Entscheidungsdatum
20.11.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W159 2191673-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. von Guinea, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.3.2018, Zl. XXXX , nach einer mündlichen Verhandlung am 27.08.2020, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wird abgewiesen.
III. Der Beschwerde gegen die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung und die Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG wird stattgegeben und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX auf Dauer unzulässig ist. XXXX wird gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 2 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung Plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchteile V.-VI. stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste irregulär in Österreich ein und stellte am 22.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Befragt zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er sei wegen wirtschaftlicher Probleme geflohen und habe er mehrere Probleme in seinem Heimatland gehabt.
In der niederschriftlichen Einvernahme am 23.01.2018 vor Organen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich (BFA) führte der Beschwerdeführer aus, er sei in Guinea geboren worden. Seine Mutter würde aus dem Senegal stammen, dort habe er auch seine Kindheit und Jugend verbracht. Er habe drei Jahre in Guinea die Volksschule besucht und sei mit 17 Jahren zu seinem Onkel in Guinea gezogen, um dort den Koran zu studieren. Er habe sich seine Verpflegung, Unterkunft und Studium durch Betteln verdient, um 250 Francs täglich bezahlen zu können. Trotz seiner schwierigen Lage, habe er bis zu seinem 18. Lebensjahr durchgehalten, danach sei er geflohen. Bis zu seinem 20. Lebensjahr habe er mit einer Gruppe von Jugendlichen auf der Straße gelebt. Er sei aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa geflohen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 06.03.2018, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 22.10.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 AsylG idgF (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 AsylG idgF (Spruchpunkt II.) abgewiesen sowie ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG idgF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gem. § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG idgF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Absatz 2 Ziffer 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 idgF erlassen (Spruchpunkt IV.), die Abschiebung nach Guinea als zulässig erklärt (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz idgF die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).
Folgende Feststellungen wurden im Wesentlichen dem Bescheid zugrunde gelegt: Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgt werde. Er sei in seinem Heimatland weder vorbestraft noch inhaftiert gewesen. Er habe keinerlei Probleme gehabt und sei weder verfolgt noch verhaftet worden. Er sei weder politisch tätig gewesen noch Mitglied einer politischen Partei. Er habe keine Probleme mit Privatpersonen gehabt. Er habe sein Heimatland aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. Es hätten keine asylrelevanten Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes festgestellt werden können. Es hätten auch nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.
Es könne unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland dort einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Es hätte nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in seinem Recht auf Leben gefährdet wäre, der realen Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder der Gefahr der Vollstreckung der Todesstrafte ausgesetzt wäre. Es wäre zudem nicht festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen gewesen wäre oder dass er bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage gedrängt werde. Er würde in seiner Heimat über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen. Der Beschwerdeführer sei jung und gesund und befände sich im erwerbsfähigen Alter. Es sei davon auszugehen, dass er in seinem Heimatland in der Lage sein werde, sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Einkommen zu sichern und daher nicht in eine hoffnungslose Lage kommen werde.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung und bei der niederschriftlichen Einvernahme keinerlei Fluchtgründe angegeben hätte, welche asylrelevant wären.
In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt I. aus, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers im Sinne der des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nicht asylrelevant war. Zu Spruchpunkt II. wurde angeführt, dass die nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH vorzunehmende Einzelfallprüfung ergeben habe, dass dem Beschwerdeführer bei einer der Rückkehr in seinem Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohen würde. Die Gesamtbeurteilung des psychischen Zustands würde kein Rückkehrhindernis darstellen. Er würde in Guinea in der Lage sein, die dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen und nicht, über anfängliche Schwierigkeiten hinaus, in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten. Zu Spruchpunkt III. führte die belangte Behörde aus, dass sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben hätten, welche die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG rechtfertigen würden. Im Spruchpunkt IV. erläuterte das BFA zur Achtung des Familienlebens, dass es festgestellt werden hätte können, dass der Beschwerdeführer kein Familienleben und keine Verwandten in Österreich habe. Er sei strafrechtlich unbescholten. Die Schutzwürdigkeit des Privatlebens stehe daher nicht über die Berücksichtigung öffentlicher Interessen. Der Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen werde nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1-3 BFA-VG erteilt. Im Spruchpunkt V. wurde angemerkt, dass mit der Rückkehrentscheidung eine Abschiebung durchsetzbar ist. In den Spruchpunkten VI. wurde angemerkt, dass die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG abzuerkennen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer, vertreten durch die Rechtsanwältin XXXX , rechtzeitig, beim Bundesverwaltungsgericht, Beschwerde und ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eingebracht. Es wurde auf das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers verwiesen.
Mit Beschluss XXXX des BVwG vom 10.04.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Schreiben vom 03.06.2020 wurden diverse Deutschkursbestätigen (Deutschkurs AnfängerInnen, Deutsch A1/Teil 2 XXXX , Deutsch A2/Teil 3 XXXX ), Führerschein A, Bestätigung Fahrtechniktraining XXXX , Urkunde Moped Praxis Training, zwei Empfehlungsschreiben, einen Meldezettel und die Kopie des Reisepasses der Unterkunftgeberin, in Vorlage gebracht. Der Beschwerdeführer gab an, er werde die A2 Prüfung demnächst ablegen.
Am 27.08.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertretung, zwei Zeuginnen und eine Dolmetscherin teilnahmen.
Der Beschwerdeführer hielt seine Beschwerde und sein bisheriges Vorbringen aufrecht und gab befragt an, es gehe ihm gut und er sei in der Lage der stattfindenden Verhandlung ohne Probleme zu folgen. Er korrigierte, dass er die Schule im Senegal und nicht in Guinea besucht habe.
Der Beschwerdeführer gab an er habe die Staatsangehörigkeit von Guinea, er sei in Labè geboren worden. Er verfüge über keine Dokumente. Er würde der Volksgruppe der Mandingo angehören und sei sunnitischer Moslem. Sein Vater gehöre der Volksgruppe der Mandingo, seine Mutter der Volksgruppe der Peul an.
Nachgefragt erzählte der Beschwerdeführer, er habe in Guinea bis zum 13. Lebensjahr gelebt. Der Vater sei gestorben, als der Beschwerdeführer etwa acht Jahre alt gewesen sei. Er habe dann bei seiner Mutter bis zu deren Ableben gelebt. Er habe niemanden mehr in Guinea gehabt und sei in den Senegal gezogen. Dort habe er bis zu seinem 20. Lebensjahr gelebt.
Vorhalt des Richters: „Beim BFA haben Sie einmal angegeben, dass Sie schon mit 3 Jahren Guinea verlassen haben (AS269) und ansonsten, dass Sie mit 13 Jahren Guinea verlassen haben.“ „Beschwerdeführer: Das war wahrscheinlich ein Hörfehler. Richtig ist, dass ich bis zu meinem 13 Lebensjahr in Guinea war.“
Er habe Guinea verlassen, weil er keine Familie mehr gehabt hätte. Er sei zu seinem Onkel in XXXX gezogen. Auf die Frage des Richters, ob der Beschwerdeführer in Guinea Probleme mit Behördenorganen oder Privatpersonen gehabt hätte, antwortete er: „Mein Problem in Guinea war, dass ich keine Familie mehr hatte.“
Er habe Afrika verlassen, wegen seiner Probleme in Senegal. Der Beschwerdeführer erzählte: „Mein Onkel hat mich in eine Koranschule geschickt. Ich bin dort geblieben, bis ich den Marabout bezahlen musste. Ich konnte ihn nicht bezahlen. Ich bin dann geflüchtet, weil ich sonst geschlagen worden wäre. Dann bin ich auf der Straße gelandet. Wenn ich essen wollte, musste ich in die Hauptstadt Daka fahren. Ich habe in Abbruchhäusern geschlafen. Zwei Jahre ungefähr habe ich auf der Straße gelebt. Im Nachbargebäude gab es Aggressionen und es wurde jemand getötet. Dann haben Leute die Polizei gerufen und mich und meine Mitbewohner verdächtigt, mit dem Tod dieser Person zu tun gehabt zu haben. Die Polizei kam, nahm drei Mitbewohner fest und ich bin geflüchtet. Nachdem die Polizei weg war, bin ich mit den anderen wieder in das Abbruchhaus zurückgekehrt. Um 23 Uhr sind dann Nachbarn gekommen, haben uns attackiert. Daraufhin bin ich mit den anderen geflüchtet. Ich bin dann mit meinen Freunden in den Osten Senegals gefahren.“
Der Beschwerdeführer gab an, er sei ungefähr eine Woche noch im Senegal aufhältig gewesen und sei im April 2012 mit einem Freund nach Mali geflüchtet, dann nach Niger, dann nach Libyen und dann nach Italien. Er sei von Italien nach Deutschland, danach wieder nach Italien und abschließend nach Österreich gereist. In Österreich halte er sich seit dem 21.10.2015 auf. Zuerst sei er in XXXX gewesen. Seit er sich in Österreich aufhalte, habe er das Land nicht mehr verlassen.
Nachgefragt gab er an, es würden sich noch zwei Brüder seines Vaters in Guinea aufhalten. Er habe mit diesen seit 15 Jahren keinen Kontakt mehr. Sonstige Verwandte oder Freunde habe er nicht in Guinea.
Auf die Frage des Richters, ob er an irgendwelchen organischen oder psychischen Krankheiten leide, antwortete der Beschwerdeführer, er habe keine Krankheiten, jedoch sei er als Kind traumatisiert worden. Er befinde sich nicht in Behandlung.
Zurzeit wohne er bei einer Familie. Diese Familie sei für ihn, wie seine biologische Familie. Er würde der Familie helfen und würde dort auch wohnen. „Sie haben über 20 Pferde. Ich helfe bei den Pferden. Ich miste die Pferde aus, putze sie. Manchmal reite ich auch. Ich füttere die Pferde auch in der Früh und am Abend. …. Heu und Spezialfutter, das ist wie die Vor und Nachspeise.“ Nachgefragt gab er an, er würde keinen Hafer füttern.
Auf dem Bauernhof, gäbe es auch Ziegen, Schweine und Hühner. „Richter: Wissen Sie, was für Pferderassen dort sind? – Beschwerdeführer: „Ja, zum Teil Warmblut, zum Teil Ponys.“
Auf die Frage des Richters ob er für seine Tätigkeit etwas bezahlt bekäme, gab der Beschwerdeführer an, er bekäme gratis Essen und Trinken und erhalte auch manchmal Taschengeld. Er würde in einem kleinen eigenen Zimmer wohnen. Für den Beschwerdeführer sei sein Arbeitgeber seine Familie.
Er habe in Österreich die Deutschkurse A1 und A2 besucht, das Deutschdiplom A1 erhalten. Er habe noch keinen Werte und Orientierungskurs, jedoch mehrere Kurse beim XXXX besucht. Der Beschwerdeführer gab an, er habe die Lenkerberechtigung AM gemacht und habe auch ein Moped.
Nachgefragt gab er an, er würde in einer Beziehung leben, sei jedoch noch nicht verheiratet. Sein Ziel sei es, zu heiraten und auch eine Familie zu gründen. Er habe XXXX in Linz im November oder Dezember 2019, über eine Bekannte kennen gelernt. Er würde sich im Haushalt seiner Freundin drei Tage in der Woche und vier Tage in der Woche auf dem Reiterhof aufhalten.
Seine Freundin sei Sozialarbeiterin und helfe ihm die deutsche Sprache zu erlernen. Er habe viel von ihr gelernt. Sie habe noch keine Kinder. Er werde von ihr nicht finanziell unterstützt, jedoch sollten sie fortgehen, dann bezahle seine Freundin. Die Familie seiner Freundin wohne in XXXX , persönlich kenne er die Familie noch nicht, aber die Familie wisse vom Beschwerdeführer.
Er kenne viele Leute durch das Reiten, so richtige Freunde habe er nicht. Er würde gerne eine Ausbildung machen und mit seiner Freundin eine Familie gründen.
Anmerkung: Der Beschwerdeführer beantwortete die meisten Fragen zur Integration in deutscher Sprache.
Befragung der Zeugin1, XXXX
Die Zeugin1 gab an den Beschwerdeführer über Facebook kennengelernt zu haben. Er habe gesehen, dass sie einen Pferdestall habe und er habe gefragt, ob er mithelfen dürfe. Er sei damals noch in XXXX gewesen. Es sei alles abgeklärt worden und danach sei der Beschwerdeführer auf den Bauernhof gezogen.
Nachgefragt gab die Zeugin an, sie hätte auf dem Bauernhof ca. 20 Pferde, davon 9 eigene und die anderen seien Einsteller. Dann gäbe es noch 5 Minischweine, Kamerunschafe und eine Ziege sowie Hasen und Hühner.
Der Beschwerdeführer helfe beim Ausmisten, füttern der Pferde und ausbessern der Koppelzäune. Der Beschwerdeführer bekomme etwas Taschengeld und habe Kost und Quartier frei. Er habe auf dem Bauernhof zwei eigene Zimmer sowie auch ein eigenes Bad und WC. Er würde auch die Pferde auch reiten. Von Montag bis Freitag würde er sich auf dem Hof aufhalten, am Wochenende sei er bei seiner Freundin. Die Zeugin würde den Beschwerdeführer auch weiterbeschäftigen, wenn er in Österreich bleiben darf.
Nachgefragt beschrieb die Zeugin1 den Beschwerdeführer als ruhigen, ehrlichen und anständigen Menschen. Er wohne und arbeite jetzt vier Jahre bei ihr und sie könne nur Gutes über ihn sagen. Es habe noch nie Probleme gegeben.
Befragung der Zeugin2, XXXX
Die Zeugin2 gab an, den Beschwerdeführer im November 2019 in einer Disco in Linz kennengelernt zu haben. Da hätten sie sich das erste Mal getroffen. Sie hätten sich über eine Freundin kennen gelernt. Eine Freundin hätte in XXXX Geburtstag gefeiert. Danach hätten sie sich fast jedes Wochenende gesehen. Er hätte aufgrund der Umstände, er wohne am Land in einem Dorf, dann schnell über das Wochenende bei der Zeugin2 gewohnt. Am Wochenende würden sie gemeinsam leben. Sie würden im Sommer picknicken gehen.
Die Zeugin2 gab nachgefragt an, sie helfe dem Beschwerdeführer mit seinen Deutschbüchern auch beim Deutsch lernen. Sie sprächen auch nur Deutsch. Einmal im Monat würde sie zu ihm auf den Bauernhof fahren, sonst sei es besser, wenn er bei ihr sei, sie habe eine Wohnung alleine. Das Zugticket zu ihr, würde der Beschwerdeführer selbst bezahlen, sie würde die Kosten für Lebensmittel usw. bezahlen. Er versuche sich aber zu beteiligen. Auf die Frage des Richters antwortete die Zeugin2, sie hätten auch gemeinsame Freunde. Das seien öfters Pärchen, wo ein Teil aus Afrika sei. Ihr Freund habe noch nicht so richtig Kontakt zu ihrer Familie. Sie hätten sich noch nicht persönlich kennen gelernt, aber ihre Familie wisse von ihm. Ihre Eltern würden am Land von XXXX wohnen und seien recht konservativ.
Sie wünsche sich, dass sie zusammenwohnen würden, sich eine gemeinsame Zukunft aufbauen könnten und auch Kinder mit ihm. Beruflich könne sie sich für den Beschwerdeführer vorstellen, dass er etwas mit Tieren machen würde oder etwas Handwerkliches.
Gemäß § 45 Abs.3 AVG wurden den Verfahrensparteien das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation von Guinea vom 02.09.2019 zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von 4 Wochen eingeräumt:
Verlesen wurde der aktuelle Strafregisterauszug des BF, in dem keine Verurteilung aufscheint
Die Rechtsvertretung gab bezüglich Integration folgende Stellungnahme ab:
„Der Beschwerdeführer lebt unbescholten seit 2015 in Österreich. Er bemüht sich ständig die Deutsche Sprache zu lernen und erreichte das Niveau A1 und wird bald das Niveau A2 vorlegen. Er geht zahlreichen freiwilligen Tätigkeiten im Reithof der Familie XXXX nach. Er würde sich gerne in den österreichischen Arbeitsmarkt integrieren und einer regelmäßigen Arbeit nachgehen, jedoch verwehrt ihm die aktuelle Rechtslage die volle Beschäftigung. Der BF lebt bei der Familie XXXX seit ca. vier Jahren und hat ein sehr intensives Abhängigkeitsverhältnis zu allen Familienmitglieder. Außerdem lernte der Beschwerdeführer seine Freundin im Dezember 2019 kennen und führt mit ihr bisher eine enge Beziehung. Der Beschwerdeführer plant mit seiner Freundin ein gemeinsames Familienleben zu führen und auch zu heiraten. Der Beschwerdeführer möchte nach fast 5 aktiven Jahren Aufenthalt in Österreich hier seine Zukunft aufbauen und ein friedliches Leben mit seiner Freundin führen. Somit würde seine Abschiebung eine Verletzung von Artikel 8 EMRK bedeuten. Es wird daher um die Stattgabe der Beschwerde ersucht.“
Das bestandene Deutschdiplom A2 wurde am 28.10.2020 nachgereicht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger aus Guinea, der Volksgruppe der Mandingo zugehörig und sunnitischen moslemischen Glaubens.
Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 22.10.2015 einen Asylantrag. Mit Beschluss XXXX des BVwG vom 10.04.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Der Beschwerdeführer hat nur eine geringe Schulbildung (3 Jahre Volksschule in Guinea). Im Strafregister ist keine Verurteilung ersichtlich.
Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht feststellen können, dass der Beschwerdeführer asylrelevant verfolgt wird. Er ist aus wirtschaftlichen Gründen und weil er keine familiären und freundschaftlichen Bindungen hatte nach Österreich gekommen.
In Österreich ist der Beschwerdeführer bemüht sich in die Gesellschaft zu integrieren und Deutsch zu lernen. Er hilft auf einen Bauernhof bei der Betreuung der Tiere und bei den anfallenden Arbeiten. Er hat Familienanschluss gefunden und bewohnt zwei Zimmer in dem Bauernhaus.
Er hat eine österreichische Staatsbürgerin kennengelernt. Die zwei haben sich ineinander verliebt und planen und bauen sich eine Zukunft auf. Sie hilft dem Beschwerdeführer die deutsche Sprache zu lernen und aufgrund seiner Tätigkeit am Bauernhof, können sie nur die Wochenenden zusammenverbringen.
Der Beschwerdeführer hat das Deutschdiplom A2 samt Integrationswissen am 22.09.2020 erworben.
Der Beschwerdeführer hinterließ in der Verhandlung einen sehr bemühten und integrationswilligen Eindruck und spricht offenbar schon besser als das Niveau A2 Deutsch.
Zu Guinea wird folgendes verfahrensbezogen festgestellt:
Politische Lage
Die Republik Guinea ist geprägt von einem demokratischen Aufbruch nach dem kurzzeitigen Militärregime unter Moussa Dadis Camara (2008-2010). Zuvor war Guinea trotz politischer Öffnung unter dem autoritären Regime von Präsident Lansana Conté bestimmt (AA 28.6.2019a). Die ersten freien Präsidentschaftswahlen 2010 endeten in der Stichwahl mit einem sehr knappen Ergebnis zwischen Regierungs- und Oppositionspartei. Der teilweise erbittert geführte Wahlkampf von 2010 war Ausgangspunkt für eine Lagerbildung in der guineischen Politik ("Regierungsmehrheit" gegen "Opposition"), die in den folgenden Jahren immer wieder zu teils gewaltsamen Auseinandersetzungen führte und bis heute die innenpolitische Situation beeinflusst. Staatspräsident Condé setzte sich bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2015 erneut durch. Aktuell wird in Guinea von Seiten der Regierung eine Verfassungsänderung zugunsten einer bisher verfassungsrechtlich ausgeschlossenen 3. Amtszeit des Präsidenten erwogen (AA 28.6.2019a; vgl. USDOS 13.3.2019). Die ersten freien Parlamentswahlen fanden nach Verzögerungen am 28.9.2013 statt. Die Nationalversammlung tagt in mindestens zwei Sitzungsperioden im Jahr. Die nächsten Parlamentswahlen hätten schon Anfang 2019 stattfinden sollen, wurden aber aufgeschoben: das Parlament ist per präsidentiellem Dekret in Amtsverlängerung getreten (AA 28.6.2019a). Die ersten demokratischen Kommunalwahlen fanden am 4.2.2018 statt (AA 28.6.2019a; vgl. USDOS 13.3.2019), deren Ergebnis jedoch noch nicht vollständig umgesetzt ist. Im Rahmen von Dezentralisierungsbemühungen soll die Autonomie der Gebietskörperschaften längerfristig gestärkt werden (AA 28.6.2019a). Das Parteiensystem war zwischen den beiden Präsidentschaftswahlen 2010 und 2015 weitgehend von einer Orientierung in zwei Lagern bestimmt: Die Regierungsmehrheit unter Führung der dominierenden RPG (Rassemblement du Peuple de Guinée), zusammen mit mehreren Kleinstparteien in einem Bündnis RPG-Arc-en-Ciel; und die Opposition, innerhalb derer die UFDG (Union des Forces Démocratiques de Guinée) die mit Abstand stärkste Partei stellt, sowie einer Reihe von kleineren und kleinsten Parteien. Beide Gruppen bilden in der Nationalversammlung jeweils einen Fraktionsverbund. Zur Opposition gehört auch die kleinere UFR (Union des Forces Républicaines), die zwischenzeitlich (Jänner 2016 bis Mai 2018) an der Regierung beteiligt war und in der Nationalversammlung eine eigene Fraktion bildet. Das bisher bestimmende Lagergefüge der Parteipolitik ist seitdem in Bewegung gekommen (AA 5.7.2019). Laut Verfassung müssen die Parteien national aufgestellt sein; dies trifft auf jeden Fall auf die großen Parteien zu. Trotzdem haben auch diese ethnisch-regionale Hochburgen (AA 5.7.2019). In Guinea wurden bei der Umsetzung der politischen Vereinbarung vom 12.10.2016 schrittweise Fortschritte erzielt. Das politische Umfeld polarisierte sich jedoch zunehmend nach der Verschiebung der anstehenden Parlamentswahlen, die für Jänner auf November 2019 verschoben wurden. Es wird befürchtet, dass das Präsidentenlager auf eine Erneuerung der Verfassung von 2010 drängt, um Präsidenten Alpha Condé den Weg für eine mögliche dritte Amtszeit zu ebnen (UNSC 5.7.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (28.6.2019a): Guinea - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/innenpolitik/206132, Zugriff 19.7.2019
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_ %28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Guinea Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427387/488291_en.pdf, Zugriff 25.7.2019
- CIA - Central Intelligence Agency (USA) (10.7.2019): The World Factbook - Guinea, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gv.html, Zugriff 25.7.2019
- UNSC - UN Security Council (5.7.2019): Activities of the United Nations Office for West Africa and the Sahel; Report of the Secretary-General, https://www.ecoi.net/en/file/local/2013221/S_2019_549_E.pdf, Zugriff 8.8.2019 - USDOS
- US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004162.html, Zugriff 25.7.2019
Sicherheitslage
In Guinea bestehen soziale und politische Spannungen, die sich auch zu Sicherheitsrisiken ausweiten können. In Conakry sowie im Inneren des Landes kommt es regelmäßig zu Demonstrationen, die zum Teil zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen ethnischen und politischen Gruppen und den Sicherheitskräften führen. Immer wieder werden zahlreiche Menschen verletzt oder getötet (EDA 14.8.2019; vgl. BMEIA 14.8.2019). So haben die Proteste im Zusammenhang mit den Lokalwahlen im Februar 2018 mehrere Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 14.8.2019). Die Kriminalitätsrate hat sowohl in Conakry, als auch im Landesinneren stark zugenommen. Bewaffnete Raubüberfälle und Diebstähle sind häufig (BMEIA 14.8.2019; vgl. EDA 14.8.2019; FD 14.8.2019). Aufgrund der für den Großteil der Bevölkerung sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage gibt es in Conakry, aber auch im Landesinneren, immer wieder Akte des Vandalismus und Straßenblockaden. Vor allem im städtischen Milieu sind nächtliche Überfälle auf Passanten, Wohnhäuser und Geschäfte verbreitet. Bewaffnete nächtliche Überfälle auf Fahrzeuge werden von Zeit zu Zeit auf einzelnen Überlandstraßen gemeldet. Auch aus diesem Grund wird von nächtlichen Überlandfahrten abgeraten. Besonders zu beachten ist, dass die Täter teilweise uniformiert sind (AA 14.8.2019). Die südlichen Grenzgebiete zu Liberia, Sierra Leone und Côte d'Ivoire sind aufgrund ethnischer Spannungen gefährlich (BMEIA 14.8.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (14.8.2019): Guinea - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/guineasicherheit/ 206098, Zugriff 14.8.2019 - BMEIA - Europa, Integration und Äußeres (14.8.2019): Guinea - Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/guinea/, Zugriff 14.8.2019
- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (Schweiz) (14.8.2019): Reisehinweise für Guinea, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/guinea/reisehinweiseguinea.html, Zugriff 14.8.2019
- FD - France Diplomatie (Frankreich) (14.8.2019): Conseils aux voyageurs - Guinée - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/guinee/, Zugriff 14.8.2019
Rechtsschutz / Justizwesen
Obwohl die Verfassung und die Gesetze die Unabhängigkeit der Justiz vorsehen, fehlt es dem Justizsystem an Unabhängigkeit. Es ist unterfinanziert, ineffizient und offen korrupt. Das Justizsystem ist gekennzeichnet von zahlreichen Problemen (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 17.1.2019) wie z.B. geringes Budget, das Fehlen von qualifizierten Anwälten und Untersuchungsrichtern sowie einem veralteten und restriktiven Strafgesetzbuch (USDOS 13.3.2019). Die Justiz ist nicht vollständig unabhängig, aber es gibt Anzeichen dafür, dass die Autonomie der Justiz leicht zugenommen hat. Die Bürgerrechte sind gesetzlich garantiert, werden aber in der Praxis nur teilweise respektiert (BS 2018). Vetternwirtschaft und ethnische Voreingenommenheit schränkten die Wirksamkeit der Justiz ein (USDOS 13.3.2019). Aufgrund des korruptionsanfälligen formalen Justizsystems vertrauen viele Bürger auf das traditionelle Rechtssystem (USDOS 13.3.2019; vgl. BS 2018). Fälle, die dort nicht zur Zufriedenheit der Beteiligten gelöst werden können, werden an das formale Justizsystem übergeben. Die Stimme der Frau hat im traditionellen Rechtssystem weniger Gewicht als jene des Mannes (USDOS 13.3.2019). Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung, die Unabhängigkeit der Richter, die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, das Recht auf einen Verteidiger und das Recht der Berufung vor; jedoch werden diese Rechte in der Praxis nicht konsistent geachtet (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Guinea Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427387/488291_en.pdf, Zugriff 30.7.2019
- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002173.html, Zugriff 30.7.2019 - USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004162.html, Zugriff 30.7.2019
Sicherheitsbehörden
Die dem Verteidigungsministerium unterstellte Gendarmerie und die nationale Polizei unter dem Ministerium für Sicherheit teilen sich die nur unzulänglich definierte Verantwortung für die innereSicherheit. Die Armee ist für die Sicherheit nach außen verantwortlich, spielt jedoch auch im Bereich der inneren Sicherheit eine Rolle. Per Gesetz sind das Militär, die Gendarmerie und die Polizei dazu befugt, Verhaftungen durchzuführen. Gesetzlich ist allerdings nur die Gendarmerie dazu ermächtigt, Verhaftungen von Angehörigen des Militärs und der Polizeikräfte durchzuführen. Es gibt auch spezielle Polizei- und Gendarmerie-Einheiten (USDOS 13.3.2019). Die Polizei bleibt weiterhin unterbezahlt, inadäquat ausgerüstet und ineffizient. Es gibt mehrere Berichte über Sicherheitsbehörden, die Befehle ignorieren und auf übermäßige Gewalt zurückgreifen (USDOS 13.3.2019). Es gibt zahlreiche Vorwürfe über unprofessionelles Verhalten, Diebstahl und Erpressung (HRW 17.1.2019; BS 2018). Straffreiheit bleibt ein verbreitetes Problem (AA 5.7.2019; vgl. USDOS 13.3.2019; HRW 17.1.2019). Im Feber 2018 wurde erstmals ein hoher Armeeoffizier für Ausschreitungen des Militärs gegen die Zivilbevölkerung verurteilt und erhielt eine Bewährungsstrafe; seine Soldaten dagegen Haftstrafen (AA 5.7.2019). Sicherheitskräfte folgen nur selten dem Strafgesetzbuch, die zivile Kontrolle über die Polizei ist ineffektiv (USDOS 13.3.2019). Disziplin innerhalb der und zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte scheinen sich aber zu verbessern (HRW 17.1.2019). Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_ %28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Guinea Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427387/488291_en.pdf, Zugriff 30.7.2019
- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002173.html, Zugriff 30.7.2019
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004162.html, Zugriff 30.7.2019
Folter und unmenschliche Behandlung
Das neue Strafgesetzbuch beseitigt die Todesstrafe und verbietet erstmals ausdrücklich Folter (FH 4.2.2019). Der Straftatbestand der Folter ist seit der Novellierung des Strafgesetzbuches 2016 gesondert erfasst (AA 5.7.2019). Folter ist nach Artikel 6 der Verfassung Guineas untersagt, dennoch wenden Sicherheitskräfte weiterhin ungestraft Folter und andere Formen körperlicher Gewalt an (AA 5.7.2019; vgl. USDOS 13.3.2019; FH 4.2.2019). Berichten zufolge wurden in mehreren Fällen Gefangene misshandelt und gefoltert (HRW 17.1.2019). Wachen foltern, verprügeln und vergewaltigen Häftlinge, darunter auch Kinder. Menschenrechtsaktivisten geben an, dass die schlimmsten Misshandlungen bei der Festnahme sowie in den Haftanstalten der Gendarmerie vorkommen (USDOS 13.3.2019). Dennoch waren Polizei und Gendarmerie 2018 an übermäßiger Gewalt, Korruption und Kriminalität beteiligt (HRW 17.1.2019). Mitglieder der Sicherheitskräfte sind jedoch in mehreren Vorfällen von exzessiver Gewaltanwendung (BS 2018) oder Misshandlung von Häftlingen verwickelt, als Reaktion auf Proteste und Kriminalität (HRW 17.1.2019). Zahlreiche Demonstranten sowie mehrere Angehörige der Sicherheitskräfte wurden in den letzten zehn Jahren zumeist durch Schusswaffen getötet; 2018 kamen mindestens 12 Menschen ums Leben (HRW 17.1.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_ %28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Guinea, h https://www.ecoi.net/de/dokument/2008159.html , Zugriff 30.7.2019 - HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002173.html, Zugriff 30.7.2019 - USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004162.html, Zugriff 30.7.2019
Korruption
Korruption ist in Guinea weit verbreitet und bleibt ein Problem. Während das Gesetz strafrechtliche Folgen für die Korruption von Beamten vorsieht, wird das Gesetz nicht wirksam umgesetzt. Beamte sind häufig ungestraft in korrupte Praktiken verwickelt. Öffentliche Gelder werden für den privaten Gebrauch oder für illegitime öffentliche Zwecke, wie das Kaufen teurer Fahrzeuge für Regierungsangestellte, missbraucht (USDOS 13.3.2019). 2004 gründete der Präsident per Dekret die Anti-Korruptionsbehörde (ANLC). Die ANLC ist die einzige staatliche Behörde, die sich ausschließlich auf die Bekämpfung der Korruption konzentriert (BS 2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Ein neues Antikorruptionsgesetz im Jahr 2017 gab der ANLC ein klareres rechtliches Mandat. Die Agentur blieb jedoch unterfinanziert und unterbesetzt (USDOS 13.3.2019). Das staatliche Handeln ist jedoch in weiten Bereichen, insbesondere bei Sicherheitskräften und Justiz, von Korruption und Willkür geprägt (AA 5.7.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Bei Sicherheitskräften ist Korruption endemisch. Polizei und Gendarmen erpressen Bürger an Straßensperren, in Gefängnissen und in Haftanstalten. Der Justiz fehlt die finanzielle und rechtliche Unabhängigkeit und Korruption findet auch in Gerichtsverfahren statt (USDOS 13.3.2019). Guinea belegte auf dem Korruptionsindex von Transparency International im Jahr 2018 Platz 138 von 180 (TI 2018). Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_ %28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019 - BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Guinea Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427387/488291_en.pdf, Zugriff 31.7.2019
- TI - Transparency International (2018): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/GIN, Zugriff 30.7.2019 - USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004162.html, Zugriff 31.7.2019
Wehrdienst und Rekrutierungen
In Guinea besteht keine Wehrpflicht (CIA 10.7.2019). Nach anderen Angaben besteht formal für alle männlichen Guineer zwischen 18 und 30 Jahren die Pflicht zur Leistung eines Wehr- oder Zivildiensts (Artikel 145 der Verfassung). Wegen der großen Zahl von Freiwilligen werden aber seit 1990 keine Wehrpflichtigen mehr eingezogen (AA 5.7.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_ %28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019 - CIA - Central Intelligence Agency (USA) (10.7.2019): The World Fact Book - Guinea, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gv.html, Zugriff 31.7.2019
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Menschenrechte sind zwar gesetzlich garantiert, werden aber von einer noch schwachen Justiz bisher nicht ausreichend geschützt. Besondere Sorgen macht die Einschränkung von Menschenrechten durch die konservativ-traditionelle gesellschaftliche Praxis. Dies betrifft insbesondere die Rechte von Frauen und von Kindern. Kritisch sind dabei vor allem die Praxis der Zwangsverheiratung von Minderjährigen, erzwungene Kinderarbeit und die verbreitete Genitalverstümmelung (AA 28.6.2019a). Seit Amtsantritt der Regierung Condé Ende 2010 kommt dem institutionalisierten Menschenrechtsschutz verstärkte Bedeutung zu. Die Bemühungen der Regierung werden insbesondere in der Schaffung eines eigenen Ministeriums für Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten (seit 2016) deutlich, stoßen in der Praxis jedoch immer wieder an Grenzen (AA 5.7.2019). Obwohl sich das Verhalten der Sicherheitskräfte in den letzten Jahren verbessert hat, sind Polizei und Gendarmerie an übermäßiger Gewalt, Korruption und Kriminalität beteiligt (HRW 17.1.2019). Bei Übergriffen herrscht Straflosigkeit, es ist allenfalls mit internen Disziplinarmaßnahmen zu rechnen. Diese Straflosigkeit ist ein zentrales Manko in der Menschenrechtsbilanz Guineas (AA 5.7.2019; vgl. HRW 17.1.2019). Nationale und internationale Menschenrechtsgruppen berichten zudem von Folter, mit der Gefangene eingeschüchtert oder Geständnisse erzwungen werden (HRW 17.1.2019). Die gravierendsten Menschenrechtsprobleme im Land sind u.a. die übermäßige Anwendung von Gewalt und Folter gegen Zivilisten durch die Sicherheitskräfte, willkürliche Verhaftungen, endemische Korruption auf allen Ebenen der Regierung, Vergewaltigungen und Gewalt gegen Frauen und Mädchen und Zwangs- und Frühehen (USDOS 13.3.2019). Obwohl die Verfassung und die Gesetze Meinungs- und Pressfreiheit gewährleisten (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 5.7.2019), schränkt die Regierung diese Freiheiten ein. Staatliche Fernseh- und Rundfunkmedien berichten überwiegend aus Regierungssicht (AA 5.7.2019). Unabhängige und oppositionseigene Medien sind aktiv und drücken ein weites Spektrum von Ansichten aus. Wichtigstes Medium bleibt aber noch – auch angesichts der hohen Analphabetenrate (41%) – das Radio (AA 28.6.2019b; vgl. USDOS 13.3.2019). Neben dem öffentlichen, regierungsgelenkten Rundfunk der RTG (Radio Television Guinéenne) gibt es seit 2006 zahlreiche private Radiosender im ganzen Land (ROG 2019; USDOS 13.3.2019). FM-Radio-Call-in-Shows bleiben beliebt und erlaubten den Bürgern, ihre Unzufriedenheit mit der Regierung auszudrücken. Die Zunahme der Online-Nachrichten-Websites spiegelt die wachsende Nachfrage nach unterschiedlichen Ansichten wider (USDOS 13.3.2019). Allerdings können Verleumdungen und Anschuldigungen zu Vergeltungsmaßnahmen durch die Regierung führen (USDOS 13.3.2019). Die Bedrohung der Medienfreiheit hat in den letzten Jahren zugenommen. 2018 wurden mehrere Journalisten wegen regierungskritischer Berichterstattung verhaftet und dann wieder freigelassen. Außerdem kam es zu Übergriffen auf Medieninstitutionen oder Journalisten (HRW 17.1.2019). Es gibt Berichte über physische Angriffe, Belästigung und Einschüchterung (USDOS 13.3.2019) Nach anderen Angaben hat sich das Klima für Journalisten in den letzten Jahren etwas verbessert (FH 4.2.2019). Es kam auch zur willkürlichen Schließung von Radio- und Fernsehsendern und Journalisten arbeiten weiterhin in einem Klima von Unsicherheit und Gewalt (ROG 2019). Das Strafgesetzbuch, das 2016 verabschiedet wurde, sieht Strafen von bis zu fünf Jahren Gefängnis wegen Diffamierung oder Beleidigung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vor (FH 4.2.2019). Im World Press Freedom Index 2019 belegt Guinea Platz 107 von 180 (ROG 2019). Die Pressefreiheit ist grundsätzlich gewahrt, Eingriffe durch staatliche Zensur finden im Ausnahmefall statt, wurden bisher aber nach scharfer Kritik der Zivilgesellschaft wieder zurückgenommen (AA 28.6.2019b). Die Verfassung sieht Versammlungsfreiheit vor, die Regierung schränkt dieses Recht jedoch ein (USDOS 13.3.2019). 2017/2018 kam es zu einer Zunahme von Demonstrationen, die teilweise in gewaltsamen Konfrontationen mit Sicherheitskräften mündeten. Seit Ende 2018 werden Straßendemonstrationen aus Sicherheitsgründen regelmäßig untersagt (AA 5.7.2019). Das Gesetz verbietet jedes Treffen, das ethnischen Charakter hat, sowie jede Versammlung, die die nationale Einheit bedrohen könnte. Für öffentliche Versammlungen ist eine Anmeldung einzuholen. Lokale Behörden können Demonstrationen verbieten, wenn sie der Ansicht sind, dass die öffentliche Ordnung bedroht ist (USDOS 13.3.2019). In der Praxis werden Versammlungen, die ohne Ankündigung abgehalten werden, oft gewaltsam aufgelöst (FH 4.2.2019). Die Regierung untersagt häufig Demonstrationen der Opposition (HRW 17.1.2019; vgl. BS 2018) und es kommt zum Einsatz von Tränengas und Wasserwerfer durch die Sicherheitskräfte (HRW 17.1.2019). Die Verfassung und Gesetze gewährleisten Vereinigungsfreiheit, und die Regierung respektiert dieses Recht in der Praxis (USDOS 13.3.2019). Es sind über 150 politische Parteien zugelassen, von denen aber nur 6 über eine nennenswerte Mitgliederzahl und über mehr als einen Abgeordneten in der Nationalversammlung verfügen. Staatliche Einschränkungen von oppositionellen Aktivitäten haben in den vergangenen Jahren abgenommen. Guineas Oppositionsparteien sind im Parlament stark vertreten. Bei den Kommunalwahlen am 4.2.2018 konnten Oppositionsparteien erstmals die Mehrheit in zahlreichen Städten und Gemeinden gewinnen und politische Verantwortung übernehmen (AA 5.7.2019). Die Regierung kooperiert mit UNHCR und anderen Hilfsorganisationen um Flüchtlingen, Staatenlosen und Asylwerbern Schutz und Hilfe zu bieten (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (28.6.2019a): Guinea - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/innenpolitik/206132, Zugriff 31.7.2019
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (28.6.2019b): Guinea - Kultur und Bildungspolitik, https:// www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/kultur-bildung/206134, Zugriff 31.7.2019
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_ %28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Guinea Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427387/488291_en.pdf, Zugriff 31.7.2019
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Guinea, h https://www.ecoi.net/de/dokument/2008159.html , Zugriff 31.7.2019 - HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002173.html, Zugriff 31.7.2019
- ROG - Reporter ohne Grenzen (2019): Rangliste der Pressefreiheit - Guinea, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/guinea/, Zugriff 31.7.2019 - USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004162.html, Zugriff 31.7.2019
Haftbedingungen
Die Haftbedingungen in zivilen Gefängnissen, die dem Justizministerium unterstehen, sind hart, lebensbedrohlich (USDOS 13.3.2019) und weit unter internationalen Standards (HRW 17.1.2019). Misshandlung, schlechte sanitäre Einrichtungen, Unterernährung, Krankheiten, mangelnde medizinische Betreuung (USDOS 13.3.2019) und Überbelegung der Gefängnisse sind weit verbreitet (HRW 17.1.2019). NGOs berichten von endemischer Unterernährung im gesamten Gefängnissystem (USDOS 13.3.2019). Allerdings unternahm das Justizministerium Schritte zur Verbesserung der Gefängnisverwaltung. Dies führte zu einer starken Reduzierung der Zahl an unterernährten Gefangenen und zu einigen Verbesserungen im Gesundheitsdienst der Gefängnisse (HRW 17.1.2019). Die Regierung gestattet Gefängnisbesuche durch lokale humanitäre und religiöse Organisationen, welche bedürftige Inhaftierte mit medizinischer Betreuung und Nahrung versorgen. Dem Roten Kreuz (ICRC) wird der regelmäßige Zugang zu allen zivilen Gefängnissen ermöglicht, und es führt weiter Partnerschaftsprogramme mit Gefängnis- und Sicherheitsbehörden durch, um die Haftbedingungen zu verbessern. Die Regierung gestattet internationalen Organisationen und NGOs auch den Zugang zu von der Gendarmerie geführten Gefängnissen. Die Haftbedingungen in Militärgefängnissen können nicht verifiziert werden, da die Regierung den Zutritt zu diesen generell verwehrt (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002173.html, Zugriff 1.8.2019
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004162.html, Zugriff 1.8.2019
Todesstrafe
Die Todesstrafe ist seit 2016 nicht mehr im Strafgesetzbuch vorgesehen (AA 28.6.2019a; vgl. AA 5.7.2019; FH 4.2.2019). Sie wurde bereits zuvor aufgrund eines Moratoriums im Einklang mit den von Guinea ratifizierten Römischen Statuten des Internationalen Gerichtshofs seit Jahren nicht mehr vollstreckt (AA 5.7.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (28.6.2019a): Guinea - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/innenpolitik/206132, Zugriff 31.7.2019
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_ %28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019 - FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2008159.html, Zugriff 31.7.2019
Religionsfreiheit
Ca. 89,1% der Bevölkerung sind Muslime, 6,8% Christen, und ca. 4% gehören anderen bzw. keinen Religionen an (CIA 10.7.2019). Die Verfassung sieht einen säkularen Staat vor, verbietet religiöse Diskriminierung und gewährt Glaubens- und Religionsfreiheit (USDOS 21.6.2019). In der Regel werden die religiösen Rechte respektiert (FH 4.2.2019). Die aktive Ausübung des muslimischen Glaubens hat zugenommen. Es gibt eine gewisse Dominanz des Islam im öffentlichen und im Alltagsleben. Angehörige nichtmuslimischer Gruppen (christlichen und/oder animistischen Glaubens) können dadurch latent benachteiligt werden (AA 5.7.2019). Einige nicht-muslimische Regierungsangestellte haben von gelegentlicher Diskriminierung berichtet (FH 4.2.2019). So erfahren Nicht-Muslime, insbesondere im Staatsdienst, eine soziale Benachteiligung (AA 5.7.2019; vgl. FH 4.2.2019), die sich unter anderem durch deren Unterrepräsentation in Schlüsselpositionen und geringeren Zugriffsmöglichkeiten auf staatliche Finanzressourcen manifestiert (AA 5.7.2019). Menschen, die vom Islam zum Christentum konvertieren, stehen manchmal unter Druck ihrer Gemeinschaft (FH 4.2.2019). Andererseits übt der Staat eine viel stärkere Kontrolle über die muslimischen Gemeinden als über die christlichen Kirchen aus, um vorhandene islamistische Strömungen im Keim zu ersticken. Aus Angst vor radikal-wahabistischen Bewegungen wurden in den letzten Jahren präventiv mehrere Moscheen geschlossen. Maßnahmen gegen Gläubige waren damit nicht verbunden (AA 5.7.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_ %28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019
- CIA - Central Intelligence Agency (USA) (10.7.2019): The World Fact Book - Guinea, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gv.html, Zugriff 31.7.2019
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2008159.html, Zugriff 31.7.2019 - USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011156.html, Zugriff 31.7.2019
Ethnische Minderheiten
Guinea ist ein multiethnisches Land mit drei großen und mehreren kleineren Sprachgruppen, die sich mit bestimmten Regionen identifizierten (USDOS 13.3.2019). Die drei zahlenmäßig größten Ethnien sind die Peulh (Fulani) (32%-40%), die Malinké (ca. 30%) und die Sussu (ca. 20%) (AA 5.7.2019; vgl. CIA 10.7.2019). Die Verfassung Guineas führt den Grundsatz der Gleichbehandlung auch hinsichtlich der ethnischen Zugehörigkeit mehrfach auf (Gleichstellungs- bzw. Gleichbehandlungsgebot in Art. 8); eine ethnisch diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis besteht nicht. Eine das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Leben beherrschende Ethnie gibt es nicht. Alle drei großen Ethnien sind in Parlament, Kabinett und in hohen Verwaltungsämtern (wenn auch nicht immer proportional zu ihrer Bevölkerungsstärke) vertreten. Eine systematische Diskriminierung der über 20 kleineren Ethnien, insbesondere der zahlreichen, meist animistisch-christlichen Glaubens geprägten Ethnien Waldguineas (Guerzé, Toma, Kissi) ist nicht erkennbar (AA 5.7.2019). Während das Gesetz rassistische oder ethnische Diskriminierung verbietet, kommt es durch Angehörige aller großen Ethnien zu Diskriminierung, z.B. bei der Einstellung von Mitarbeitern im privaten Sektor; es kann auch die ethnische Trennung von Stadtvierteln attestiert werden (USDOS 13.3.2019; vgl. BS 2018). Die ethnische Diskriminierung erstreckt sich beispielsweise auch auf Gerichte. Obwohl Bürger über ethnische oder regionale Vetternwirtschaft klagen, die sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor praktiziert wird, gibt es insgesamt keine ausgeprägten ethnisch oder religiös konstituierten Hindernisse hinsichtlich der Chancengleichheit (BS 2018). Im Laufe des Jahres 2018 kam es zu ethnisch motivierter Gewalt (USDOS 13.3.2019; vgl. BS 2018). In den letzten Jahren traten immer wieder inter-ethnische Spannungen auf, und die wichtigste politische Spaltung bleibt die ethnische. Trennungen sind v.a. zwischen ethnischen Maninka (Malinke, Mandingo) und Peulh/Fulani zu beobachten (BS 2018; vgl. AA 5.7.2019). Die politischen Eliten Guineas neigen nach wie vor dazu, ethnische Identität zu instrumentalisieren. Politische Loyalitäten und Parteien werden noch immer auch ethnisch konstituiert wahrgenommen (AA 5.7.2019). Die ethnische Spaltung ist auch mit der politischen Spaltung zwischen Regierung und Oppositionskräften verflochten; Konfrontationen zwischen Regierung und Opposition werden manchmal gewalttätig (BS 2018). So sehen sich Angehörige der Ethnie der Peulh, die mehrheitlich die Oppositionspartei UFDG wählen, politisch benachteiligt gegenüber den Malinké, die mehrheitlich für die Regierungspartei RPG stimmen. Eine systematische Diskriminierung der Peulh auf Basis ihrer ethnischen Zugehörigkeit ist damit jedoch nicht verbunden (AA 5.7.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_ %28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Guinea Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427387/488291_en.pdf, Zugriff 5.8.2019
- CIA - Central Intelligence Agency (USA) (10.7.2019): The World Fact Book - Guinea, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gv.html, Zugriff 5.8.2019 - USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004162.html, Zugriff 5.8.2019
Relevante Bevölkerungsgruppen - Kinder
Kinderehen stellen in Guinea ein Problem dar. Die Tradition ermöglicht Ehen ab vierzehn Jahren, obwohl Art. 280 des guineischen Zivilgesetzbuches für eine Eheschließung ein Alter von 21 Jahren für Männer und 17 Jahren für Frauen vorsieht (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 5.7.2019). Es gab 2018 keine bekannten Strafverfolgungsmaßnahmen mit Bezug auf Kinderehen. Allerdings konnte eine lokale NGO (Young Girls Leaders Club of Guinea Against Early and Forced Eriages) erfolgreich die Eheschließung von 11 Mädchen verhindern (USDOS 13.3.2019). Das Gesetz verbietet Kinderarbeit im formellen Sektor und legt Strafen von drei bis zehn Jahren Freiheitsstrafe fest. Kinder, die im informellen Sektor arbeiten, sind nicht vom Gesetz geschützt. Das Mindestalter für Erwerbstätigkeit beträgt 16 Jahre (USDOS 13.3.2019). Kinder arbeiten aber in hoher Zahl im informellen Sektor, meist als Straßenverkäufer oder Haushaltshilfe, leiden häufig unter Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung und haben oft weder Zugang zu medizinischer Versorgung, noch zu Bildungsangeboten. Insbesondere in den goldreichen Regionen in Oberguinea werden Kinder unter Duldung des Staates als Goldgräber ausgebeutet. Nach jüngsten Schätzungen von UNICEF sind über 60% aller Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren von Kinderarbeit betroffen. Zudem sind Fälle bekannt, in denen Kinder als Arbeitssklaven nach Mali, Sierra Leone und Côte d'Ivoire „verkauft“ werden (AA 5.7.2019). Das Gesetz sieht Strafen von fünf bis zehn Jahren Haft für alle Formen des Kinderhandels vor, einschließlich der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Kindern. Dieses Gesetz wird aber nicht durchgesetzt, und Kinderhandel bleibt ein ernstes Problem (USDOS 13.3.2019). Der Staat kommt seiner Verantwortung zur Durchsetzung der Schulpflicht auch deshalb nur unzureichend nach, da noch immer weit über die Hälfte der im Landesinneren geborenen Kinder nach Geburt nicht registriert werden und somit fernab jeglicher staatlicher Infrastruktur aufwachsen (AA 5.7.2019). Die Behörden erlaubten Kindern ohne Geburtsurkunde nicht den Schulbesuch oder den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Die Regierungspolitik sieht eine obligatorische Grundschulbildung für alle Kinder bis 16 Jahre vor (USDOS 13.3.2019). Allerdings sehen sich sowohl Mädchen wie auch Buben durch das nicht funktionierende Bildungssystem beeinträchtigt, so dass die durchschnittliche Schulbildung nur 2,4 Jahre beträgt (BS 2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_ %28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Guinea Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427387/488291_en.pdf, Zugriff 5.8.2019
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004162.html, Zugriff 5.8.2019 14.3.
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz garantiert uneingeschränkte Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, und die Regierung respektiert diese Rechte auch üblicherweise in der Praxis. Die Regierung fordert von allen Bürgern, die älter als 18 Jahre sind, einen Ausweis mitzuführen, welchen sie auf Verlangen an den Checkpoints vorzuweisen haben. Polizei und Sicherheitskräfte halten weiterhin Personen an Straßensperren an, um Bestechungsgeld zu verlangen und schränken dadurch die Reisefreiheit und die Sicherheit der Reisenden ein (USDOS 13.3.2019). In Conakry und auch im Landesinneren gibt es Straßensperren; Schikanen durch Zoll, Militär und Polizei sind häufig (BMEIA 8.8.2019).
Quellen:
- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (8.8.2019): Guinea, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/guinea/, Zugriff 8.8.2019
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Guinea, https://www.ecoi.net/en/document/2004162.html, Zugriff 8.8.2019
Grundversorgung
Guinea rangiert laut einem Bericht der Vereinten Nationen über die menschliche Entwicklung, derzeit auf Platz 182 von 188 Ländern (BS 2018). Trotz großer wirtschaftlicher Ressourcen (größte Bauxitvorkommen der Welt, reiche Vorkommen an Eisenerz, Nickel, Gold, Diamanten, Wasserkraft, großes landwirtschaftliches Anbaupotenzial), gehört Guinea zu den ärmsten Ländern der Welt (AA 25.6.2019c; vgl. BS 2018). Die schnell wachsende Bauxit-Minenindustrie Guineas bedroht jedoch die Lebensgrundlage von Tausenden von Guineern. Der Bergbau hat z.B. alte Ackerflächen zerstört und Wasserquellen beschädigt. Das Versäumnis der Regierung, die Landrechte zu schützen, nutzen Bergbauunternehmen, um alte Ackerflächen ohne Entschädigung zu nutzen. Damit werden dortige Bewohner ihrer Ernährungsgrundlage beraubt (HRW 2.10.2018). Seit 2010 geht die Politik unter der Regierung von Präsident Alpha Condé den Weg einer verstärkten Investition in die Infrastruktur und der Suche nach internationalen Partnern. Defizite des Rechtsstaates, schwache staatliche Strukturen und unzureichende Ausbildungssysteme verschlechtern die Investitionsbedingungen neben mangelhafter Regierungsführung, Vetternwirtschaft und der nach wie vor weit verbreiteten Korruption. Umfangreiche Wirtschaftsreformmaßnahmen der Regierung trugen aber zu einer verbesserten Wahrnehmung Guineas in internationalen Rankings bei. Im Doing-Business-Index 2018 der Weltbank rangiert Guinea auf Platz 152 von 190 (AA 25.6.2019c). Das BIP-Wachstum Guineas wurde durch die jüngste Ebola-Epidemie gebremst. Diese hat dazu geführt, dass die zahlreiche Bergbau- und andere Auslandsgeschäfte dauerhaft eingestellt wurden. Während die ausländischen Direktinvestitionen 2011 19% des BIP und 2012 11% des BIP ausmachten, sanken sie 2014 und 2015 auf nur 1%. Nach mehreren Jahren des Wachstums zwischen 2,3% und 3,9% brach dieses 2014 auf 0,4% und 2015 auf 0,1% ein. Dies ist zum Teil auf die Ebola-Krise, aber auch auf den Einbruch der Rohstoffpreise zurückzuführen. Das BIP pro Kopf, bereinigt um die Kaufkraft, ist in den letzten zehn Jahren stagniert und liegt zwischen 1.100 und 1.200 US-Dollar. Die Inflation ist von über 30% im Jahr 2005 auf etwa 8% im Jahr 2016 stetig zurückgegangen. Die Arbeitslosigkeit wird von der Weltbank auf etwa 2% geschätzt, aber die Unterbeschäftigung ist sicherlich viel höher (BS 2018). Soziale Sicherheitsnetze sind unzureichend bzw. kaum vorhanden und decken nur eine begrenzte Anzahl von Risiken für relativ wenige Begünstigte ab. Die Caisse Nationale de Sécurité Sociale (CNSS; Nationaler Fonds für soziale Sicherheit) ist die staatliche Einrichtung, die für die Bereitstellung von Sozialhilf