtmitteldelinquenz gesetzt hat, nämlich im Zeitraum vom 16.02.2015 bis 23.02.2015. Die Begehung erfolgte somit bereits nach weniger als einem Jahr des Aufenthalts.

Zu seinen Gunsten gilt es in Zusammenhang mit dem Gesamtverhalten des BF zu berücksichtigen, dass diesem der elektronisch überwachte Hausarrest bewilligt wurde. Im Zuge einer solchen Bewilligung gilt es – unter anderem – auch eine Prognose darüber zu treffen, dass nach Prüfung der Wohnverhältnisse, des sozialen Umfelds und allfälliger Risikofaktoren sowie bei Einhaltung der aufzuerlegenden Bedingungen diese Vollzugsform nicht missbraucht wird (vgl. § 156c Abs 1 Z 4 StVG). Diesen Erfordernissen ist der BF nachgekommen.

Auch im Anschluss an den elektronisch überwachten Hausarrest zeigte sich der BF im Zuge seiner Bewährungshilfe stets als kooperativ und in der Auseinandersetzung mit der Straftat als konstruktiv sowie verlässlich, was aus dem Sozialberecht vom 22.06.2017 hervorgeht.

Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX zu XXXX vom 16.08.2018 wurde schließlich auch die Bewährungshilfe aufgehoben, wobei begründend ausgeführt wurde, dass der BF seit seiner Entlassung aktenkundig nicht mehr rückfällig geworden und entsprechend einem Schreiben des Bewährungshelfers vom 01.08.2018 die soziale Integration des BF soweit fortgeschritten sei, dass die Aufrechterhaltung der Bewährungshilfe nicht mehr notwendig sei.

Entsprechend der Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofs ist ein Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich – nach dem Vollzug einer Haftstrafe – in Freiheit wohlverhalten hat. Dieser Zeitraum ist nach den Grundsätzen der Judikatur umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden – etwa in Hinblick auf das der strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten oder einen raschen Rückfall – manifest hat (vgl. zum Ganzen VwGH 26.4.2018, Ra 2018/21/0027, mwN) (VwGH 07.09.2020, Ra 2020/20/0184).

Insgesamt hat der BF nach Begehung seiner Straftat unter Beachtung der obigen Ausführungen ein Verhalten gezeigt, welches tatsächlich auf einen positiven Gesinnungswandel seinerseits schließen lässt. Objektiv ist der BF damit seinem Vorbringen im Zuge seiner Stellungnahme vom 22.06.2017, nämlich verstanden zu haben, dass er einen Fehler gemacht und er sein Verhalten geändert habe, nachgekommen.

Auch vor dem erkennenden Richter konnte der BF glaubwürdig ausführen, dass er sich für seine Tat schäme, diese bereue und eine derartige Tat nicht mehr begehen werde. Dazu konnte die Zeugin und Ehefrau des BF, M.S., mit Nachdruck versichern, dass sie sicher sei, dass der BF nicht wieder etwas tun könne.

Ferner ist weiters nicht außer Acht zu lassen, dass der BF im Bundesgebiet ein tatsächliches Familien- und Privatleben im Sinne des Art 8 EMRK aufweist.

Diesbezüglich gilt es zu berücksichtigen, dass der BF bereits seit dem Jahr 2011 mit der ungarischen Staatsangehörigen M.S. verheiratet ist, dies somit zu einem Zeitpunkt drei Jahre vor Inanspruchnahme des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts derselben. Der Aufenthalt des BF gestaltete sich aufgrund der Ehe mit einer Unionsbürgerin auch als rechtmäßig. Mit seiner Gattin führt der BF nach wie vor ein Familienleben mit gemeinsamen Haushalt und haben die beiden nunmehr auch seit knapp drei Jahren eine gemeinsame Tochter, wobei sich die Eheleute die Betreuungsarbeit aufteilen. Zum Zeitpunkt der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme war die Ehegattin des BF bereits etwa im vierten Monat schwanger und konnte dem BF folglich zu diesem Zeitpunkt ein etwaiger unsicherer Aufenthaltsstatus nicht bewusst sein. Nicht verkannt wird jedoch, dass die Ehe zu M.S. den BF nicht von der Begehung einer strafrechtlich relevanten Tat in Zusammenhang mit Suchtmitteldelinquenz abzuhalten vermochte.

Zugunsten des BF gilt es noch zu berücksichtigen, dass dieser während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet seit dem Jahr 2015 fast durchgehend einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen ist. Dass der BF seit mehreren Monaten nur mehr Tätigkeiten auf geringfügiger Basis nachzugehen vermag, ist ihm nicht anzulasten, zumal die seit März 2020 bestehende COVID-19-Situation eine generelle Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation mit sich gebracht hat, welche dem BF nicht zugerechnet werden kann.

Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass Straftaten wie die in Art 83 Abs 1 AEUV angeführten (Terrorismus, Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegaler Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität, organisierte Kriminalität) als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses angesehen werden können, und diese geeignet sind, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen.

Trotz des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Suchtmittelkriminalität sowie am Schutz der öffentlichen Ordnung ist gegenständlich insbesondere unter Berücksichtigung der glaubhaften Einsicht und Reue des BF in Verbindung mit seinen bereits gesetzten positiven Entwicklungsschritten, der beruflichen Integration des BF unter Miteinbeziehung der Einstellungszusage und des bestehenden Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK in Österreich von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn Abstand zu nehmen. Sein privates Interesse an einem Verbleib überwiegt, auch unter Bedachtnahme auf die strafgerichtliche Verurteilung, noch das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Dies bedingt auch den Entfall der übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids, der somit in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben ist.

Sollte der BF jedoch neuerlich straffällig werden, wird das BFA die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn neuerlich zu prüfen haben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, zumal die Entscheidungsfindung des erkennenden Gerichts auf einer durchgeführten Interessenabwägung beruht.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot begünstigte Drittstaatsangehörige Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Gefährdungsprognose Interessenabwägung öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit öffentliches Interesse Pandemie Privat- und Familienleben strafrechtliche Verurteilung Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I415.2176868.1.00

Im RIS seit

01.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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